#5/2023

Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesbesoldungs- und
-versorgungsangemessenheitsgesetzes (BBVAngG)

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Der Deutsche Richterbund tritt für eine deutliche Verbesserung der Besoldung der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ein.

Der Gesetzentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zur Herstellung einer amtsangemessenen Besoldung erfüllt die Erwartungen nicht. Er widerspricht in wesentlichen Teilen dem Grundgesetz und ist auch personalwirtschaftlich fragwürdig. Die Tabellengehälter der Beamten- und Richterschaft werden durch neue wohnort- und familienbezogene Leistungen, die künftig bis zu einem Drittel der Gesamtbesoldung ausmachen, verwässert und intransparent ausgestaltet. Dem geltenden Leistungsprinzip wird in Abkehr von allgemein geltenden Vergütungsstandards zu wenig Beachtung geschenkt. Bei Dienstantritt in einer ungelernten Tätigkeit soll ein Beamter, weil er verheiratet ist und zwei Kinder hat, künftig ein höheres Einkommen haben als ein Beamter, der ein dreijähriges Studium absolviert hat und in seiner Laufbahn bereits befördert wurde, aber ledig und kinderlos ist. Damit stellt dieser Entwurf das gesamte Verdienstgefüge auf den Kopf und gewährt Leistungen für Beamtenkinder, die für Kinder nicht verbeamteter Eltern niemals gewährt würden. Das ist ungerecht und inakzeptabel.

Die Besoldung muss dem jeweiligen Amt angemessen sein, nicht dem Familienstand, der Kinderzahl oder dem Wohnort. Dieses grundlegende Prinzip der Besoldung wird durch den Entwurf offenbar aus kurzsichtigen fiskalischen Gründen heraus außer Kraft gesetzt. Der vorliegende Entwurf verschleiert zudem das gravierende Ausmaß der aktuellen Unterbesoldung.

Angesichts dieses Befundes ist gesetzgeberisch und politisch das veranlasst, worauf das Bundesverfassungsgericht bereits in den Entscheidungen zum Mindestabstand der Besoldung von der Grundsicherung und zum Streikverbot für Beamte klar hingewiesen hat: Es braucht eine signifikante Erhöhung der (Tabellen-)Besoldung von Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in Deutschland.

 

B. Bewertung im Einzelnen

 

Der Deutsche Richterbund begrüßt das Anliegen, die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2020 zum Mindestabstand der Besoldung von der Grundsicherung endlich auch für die Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter des Bundes und die Soldatinnen und Soldaten umzusetzen.

Der vorgelegte Entwurf verwirklicht den Verfassungsauftrag, eine amtsangemessene Besoldung herzustellen jedoch nicht. Er hat dies noch nicht einmal zum Ziel. Vielmehr beschränkt er sich darauf, rechnerisch den Mindestabstand der Besoldung von der Grundsicherung herstellen zu wollen. Er geht dabei allerdings nicht nur methodisch unzureichend vor. Er wählt auch Mittel, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen. Er stellt das Besoldungssystem gleichsam auf den Kopf. Die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass sich die Besoldung am jeweils ausgeübten Amt zu orientieren hat, wird durch soziale Besoldungsparameter wie Familienstand, Kinderzahl und Wohnort erheblich verwässert. Das macht aus der bisher am Leistungsprinzip orientierten Besoldung ein Entgeltsystem, das nach Art einer Sozialleistung am individuellen Bedarf ausgerichtet ist, und widerspricht deshalb den nach Art. 33 Abs. 5 GG vom Gesetzgeber zu beachtenden hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Die Neuregelung führt zudem zu personalpolitischen Verwerfungen im gesamten Besoldungsgefüge und auch im Verhältnis zu den Angestelltenvergütungen, die von den Tarifvertragsparteien aus gutem Grunde heraus unabhängig von den vorgenannten sozialpolitischen Gesichtspunkten ausgestaltet worden sind.

 

I. Verfassungsauftrag

 

Der Entwurf missachtet den verfassungsrechtlichen Gestaltungsauftrag des Besoldungsgesetzgebers nach Art. 33 Abs. 5 GG.

 

1. Herleitung

Zu den vom Gesetzgeber zu beachtenden hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt das Alimentationsprinzip. Artikel 33 Abs. 5 GG ist unmittelbar geltendes Recht und enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber. Das Alimentationsprinzip wird von verschiedenen Determinanten geprägt. Es verpflichtet den Dienstherrn, Beamte und Richter sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Die Besoldung stellt in diesem Zusammenhang kein Entgelt für bestimmte Dienstleistungen dar. Sie ist vielmehr ein „Korrelat“ des Dienstherrn für die mit der Berufung in das Richter- und Beamtenverhältnis verbundene Pflicht, unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit – grundsätzlich auf Lebenszeit – die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und gemäß den jeweiligen Anforderungen die Dienstpflichten nach Kräften zu erfüllen. Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position, zu der die individuelle Garantie einer amtsangemessenen Besoldung und Versorgung durch das Alimentationsprinzip und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung wesentlich beitragen, bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot, während diese umgekehrt eine gerichtliche Kontrolle der Alimentation erfordern; diese Strukturprinzipien sind untrennbar miteinander verbunden. Im Rahmen seiner Verpflichtung zu einer dem Amt angemessenen Alimentation hat der Gesetzgeber auch die Attraktivität der Dienstverhältnisse von Richtern und Staatsanwälten für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen.

Dieser Auftrag erfordert, dass der Gesetzgeber Vorstellung davon entwickelt, welche Besoldung welchem Amt angemessen ist. Das gilt grundsätzlich bereits, wenn ein vorhandenes Besoldungssystem lediglich fortgeschrieben werden soll. Es gilt jedoch in besonderer Weise, wenn – wie hier – eine grundlegende Veränderung vorgenommen wird.

 

2. Bewertung

Diesem Anspruch genügt der Entwurf nicht. Er stellt solche Überlegungen nicht an, sondern beschränkt sich darauf, offensichtliche Verfassungswidrigkeiten durch systemwidrige punktuelle Aufstockungsregelungen beseitigen zu wollen. Der Regelungsauftrag geht aber darüber hinaus, denn zu regeln ist die amtsangemessene Besoldung, nicht lediglich eine Besoldung die – bei oberflächlicher Betrachtung – gerade so die offensichtliche Verfassungswidrigkeit vermeidet.

 

II. Prozedurale Anforderungen und Tatsachenermittlung

 

Der Gesetzentwurf genügt hinsichtlich der Tatsachenermittlung und seinen Darlegungen nicht den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten prozeduralen Anforderungen an eine Besoldungsregelung.

Die Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber ist an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen geknüpft. Diese treten als „zweite Säule“ des Alimentationsprinzips neben seine auf eine Evidenzkontrolle beschränkte materielle Dimension und dienen seiner Flankierung, Absicherung und Verstärkung. Zwar schuldet der Gesetzgeber nach überkommener Auffassung von Verfassungs wegen grundsätzlich nur ein wirksames Gesetz. Da aber das grundrechtsgleiche Recht auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation keine quantifizierbaren Vorgaben im Sinne einer exakten Besoldungshöhe liefert, bedarf es prozeduraler Sicherungen, damit die verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive des Art. 33 Abs. 5 GG auch tatsächlich eingehalten wird (BVerfGE 155, 1 <Rn. 96 f.>).

Diese Anforderungen missachtet der Entwurf in entscheidenden Bereichen, nämlich vor allem in Bezug auf die Ermittlung und Darstellung des Mindestabstands der Besoldung von der Grundsicherung.

 

1. Erster bis dritter Parameter der ersten Prüfungsstufe

Die Ausführungen zum ersten bis dritten Parameter der ersten Prüfungsstufe (S. 51-53 des Entwurfs) treffen im Wesentlichen zu.

Der Eindruck, dass sich die Besoldung schneller entwickelt habe als die Einkommen der Tarifbeschäftigten (Tariflohnindex – erster Parameter) sowie die Einkommen der Gesamtbevölkerung (Nominallohnindex – zweiter Parameter) ist allerdings falsch. Der zahlenmäßige Vorsprung der Besoldungsentwicklung ist allein darauf zurückzuführen, dass im Wert für 2012 eine Erhöhung um 2,44 % enthalten ist, durch welche die Abschaffung der Jahressonderzahlung im Jahr 2006, die dort zu einer Absenkung der Besoldung um 2,5 % geführt hatte, weitgehend kompensiert wird. Im vorliegenden Entwurf fällt das nur deshalb nicht auf, weil die an sich erforderliche Staffelprüfung nicht durchgeführt wurde.

Im Übrigen zeigt der Vergleich vor allem, dass die Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst in Krisenzeiten stabil bleibt, dafür allerdings die Aufholbewegung in wirtschaftlich günstigen Jahren nicht mitvollzieht.

Beim Vergleich mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist mit zu berücksichtigen, dass der Index ausschließlich die lineare Entwicklung der Tabellengehälter betrachtet. Tatsächlich werden im Tarifbereich weitere Leistungen gewährt, sodass die reale Entwicklung dieser Einkommen höher ist, als sie in der Tabelle dargestellt wird. Aus diesem Grunde macht sich der Deutsche Richterbund dafür stark, dass wegen der unterschiedlichen Regelungsmöglichkeiten im Tarif und in der Besoldung Tarifabschlüsse von ihrem Volumen her vollständig übernommen werden, d.h. die nichtlinearen Tarifleistungen im Besoldungsbereich in ergänzende lineare Leistungen übersetzt werden.

