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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zu einem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Der Deutsche Richterbund begrüßt den Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuchs – effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings ausdrücklich.

Der Entwurf trägt den Ergebnissen der Evaluierung zur Neufassung des § 238 Strafgesetzbuch durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen vom 1. März 2017 angemessen Rechnung. Die vorgeschlagenen Änderungen dürften in ihrer Gesamtheit dazu beitragen, die in der Strafverfolgungspraxis weiterhin bestehenden Nachweisprobleme zu reduzieren und einen effektiveren Opferschutz zu bewirken.

Weitergehender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht aus Sicht des Deutschen Richterbundes nicht. Letztlich liegen den beanzeigten Sachverhalten im Bereich des Stalkings häufig Zwei-Personen-Konflikte zugrunde, so dass nicht selten Aussage gegen Aussage steht. Die damit einhergehenden Beweisschwierigkeiten lassen sich durch weitere Gesetzesänderungen nicht lösen.

Effektiver Opferschutz wird vielmehr nur dadurch erreicht werden können, dass Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte sachlich wie personell adäquat ausgestattet sind. Darauf sollte insbesondere mit Blick auf die Verfolgung von Cyberstalking ein Hauptaugenmerk liegen.

 

B. Bewertung im Einzelnen

 

Der Deutsche Richterbund befürwortet die vorgeschlagenen Änderungen im Grundtatbestand des § 238 Abs. 1 StGB-E sowie die Neufassung des § 238 Abs. 2 StGB-E.

 

1.         Anpassung von Tatbestandsmerkmalen in § 238 Abs. 1 StGB-E

Bei der Evaluierung des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen wurden Probleme bei der Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale des § 238 Abs. 1 StGB „schwerwiegend“ und „beharrlich“ identifiziert.

Der Referentenentwurf sieht vor, das Tatbestandsmerkmal „schwerwiegend“ durch das Merkmal „nicht unerheblich“ zu ersetzen, um dadurch die Strafbarkeitsschwelle bei Nachstellungen herabzusetzen. Gegen diesen Vorschlag bestehen aus Sicht des Deutschen Richterbundes keine Bedenken.

Darüber hinaus sieht der Referentenentwurf vor, den Begriff „beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB durch den Begriff „wiederholt“ zu ersetzen, um die Vorschrift in der Praxis leichter handhabbar zu machen und einen verbesserten Opferschutz zu gewährleisten.

Der Deutsche Richterbund begrüßt diesen Reformvorschlag ausdrücklich. Die Voraussetzungen des unbestimmten Rechtsbegriffs „beharrlich“ mit seinen objektiven und subjektiven Elementen konnte in der Praxis oft nicht mit der erforderlichen Tragfähigkeit belegt werden; die Anforderungen an dieses Merkmal blieben letztlich unklar.

Das Merkmal „wiederholt“ dürfte in der Strafverfolgungspraxis zu einem Zuwachs an Rechtsklarheit führen. Die Entwurfsbegründung lässt dem Rechtsanwender den erforderlichen Spielraum, indem sie ausführt, dass es vom Einzelfall abhängig sei, wie viele Wiederholungen es für das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals bedarf. Maßgebend soll insoweit sein, wie schwer die jeweiligen Tathandlungen im Einzelfall wiegen.

 

2.         Erweiterung des Katalogs der Tathandlungen um spezifische Vorgehensweisen des Cyberstalkings

Der Deutsche Richterbund befürwortet die Erweiterung des Katalogs der Tathandlungen in § 238 Abs. 1 Nr. 5 - 7 StGB-E um spezifische Vorgehensweisen des Cyberstalkings. Mögen diese Tatbegehungsformen teilweise bereits von § 238 Abs. 1 StGB in seiner gegenwärtigen Fassung abgedeckt worden sein, so geht mit der Neufassung ein nicht unerheblicher Zuwachs an Rechtsklarheit einher.

Der technische Fortschritt hat neue Tatbegehungsformen zutage gefördert, denen mit dem geltenden Regelungsregime mitunter nicht in adäquater Form begegnet werden konnte. Die Entwurfsbegründung nennt insoweit zutreffend die Verwendung sogenannter Stalking-Apps bzw. Stalkingware, die auch von Tätern ohne vertiefte IT-Kenntnisse verwendet werden können. Diesem Phänomen trägt § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB-E Rechnung. Die Aufnahme in den Katalog der Nachstellungshandlungen ist ungeachtet des regelmäßig zugleich verwirklichten § 202a StGB sinnvoll, da bei Hinzutreten weiterer Umstände der Weg für eine Bestrafung nach § 238 Abs. 2 oder Abs. 3 StGB-E geebnet wird.

