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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts (IIR)

Mai 2002

Der Deutsche Richterbund hält die vorgeschlagene Neuregelung insgesamt für sehr sinnvoll. Die bisherige Regelung des Art. 102 EGInsO ist unzureichend.

 

Zu einzelnen Vorschriften:

 

1.) § 1 zu Art. 102 EGInSO-E

Angesichts der bereits durch die Verordnung Nr. 1346/2000 der EG hinzugekommenen Spezialmaterie ist es zu begrüßen, dass in § 1 zu Artikel 102 EGInsO-E die Möglichkeit einer Konzentration dieser zusätzlichen Spezialmaterie geschaffen wird. Dies gilt in gleicher Weise für das außerhalb der EG zukünftig geltende Insolvenzrecht mit der Vorschrift des § 348 Abs. 2 InsO-E.

Es ist sehr zu hoffen, dass die Bundesländer von dieser Ermächtigung Gebrauch machen. Die gesamte Materie des internationalen Insolvenzrechts erfordert tiefgreifende Spezialkenntnisse sowohl von den zuständigen Richtern wie nach Verfahrenseröffnung von den Rechtspflegern – vor allem auch in der Koordination der verschiedenen Partikularverfahren - , so dass ohne eine Spezialisierung eine sachgerechte Bearbeitung kaum denkbar ist.

 

2.) § 341 Abs. 3 InsO-E

§ 341 Abs. 3 InsO-E schafft eine Bevollmächtigung des Verwalters eines Partikularverfahrens zur Stimmrechtsabgabe in einem ausländischen Insolvenzverfahren. Der Entwurf knüpft dieses Stimmrecht allerdings nur an Anmeldung der Forderung in dem Verfahren, in dem der betreffende Verwalter bestellt ist.

Demgegenüber enthalten § 77 Abs. 1 und 2 InsO zu Recht ein wesentlich differenzierteres System für das Stimmrecht, das vor allem daran knüpft, ob eine Forderung geprüft und festgestellt ist. Das ist sachgerecht.

Die jetzige Entwurfsregelung könnte damit in Widerspruch zur InsO geraten, insbesondere, wenn ein Verwalter auf diese Weise mit einem Stimmrecht, das auf einer nicht geprüften Forderung beruht, im ausländischen Verfahren eine Entscheidung der Gläubigerversammlung beeinflussen kann.

 

3.) § 345 InsO-E.

§ 345 InsO-E regelt die öffentliche Bekanntmachung ausländischer Entscheidungen im Inland. Durch den Verweis auf § 9 Abs. 1 InsO ist damit auch die Internet-Veröffentlichung möglich.

Nach § 3 Abs. 1 der VO v. 12.02.2002 gelten für diese Veröffentlichungen bestimmte Löschungsfristen. Diese hängen teilweise von der Rechtskraft der zu veröffentlichenden Entscheidung ab. Diese wiederum dürfte sich wahrscheinlich in der Regel nach der Veröffentlichung in dem ausländischen Insolvenzverfahren richten, von der die deutsche Justiz nicht automatisch Kenntnis erhält. Von daher muss sichergestellt werden, dass bei Veröffentlichung ausländischer Entscheidungen auch eine entsprechende Mitteilung der Rechtskraft an die deutschen Behörden erfolgt oder zumindest mitgeteilt wird, wann eine Löschung in dem deutschen Publikationsmedium zu erfolgen hat.

 

4.) § 352 InsO-E

Nach § 352 InsO-E unterbricht nur die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens einen inländischen Rechtsstreit. Es ist nicht abzusehen, ob ausländische Insolvenzordnungen auch im Vorfeld der Eröffnung vergleichbare Regelungen wie § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO durch Entzug der Verfügungsbefugnis kennen. Sollte das der Fall sein, sollte geprüft werden, ob nicht in diesem Fall auch bereits die Wirkungen der Verfahrensunterbrechung eingreifen, wenn der Schuldner hierdurch im Inland seine Verfügungsbefugnis verliert.

 

5.) § 354 InsO-E

Gem. § 354 InsO-E ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das inländische Vermögen des Schuldners (Partikularverfahren) zulässig, wenn der Schuldner im Inland eine Niederlassung oder sonstiges Vermögen hat und bei einem Gläubigerantrag dieser ein besonderes Interesse an der Eröffnung des Verfahrens hat, insbesondere, wenn er in einem ausländischen Verfahren erheblich schlechter als in einem inländischen Verfahren stehen wird.

Ob die Voraussetzungen des Partikularverfahrens gemäß § 354 InsO-E jederzeit einfach und interessengerecht gehandhabt werden, erscheint nicht sicher. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Vorschrift des § 354 Abs. 2 InsO-E, nach der auf Antrag eines Gläubigers auch dann ein Partikularverfahren eröffnet werden kann, wenn der Schuldner im Inland keine Niederlassung hat. Wann ein „besonderes Interesse“ an der Eröffnung des Verfahrens seitens des Gläubigers vorliegt, lässt sich nur schwer voraus bestimmen und wird sicherlich zu einer Vielzahl von, möglicherweise auch widerstreitenden, Entscheidungen führen. Der gewählte Lösungsansatz überzeugt nicht. Sinnvoller erscheint es, ein Partikularverfahren lediglich dann zuzulassen, wenn der Schuldner im Inland eine Niederlassung hat.

 

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

Uta Fölster, Geschäftsführerin des DRB, Tel.: 030/20 61 25-0, Fax: 030/20 61 25-25,

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