#34/2023

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zu den Eckpunkten des Bundesministeriums der Justiz zur Modernisierung des Strafgesetzesbuches vom November 2023

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Der Deutsche Richterbund begrüßt das Bestreben des Bundesministeriums der Justiz, das Strafgesetzbuch zu verschlanken sowie an den Stand der aktuellen Rechtsprechung anzupassen und hierdurch zu modernisieren. Der Großteil der vorgesehenen Anpassungen erscheint der Sache nach sinnvoll. 

In einigen Punkten schießt das Eckpunktepapier jedoch über das Ziel hinaus und sieht auch die Streichung von Straftatbeständen vor, für die nach Auffassung des Deutschen Richterbundes ein praktisches Bedürfnis besteht. Dies betrifft insbesondere das banden- und gewerbsmäßige unerlaubte Glückspiel gem. § 284 Abs. 3 StGB. Auch im Hinblick auf die Leistungserschleichung gem. § 265a StGB geht der Entwurf in eine falsche Richtung. Die Verschiebung ins Ordnungswidrigkeitenrecht löst die Probleme in der Praxis nicht, sondern verschärft sie nur. Stattdessen wäre eine engere Fassung des Tatbestandes vorzugswürdig.

 

B. Bewertung im Einzelnen

 


I.    Aufhebung von § 134 StGB
Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer wissentlich ein dienstliches Schriftstück, das zur Bekanntmachung öffentlich angeschlagen oder ausgelegt ist, zerstört, beseitigt, verunstaltet, unkenntlich macht oder in seinem Sinn entstellt. Der Deutsche Richterbund teilt die dem Eckpunktepapier zugrundeliegende Einschätzung, dass diese Strafnorm wegen der inzwischen vielfältigen Möglichkeiten amtlicher Bekanntmachungen (Amts- und Gemeindeblätter, Print- und andere Medien sowie Internet) nicht mehr zeitgemäß und daher verzichtbar ist. In verbleibenden strafwürdigen Fällen erscheinen die allgemeinen Strafnormen aus dem Bereich der Sachbeschädigungs- und der Urkundsdelikte ausreichend.


II.    Einführung einer alternativen Meldepflicht bei § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB
Nach § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB macht sich ein Unfallbeteiligter strafbar, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen. Der Deutsche Richterbund begrüßt es ausdrücklich, dass das Bundesjustizministerium von seinem ursprünglichen Vorhaben, eine Unfallflucht nach reinen Sachschäden zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen, Abstand genommen hat (vgl. ausführlich DRB-Stellungnahme Nr. 10/2023). Der nun angedachten Einführung einer Meldepflicht als Alternative zur Wartepflicht steht der Deutsche Richterbund aufgeschlossen gegenüber; hierdurch lassen sich einige Probleme des Straftatbestandes – wie etwa die Frage einer angemessenen Wartezeit oder Konflikte mit der Selbstbelastungsfreiheit – entschärfen (aaO).  


III.    Aufhebung von § 184f StGB 
Nach dieser Norm macht sich strafbar, wer einem durch Rechtsverordnung erlassenen Verbot, der Prostitution an bestimmten Orten überhaupt oder zu bestimmten Tageszeiten nachzugehen, beharrlich zuwiderhandelt. Die einfache Zuwiderhandlung ist bereits nach § 120 OWiG bußgeldbewehrt. Dies erscheint auch aus Sicht des Deutschen Richterbundes vor dem Hintergrund der Legalisierung der Prostitution durch das ProstG ausreichend, um den Schutz der Allgemeinheit vor mit der Prostitution verbundenen Belästigungen zu gewährleisten. 


IV.    Aufhebung von § 217 StGB
Nach der Vorschrift ist strafbar, wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt. Sie ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 (2 BvR 2347/15, NJW 2020, 905) mit Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG i. V. m. Art. 104 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar und daher nichtig. Insofern hat die vorgesehene Streichung der Vorschrift nur deklaratorischen Charakter und ist aus Gründen der Klarstellung zu begrüßen. Ob es geboten ist, eine verfassungskonforme (Ersatz)Regelung zu schaffen, bedarf aus Sicht des Deutschen Richterbundes weiterer Prüfung.  