Beim Vergleich mit dem Nominallohnindex darf überdies nicht vergessen werden, dass dieser die kontinuierlich sinkende durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Beschäftigten nicht mit abbildet, die nach dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2021 nur noch 34,7 Stunden betrug, während sie bei den Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern in Vollzeit weiter bei 40 Stunden lag. Beim Vergleich mit dem Nominal-Stundenlohn würde sich daher ein erheblicher Vorsprung der Einkommensentwicklung der Gesamtbevölkerung im Vergleich zur Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst, sowohl bezogen auf die Tarifbeschäftigten als auch auf die Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern ergeben.

Insgesamt weisen diese beiden Parameter darauf hin, dass die Entwicklung der Einkommen hinter der Wirtschaftsentwicklung als solcher zurückbleibt. Im Zeitraum 2007 bis 2022 ist das deutsche Bruttosozialprodukt von 2.499 auf 3.858 Mrd., € also um 54 % gewachsen, während die Einkommen im selben Zeitraum nur um etwa 40 % wuchsen.

Der Vergleich mit dem Verbraucherpreisindex (dritter Parameter) zeigt schließlich an, dass sich der Lebensstandard der Tarifbeschäftigten sowie der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter über den zu betrachtenden 15-Jahreszeitraum nur aufgrund der über lange Jahre hinweg niedrigen Inflation geringfügig positiv entwickelt hat. Weder die gestiegenen Anforderungen an ihre Tätigkeiten noch Effektivitätsgewinne haben sich auf ihr Einkommen ausgewirkt. Angesichts der aktuellen Entwicklung droht zudem ein weiterer realer Einkommensverlust, wie er schon im Jahr 2022 zu verzeichnen war.

 

2. Vierter Parameter der ersten Prüfungsstufe

Der Gesetzentwurf ermittelt die Werte des vierten Parameters der ersten Prüfungsstufe unzureichend und zum Teil methodisch falsch. Darüber hinaus erweist sich das Mindestabstandsgebot als aktuell gravierend verletzt.

a) Systeminterner Besoldungsvergleich – Binnenabstandsgebot

Die Ausführungen zum systeminternen Besoldungsvergleich sind verfassungsrechtlich mindestens zweifelhaft.

Der systeminterne Besoldungsvergleich trägt dem besoldungsrechtlichen Leistungsprinzip und damit dem Erfordernis der Amtsbezogenheit der Besoldung Rechnung. Die Amtsangemessenheit der Alimentation der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter bestimmt sich auch durch ihr Verhältnis zur Besoldung und Versorgung anderer Beamtengruppen. Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die „amts“-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung. Die Organisation der öffentlichen Verwaltung stellt darauf ab, dass in den höher besoldeten Ämtern die für den Dienstherrn wertvolleren Leistungen erbracht werden. Deshalb muss im Hinblick auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter eine Staffelung der Gehälter einhergehen. Vergleiche sind dabei nicht nur innerhalb einer Besoldungsordnung, sondern gerade auch zwischen den verschiedenen Besoldungsordnungen geboten (BVerfGE 155, 1 <Rn. 43>).

Dieser Parameter ist verletzt, wenn es beispielsweise infolge unterschiedlich hoher linearer oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen zu einer deutlichen Verringerung der Abstände zwischen zwei zu vergleichenden Besoldungsgruppen kommt, nämlich wenn der Abstand von zwei zu vergleichenden Besoldungsgruppen innerhalb von 5 Jahren um mindestens 10 % abschmilzt (BVerfGE 155, 1 <Rn. 44>).

Zutreffend verneint der Entwurf ein solches Abschmelzen der Abstände innerhalb der Tabelle der Grundgehälter (S. 54); diese haben sich in der Tat allenfalls geringfügig geändert, seitdem das Bundesverfassungsgericht die im Tarifbereich verbreiteten, allein sozialpolitisch motivierten Veränderungen der Grundgehaltstabelle, vor allem durch ungleichmäßige Erhöhungsfaktoren und Sockelbeträge praktisch für unzulässig erklärt hat (BVerfGE 140, 240 <Rn 91>; 145, 304 <Rn. 99>).

Dem Sinn des systeminternen Besoldungsvergleichs widerspricht es aber mit hoher Wahrscheinlichkeit, die geänderten Familienzuschläge einschließlich des alimentativen Ergänzungszuschlags und der Abschmelzbeträge nicht mit zu berücksichtigen, wie es der Entwurf vorsieht (Seite 54). Zwar ist aus den früheren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht erkennbar, dass beim systeminternen Besoldungsvergleich auch die Familienzuschläge mit zu berücksichtigen sind. Allerdings hatten diese einen deutlich geringeren Anteil am Gesamteinkommen und sollten auch nicht einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen, sondern kompensierten die besondere Belastung der Familie durch Verfügbarkeit des Beamten für seinen Dienstherren und leisteten einen Beitrag zu der aus der Kindererziehung resultierenden Belastung (BVerfGE 21, 329 <345 f.>; BVerwGE 124, 227 <Rn. 9>). Findet aber ein Paradigmenwechsel statt und erlangt der Familienzuschlag Bedeutung für die Gewährleistung des amtsangemessenen Lebensstandards, erscheint es nicht nur folgerichtig, sondern unvermeidbar, ihn rechnerisch in den systeminternen Besoldungsvergleich einzubeziehen.

Es ergibt sich beispielhaft folgendes Bild im Januar 2023 für den Abstand zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen:

 

Besoldungsgruppe

Grundgehalt

Familienzuschlag (verh., 2 Kinder)

Gesamtgehalt

A9 gD - Endstufe

3.878,13 €

416,92 €

4.295,05 €

A10 gD - Endstufe

4.344,64 €

416,92 €

4.761,56 €

Abstand

+ 12 %

 

+ 10,86 %

 

Nach dem Entwurf würde sich im Juli 2023 folgendes Bild ergeben:

 

Besoldungsgruppe

Grundgehalt

Familienzuschlag (verh., 2 Kinder)

AEV (max.)

Gesamtgehalt

A9 – Endstufe

3.878,13 €

263,04 €

417 €

4.558,17 €

A10 – Endstufe

4.344,64 €

263,04 €

398 €

5.005,68 €

Abstand

+ 12 %

 

 

+ 9,82 %

 

Hier ist einerseits zu erkennen, dass die neuen Familienleistungen einen erheblichen Einfluss auf den Abstand zwischen den Besoldungsgruppen haben und andererseits die Erhöhung den Abstand zwischen den Besoldungsgruppen signifikant abschmilzt – in dem willkürlich gewählten Beispielsfall um fast genau jene 10 %, dem Schwellenwert, bei dessen Überschreitung der Parameter verletzt wäre.

Ein solches Abschmelzen der Besoldungsabstände ist aber nur im Rahmen einer Neueinschätzung der Ämterwertigkeit und der Neustrukturierung des Besoldungsgefüges selbst zulässig; im Übrigen greift das Abschmelzverbot (BVerfGE 145, 304 <Rn. 79>). Dass im vorliegenden Fall eine Neueinschätzung der Ämterwertigkeit oder eine Neustrukturierung des Besoldungsgefüges beabsichtigt wäre, behauptet die Entwurfsbegründung nicht. Auch aus ihrem Text lässt sich dies nicht erkennen.

b) Mindestabstandsgebot

Der Entwurf ermittelt den Abstand zwischen Grundsicherungsniveau und der untersten Besoldung unzureichend und inhaltlich auch unzutreffend.

Grundsicherungsniveau und unterste Besoldung sind besonders sorgfältig zu ermitteln, weil das Alimentationsprinzip schon dann verletzt ist, wenn die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe den Mindestabstand zur Grundsicherung nicht einhält (BVerfGE 155, 1 <Rn. 48>). Die Bedeutung des Mindestabstandsgebots reicht also weit über das hinaus, was seine Verortung als Unterpunkt des vierten Parameters der ersten Prüfungsstufe anzudeuten scheint: Ist er verletzt, erübrigen sich alle weiteren Prüfungen der ersten und zweiten Prüfungsstufe, und es kommt nur noch darauf an, ob sich auf der dritten Prüfungsstufe hinreichende kollidierende Erwägungen von Verfassungsrang als Rechtfertigung für die Verletzung finden lassen.

aa) Unterste Besoldung

Der Entwurf ermittelt nicht die aktuell unterste Nettobesoldung, sondern die künftig unterste. Das ist schon deshalb unzureichend, weil es dem parlamentarischen Gesetzgeber unmöglich machen soll, eine Vorstellung davon zu entwickeln, inwieweit die aktuelle Besoldung das Mindestabstandsgebot beachtet und im Falle der Nichtbeachtung, welcher Handlungsbedarf überhaupt besteht. Das lässt sich allenfalls mit Blick auf die Höhe des „alimentativen Ergänzungszuschlags“ erahnen. Zudem unterstellt der Entwurf auf diese Weise systemwidrig und mit unpassendem Optimismus, dass sein Regelungskonzept verfassungsgemäß ist.

Aktuell ist die unterste Grundbesoldung die Besoldungsgruppe A3 Erfahrungsstufe 1 mit einem Grundgehalt von 2.370,74 €. Die Familienzuschläge für einen Verheirateten mit zwei Kindern betragen 449,13 €. Die monatliche Bruttobesoldung beträgt damit 2.819,87 €.

