#7/2025

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung und zur Anpassung des Strafrahmens bei geheimdienstlicher Agententätigkeit

 

Tenor der Stellungnahme

 

Mit den vorgesehenen Verschärfungen im Bereich des Terrorismusstrafrechts unternimmt der Reformgesetzgeber einen wichtigen Schritt, EU-Vorgaben umzusetzen und in Einzelfällen drohende Strafbarkeitslücken bei schwerwiegenden Straftaten zu schließen. Dies rechtfertigt eine Ausweitung der Strafbarkeit, führt aber zu weitergehenden Belastungen in der Justiz, deren hinreichende Berücksichtigung zweifelhaft erscheint. Der Referentenentwurf dürfte – sollte er Gesetz werden – zu einer deutlichen Erhöhung der Verfahrenszahlen und infolgedessen zu einer signifikanten Mehrbelastung der ohnehin bereits stark belasteten Strafverfolgungsbehörden führen.

Die darüber hinaus vorgesehene Erhöhung des Strafrahmens des § 99 StGB entspricht den Anforderungen der Praxis. Es ist ein Anstieg der Bedrohung durch nachrichtendienstliche Tätigkeit verschiedener Staaten zu beobachten, denen die Anhebung des Strafrahmens des in der Praxis in diesem Phänomenbereich relevantesten Delikts gerecht wird. Zudem vermeidet die Strafrahmenänderung Wertungswidersprüche zu anderen Strafrahmen des Staatsschutzstrafrechts.

 

Bewertung im Einzelnen

 

A. Zur Umsetzung Richtlinie Terrorismusbekämpfung

 

I. Die vorgeschlagenen Änderungen von § 89a StGB führen zu einer gesetzgeberischen Klarstellung, die mit einer erheblichen, jedoch nicht in jedem Punkt widerspruchsfreien Ausweitung der Strafbarkeit einhergeht.

 

1. Die Konkretisierung der terroristischen Zielsetzung einer Vorbereitungshandlung ist zu begrüßen.

Dass in § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB-E nunmehr eine einheitliche Definition der terroristischen Straftaten eingeführt wird, entspricht Art. 3 der Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung und führt zu mehr Rechtsklarheit; zu befürworten ist zudem die Vereinheitlichung mit den §§ 89c, 129a StGB. Mit Blick auf verfassungsrechtliche Bedenken sah sich der Bundesgerichtshof 2014 veranlasst, eine einschränkende Auslegung von § 89a StGB dahingehend vorzunehmen, dass der Täter bei der Vornahme der in § 89a Abs. 2 StGB normierten Vorbereitungshandlungen zur Begehung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat bereits fest entschlossen sein muss (BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 3 StR 243/13). Diese Auslegung findet nunmehr Eingang in das Gesetz.

2. Die Erweiterung des Kataloges „terroristischer Straftaten“ und der strafbaren Vorbereitungshandlungen führt zu einer erheblichen Ausweitung der Strafbarkeit.

Zwar behält der Referentenentwurf (an dieser Stelle) im Blick, dass eine weitergehende zeitliche Vorverlagerung der ohnehin schon früh angesiedelten Strafbarkeit von § 89a StGB insoweit nicht erfolgt. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass die an Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung orientierte Erweiterung des Kataloges „terroristischer Straftaten“ nicht nur zu einer begrifflichen Änderung des Tatbestandes – bislang insoweit „schwere staatsgefährdende Gewalttat“ – führen wird, sondern gegenüber der geltenden Rechtslage auch zu einer erheblichen Ausweitung von Bezugstaten, die bei entsprechender Zielsetzung „terroristische Straftaten“ darstellen können. Zu einer weiteren Ausweitung führen die künftig vorwerfbaren Vorbereitungshandlungen. Ist insbesondere den bislang von § 89a Abs. 2 StGB erfassten Vorbereitungshandlungen die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zumindest „indiziell immanent“, sollen künftig auch gefährliche Werkzeuge vom Tatbestand erfasst werden. Durch diese Regelung wird ersichtlich der Bedrohung durch Anschläge mit Alltagsgegenständen wie Messern oder Fahrzeugen Rechnung getragen. Zugleich aber werden die Anforderungen an den (festen) Tatentschluss entsprechend strenger sein müssen, was Staatsanwaltschaften und Gerichte mit Blick auf den Tatnachweis in der Praxis erwartbar vor Schwierigkeiten stellen wird.

