Stellungnahme zur Erhöhung der Rechtsmittelstreitwerte in der Zivilprozessordnung und in weiteren Gesetzen
A. Tenor der Stellungnahme
Der Deutsche Richterbund (DRB) hat keine grundsätzlichen Bedenken und begrüßt das auf die Anhebung der Rechtsmittelstreitwerte an die inflationsbedingte Entwicklung beschränkte Vorhaben. Die für die Anhebung der Rechtmittelstreitwertgrenzen vorgeschlagenen Werte sind maßvoll. Zu den konkreten Auswirkungen der Anhebung der Rechtsmittelstreitwerte kann mangels verfügbarer spezifischer Zahlen allerdings keine zuverlässige Beurteilung abgegeben werden.
Zu begrüßen ist auch die Anhebung des Wertes für das Verfahren nach billigem Ermessen gemäß § 495a ZPO von 600 EUR auf 1.000 EUR. Wegen der nur inflationsbedingten Anpassung stellt eine solche Regelung keine Verkürzung des Rechtsschutzes des Bürgers dar. Zudem wird durch die Anpassung auf eine Wertgrenze von 1.000 EUR ein sinnvoller Gleichlauf mit der für die Einlegung einer Berufung erforderlichen Summe hergestellt.
Im Hinblick auf die mit dem Gesetzentwurf zur Anhebung des Zuständigkeitsstreitwertes vorgesehene Einführung weiterer streitwertunabhängiger Zuständigkeiten bei den Landgerichten, die nach Auffassung des DRB ausgeweitet werden sollte (vgl. hier die Stellungnahme des DRB Nr. 3/2025), sollte bei den Landgerichten zusätzlich die Einführung eines Verfahrens nach billigem Ermessen für die Verfahren bis zu einem Streitwert von 1.000 EUR erwogen werden. Dies trägt zur Beschleunigung der Verfahren und damit zur Entlastung der Rechtspflege bei.
B. Bewertung im Einzelnen
Ausgangspunkt der aus Sicht des DRB sinnvollen und zu befürwortenden Überlegungen zur Erhöhung der Rechtsmittelstreitwerte ist der Ausgleich der Inflation seit der letzten Anpassung. Der DRB hält die beabsichtigten Anpassungen der Rechtsmittelstreitwerte für maßvoll, da sie sich auf die rein inflationsbedingte Entwicklung beschränken. Die angedachten Werte stellen keine unverhältnismäßige Erschwerung des Zugangs zur Rechtsmittelinstanz dar. Der mit der Einlegung von Rechtsmitteln verfolgte Zweck, eine einheitliche Rechtsprechung zu fördern, wird hierdurch nicht beeinträchtigt.
I. Gegen die vorgeschlagene Anhebung der Wertgrenze für Berufungen (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ZPO; § 64 Abs. 2 b) ArbGG) und Beschwerden (§ 61 Abs. 1 und 3 FamFG) von derzeit 600 EUR auf 1.000 EUR bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Mangels Vorlage aussagekräftiger Zahlen zu der Anzahl der bei den Amtsgerichten in den letzten Jahren zwischen 601 EUR und 1.000 EUR eingegangenen Verfahren können allerdings die konkreten Auswirkungen für die Landgerichte und für die Oberlandesgerichte nicht zuverlässig beurteilt werden. Nach den beim Bundesamt für Justiz einsehbaren Zahlen stehen den bei den Amtsgerichten bundesweit im Jahre 2023 eingegangenen 773.365 Verfahren Berufungseingänge bei den Landgerichten im Umfang von 29.000 Verfahren gegenüber. Das bedeutet, dass knapp 4 % der amtsgerichtlichen Verfahren zur Einlegung eines Rechtsmittels geführt haben. Wie viele Verfahren mit einem Wert von 601 – 1.000 EUR darauf entfallen, kann nicht festgestellt werden. Bei einer gleichzeitigen Anhebung des Zuständigkeitsstreitwertes von 5.000 EUR auf 10.000 EUR dürfte allerdings die Berufungsquote zu den Landgerichten ansteigen. Denn bei Verfahren mit höheren Streitwerten besitzen Parteien trotz der Prozessrisiken erfahrungsgemäß grundsätzlich ein höheres Interesse an einer Abänderung eines Urteils als bei Verfahren mit deutlich geringeren Streitwerten. Von daher dürften die Auswirkungen der Anhebung des Berufungsstreitwertes auf eine 1.000 EUR übersteigende Berufungssumme deutlich hinter den Auswirkungen zurückbleiben, die mit einer Anhebung des Zuständigkeitsstreitwertes auf 10.000 EUR verbunden sind. Die Auswirkungen der Anhebung der Rechtsmittelstreitwertgrenzen auf den Bundesgerichtshof im Hinblick auf die beabsichtigte Anhebung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) von derzeit 20.000 EUR auf 25.000 EUR können ebenfalls nicht zuverlässig beurteilt werden. Da höchstrichterliche Entscheidungen die Einheitlichkeit der Rechtsprechung stets fördern, sollten mögliche Beeinträchtigungen allerdings nur maßvoll erfolgen. Dies dürfte mit dem konkreten Vorhaben, das sich auf die rein inflationsbedingte Anpassung der Rechtsmittelwerte beschränkt und daher nur eine eher unterproportionale Anzahl von Verfahren betreffen dürfte, allerdings gewährleistet sein.
II. Die Wertgrenze für das Verfahren nach billigem Ermessen (§ 495a ZPO) soll von derzeit 600 EUR auf 1.000 EUR heraufgesetzt werden. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen, weil es der Inflationsentwicklung seit der letzten Anpassung im Januar 2002 entspricht und daher ebenfalls als maßvoll anzusehen ist. Die Vorschrift dient der Entlastung der Rechtspflege für die im unteren Streitwertbereich liegenden Verfahren. Eine rein inflationsbedingte Anpassung führt nicht zur Verkürzung des Rechtsschutzes, da der rechtsuchende Bürger nicht schlechter gestellt wird als zum Zeitpunkt der Einführung dieser Vorschrift. Der Gleichlauf mit der Rechtsmittelwertgrenze für die Einlegung einer Berufung zum Landgericht erscheint ebenfalls sinnvoll.
Im Hinblick auf die Ausweitung der streitwertunabhängigen Zuständigkeiten bei den Landgerichten ist es zur Beschleunigung der Verfahren und zur Entlastung der Rechtspflege allerdings zielführend, das Verfahren nach billigem Ermessen auch bei den Landgerichten einzuführen. Der Anwendungsbereich des § 495a ZPO sollte daher auch auf die beim Landgericht mit einem entsprechenden Streitwert geführten Verfahren erstreckt werden.
III. Auch die inflationsbedingte Anhebung der Wertgrenzen für die Kostenbeschwerden (§ 567 Abs. 2 ZPO; § 304 Abs. 3 StPO; §§ 66 Abs. 2 S. 1, 68 Abs. 1 S. 1, 69 S. 1 GKG; §§ 57 Abs. 2 S. 1, 59 Abs. 1 S. 1, 60 S. 1 FamGKG; §§ 81 Abs. 2 S. 1, 83 Abs. 1 S. 1 GNotKG; §§ 4 Abs. 3, 9 Abs. 3 S. 1 JVEG; § 33 Abs. 3 S. 1 RVG) von 200 EUR auf 300 EUR ist zu begrüßen.