Die angegebenen Kosten für die private Krankenversicherung sind nicht belegt und auch nicht aus allgemein zugänglichen Quellen verifizierbar. Die prozeduralen Anforderungen dienen jedoch nicht allein der Selbstvergewisserung des Gesetzgebers. Sie haben auch die Funktion, dem Normunterworfenen die Prüfung zu ermöglichen, ob die verfassungsrechtlichen Anforderungen eingehalten sind und gegebenenfalls die Risiken eines Rechtsstreits abschätzen zu können. Das ist mit einem Verweis auf eine nicht publizierte Auskunft eines privaten Interessenverbandes zu Tarifen, die es zum Teil noch nicht gibt, nicht gewährleistet.

Soweit es die aktuellen Tarife der privaten Krankenversicherung anbelangt, ergeben sich für das Jahr 2022 monatliche Kosten von ca. 635 €.

Die Berücksichtigung von Rundfunkbeitrag und Sozialtarifen bei der untersten Besoldung mag mathematisch für die Höhe der Differenz folgenlos sein. Sachlich ist sie dennoch falsch, weil es sich um Elemente des Grundsicherungsniveaus handelt, die dort erörtert werden.

Daher beträgt die aktuell unterste Nettobesoldung unter Einbeziehung des Kindergeldes und einer niedrigeren Einkommensteuer gerundet 2.350 €.

bb) Grundsicherungsniveau

Das Grundsicherungsniveau ist hinsichtlich mehrerer Elemente methodisch unzureichend und inhaltlich unzutreffend ermittelt.

Hinsichtlich der Höhe der Grundsicherungsleistungen trifft den Besoldungsgesetzgeber die Pflicht, die ihm zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen, um diese Höhe zutreffend zu erkennen, die Entwicklung der Lebensverhältnisse zu beobachten und die Höhe der Besoldung an diese Entwicklung kontinuierlich im gebotenen Umfang anzupassen (BVerfGE 155, 1 <Rn.53>).

Das Grundsicherungsniveau umfasst alle Elemente des Lebensstandards, der den Empfängern von Grundsicherungsleistungen staatlicherseits gewährt wird, unabhängig davon, ob diese zum von Verfassungs wegen garantierten Existenzminimum zählen oder über dieses hinausgehen und ob zur Befriedigung der anerkannten Bedürfnisse Geldleistungen gewährt oder bedarfsdeckende Sach- oder Dienstleistungen erbracht werden (BVerfGE 155, 1 <Rn. 50>). Dazu gehören neben den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 SGB II, die Kosten für Unterkunft und Heizung, die Leistungen für Bildung und Teilhabe, die Mehrbedarfe und die Sozialtarife.

(1) Die angegebenen Regelbedarfe dürften das Jahr 2022 betreffen. Das ist unzureichend, weil das Gesetz den Zustand im Jahr 2023 regeln soll und sich die Regelbedarfe der Grundsicherungsleistungen durch die Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2023 bereits um ca. 10 % erhöht haben, was in die Ermittlung des Mindestabstands einzustellen wäre.

(2) Der Gesetzentwurf legt unzutreffende Unterkunftskosten zugrunde.

Zur realitätsnahen Ermittlung dieser Kosten hatte das Bundesverfassungsgericht empfohlen, auf die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zu den tatsächlich gewährten Kosten zurückzugreifen und auf das 95 %-Perzentil abzustellen, um Extremwerte auszuschließen (BVerfGE 155, 1 <Rn. 55, 59>). Denn um der verfassungsrechtlichen Zielsetzung, das Grundsicherungsniveau als Ausgangspunkt für die Festlegung der Untergrenze der Beamtenbesoldung zu bestimmen, gerecht zu werden, muss der Bedarf für die Kosten der Unterkunft so erfasst werden, wie ihn das Sozialrecht definiert und die Grundsicherungsbehörden tatsächlich anerkennen. Auch muss der Ansatz so bemessen sein, dass er auch in den Kommunen mit höheren Kosten der Unterkunft das Grundsicherungsniveau nicht unterschreitet (BVerfGE 155, 1 <Rn. 57>).

Der Entwurf geht einen anderen Weg, indem er unter Rückgriff auf die sozialgerichtliche Rechtsprechung zu den angemessenen Wohnkosten im Rahmen der Grundsicherung abstellt und damit auf die Werte der Wohngeldtabelle mit einem Aufschlag von 10 %. Das ist ungenügend, denn auf diese Wese wird nur betrachtet, was als angemessene Kosten definiert wird, nicht was die Grundsicherungsbehörden tatsächlich anerkennen und was in den Kommunen mit höheren Kosten der Unterkunft auch tatsächlich gewährt wird.

Diese Unterscheidung ist keineswegs banal, was ein Blick in die Statistik der Bundesagentur für Arbeit bezogen auf das Jahr 2021 (neuere sind noch nicht vorhanden) offenbart: Das 95 %-Perzentil der tatsächlich gewährten laufenden Unterkunftskosten (ohne Heizkosten) einer 4-Personen-Bedarfsgemeinschaft (BG) mit 2 Kindern betrug in Hamburg 2.152 € monatlich; das entspricht etwa dem Doppelten des Betrages, der theoretisch unter Zugrundelegung der Wohngeldtabelle angemessen gewesen wäre. Das spricht nicht gegen die Grundsicherungsbehörden, sondern offenbart die Lebensferne der Wohngeldtabelle. In Bayern lag das entsprechende 95 %-Perzentil immerhin noch bei 1.159 € - und das in einem Flächenland, in dem sich die Extremwerte der Landeshauptstadt zumindest etwas nivellieren dürften. Im Bereich zwischen 900 und 1.000 € liegen die Vergleichswerte für Baden-Württemberg, Berlin und Hessen. Angesichts dieses Befundes ist der Verweis auf die Wohngeldtabelle zzgl. 10 % nicht realitätsnah.

(3) Die angegebenen Heizkosten sind offensichtlich unzutreffend.

Im Grundsicherungsrecht werden die Heizkosten unter Zugrundelegung des Heizspiegels des Vorjahres (für das vorvergangene Jahr als Abrechnungszeitraum) zugrunde gelegt, was das Bundesverfassungsgericht als realitätsnah angesehen hat (BVerfGE 155, 1 <Rn. 62>).

Nach dem für 2023 heranzuziehenden Heizspiegel 2022 (Abrechnungsjahr 2021) sind angemessene Heizkosten 25,91 €/m². Bei einer angemessenen Wohnfläche von 85 m² ergibt dies angemessene monatliche Heizkosten in Höhe von 183,50 €. Ebenso realitätsgerecht wäre es auch gewesen, wieder auf die Leistungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit abzustellen. Dort bewegten sich die Werte des 95 %-Perzentils 2021 bundesweit in einem Korridor zwischen 180 und 200 €.

Stattdessen stellt der Entwurf auf die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2018 ab. Das ist schon deshalb unzulässig, weil diese Werte für die Jahre 2022 und 2023 nicht mehr hinreichend aktuell sind und folglich keine realitätsnahen Ergebnisse produzieren können. Unter diesen Umständen sind die im Entwurf angegebenen Heizkosten von nur 130 € offensichtlich unzutreffend und nicht in der gebotenen Weise realitätsnah ermittelt.

(4) Die Leistungen für Bildung und Teilhabe sind zwar nicht sinnvoll – und damit unzureichend – ermittelt, bewegen sich aber mit 132 € zumindest auf einem nicht völlig unplausiblen Niveau. Die Vergleichszahlen der Länder schwanken zwischen 100 und 140 €, wobei mehrheitlich Werte von über 120 € angegeben werden.

(5) Mehrbedarfe erwähnt der Entwurf gar nicht. Im Bundesdurchschnitt bewegen sie sich auf einem Niveau von 5 € pro Monat.

(6) Grob falsch sind die angegebenen Sozialtarife.

Hier ist schon die methodische Herangehensweise grob fehlerhaft. Es wird anhand der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 angegeben, wie viel für die Teilhabe am kulturellen Leben ausgegeben wird. Nicht nur, dass die Datenbasis nicht aktuell ist. Es wird ein Wert angegeben, auf den es nicht ankommt. Es geht nicht darum, wie viel Geld der Betroffene ausgibt, sondern welche Vergünstigungen, Rabatte oder Ersparnisse ihm zugänglich sind. Kann ein Grundsicherungsempfänger eine Leistung im Wert von 10 € erhalten und muss dafür nur 1 € aufwenden, entspricht der Sozialtarif seiner Ersparnis von 9 € und nicht, wie der Entwurf meint, seiner Ausgabe von 1 €.

Richtigerweise hätte deshalb ermittelt werden müssen, welche Vergünstigungen Grundsicherungsempfängern in kulturellen Einrichtungen oder bei Veranstaltungen (Theater, Museen, Zoos, Sportstätten, Sportvereinen, Bäder, Bibliotheken usw.) sowie im öffentlichen Personennahverkehr (Sozialticket) typischerweise gewährt werden. Soweit die Länder in ihren Gesetzen hierfür Werte angegeben haben, schwanken diese zum Teil erheblich, wobei sie mit der für ihre Ermittlung aufgewendeten Sorgfalt tendenziell steigen. Als plausibel sind Werte anzusehen, die sich in etwa auf dem Niveau der Leistungen für Bildung und Teilhabe, also unter Einschluss des Rundfunkbeitrages bei etwa 130 € im Monat bewegen.