3. Die Erweiterung „terroristischer Straftaten“ führt im System der Bezugstaten zu vereinzelten Wertungswidersprüchen.

§ 89a Abs. 1 StGB-E sieht für die Vorbereitung einer terroristischen Straftat einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Eine terroristische Straftat kann auch sein die Begehung der in §§ 303b, 305, 305a StGB unter Strafe gestellten Taten (§ 89a Abs. 1 Nr. 4 StGB-E). Diese sehen im Falle ihrer Vollendung ihrerseits Strafrahmen von bis zu drei Jahren im Grundtatbestand (§ 303b StGB) bzw. bis zu fünf Jahren (§§ 305, 305a StGB) vor. Im Ergebnis droht die Vorbereitung der Tat mit entsprechender terroristischer Zwecksetzung damit schwerer bestraft zu werden als ihre Vollendung ohne entsprechende Motivlage. Ob dies allein mit Blick auf die terroristische Zielsetzung gerechtfertigt werden kann, erscheint zweifelhaft.

4. Die Erstreckung der Strafbarkeit auf die Ausreise mit dem Ziel, sich an einer in- oder ausländischen terroristischen Vereinigung als Mitglied zu beteiligen oder um eine solche zu unterstützen (§ 89a Abs. 2 Nr. 4b StGB-E), ist aus Sicht der Praxis zu begrüßen.

Denn der Schuldgehalt ist mit dem der Tatbestandsvariante in § 89a Abs. 2 Nr. 4a StGB-E vergleichbar und entbindet die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte künftig davon, im Fall der beabsichtigten Ausreise zu einer terroristischen Vereinigung im Ausland auch Feststellungen zu einer möglichen Ausbildung zur Vorbereitung einer dort zu verübenden „terroristischen Tat“ zu treffen.

5. Die in § 89a Abs. 2 Nr. 5a StGB-E vorgesehene Erweiterung auf Fälle der Einreise zur Begehung einer terroristischen Straftat setzt Art. 9 der Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung um und ist gerechtfertigt.

Zudem wird durch § 89a Abs. 2 Nr. 5 StGB-E ein „logischer Bruch“ behoben, da Rechtsgutsverletzungen in Deutschland bei einer Einreise regelmäßig deutlich näher liegen als bei einer Ausreise im Sinne von § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB-E. Gleichwohl erscheint es nicht ohne weiteres wahrscheinlich, dass die in der Gesetzesbegründung erwähnten „Hit-Teams“ oder „Zellen“ im Ergebnis nicht entweder an eine terroristische Vereinigung im Ausland angebunden gewesen wären oder aber eine eigenständige Vereinigung (kriminell oder terroristisch) darstellten, so dass sie im Regelfall im Gefüge der §§ 129, 129a StGB ausreichend erfasst würden. Dies schließt aber nicht aus, dass Konstellationen entsprechend anschlagsentschlossener Einzelpersonen auftreten könnten, die künftig durch die in Aussicht genommenen, staatsanwaltschaftliche Ermittlungsmöglichkeiten eröffnenden Regelungen erfasst würden.

6.  Die Vorverlagerung der Strafbarkeit durch § 89a Abs. 2b StGB‑E führt zu weitergehenden Belastungen der Justiz.

Denn gemäß § 89a Absatz 2b StGB-E soll nunmehr über § 30 StGB hinausgehend bereits die versuchte Anstiftung zur Begehung einer terroristischen Straftat mit Strafe bedroht sein, auch wenn es sich bei der Bezugstat lediglich um ein Vergehen handelt. Mit dieser Umsetzung der Vorgaben aus Art. 6 und 14 der Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung ist für die Strafverfolgungsbehörden jedenfalls mit der Zunahme von Ermittlungsverfahren zu rechnen, die die Strafjustiz vor die Herausforderung stellen wird, im Einzelfall den persönlichen Schuldgehalt der in Frage stehenden, sehr weit vorverlagerten und gegebenenfalls wenig konkreten Tat zu bestimmen.

