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Die gesetzlichen Einfallstore für einen politischen Missbrauch der Strafverfolgung müssen dringend geschlossen werden. Das aus dem vorletzten Jahrhundert stammende Weisungsrecht der Justizminister für Ermittlungen der Staatsanwaltschaften ist Gift für das Vertrauen der Menschen in eine objektive Strafjustiz.
Der Deutsche Richterbund (DRB) verlangt deshalb, sich an den europäischen Nachbarn zu orientieren, bei denen fast überall das Weisungsrecht für konkrete Strafverfahren abgeschafft worden ist oder nie eingeführt wurde. Österreich hat das inzwischen auch erkannt und nimmt die Justizministerin aus der Weisungskette bei der Strafverfolgung heraus. Die Bundesregierung sollte dem Beispiel folgen. Denn in den falschen Händen wäre ein politisches Durchgriffsrecht auf konkrete Strafverfahren fatal.
Nordrhein-Westfalen hat inzwischen einen Reformvorschlag für das Gerichtsverfassungsgesetz vorgelegt, der ein sinnvoller Kompromiss sein könnte. NRW nimmt die immer wieder geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen einen Wegfall des Weisungsrechts auf. Das Land will die Weisungsbefugnis zwar nicht abschaffen, sie aber auf Konstellationen begrenzen, in denen die Generalstaatsanwaltschaft gegen eine rechtsfehlerhafte Sachbehandlung der zuständigen Ermittler im konkreten Fall nicht einschreitet. Durch das Modell einer reinen Rechtsfehlerkontrolle gegenüber den Behördenleitungen würde Durchgriffsversuchen auf die zuständigen Ermittler und allen Spekulationen darüber von vornherein der Boden entzogen.
Hintergrund:
Die Vorschriften des 10. Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes (§§ 141 bis 152 GVG) sind in wesentlichen Teilen seit ihrem Erlass im Jahre 1879 unverändert geblieben. Durch den Ausbau des Rechtsstaates und eine stärkere Stellung der Staatsanwaltschaft sind sie jedoch überholt.
Angesichts der Diskussion über eine selbstverwaltete Justiz, die auch die Forderung nach einer selbstverwalteten Staatsanwaltschaft umfasst, und im Zuge der Entwicklung eines Leitbilds für den unabhängigen Europäischen Staatsanwalt legte der DRB 2004 einen Gesetzesvorschlag zur Neugestaltung der Vorschriften des 10. Titels des GVG vor. Kernpunkt dieses Vorschlags war die Abschaffung des Weisungsrechts der Landesjustizverwaltungen gegenüber den Staatsanwaltschaften für individuelle Strafverfahren. Dieser Entwurf wurde im Jahr 2014 überarbeitet und im Hinblick auf die Abschaffung des externen Weisungsrechts im Einzelfall spezifiziert. Um verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen und um die demokratische Legitimation staatsanwaltlichen Handelns sicherzustellen, ist nach dem Entwurf von 2014 ein besonderes Klageerzwingungsverfahren für die Landesjustizverwaltungen bei Verfahrenseinstellungen gem. § 170 Abs. 2 StPO vorgesehen.