V.    Anpassung von § 235 Abs. 2 StGB an die Rechtsprechung des EuGH
Nach § 235 Abs. 2 StGB macht sich strafbar, wer entweder ein Kind den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger entzieht, um es in das Ausland zu verbringen (Nr. 1), oder im Ausland vorenthält, nachdem es dorthin verbracht worden ist oder es sich dorthin begeben hat (Nr. 2). Dahinter steht der Gedanke, dass im Ausland deutsche Entscheidungen über die Personensorge oft nicht oder nur schwer durchzusetzen sind (vgl. BT-Drs. 13/8587 S. 38). Infolge zweier Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 19. November 2020 (Az. C-454/19, juris) und vom 16. Mai 2022 (Az. C-742/21, BeckRS 2022, 11880) sind aber § 235 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB unionskonform dahin auszulegen, dass der Tatbestand zur Vermeidung einer Kollision mit dem Recht auf Freizügigkeit gem. Art. 21 Abs. 1 AEUV dahin reduziert wird, dass Kindesentziehungen oder Kindesvorenthaltungen, die ohne die Mittel des Absatz 1 Nr. 1 der Norm (Gewalt, Drohung oder List) innerhalb der EU durch Unionsbürger, die Angehörige des Kindes sind, begangen werden, aus dem Anwendungsbereich ausgenommen werden (vgl. Hecker, JuS 2021, 467 ff.). Wenn diese Tatbestandsreduktion nunmehr im Normtext nachvollzogen wird, sorgt dies für mehr Klarheit und ist daher zu begrüßen. Konstellationen mit Auslandsbezug außerhalb der EU sollten aber von der Strafvorschrift aus dem o. g. hinter ihr stehenden Gedanken weiterhin erfasst bleiben.


VI.    Herabstufung von § 265a Abs. 1 Var. 3 StGB zu einer Ordnungswidrigkeit
Nach § 265a Abs. 1 Var. 3 StGB macht sich strafbar, wer die Beförderung durch ein Verkehrsmittel in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten. 
Der Deutsche Richterbund teilt die dem Eckpunktepapier zugrundeliegende Einschätzung, dass die Verwirklichung des Straftatbestandes, so wie er aktuell durch die Rechtsprechung ausgelegt wird, allenfalls eine äußerst geringe kriminelle Energie erfordert und zudem durch den einzelnen Schwarzfahrer beim Verkehrsunternehmen nur ein geringer Schaden verursacht wird, so dass an der geltenden Rechtslage mit Blick auf das ultima-ratio-Prinzip nicht festgehalten werden sollte. Vor diesem Hintergrund erscheint der Aufwand der Strafverfolgung im Bereich der Beförderungserschleichung nicht verhältnismäßig (vgl. ausführlich DRB-Stellungnahme Nr. 14/2023).

Der Deutsche Richterbund hält es jedoch für den falschen Weg, die Beförderungserschleichung zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen (aaO). Dies wäre unpraktikabel, da dann eine Behörde geschaffen werden müsste (oder einer bestehenden Behörde die zusätzliche Aufgabe übertragen werden müsste), um die Einhaltung der zivilrechtlichen Vorgaben zu kontrollieren und Verstöße durch Bußgeldbescheide zu sanktionieren. Zudem würden Staatsanwaltschaften und Gerichte bei einem Einspruch dennoch mit diesen Verfahren beschäftigt werden. Außerdem bliebe das Problem, dass im Wesentlichen Menschen mit Bußgeldern belegt würden, die sie aufgrund ihres niedrigen Einkommens ohnehin nicht bezahlen können, zumal sich die Höhe einer Geldbuße im Gegensatz zur Tagessatzhöhe bei Geldstrafen nicht am Einkommen orientiert. Diesen würde im Vollstreckungsverfahren Erzwingungshaft drohen, die jedoch nicht zu einem Wegfall der Geldbuße führt. Dass es infolge einer bei den Betroffenen bestehenden Zahlungsunfähigkeit regelmäßig nicht zur Anordnung von Erzwingungshaft kommen wird, erweist sich aus Sicht des Deutschen Richterbundes als Irrglaube, da die Betroffenen erfahrungsgemäß oft nicht in der Lage sind, ihre Zahlungsunfähigkeit darzulegen (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) und sich aus den Akten auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben (§ 96 Abs. 1 Nr. 4 OWiG).
 
