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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zu einer Formulierungshilfe des BMJV für den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten

 

Kernelement des demokratischen Rechtsstaats ist seine Fähigkeit, den Raum für gesellschaftlichen Diskurs in all seinen durch Artikel 5 GG geschützten Ausprägungen zu eröffnen und zu bewahren. Sogenannte „Feindeslisten“, die sowohl im extremen linken als auch im extremen rechten politischen Spektrum geführt werden, sind geeignet, den gebotenen Diskurs über politisch und gesellschaftlich relevante Fragestellungen durch unterschwellige, bislang strafrechtlich nicht hinreichend erfasste Drohungen zu beeinflussen.

Die Zielsetzung, einer solchen in der Praxis zunehmend zu beobachtenden Beeinflussung mit einer neuen Strafvorschrift (§ 126a StGB-E) entgegenzutreten, ist dem Grunde nach zu begrüßen. Jedoch bedarf es einer weitergehenden Einhegung des weit gefassten Tatbestands, um zu gewährleisten, dass die von Art. 5 GG geschützte freie Meinungsäußerung und kritische Berichterstattung oder auch die gesellschaftliche und politische Debatte selbst im Einzelfall von § 126a StGB-E nicht erfasst werden. Diese im Interesse eines demokratischen Diskurses gebotene, im Einzelfall auch zugespitzte Meinungskundgabe von der Anwendung des Strafrechts auszunehmen, leistet der Regelungsentwurf in der jetzigen Fassung nicht.

Hierzu im Einzelnen:

Tathandlung von § 126a StGB-E ist das Verbreiten personenbezogener Daten, unter die der Entwurfsbegründung zufolge alle Informationen fallen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen Stellungnahme (Entwurfsbegründung Seite 7), darunter gerade auch frei recherchierbare, nicht spezialgesetzlich vor Verbreitung und Veröffentlichung geschützte Daten (Entwurfsbegründung Seite 4). Dieses für sich genommen neutrale, im Einzelfall sogar erwünschte Handeln – auch Presseberichte verbreiten regelmäßig personenbezogene Daten – soll dadurch eingehegt werden, dass nur diejenige Verbreitung personenbezogener Daten strafbar sein soll, die geeignet ist, diese Person oder eine ihr nahestehende Person der Gefahr eines gegen sie gerichteten Verbrechens oder einer sonstigen rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit sowie gegen eine Sache von bedeutendem Wert auszusetzen. Wenngleich in diesem Zusammenhang ausdrücklich von einer „konkreten Gefährdungseignung“ (Entwurfsbegründung Seite 8) die Rede ist, genügt tatbestandlich die abstrakte Gefahr der Begehung einer solchen qualifizierten Straftat.

Eine solche Eignung zu einer Gefährdung betroffener Personen soll nach der Gesetzesbegründung vorliegen, wenn nach Art und Weise der Verbreitung sowie den sonstigen relevanten konkreten Umständen des Falles bei einer Gesamtwürdigung die Besorgnis gerechtfertigt ist, es könne zu einer rechtswidrigen Tat kommen (Entwurfsbegründung Seite 7 f.). Als konkrete Umstände, die eine solche Gefährdungseignung nahelegen, nennt der Entwurf u.a. die Anonymität des Verfassers oder auch die extremistische Ausrichtung der Internetseite, auf der die Daten veröffentlicht werden (Entwurfsbegründung Seite 8).

Es ist schwer zu erkennen, dass allein diese abstrakte Gefährdungseignung, hinsichtlich derer der Täter lediglich Eventualvorsatz haben muss (Entwurfsbegründung Seite 8), die weit gefasste Tathandlung angemessen einzuschränken vermag. Denn es gilt zugleich, die grundrechtlich geschützte freie Meinungsäußerung, die im Einzelfall zugespitzte politische Debatte und die sie begleitende kritische Berichterstattung vor unterschwelliger Einschüchterung durch extreme politische oder gesellschaftliche Strömungen zu schützen, ohne sie zugleich selbst der Gefahr der Strafbarkeit auszusetzen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte kritische Berichterstattung über beispielsweise einen Politiker oder auch die politische Debatte selbst im Einzelfall § 126a StGB-E unterfallen, weil sie auf eine aufgeheizte, im Einzelfall gewaltbereite Leser- oder Anhängerschaft treffen. Diese im Interesse eines demokratischen Diskurses gebotene Meinungskundgabe von der Anwendung des Strafrechts auszunehmen, leistet der Regelungsentwurf in der jetzigen Fassung nicht.

Die hierzu in der Entwurfsbegründung aufgeführten Umstände, die aufgrund ihres extremistischen Verbreitungskontexts eine Gefährdungseignung nahe- Stellungnahme legen sollen, mögen hilfreich sein, um auf den bedingten Tatvorsatz zu schließen. Zu einer Beschränkung bzw. Einhegung der Tathandlung taugen sie indes wenig.

Um dieses auch aus Sicht der Entwurfsverfasser wenig wünschenswerte Ergebnis (vgl. Entwurfsbegründung Seite 7) auszuschließen, bedürfte es einer weitergehenden Tatbestandsbeschränkung. Diese könnte darin liegen, neben der reinen Eignung auch die Bestimmung zur Gefahrbegründung vorzusehen. Denkbar wäre alternativ, eine Konkretisierung des subjektiven Tatbestands vorzunehmen und absichtliches Handeln des Täters zu verlangen.