Mit § 238 Abs. 1 Nr. 6 StGB-E nimmt sich der Referentenentwurf einer Fallkonstellation an, die in der Strafverfolgungspraxis häufig anzutreffen ist. Die Entwurfsbegründung führt zutreffend aus, dass die unkontrollierte Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung von Bildern einer Person für diese eine erheblich einschüchternde Wirkung haben kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich - was leider häufig vorkommt - um intime Aufnahmen handelt. Die notwendige tatbestandliche Eingrenzung von § 238 Abs. 1 Nr. 6 StGB-E kann ohne weiteres über die übrigen Merkmale des § 238 Abs. 1 StGB-E erfolgen.

Auch § 238 Abs. 1 Nr. 7 StGB-E deckt Nachstellungsmethoden ab, welche die Betroffenen regelmäßig ganz erheblich belasten. Die Entwurfsbegründung nennt in diesem Zusammenhang zahlreiche in der Strafverfolgungspraxis vorkommende Fallkonstellationen, anhand derer eine rechtssichere Anwendung der Norm gewährleistet sein dürfte.

Die Neufassung des Katalogs der Tathandlungen in § 238 Abs. 1 StGB-E ist aus Gründen der Übersichtlichkeit und Gesetzessystematik auch insoweit zu begrüßen, als Stalking-Handlungen im nicht-virtuellen Raum (§ 238 Abs. 1 Nr. 1 - 3 StGB-E) von solchen im virtuellen Raum (§ 238 Abs. 1 Nr. 4 - 7 StGB-E) abgegrenzt werden.

 

3.         Regelung besonders schwerer Fälle in § 238 Abs. 2 StGB

Der Referentenentwurf schlägt vor, die ursprüngliche Qualifikationsvorschrift des § 238 Abs. 2 StGB bei identischer Strafandrohung in eine Regelung besonders schwerer Fälle umzuwandeln und um drei weitere besonders schwere Fälle zu erweitern.

Der Deutsche Richterbund begrüßt diesen Reformvorschlag ausdrücklich.

Die Qualifikation des § 238 Abs. 2 StGB sowie die Erfolgsqualifikation des § 238 Abs. 3 StGB in der geltenden Fassung kommen in der Strafverfolgungspraxis selten zur Anwendung. Dies hat zur Folge, dass die Anordnung von Untersuchungshaft aufgrund von Wiederholungsgefahr gemäß § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO kaum möglich ist. Setzt der Täter seine Nachstellungshandlungen etwa während des Ermittlungsverfahrens oder gar während laufender Hauptverhandlung hartnäckig fort, führt dies im schlimmsten Falle zu einer Erosion des Vertrauens des Opfers sowie der Öffentlichkeit in die Effektivität der Strafverfolgung. Denn aus Opfersicht werden die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig daran gemessen, ob sie den Schutz der betroffenen Person mit strafverfahrensrechtlichen Mitteln zu gewährleisten imstande sind.

Dieses Problem löst der Referentenentwurf durch eine weitere Fassung von § 238 Abs. 2 StGB-E. Die Ausgestaltung des bisherigen Qualifikationstatbestands als Regelbeispiel für den besonders schweren Fall verschafft den Tatgerichten ein höheres Maß an Flexibilität. Die neu gefassten § 238 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 StGB-E erweitern das Spektrum besonders strafwürdiger Nachstellungshandlungen in angemessener Form. Aus der Perspektive des Opferschutzes ist es nur konsequent, eine erhöhte Strafandrohung bei der Verursachung einer Gesundheitsschädigung vorzusehen (§ 238 Abs. 2 Nr. 1 StGB-E); dasselbe gilt für Fälle quantitativ und/oder qualitativ herausstechender Nachstellungen (§ 238 Abs. 2 Nr. 3 und 4 StGB-E).

Besonders zu begrüßen ist dabei, dass der Entwurf dem Rechtsanwender in § 238 Abs. 2 Nr. 3 und 4 StGB-E konkrete Zeitfenster an die Hand gibt, was zur Rechtsklarheit beiträgt.

Etwaige Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes werden dadurch ausgeräumt, dass sich die Regelung des § 238 Abs. 2 StGB-E nicht auf § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB-E bezieht.