(7) Zwischenergebnis

Legt man all das zugrunde, ergeben sich in einem Ort der Mietenstufe IV ein Lebensniveau und eine Mindestbesoldung in etwa in der im Entwurf angegebenen Höhe von 2.950 bzw. 3.400 € (S. 57). Dies ist allerdings kein Extremwert, sondern liegt allenfalls moderat über dem Bundesschnitt.

cc) Ausmaß der Unteralimentation

Ausgehend von diesen Werten ist festzustellen, welches Ausmaß die aktuelle Unteralimentation hat.

Nach den obigen Feststellungen beträgt die unterste Besoldung derzeit 2.350 € und liegt damit etwa 20 % unter dem Grundsicherungsniveau. Bis zur Mindestbesoldung fehlen 35 %. Das Alimentationsprinzip ist damit für die zur Prüfung gestellte unterste Besoldung unzweifelhaft und erheblich verletzt.

Der exakte Wert könnte sich mit genaueren Tatsachenermittlungen möglicherweise noch etwas weniger dramatisch darstellen, aber er wird in jedem Fall signifikant bleiben. Legt man allein das Rechenbeispiel des Gesetzentwurfs zugrunde, werden zur Erreichung der Mindestbesoldung das Grundgehalt um 300 € erhöht und die Familienzuschläge – in Orten der Mietenstufe VII – um 750 €, während die Kosten der Krankenversicherung um 200 € reduziert werden. Das ergibt einen Erhöhungsbetrag bei der untersten Besoldungsgruppe von 1.250 € oder etwa 50 % der aktuell untersten Besoldung; in einem Ort der Mietenstufe IV würde die Erhöhung immerhin noch 900 € betragen, was auch noch mehr als 35 % der gegenwärtig untersten Besoldung ausmacht.

Weil die Familienzuschläge und das Kindergeld derzeit zusammen etwa 1.000 € betragen und damit gemeinsam der Höhe der Abzüge für die Einkommensteuer und die Krankenversicherung entsprechen, wird die Mindestbesoldung voraussichtlich erst bei einem monatlichen Grundgehalt von ca. 3.400 € zuverlässig erreicht. In der aktuellen Tabelle wird dieser Wert erst in der Besoldungsgruppe A8 in der 6. Stufe erreicht. Erst in der Besoldungsgruppe A11 wird er schon in der 1. Stufe überschritten. Von den 112 Feldern der Tabelle der Besoldungsordnung A wird der Wert in 50 Feldern unterschritten. Selbst wenn der Grenzwert bei einem Grundgehalt von nur 3.000 € liegen würde, wäre er noch immer in 39 Feldern und damit in mehr als einem Drittel der gesamten Tabelle unterschritten und das Alimentationsprinzip damit auch insoweit für zahlreiche Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen verletzt.

Die weitere Prüfung auf der zweiten Prüfungsstufe ist deshalb an sich entbehrlich.

 

3. Fünfter Parameter der ersten Prüfungsstufe

Zum fünften Parameter sei darauf hingewiesen, dass die angegebene Berechnung so nicht nachvollziehbar ist. Das Ergebnis ist gleichwohl plausibel. Nach der hiesigen Berechnung liegt das fiktive R1-Grundgehalt des Bundes ca. 1 % über dem Bundesdurchschnitt. Der fünfte Parameter der ersten Prüfungsstufe ist damit offensichtlich nicht verletzt. Nach gegenwärtigem Stand liegt nur die Besoldung im Saarland mehr als 5 % unterhalb des Bundesdurchschnitts; der Schwellenwert für die Verletzung des Parameters wäre allerdings erst bei 10 % erreicht (BVerfGE 155, 1 <Rn. 83>).

 

4. Zweite Prüfungsstufe

Der Entwurf erklärt die zweite Prüfungsstufe für irrelevant, weil auf der Basis der vorgeschlagenen Neuregelung kein Parameter der ersten Prüfungsstufe verletzt sei (S. 60).

Das ist mit Blick auf das aktuelle Besoldungsniveau allerdings – wie bereits dargelegt – unzutreffend und verkürzt die Bewertung unzulässig. Die Angemessenheit der Besoldung ergibt sich nicht allein aus der entwicklungsbezogenen Betrachtung der Vergleichswerte der ersten Prüfungsstufe. Auch ist die zweite Prüfungsstufe nicht verschlossen, wenn keiner der Vergleichsparameter der ersten Prüfungsstufe verletzt ist.

Daher bleibt der Blick auf die absoluten Verdienstverhältnisse nicht belanglos. Diesen Vergleich nimmt das Bundesverfassungsgericht anhand der Leistungsgruppen der Verdienststatistik vor (BVerfGE 140, 240
<Rn. 137>). Nach den beim Statistischen Bundesamt abrufbaren Zahlen betrug das durchschnittliche Bruttojahresverdienst (dBJV) der Vollbeschäftigten in Deutschland im Jahr 2021 (neuere Zahlen sind nicht verfügbar) 54.163 €.

a) Beamtenbesoldung allgemein

Das Statistische Bundesamt gibt als durchschnittliche Bruttomonatsverdienste in der Gesamtwirtschaft im 4. Quartal 2021 (aktuellere Zahlen sind nicht verfügbar) nach Leistungsgruppen (Männer und Frauen gesamt) folgende Werte an. Das Verhältnis zum dBJV wurde hier rechnerisch ermittelt und wird zur besseren Einordnung angegeben:

 

Leistungsgruppe

pro Monat

pro Stunde

Wochenarbeitszeit

Verhältnis zum dBJV

1 = h.D.

7.517 €

43,85 €

39,5 h

166,5 %

2 = g.D.

4.962 €

29,31 €

39,0 h

109,9 %

3 = m.D.

3.471 €

20,59 €

38,8 h

76,9 %

4 = e.D.

2.778 €

16,50 €

38,7 h

61,5 %

 

Die Leistungsgruppe 1 bilden Beschäftigte in leitender Tätigkeit (üblicherweise mit Hochschulabschluss), Leistungsgruppe 2 herausgehobene Fachkräfte (üblicherweise mit Fachschulabschluss), Leistungsgruppe 3 Fachkräfte (üblicherweise mit abgeschlossener Berufsausbildung) und Leistungsgruppe 4 angelernte Beschäftigte.

Aus diesen Daten ist erkennbar, dass vor allem im Bereich der Leistungsgruppe 4 das Einkommen zwar bereits deutlich oberhalb des Mindestlohns liegt, aber in der Konstellation der Alleinverdienerehe mit 2 Kindern das Grundsicherungsniveau einer 4-Personen-Bedarfsgemeinschaft mit 2 Kindern nicht erreicht; allerdings stehen dieser Bevölkerungsgruppe ergänzende Leistungen wie Wohngeld zur Verfügung. Nötigenfalls können aufstockende Grundsicherungsleistungen bezogen werden. Zugleich vermitteln diese Zahlen einen Eindruck davon, welches Niveau die Grundsicherungsleistungen – entgegen einer verbreiteten Annahme in der Gesellschaft – tatsächlich im Verhältnis zu Tätigkeiten im Niedriglohnbereich haben.

Erkennbar ist weiterhin, dass die Verdienste herausgehobener Fachkräfte, also üblicherweise Beschäftigter mit einer Fachhochschulausbildung, leicht oberhalb des Durchschnitts der Gesamtbevölkerung liegen. Die Verdienste von Führungskräften, also üblicherweise Beschäftigter mit Hochschulausbildung, liegen deutlich, nämlich um 2/3 über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.

Die Verdienste der Leistungsgruppen lassen sich mit den Grundgehältern nach dem Bundesbesoldungsgesetz für den Dezember 2021 in Beziehung setzen. Weil keine Daten darüber vorliegen, wie schnell die jeweilige Laufbahn durchlaufen und wann das jeweilige Endamt erreicht wird, kann keine Durchschnittsbesoldung angegeben werden, sondern nur der Besoldungsrahmen vom Dienstantritt bis zur Pensionierung. Als Anfangsgrundgehalt wird das Grundgehalt der untersten Besoldungsgruppe der jeweiligen Laufbahngruppe in der ersten Erfahrungsstufe herangezogen, als Endgrundgehalt das Grundgehalt der höchsten Besoldungsgruppe der jeweiligen Erfahrungsgruppe in der höchsten Erfahrungsstufe. Das Verhältnis zum Durchschnittseinkommen der zum Vergleich herangezogenen Leistungsgruppe sowie zum durchschnittlichen Bruttojahresverdienst aller Vollzeitbeschäftigten wurde hier rechnerisch ermittelt und zur Einordnung angegeben:

 

Laufbahngruppe

Anfangsgrundgehalt

Endgrundgehalt

Höhe

Verhältnis

Höhe

Verhältnis

zur LG

zum dBJV

zur LG

zum dBJV

h.D. A13 – A16 (LG1)

4.511 €

60,0 %

99,9 %

7.935 €

105,6 %

175,8 %

g.D. A9 – A12 (LG2)

2.933 €

59,1 %

65,0 %

5.228 €

105,4 %

115,8 %

m.D. A6 – A8 (LG3)

2.447 €

70,5 %

54,2 %

3.519 €

101,4 %

78,0 %

e.D. A3 – A6 (LG4)

2.329 €

83,8 %

51,6 %

2.990 €

107,6 %

66,2%

 

Erkennbar ist, dass in den Laufbahngruppen die Einkommen vom Beginn des Berufslebens bis an sein Ende unterschiedlich stark ansteigen. Im einfachen Dienst steigen sie um ca. 30 %, im mittleren Dienst um 45 %, im gehobenen und im höheren Dienst um etwa 75 %, was auf die stärkere Steigerung der Anforderungen zwischen dem Eingangs- und dem Endamt im höheren und im gehobenen Dienst im Vergleich zur Steigerung der Anforderungen zwischen dem Eingangs- und dem Endamt im mittleren und einfachen Dienst zurückzuführen ist.