Gleiches gilt für § 89c Abs. 8 StGB-E, der ebenfalls zu einer erheblichen Ausdehnung der Strafbarkeit im Bereich der Terrorismusfinanzierung führt. 

Dessen ungeachtet ist in redaktioneller Hinsicht anzumerken, dass der bisherige Wortlaut der Vorschrift („der in Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 8 genannten Vergehen“) im Hinblick auf die in Nummer 1 genannten Verbrechen überdacht werden sollte.

7.  Auch die strafbare Androhung „terroristischer Straftaten“ führt zu einer weiteren Vorverlagerung der Strafbarkeit.

Mit § 89a Abs. 8 StGB-E soll in Umsetzung der Terrorismusrichtlinie auch die Androhung einer „terroristischen Straftat“ nach Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 8 unter Strafe gestellt werden. Auch damit ist indes eine weitergehende Vorverlagerung der ohnehin schon im Vorbereitungsstadium pönalisierten Straftat verbunden, was unausweichlich zu der Notwendigkeit führen wird, an die zu treffenden gerichtlichen Feststellungen besonders strenge Anforderungen zu stellen.

 

II. Erweiterungen im Bereich der strafbaren Terrorismus-finanzierung (§ 89c StGB-E) entsprechen europarechtlichen Vorgaben.

 

In § 89c Abs. 1 StGB-E wird der Katalog tauglicher Anknüpfungstaten entsprechend der Vorgaben der Art. 11 und 14 der Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung erweitert; dies geschieht durch eine Bezugnahme auf § 89a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 8 sowie Absatz 2 Nr. 2, 4 und 5 StGB-E. Zudem ist gem. § 89c Abs. 2 StGB-E die Strafbarkeit der Finanzierung bestimmter terroristischer Vorbereitungshandlungen und in § 89c Absatz 8 StGB-E eine Versuchsstrafbarkeit vorgesehen. Beides führt zu einer deutlichen Ausdehnung der Strafbarkeit, was im Hinblick auf den Schuld- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bedenklich erscheint, allerdings im Wesentlichen durch die umzusetzende EU-Richtlinie vorgegeben wird.

 

III.  Die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich von §§ 129a, b StGB folgen in Teilen einem Bedürfnis der Praxis, insbesondere im Bereich der Terrorismusfinanzierung. Sie werden jedoch zu erheblichen Mehrbelastungen der Justiz führen.

 

1.  Die Strafbarkeit auch der versuchten Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ist geeignet, im Einzelfall Strafbarkeitslücken insbesondere im Bereich der Terrorismusfinanzierung zu schließen, wird jedoch zugleich zu einer ganz erheblichen Mehrbelastung der Justiz führen.

Im Mittelpunkt der vorgeschlagenen Änderungen steht die Einführung einer Versuchsstrafbarkeit für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in § 129a Abs. 5 Satz 3 StGB-E. Diese Änderung trägt dem Umstand Rechnung, dass gerade im Bereich der Terrorismusfinanzierung der bislang erforderliche Erfolg einer Unterstützung im Einzelfall schwer nachzuweisen sein kann. Zudem hängt dieser Erfolg – etwa der tatsächliche Zugang einer Geldspende an den Empfänger – teilweise von Zufällen ab, die durch den Zuwendenden nicht beeinflusst werden können. Insoweit folgt die mit § 129a Abs. 5 StGB-E vorgesehene Versuchsstrafbarkeit einem kriminalpolitischen Bedürfnis, das die Vorverlagerung der Strafbarkeit in Form einer – verselbständigten und dogmatisch neuartigen – versuchten Beihilfe rechtfertigt.