Vor diesem Hintergrund hält der Deutsche Richterbund die von der SPD vorgeschlagene gänzliche Streichung der Tatbestandsalternative (Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion vom 17. Oktober 2023) für besser als die vom Bundesjustizministerium vorgesehene Verlagerung ins Ordnungswidrigkeitenrecht. Um Konstellationen, die mit erhöhter krimineller Energie verbunden sind, künftig weiterhin erfassen zu können, wäre es allerdings vorzugswürdig, den Straftatbestand der Beförderungserschleichung stattdessen dergestalt einzuschränken, dass diese nur noch strafbar ist, wenn Zugangsbarrieren oder -kontrollen umgangen oder überwunden werden (vgl. DRB-Stellungnahme Nr. 14/2023). 


VII.    Aufhebung von § 266b Abs. 1 Alt. 1 StGB
Nach § 266b Abs. 1 Alt. 1 StGB macht sich strafbar, wer die ihm durch die Überlassung einer Scheckkarte eingeräumte Möglichkeit, den Aussteller zu einer Zahlung zu veranlassen, missbraucht und diesen dadurch schädigt. Seit der Beendigung des Euroschecksystems zum Jahreswechsel 2001/2002 ist der ursprüngliche Anwendungsfall der Tatbestandsvariante tatsächlich entfallen. Allerdings ist umstritten, inwieweit MAESTRO-Karten in ihrer Verwendung als Zahlungskarte oder zur Bargeldbeschaffung an Geldautomaten ebenfalls dieser Tatbestandsvariante unterfallen (vgl. BeckOK/Wittig, StGB, 58. Ed., § 266b Rn. 7 ff.; MK/Radtke, StGB, 4. Aufl., § 266b Rn. 8 ff.). Ernsthaft diskutiert wird dies namentlich im Hinblick auf Bargeldabhebungen an Geldautomaten (aaO). Während Geldabhebungen an Automaten der ausstellenden Bank nach ganz überwiegender Meinung nicht von § 266b Abs. 1 Alt. 1 StGB erfasst sein sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2001 – 2 StR 260/01, NJW 2002, 905, 907), wird dies insbesondere von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für Geldabhebungen an Automaten fremder Geldinstitute bejaht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2001 – 2 StR 260/01, aaO 906 f.). Allerdings ist zu konstatieren, dass die genannte Entscheidung noch vor Beendigung des Eurochequesystems ergangen ist, so dass nicht auszuschließen ist, dass der Bundesgerichtshof nunmehr zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (vgl. MK/Radtke, StGB, 4. Aufl., § 266b Rn. 11). Gewichtige Argumente sprechen zudem dafür, zumindest Fälle des sog. Online-Betriebs, in dem eine Autorisierung durch die kartenausstellende Bank vor jeder Auszahlung eingeholt wird, aus dem Anwendungsbereich der Norm auszunehmen (vgl. etwa Graf/Jäger/Wittig/Bär, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 266b Rn. 9). Da dieser mittlerweile die Regel sein dürfte, verbleibt für § 266Abs. 1 Alt. 1 StGB allenfalls noch ein sehr geringer Anwendungsbereich. Vor diesem Hintergrund erscheint die Aufhebung dieser Tatbestandsalternative hinnehmbar; sie sorgt jedenfalls in diesem Bereich für größere Klarheit. Möchte man den sog. Bankautomatenmissbrauch künftig dennoch als strafbar erfassen, wäre ggf. eine Verankerung in § 263a StGB in Betracht zu ziehen (vgl. zum Diskussionsstand zur derzeitigen Rechtslage BeckOK/Schmidt, StGB, 58. Ed. § 263a Rn. 28).