Relevanter ist die Feststellung, dass die Eingangsbesoldung erheblich unter dem Verdienstdurchschnitt der Leistungsgruppe liegt und die Endbesoldung nur wenig darüber. Auch unter Berücksichtigung anderer Regelungen zur Absicherung von Krankheit und Alter zeigt sich hieran, dass die Besoldung in allen Bereichen hinter den Verdiensten vergleichbar qualifizierter Beschäftigter in der Gesamtwirtschaft deutlich zurückbleibt. Selbst die Endbesoldung übersteigt die durchschnittlichen Verdienste in der jeweiligen Leistungsgruppe nur geringfügig. Dieses Bild ändert sich auch kaum, wenn man die Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung, die das Arbeitnehmer-Brutto mindern, mit einstellt.

Daraus ergibt sich: Beamtinnen und Beamte aller Laufbahnen werden strukturell zu niedrig besoldet, also unteralimentiert

b) Besoldung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte insbesondere

Der Befund zu den Beamtinnen und Beamten gilt auch für die Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Im Hinblick auf sie sind darüber hinaus noch weitere Zahlen zu betrachten.

Anders als für die Ämter der Laufbahnen der Besoldungsordnung A lässt sich für die Besoldung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten ein Durchschnittswert bestimmen, weil etwa 2/3 von ihnen vom Eintritt in den Dienst bis zur Pensionierung ein Amt der Besoldungsgruppe R1 bekleiden. Anhand der Verweildauer in den jeweiligen Erfahrungsstufen und einer Gesamtdienstzeit von angenommenen 37 Jahren lässt sich deshalb ein gewichtetes Durchschnittsgehalt für den Großteil der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Deutschland errechnen. Zwar existiert auf der Bundesebene kein Amt der Besoldungsgruppe R1. Das Bundesministerium des Innern veröffentlicht aber die fiktive Höhe der Grundgehälter in dieser Besoldungsgruppe.

Hieraus ergibt sich, dass das gewichtete Durchschnittsgrundgehalt eines    R1-Richters nach dem Bundesbesoldungsgesetz im Jahr 2021 im Monat 6.434 € betragen hätte, das Jahresgrundgehalt mithin 77.208 €. Es hätte damit die Höhe von 142,5 % des durchschnittlichen Bruttoverdienstes eines Vollzeitbeschäftigten in Deutschland erreicht.

 

Besoldungsgruppe

Jahresbruttoverdienst

Verhältnis

zur LG1

zum dBJV

R1 (fiktiv, gewichtet)

77.208 €

85,6 %

142,5 %

R3

105.144 €

116,6 %

194,1 %

R6

124.953 €

138,5 %

230,7 %

 

Aus diesen Zahlen ist erkennbar, dass die Verdienste der meisten Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte deutlich unterhalb des durchschnittlichen Verdienstes von Beschäftigten in leitender Tätigkeit liegt und entsprechend auch deutlich weniger als die 2/3 über dem durchschnittlichen Bruttojahresverdienst aller Vollbeschäftigten in Deutschland.

Erst in der Besoldungsgruppe R3, dem Amt der Leiterin oder des Leiters einer mittelgroßen Staatsanwaltschaft, der Präsidentin oder des Präsidenten eines Gerichts mit bis zu 40 Richterinnen und Richtern und der Vorsitzenden oder des Vorsitzenden des Senats eines Landesobergerichts, ein Amt, das nur wenige am Ende ihrer Karriere erreichen, überschreitet die Besoldung den Durchschnittsverdienst der Leistungsgruppe 1. Selbst die Besoldung von beisitzenden Bundesrichtern (R6) übersteigt den Durchschnitt aller Beschäftigten in leitender Tätigkeit nur um etwas mehr als 1/3 und beträgt weniger als das 2,5-fache des durchschnittlichen Bruttoverdienstes aller Vollzeitbeschäftigten.

In diesem Zusammenhang ist auf den jüngsten Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission hinzuweisen, der Deutschland ausdrücklich empfiehlt, die Besoldung von Richterinnen und Richtern im Interesse der Qualität und Unabhängigkeit der Justiz auf ein den europäischen Standards entsprechendes Niveau anzuheben. Zu diesem Niveau kann der Bericht des Europarates zu den europäischen Justizsystemen herangezogen werden, der zuletzt 2022 Daten von 2020 dokumentiert hat. Danach beträgt das Richtereinkommen am Beginn der Karriere in der Regel mindestens das 1,5-fache des Durchschnittsverdienstes der Bevölkerung (so Belgien, Finnland,  Italien, Österreich und Schweden, andere Staaten noch darüber). Die Verdienste der Richterinnen und Richter an den obersten Gerichten betragen zwischen dem 3-fachen und dem 5-fachen des Durchschnittsverdienstes der Bevölkerung, wobei zahlreiche Werte dies noch deutlich übertreffen.

Ergänzend sind die Verdienste von Juristen in der Privatwirtschaft und in Anwaltskanzleien zu betrachten. Es zeigt sich, dass die Verdienste im Vergleich zur Justiz im Verdienstmedian der Privatwirtschaft um 15 bis 40 % höher sind und im Verdienstmedian der Anwaltschaft sogar um 50 bis 160 %[1]. Eine weitere Öffnung der Besoldungsschere zur Privatwirtschaft ist nur durch eine deutliche Anhebung der Besoldung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu vermeiden.

 

III. Handlungsbedarf und Umsetzungswege

An der Grenze zwischen einem Verstoß gegen die prozeduralen und gegen die materiell-rechtlichen Anforderungen bewegt sich die Analyse der Handlungsmöglichkeiten zur Herstellung des Mindestabstands zwischen Besoldung und Grundsicherung.

 

1.  Maßstab

Wie bei der Festsetzung der Bezüge hat der Gesetzgeber einen weiten – im Gegensatz zur Darstellung in der Entwurfsbegründung allerdings keinen grenzenlosen – Gestaltungsspielraum, um den Anforderungen des Gebotes eines Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau Rechnung zu tragen. Neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilferecht kommt insbesondere auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht. Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt. Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können (BVerfGE 155, 1 <Rn. 49>).

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, zunächst auf der Grundlage der geltenden Besoldung festzustellen, wie viele Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen die Grenze von 115 % der Grundsicherungsleistungen unterschreiten. Erst ausgehend von dieser Feststellung kann geprüft werden, welche Maßnahmen als geeignet infrage kommen, um den Mindestabstand herzustellen.

 

2. Anwendung im Entwurf

Diesen notwendigen Schritt unterlässt der Entwurf vollständig.

a) Der Entwurf erwähnt schon nicht den Fehlbetrag, um den die unterste Besoldungsgruppe unterhalb der Grenze von 115 % des Grundsicherungsniveaus liegt.

Nach den obigen Darlegungen ist eine Lücke von etwa 35 % zu schließen. Selbst wenn man von einer Lücke in Höhe von „nur“ 20 % ausgehen würde, würde dies noch dem Vielfachen einer üblichen jährlichen Besoldungserhöhung entsprechen.

Es muss leider festgestellt werden, dass der Entwurf diesen Zusammenhang sorgsam verschweigt. Er lässt sich aber, wie oben gezeigt wurde, aus den angegebenen Zahlen ableiten.

b) Von dieser Feststellung ausgehend hätte der Entwurf weiter betrachten müssen, wie viele Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen von der Verletzung des Mindestabstandsgebots betroffen sind.

Dieser Schritt wurde in dieser Stellungnahme weiter oben nachgeholt: Derzeit ist das Mindestabstandsgebot in mindestens einem Drittel der Tabellenfelder der Besoldungsordnung A verletzt.

Sodann hätte der Entwurf sämtliche Handlungsmöglichkeiten betrachten müssen. Auch das ist indes nicht geschehen. Vielmehr geht der Entwurf auf die Erhöhung der Grundgehaltssätze, nachdem er sie als theoretische Möglichkeit erwähnt hat, nicht weiter ein und benennt auch keine Gründe, warum sie nicht in Betracht kommt (S. 55).

Auch eine Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Handlungsinstrumente bleibt die Entwurfsbegründung schuldig.

 

3. Materiell-rechtliche Anforderungen

Mit dem Ziel, eine verfassungsmäßige Besoldung herbeizuführen, nutzt der Entwurf drei Instrumente, nämlich den alimentativen Ergänzungszuschlag und die Erhöhung der Beihilfesätze als zwei Arten hauptsächlich familienbezogener Leistungen sowie die Anhebung der untersten Besoldungsgruppe auf A4 Stufe 5.