2.  Die Erweiterung der Bezugstaten einer terroristischen Vereinigung auf Körperverletzungsdelikte im Sinne von § 224 StGB führt zu einer Erweiterung der Strafbarkeit, die zu einer erheblichen Zunahme von Ermittlungsverfahren insbesondere bei dem Generalbundesanwalt und Strafverfahren bei den Oberlandesgerichten führen wird.

§ 129a Abs. 2 StGB-E sieht unter anderem eine Erweiterung auf Fälle vor, in denen die Zwecke der Vereinigung darauf gerichtet sind, gefährliche Körperverletzungen zu begehen. In der Praxis würden mit dieser Regelung unter anderem Gruppierungen aus den Bereichen der politisch motivierten Kriminalität „rechts“ und „links“ erfasst werden können, die bislang teilweise „nur“ nach § 129 StGB als kriminelle Vereinigung verfolgt werden konnten beziehungsweise können.

Mit dieser Erweiterung des Straftatbestandes werden jedoch erhebliche Mehrbelastungen des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof und der Oberlandesgerichte einhergehen, denen die originäre Verfolgungszuständigkeit (§ 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG) zukommt. Für den Generalbundesanwalt wird dies zur Folge haben, dass in jedem Einzelfall die Abgabe von Ermittlungsverfahren wegen minderer Bedeutung (§ 142a Abs. 2 Nr. 2 GVG) zu prüfen und zu begründen sein wird. Die Oberlandesgerichte blieben ungeachtet einer Abgabe an die Staatsanwaltschaften der Länder erstinstanzlich zuständig.

 

B. Zur Anpassung des Strafrahmens bei geheimdienstlicher Agententätigkeit

 

I. Die Erhöhung des Strafrahmens des § 99 StGB entspricht den Anforderungen der Praxis.

 

Es ist ein Anstieg der Bedrohung durch nachrichtendienstliche Tätigkeit verschiedener Staaten zu beobachten, denen die Anhebung des Strafrahmens des in der Praxis in diesem Phänomenbereich relevantesten Delikts gerecht wird. Zudem vermeidet die Strafrahmenänderung Wertungswidersprüche zu anderen Strafrahmen des Staatsschutzstrafrechts.

 

II. Für den besonders schweren Fall der geheimdienstlichen Agententätigkeit besteht neben dem erhöhten Strafrahmen des Grunddelikts kein praktisches Bedürfnis.

 

Neben dem neuen Regelstrafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe erscheint die Beibehaltung des besonders schweren Falls in § 99 Abs. 2 StGB in der Folge entbehrlich. Eine Differenzierung ist angesichts des lediglich geringfügigen Unterschieds der Strafrahmen (Mindeststrafe von sechs Monaten im Grundtatbestand gegenüber einem Jahr im besonders schweren Fall bei gleichbleibender Höchststrafe von zehn Jahren) schwierig. Dies entspricht auch nicht der Systematik anderer Tatbestände des Strafgesetzbuchs.

 

 

C. Zu den strafprozessualen Folgeänderungen

 

Die strafprozessualen Folgeänderungen beinhalten vor allem Anpassungen, die den Ermittlungsbehörden nun auch weitere verdeckte Aufklärungsmöglichkeiten im Bereich des § 99 StGB eröffnen. Diese sind angesichts des regelmäßig konspirativen, professionellen Vorgehens der Täter erforderlich, wenn die Vorschrift nicht ins Leere laufen soll.

Ergänzend sollte in § 100g Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StPO eine Verweisung auf § 99 StGB eingefügt werden, um auch diese Vorschrift an den neuen Regelstrafrahmen des § 99 StGB anzupassen. Die Ermittlung retrograder Standortdaten erscheint insbesondere zur näheren Aufklärung eines Bewegungsbildes sowie etwaiger Ausspähungsziele eines Agenten für die Praxis erforderlich. Zudem sollte auch in § 100b StPO auf § 99 StGB ohne Nennung eines Absatzes verwiesen werden. Es ist angesichts der Erhöhung des Regelstrafrahmens kein Bedürfnis für eine eingeschränkte Verweisung ersichtlich; dies entspräche auch nicht der Gesetzessystematik.