VIII.    Aufhebung der §§ 284 bis 287 StGB (unerlaubtes Glückspiel) 
In diesem Bereich sieht das Eckpunktepapier gleich die Aufhebung einer ganzen Reihe von Vorschriften vor. Grundnorm ist § 284 Abs. 1 StGB, wonach sich strafbar macht, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtung hierzu bereitstellt. Ein erhöhter Strafrahmen ist nach Absatz 3 der Norm für die gewerbs- oder bandenmäßige Tatbegehung vorgesehen. Nach § 285 StGB ist auch die Beteiligung an unerlaubtem Glückspiel unter Strafe gestellt. § 287 StGB erstreckt die Strafbarkeit schließlich auf die Veranstaltung unerlaubter Lotterien oder Ausspielungen sowie die Werbung hierfür.

Kontrovers wird insbesondere der hinter diesen Vorschriften stehende Schutzzweck diskutiert (vgl. zum Meinungsspektrum LK/Krehl/Börner, StGB, 13. Aufl., Vorb. zu den §§ 284 ff., Rn. 6 ff.). Dieser wird einerseits in der staatlichen Kontrolle über die kommerzielle Ausbeutung der natürlichen Spielleidenschaft (so etwa BGHSt 11, 209, 210) und andererseits in der Gewährleistung einer manipulationsfreien Spielchance und dem Schutz vor heimlicher Manipulation gesehen (etwa MK/Hohmann/Schreiner, StGB, 4. Aufl., § 284 Rn. 1). Beide Schutzzwecke sind jedoch Einwänden ausgesetzt, weil im Hinblick auf den erstgenannten unklar sei, inwiefern das Erfordernis einer behördlichen Erlaubnis einer Ausbeutung entgegenstehen solle, und im Hinblick auf den zweitgenannten, dass im Fall von Manipulationen des Spielbetriebs bereits eine Strafbarkeit gem. § 263 StGB in Betracht kommt (vgl. BeckOK/Hollering, StGB, 58. Ed., § 284 Rn. 5 f.). Hierauf hebt auch das Eckpunktepapier ab und hält daher die Erfassung als Ordnungswidrigkeit gem. § 28a des Glücksspielvertrages der Länder für ausreichend.

Dies greift jedoch aus Sicht des Deutschen Richterbundes zu kurz. Zum einen sind neben den o.g. Schutzzwecken auch die mit einer Eindämmung des Glücksspiels einhergehende Suchtprävention (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/2001, NJW 2006, 1261 Rn. 96 ff.) sowie der Jugendschutz zu berücksichtigen. Zum anderen ist das illegale Glückspiel nach der bisherigen gesetzgeberischen Einschätzung – die der Deutsche Richterbund teilt – ein spezifischer Deliktsbereich der Organisierten Kriminalität und stellt eine bedeutende Einnahmequelle organisierter Straftätergruppen dar (vgl. LK/Krehl/Börner aaO Rn. 5). Dies gilt namentlich für die in § 284 Abs. 3 StGB erfasste gewerbs- und bandenmäßige Begehungsweise. Insbesondere hinsichtlich dieser Begehungsformen verkennt das Eckpunktepapier deren kriminalpolitischen Stellenwert im Rahmen der gesamtkonzeptionellen OK-Bekämpfung, die eine verstärkte staatliche Kontrolle sinnvoll erscheinen lässt. Vor diesem Hintergrund spricht sich der Deutsche Richterbund gegen eine Streichung der §§ 284 und 287 StGB aus. Eine Aufhebung des § 285 StGB erscheint dagegen bedenkenswert, da die genannten Erwägungen die Strafbarkeit des Glücksspielteilnehmers nicht in gleichem Maße erfordern.


IX.    Aufhebung von § 290 StGB
Nach der Vorschrift machen sich öffentliche Pfandleiher strafbar, welche die von ihnen in Pfand genommenen Gegenstände unbefugt in Gebrauch nehmen. Gegen die Abschaffung der Norm bestehen keine Bedenken. Sie hat keine praktische Bedeutung (vgl. MK/Maier, StGB. 4. Aufl., § 290 Rn. 1: keine Erwähnung in der Strafverfolgungsstatistik) und einem etwaigen Missbrauch des öffentlichen Vertrauens kann ausreichend mit gewerberechtlichen Maßnahmen begegnet werden.