Der Entwurf stützt sich dabei auf den Hinweis in Rn. 49 des Beschlusses von 2020 (BVerfGE 155, 1), wonach zur Herstellung einer verfassungsgemäßen Besoldung neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilferecht insbesondere auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht komme.

Gewiss verbietet es sich, Hinweise des Bundesverfassungsgerichts zu ignorieren. Allerdings birgt es erhebliche verfassungsrechtliche Risiken, die gesamte Besoldungsneuregelung auf einen nicht tragenden Entscheidungsteil zu stützen und ihm so ein Gewicht zu verleihen, das ihm nicht zukommt. Vor allem aber ist dem Hinweis nicht etwa – wie der Entwurf das tut – zu entnehmen, dass bloße Änderungen der familienbezogenen Leistungen und der Beihilfeleistungen schon für sich genommen ausreichen, um eine verfassungsgemäße Besoldung über die gesamte Tabelle hinweg herbeizuführen. Diese Interpretation ist deutlich zu kurz gegriffen und erst recht nicht geeignet, eine grundlegende Neustrukturierung der Besoldung der hier in Rede stehenden Art zu rechtfertigen, denn sie kollidiert mit weiteren hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums wie der Besoldung nach Maßgabe des ausgeübten Amtes und der Leistungsbezogenheit der Besoldung. Das Bundesverfassungsgericht hat denn auch im selben Absatz unter Rn. 49 ausgeführt, dass eine Anhebung der Tabellenbesoldung umso notwendiger ist, je mehr Tabellenfelder von dem Verstoß gegen das Alimentationsprinzip betroffen sind. Diese Vorgabe bleibt letztlich unbeachtet.

Angesichts der oben aufgezeigten Größe der zu schließenden Lücke bedarf es einer linearen Erhöhung der Tabelle, zumindest als eine von mehreren Maßnahmen. Ohne eine lineare Erhöhung der Besoldungstabellen entstehen Unwuchten und Verwerfungen im Besoldungssystem und es wird insbesondere das Binnenabstandsgebot verletzt, weil Leistungen, deren Höhe nicht durch das Amt bestimmt werden, gegen das Leistungsprinzip verstoßen. Es widerspricht zudem dem Abstandsgebot, die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen einzuebnen, ohne dass dies mit einer anderen Bewertung der Ämter selbst verbunden wäre.

Dass es allein mit familienbezogenen Leistungen nicht sein Bewenden haben kann, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die umzusetzende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unter anderem zu einem unverheirateten und kinderlosen Richter ergangen ist. Wenn die Besoldung auch solcher Personen verfassungswidrig war, würde sich daran durch die in diesem Entwurf vorgesehenen Regelungen nichts ändern. Mit seinem bereits mehrfach zitierten Hinweis hat das Bundesverfassungsgericht allerdings klargestellt, dass sich die Höhe der Unterbesoldung nicht bereits aus dem Prozentwert des fehlenden Abstandes ergibt und die Herstellung des Abstandes nicht allein durch eine Anhebung der Tabelle verlangt werden kann. Hätte das Bundesverfassungsgericht aber die Möglichkeit gesehen, dass nicht tabellarische Maßnahmen zur Herstellung des Mindestabstands ausreichen würden, hätte es mit Blick auf die Besoldung des unverheirateten und kinderlosen Richters keine Verletzung des Grundgesetzes feststellen können. Weil der Entwurf diesen Zusammenhang verkennt, ist er unzureichend.

Im Übrigen sind die vorgesehenen Maßnahmen auch für sich betrachtet verfassungsrechtlich zumindest fragwürdig und zum Teil auch eindeutig verfassungswidrig.

a) Alimentativer Ergänzungszuschlag

Der Entwurf sieht einen sog. „alimentativen Ergänzungszuschlag“ vor, dessen Höhe von der wohngeldrechtlichen Mietenstufe am Wohnort des Beamten und dessen Familienverhältnissen abhängt. Er hängt aufgrund vorgesehener Abschmelzbeträge auch von der Besoldungsgruppe des Beamten ab.

Diese Regelung verstößt gegen das Leistungsprinzip und damit gegen einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, der nach Artikel 33      Abs. 5 GG bei der Fortschreibung des Beamtenrechts nicht nur zu berücksichtigen, sondern zu beachten ist.

aa) Verfassungsrechtlicher Maßstab

Es ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, dass den Beamten ein angemessener Lebensunterhalt nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards zu gewähren ist (stRspr seit 1958 in BVerfGE 8, 1).

Dieses Alimentationsprinzip ist weder Selbstzweck noch lästiges Anhängsel des Dienstrechts. Vielmehr bilden Dienstbezüge, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann (BVerfGE 21, 329). Der Gesetzgeber muss bei der Regelung des Besoldungsniveaus beachten, dass das Beamtenverhältnis für qualifizierte Kräfte attraktiv sein muss. Er muss das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung, die Verantwortung des Amtes, die Beanspruchung des Amtsinhabers beachten. Und er muss berücksichtigen, dass zu den Bedürfnissen, die der arbeitende Mensch soll befriedigen können, nicht nur die Grundbedürfnisse des Menschen gehören, sondern auch ein Minimum an „Lebenskomfort“ gehört (BVerfGE 44, 249). Die Gewährleistung dieses Inhalts des Alimentationsprinzips bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot der Beamten (Beschluss vom 4. Mai 2020, Leitsatz 2 und Rn. 24).

Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren.

Neben dem Alimentationsprinzip zählt das Leistungsprinzip zu den vom Gesetzgeber zu beachtenden hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG. Es bezeichnet in seinem Kern zunächst das Prinzip der Bestenauslese, wie es ausdrücklich in Art. 33 Abs. 2 GG verankert ist. Das Leistungsprinzip betrifft nicht nur den erstmaligen Zugang zu einem öffentlichen Amt beim Eintritt in das Beamtenverhältnis, sondern beinhaltet auch die Anerkennung und rechtliche Absicherung des Beförderungserfolges, den der Beamte bei der Bestenauslese aufgrund von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erlangt hat (BVerfGE 145, 304 <Rn. 69>).

Daher bestimmt sich die Amtsangemessenheit der Besoldung auch im Verhältnis zur Besoldung und Versorgung anderer Beamtengruppen. Gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die „amts“-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung. Die Organisation der öffentlichen Verwaltung stellt darauf ab, dass in den höher besoldeten Ämtern die für den Dienstherrn wertvolleren Leistungen erbracht werden. Deshalb muss im Hinblick auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter eine Staffelung der Gehälter einhergehen. Amtsangemessene Gehälter sind auf dieser Grundlage so zu bemessen, dass sie Beamten eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung ihres jeweiligen Amtes entspricht       (BVerfGE 140, 240 <Rn. 90>; 155, 1 <Rn. 43>).

bb) Bewertung

Der vorgesehene „alimentative Ergänzungszuschlag“ verstößt gegen diese Ausprägung des beamtenrechtlichen Leistungsprinzips in zweifacher Weise.

(1) Erstens führt er zu einer substanziellen Wertigkeitsverschiebung zwischen tätigkeitsbezogenen und familienbezogenen Verdienstanteilen.

Legt man das Zahlenwerk des Entwurfs (S. 56) zugrunde, betragen die familienbezogenen Besoldungsanteile bei dem Beamten mit der untersten Besoldung an einem Wohnort der Mietenstufe VII 30 % der Gesamtbesoldung. Berücksichtigt man die Ersparnisse bei der privaten Krankenversicherung durch die Erhöhung des Beihilfesatzes für Angehörige und den Beamten selbst mit, sind es sogar 34 %.

Künftig soll damit bis zu ein Drittel der Alimentation keinen Bezug zum Amt aufweisen. Dies stellt das Besoldungsgefüge gleichsam auf den Kopf.

Künftig wird der Beamte mit dem niedrigsten Grundgehalt in einem Amt der Laufbahngruppe des einfachen Dienstes nach A 4 in Stufe 5 besoldet. Sein Amt gehört zur Laufbahngruppe des einfachen Dienstes und erfordert keine Laufbahnausbildung, sondern besteht im Kern in einer Anlerntätigkeit. Ist er verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in einem Ort der Mietenstufe VII, übersteigt sein Bruttoeinkommen dasjenige eines unverheirateten und kinderlosen Beamten in der Eingangsstufe der Besoldungsgruppe A11. Ämter der Besoldungsgruppe A11 gehören zur Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes und setzen eine Laufbahnausbildung in Form eines dreijährigen Fachhochschulstudiums voraus. Sie werden innerhalb der Laufbahn zudem erst mit der zweiten Beförderung etwa in der Mitte der gesamten Dienstzeit erreicht. Selbst an einem Wohnort der Mietenstufe IV wird das Bruttoeinkommen des verheirateten Beamten mit zwei Kindern und dem untersten Grundgehalt noch das eines unverheirateten und kinderlosen Beamten der Besoldungsgruppe A10 in Stufe 2 übersteigen, dem ersten Beförderungsamt der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes.

Auf diese Weise wird der Bruttoverdienst nicht mehr maßgeblich durch die dem Dienstherrn erbrachten Dienste bestimmt, sondern durch Umstände in der Person der Beamtin oder des Beamten. Viel mehr als durch Tätigkeit für den Dienstherrn lässt sich das Einkommen durch Heirat und Kinderzahl erhöhen.

Damit ist die Amtsbezogenheit der Besoldung nicht mehr gewährleistet.