X.    Aufhebung von § 323b StGB
Nach der Norm macht sich strafbar, wer wissentlich einem anderen, der auf Grund behördlicher Anordnung oder ohne seine Einwilligung zu einer Entziehungskur in einer Anstalt untergebracht ist, ohne Erlaubnis des Anstaltsleiters oder seines Beauftragten alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel verschafft oder überlässt oder ihn zum Genuss solcher Mittel verleitet. Die Norm hat keine praktische Bedeutung erlangt (vgl. MK/van Gemmeren, StGB, 4. Aufl., § 323b Rn. 3), obwohl Verstöße gegen sie durchaus häufig vorkommen dürften. Offenbar werden diese in der Praxis jedoch anders, nämlich anstaltsintern gelöst, z. B. durch Streichung von Lockerungen etc. im Rahmen der Maßregel. Da somit in der Praxis augenscheinlich kein Bedürfnis für die Strafnorm besteht, hält der Deutsche Richterbund ihre Streichung für vertretbar.


XI.    Aufhebung von § 352 StGB
Danach macht sich ein Amtsträger, Anwalt oder sonstiger Rechtsbeistand, welcher Gebühren oder andere Vergütungen für amtliche Verrichtungen zu seinem Vorteil zu erheben hat, strafbar, wenn er Gebühren oder Vergütungen erhebt, von denen er weiß, dass der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrag schuldet. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist gering. In der Regel dürften daneben auch die Merkmale von § 263 StGB erfüllt sein. Dann führt sie durch den im Vergleich zu § 263 StGB geringeren Strafrahmen zu einer Privilegierung. Der Deutsche Richterbund teilt die in dem Eckpunktepapier geäußerte Auffassung, dass diese Privilegierung nicht berechtigt erscheint (vgl. auch Fischer, StGB, 70. Aufl., § 352 Rn. 2) und daher abgeschafft werden sollte. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Norm in zwei Punkten über § 263 StGB hinausgeht, nämlich keine Bereicherungsabsicht und keinen Irrtum auf Seiten des Geschädigten voraussetzt, erscheint sie entbehrlich. Denn in der Praxis dürften solche Konstellationen eher die Ausnahme sein. Wollte man sie dennoch weiterhin erfassen, käme als Alternative zu einer Streichung der Vorschrift eine Klarstellung in Betracht, dass § 263 StGB durch § 352 StGB nicht gesperrt wird.


XII.    Sprachliche Anpassung von §§ 211 bis 213 StGB (Mord, Totschlag)
Den Bestimmungen der Paragraphen 211 bis 212 StGB liegt ein grundlegend fragwürdiges Verständnis von Tätertypen zu Grunde, das zu berichtigen der Deutsche Richterbund ausdrücklich begrüßt. Wichtig ist jedoch, dass bei einer etwaigen Änderung des Wortlauts der Vorschriften, die grundsätzliche Systematik, wie sie durch die jahrzehntelange Rechtsprechung erarbeitet wurde, bestehen bleibt.


XIII.    Aufhebung von § 316a StGB
Nach der Vorschrift macht sich strafbar, wer zur Begehung eines Raubes, eines räuberischen Diebstahls oder einer räuberischen Erpressung einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlussfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt. Die Vorschrift stammt aus der 
NS-Zeit und wird allgemein als Fremdkörper im Strafgesetzbuch sowie ihre Strafdrohung als zu hoch wahrgenommen. Sie wird deswegen von der Rechtsprechung restriktiv ausgelegt (BGH, Urteil vom 20. November 2003 – 4 StR 150/03, NJW 2004, 786 ff.) und hat keine große praktische Bedeutung (vgl. MK/Sander, StGB, 4. Aufl., § 316a Rn. 4). In der Regel dürften entsprechende Fallkonstellationen ausreichend über die normalen Raub- bzw. Erpressungsdelikte sanktioniert werden können. Vor diesem Hintergrund hält der Deutsche Richterbund die in dem Eckpunktepapier vorgesehene Aufhebung der Norm für vertretbar. Alternativ käme auch in Betracht, sie als Fall von § 250 Abs. 1 StGB aufzunehmen (vgl. MK/Sander aaO).