(2) Zweitens ist der Zuschlag nicht hinreichend alimentativ ausgestaltet und schmilzt so die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen unzulässig ab.

Zu welcher Abschmelzung der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen der alimentative Ergänzungszuschlag führt, wurde oben im Zusammenhang mit dem vierten Parameter der ersten Prüfungsstufe bereits dargestellt.

Soll der Zuschlag nicht nur verbal, sondern funktionell „alimentativ“ sein, ist er amts- und leistungsbezogen auszugestalten. Er darf also nicht wie hier durch die Abschmelzbeträge geschehen degressiv sein, je höher das Amt des Beamten besoldet ist. Er müsste vielmehr in dem Maße steigen, in dem das Grundgehalt steigt, weil die Steigerung der Grundgehälter die relative Wertigkeit der Ämter ausdrückt und damit zugleich Gradmesser für den amtsangemessenen Lebensstandard nicht nur des Beamten, sondern auch seiner Familie ist.

Das zeigt sich anschaulich anhand der Wohnkosten der Beamten, auf die der Zuschlag durch die Bezugnahme auf die Unterkunftskosten im Grundsicherungsrecht und das Wohngeldgesetz abstellt. Im Grundsicherungsrecht werden die angemessenen Kosten der Unterkunft als Produkt aus einer angemessenen Wohnungsgröße und einem angemessenen Quadratmeterpreis ermittelt. Die Größe beider Faktoren wird unter Zugrundelegung des Existenzminimums bestimmt. Eine für eine vierköpfige Familie existenzsichernde Wohnung darf nach der Rechtsprechung 85 m² groß sein. Existenzsichernde Quadratmetermiete ist diejenige einer einfachen Wohnung im Sinne einer Wohnung in einfacher Lage mit einfacher Ausstattung. Das Produkt aus diesen Faktoren darf grundsätzlich den Wert von 110 % der Wohngeldtabelle nicht überschreiten.

Es kann hier offenbleiben, ob einem Beamten und seiner Familie eine rechnerisch existenzsichernde Wohnung als angemessen zugemutet werden kann. Jedenfalls für Beamte höherer Laufbahnen und Besoldungsgruppen, Richter und Staatsanwälte ist dies nicht der Fall. Zum höheren Lebensstandard, der dem Inhaber eines höherwertigen Amtes zu gewährleisten ist, gehört auch eine größere Wohnung in einer besseren Wohnlage mit einer besseren Ausstattung, die deshalb auch deutlich teurer ist als nach dem Grundsicherungsrecht. Insoweit können Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter auch nicht auf ihre allgemein höhere Besoldung verwiesen werden, mit deren Hilfe sie auch höhere Unterkunftskosten finanzieren können, denn der höhere Lebensstandard betrifft nicht nur die Wohnverhältnisse, sondern auch Ernährung, Bildung, Freizeit, Kultur usw., so dass die höhere Besoldung nicht allein für die Wohnverhältnisse zur Verfügung steht.

Das bedeutet, dass ein funktional alimentativer Ergänzungszuschlag, wenn schon nicht mit den einzelnen Tabellenfeldern oder Besoldungsgruppen, so doch zumindest mit den Laufbahngruppen steigen muss. Er würde für die Ämter der Laufbahnen des höheren Dienstes damit etwa das 2,5-fache der für das Amt mit der untersten Besoldung anzusetzenden Höhe betragen. Ein „Abschmelzen“ des Zuschlags mit steigender Besoldungsgruppe verbietet sich deshalb gänzlich.

Dem steht nicht entgegen, dass die „echten“ Familienzuschläge bislang in einheitlicher Höhe gezahlt wurden, denn wie oben gezeigt wurde, hatten diese nicht den Zweck, für eine amtsangemessene Besoldungshöhe zu sorgen.

(3) Im Grunde erweist sich der „alimentative Ergänzungszuschlag“ als Fremdkörper in der Besoldung.

(a) Entgegen seiner Bezeichnung als „alimentativ“ verwirklicht er allein sozialpolitische Gesichtspunkte, indem er einen Bezug zu den Regelungen des Wohngeldgesetzes herstellt. Besoldung ist aber keine Sozialleistung und verträgt auch keine soziale Staffelung (BVerfGE 140, 240 <Rn. 91>; 145, 304 <Rn. 99>).

(b) Der Ergänzungszuschlag ist auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten nicht vermittelbar. Für zwei Kinder zahlt der Dienstherr – zusätzlich zum Kindergeld – bis zu 750 € an Zuschlägen. Das ist zwar weniger als einige Bundesländer zahlen, aber noch immer ein erheblicher Betrag. Dabei handelt es sich um eine soziale Leistung exklusiv für Beamtenkinder. Vergleichbare Leistungen werden für Kinder der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst nicht gewährt. Es ist nicht zu erwarten, dass der Staat als Arbeitgeber tarifliche Familienleistungen in dieser Größenordnung erbringen wird, denn auch kein anderer privater Arbeitgeber würde dies tun. Sozialpolitik zu betreiben, ist nicht die Aufgabe von Arbeitgebern, sondern die Aufgabe des Staates, insbesondere des steuerlichen Familienlastenausgleichs. Sozialpolitik hat sich an die gesamte Gesellschaft zur richten, nicht allein an Bedienstete des Staates oder gar nur einzelne Gruppen dieser Bediensteten. Für die im alimentativen Ergänzungszuschlag liegende sozialpolitische Besserstellung der Beamtenkinder im Vergleich zu Kindern anderer Bedienstetengruppen ist ein rechtfertigender Grund nicht ersichtlich.

(c) Soweit der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts auf die Mietenstufen des Wohngeldgesetzes (BVerfGE 155, 1 <Rn. 61>) aufgegriffen werden soll, muss die Staffelung, wie das Bundesverfassungsgericht ausführt, ihrerseits mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein und muss es um die Abfederung von regionalen Höchstwerten gehen, von denen ein Großteil der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern gar nicht betroffen ist.

Mithin ist dies keine allgemeine Bestätigung wohnortbezogener Besoldungsbestandteile. Diese können nur dazu dienen, regional deutlich überdurchschnittliche Lebenshaltungskosten außerhalb der Grundgehälter abzufangen. Damit ist es unvereinbar, Zuschläge bereits ab Mietenstufe I vorzusehen. Jedenfalls bis zu einem im Bundesgebiet noch weit verbreiteten Niveau, wie es mindestens der Mietenstufe IV entspricht, kann nicht von deutlich überdurchschnittlichen oder gar extremen Lebenshaltungskosten gesprochen werden. Daher sind die entsprechenden Kosten nicht in Zuschläge auszugliedern, sondern in den Grundgehältern abzubilden.

b) Erhöhung der Beihilfesätze

Zutreffend geht der Entwurf davon aus, dass Veränderungen in der Beihilfe Einfluss auf die Berechnung des Abstandes zwischen Besoldung und Grundsicherung haben.

Die vorgesehene Regelung verstößt aber ebenso wie der alimentative Ergänzungszuschlag gegen das Leistungsprinzip und damit gegen einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums. Der Inhalt der entsprechenden verfassungsrechtlichen Anforderungen wurde bereits ausgeführt.

Indem der Entwurf die Gründe für die Wahl dieser Maßnahme verschweigt, zeigt er, dass es bei der Erhöhung der Beihilfesätze für Angehörige nicht um die Beseitigung einer Ungerechtigkeit des Beihilfe- oder des Beamtenrechts geht. Seit beinahe unvordenklicher Zeit sind die Beihilfesätze für Angehörige unverändert. Niemand hat daran jemals Anstoß genommen. Selbst aus der Beamten- und Richterschaft ist zu keinem Zeitpunkt ernsthaft die Forderung nach einer Veränderung, insbesondere einer Erhöhung der Beihilfesätze oder gar nach einem Gleichlauf mit der kostenlosen Mitversicherung der Angehörigen in der gesetzlichen Krankenversicherung erhoben worden, vor dem auch der Entwurf zurückschreckt. Vielmehr ist die Ausgestaltung der Beihilfe in ihrer hergebrachten Form Ausdruck des Alimentationsprinzips. Der Dienstherr sorgt für den Lebensunterhalt der Beamtinnen und Beamten und seiner Familie. Anders als in der Sozialversicherung ist die Sorge für die Lebensrisiken zu allererst Sache des Beamten selbst. Damit ist ebenfalls anders als in der Sozialversicherung die Absicherung solcher Risiken nicht einer Solidargemeinschaft überantwortet. Beihilfe wird nur gewährt, weil die volle Last der Krankenkosten den Beamten überfordern könnte. Entsprechend ist die Beihilfe kein Versicherungssystem, sondern wird nur bei tatsächlich entstehenden Kosten und auch nur auf Antrag nach Vorleistung durch den Beamten gewährt.

Wollte der Gesetzgeber eine Harmonisierung zwischen Beihilfe und gesetzlicher Krankenversicherung erreichen, würde er das Antragssystem für Beihilfeleistungen abschaffen, Beamte mit Leistungskarten ausstatten, wie gesetzlich Versicherte sie in Form der Versicherungskarten haben, und selbst in Vorleistung für die Krankenkosten gehen, anstatt die Abrechnung den Beamten in der Hoffnung zu überlassen, dass sie auf die Erstattung verzichten werden. Neben dem Kostenaspekt ist dieses Abrechnungssystem eine Ursache dafür, dass für Kinder, für die die Wahl zwischen gesetzlicher Familienversicherung oder Beihilfeanspruch besteht, überwiegend die gesetzliche Versicherung gewählt wird und der Staat insoweit Gesundheitskosten von Kindern überproportional der Sozialgemeinschaft überbürdet. Wollte der Gesetzgeber eine Harmonisierung zwischen Beihilfe und gesetzlicher Krankenversicherung erreichen, würde er die Beihilfe so ausgestalten, dass für Beamte keine Risikoaufschläge in der privaten Krankenversicherung anfielen, denn auch in der gesetzlichen Krankenversicherung hängen die Beiträge nicht von individuellen Krankheitsrisiken ab.

Sozialpolitische Erwägungen, die man hier eventuell anführen wollte, dürfen bei den unterschiedlichen Höhen der Beihilfesätze nur insoweit eine Rolle spielen, als es um die Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips geht; weitergehende sozialpolitische Erwägungen dürfen dagegen nicht in das Besoldungsrecht einfließen (BVerfGE 140, 240 <Rn. 91>). Es lässt sich jedoch nicht erkennen, dass der Entwurf hinsichtlich der Höhe der Beihilfesätze für Angehörige ein sozialstaatliches Defizit ausgemacht hätte, das zu beseitigen wäre. Es geht allein um die Herstellung des Mindestabstands der Besoldung von der Grundsicherung. Das hat mit Sozialstaatsaspekten des Beihilferechts nichts zu tun.

Im Ergebnis ist die vorgesehene Erhöhung der Beihilfesätze aus denselben Gründen verfassungsrechtlich zweifelhaft, wie der alimentative Ergänzungszuschlag. Es handelt sich letztlich um die Umgehung einer an sich gebotenen Besoldungserhöhung aus Gründen, die außerhalb der Wertungen des Art. 33 Abs. 5 GG liegen. Würde der Gesetzgeber nicht die Beihilfesätze erhöhen, sondern einen Zuschlag auf die Besoldung in der Höhe der Versicherungsbeiträge gewähren, würde dies unzweifelhaft dem Leistungsprinzip widersprechen. Es würde sich um eine Leistung handeln, deren Höhe nicht amtsbezogen ausgestaltet ist. Auch bei Maßnahmen wie der Anhebung von Familienzuschlägen und der Erhöhung von Beihilfesätzen sind die sich aus dem Abstandsgebot ergebenden Konsequenzen zu berücksichtigen und die Maßnahmen entsprechend auszugestalten  (BVerfGE 140, 240 <Rn. 94>). Das ist hier leider nicht geschehen. Es führt in der Sache dazu, dass sich die Binnenabstände letztlich genauso verringern, wie der alimentative Ergänzungszuschlag.

Zudem handelt es sich bei der Beihilfe um eine Leistung, die nur auf der Grundlage eines Bedarfs gewährt wird. Besoldung ist allerdings nicht auf der Grundlage von Leistungen zur Befriedigung eines tatsächlichen Bedarfs auszugestalten, sondern in der Form von Geldzahlungen, die nach der Wertigkeit des Amtes zu bemessen sind. Die Besoldung zum Teil danach auszugestalten, welche Bedarfe vorliegen, ist ein Paradigmenwechsel, der den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums widerspricht.

c) Neues Amt mit der untersten Besoldung A4 Stufe 5

Die vorgesehene Änderung kann der Gesetzgeber nicht als Mittel zur Herstellung des Mindestabstands nutzen.

Den Mindestabstand zwischen Grundsicherung und unterster Besoldung hat das Bundesverfassungsgericht nur deshalb auf lediglich 15 % festgelegt, weil das Gericht davon ausging, dass der Dienst als Beamter im untersten Amt keine besonderen Qualifikationen voraussetzt. Auf diese Weise wollte das Gericht sicherstellen, dass jemand, der arbeitet, ein höheres Einkommen erhält, als jemand, der nicht arbeitet. Es konnte davon ausgehen, dass jeder Empfänger von Grundsicherungsleistungen theoretisch jederzeit das am geringsten besoldete Amt eines Beamten übernehmen könnte, weil dieses keine besonderen Qualifikationen voraussetzt. Ist dies aber nicht mehr der Fall, muss die unterste Besoldung einen größeren Abstand zur Grundsicherung wahren, weil qualifizierte Tätigkeiten wertvoller sind als nicht qualifizierte.

Ein Amt der künftig untersten Besoldungsgruppe A4 Stufe 5 kann aber nicht mehr ohne Qualifikation ausgeübt werden, denn der Entwurf betont selbst, dass die bisher in A3 ausgeübten Tätigkeiten aufgrund des flächendeckenden Einsatzes von moderner Informations-, Kommunikations- und Bürotechnik in der Bundesverwaltung, aber auch wegen der sich aus der erhöhten Komplexität der dienstorganisatorischen Abläufe insgesamt ergebenden Anforderungen an die Amtsinhaber nunmehr höher zu bewerten sei. Damit macht die Begründung des Entwurfs klar, dass im Bundesdienst kein Amt mehr den Erwartungen des Bundesverfassungsgerichts an das Amt mit der untersten Besoldung erfüllt. Dementsprechend muss der Abstand dieses Amtes zur Grundsicherung auch größer sein als 15 %.

 

IV. Versorgung

 

Mit hoher Wahrscheinlichkeit unzureichend sind auch Regelungen mit Bezug zur Versorgung.

Soweit das Bundesministerium des Innern als Verfassungsministerium und als fachlich zuständiges Ressort in der Entwurfsbegründung eingesteht, dass es keine Vorstellungen darüber besitzt, welche Anforderungen für die Versorgung sich aus dem Grundgesetz ergeben (S. 49), handelt es sich um eine fachlich wie politisch bemerkenswerte Aussage.

Es ist seit langem geltendes Recht, dass Versorgungsempfängerinnen und -empfänger wegen des auch für sie geltenden Alimentationsprinzips nicht auf den Bezug von Sozialleistungen verwiesen werden dürfen (BVerfGE 155, 1 <Rn. 52>). Die Versorgung muss in jedem Fall zumindest ein Lebensniveau sicherstellen, das dem Bezug von Grundsicherung im Alter entspricht.

Weil das Vorhandensein unterhaltsberechtigter Kinder bei Erreichen der Dienstaltersgrenze, dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst und dem Eintritt in die Versorgung von jeher eher die Ausnahme bildet, kommt es in Betracht, im Recht der Versorgung von einer anderen Bezugsgröße als im Recht der Besoldung auszugehen. Jedenfalls erscheint es sachgerecht, dass kinderbezogene Leistungen einen höheren Anteil an der möglichen Gesamtversorgung haben.

Lebt ein verheirateter Versorgungsempfänger aber mit zwei unterhaltsberechtigten Kindern in einem gemeinsamen Haushalt, besteht allerdings die Möglichkeit, dass seine Versorgung trotz Familienzuschlags und alimentativen Ergänzungszuschlags das Niveau der Grundsicherung unterschreitet. Ein Beamter des einfachen Dienstes, der bei Erreichen der Dienstaltersgrenze aus A6 in der Endstufe besoldet wird, und volle Versorgungsbezüge erhält, bezieht ein Grundruhegehalt von 2.130 €. Das sind etwa 500 € weniger als das Grundgehalt des Beamten der untersten Besoldungsgruppe. Die Differenz der Nettoversorgung von der Nettobesoldung wird zwar geringer sein, aber in dem Rechenbeispiel des Gesetzentwurfs (S. 56 f.) beträgt der Abstand zwischen Grundsicherungsniveau und Mindestbesoldung weniger als 450 €. Daher besteht die Gefahr, dass die Versorgung auch mit dem alimentativen Ergänzungszuschlag unter der Grundsicherung bleiben könnte.

 

V. Fazit

 

Der Deutsche Richterbund erkennt durchaus an, dass die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vor dem Hintergrund begrenzter finanzieller Mittel eine Herausforderung ist. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Entwicklung der Rechtsprechung zeigt, dass aus Sicht des Gerichts die Besoldung zu lange zu Unrecht vornehmlich als Einsparbereich betrachtet wurde und deshalb nunmehr einer erheblichen Erhöhung bedarf.

Zudem sollte eine Umsetzung der Entscheidung in einer nachhaltig tragfähigen Lösung bestehen, die personalpolitisch sinnvoll und praxisgerecht ist. Die Beamtenbesoldung sollte modern, transparent und im Wettbewerb um die besten Köpfe konkurrenzfähig sein. Wir halten es nicht für sinnvoll, aus kurzfristig gedachten fiskalischen Gründen heraus personalpolitisch nachteilige Lösungen herbeizuführen, die die Praxis vor unauflösbare Probleme stellen. Die durch den vorliegenden Entwurf bewirkten Besoldungs- bzw. Vergütungsunterschiede zwischen Angestellten ohne soziale Vergütungsbestandteile und Beamten mit sozial definierten Zulagen sind personalpolitisch nicht zu rechtfertigen und spannungsgeladen. Entsprechendes gilt für das Verhältnis von zulagenberechtigten zu nicht zulagenberechtigten Beamten und Richtern.

Schließlich muss die Umsetzung einer Entscheidung des Verfassungsgerichts ihrerseits verfassungsrechtlich rechtssicher sein. Es wäre ein verheerendes Signal, würde die Umsetzung vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben.