#24/2024

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf eines Gesetzes über die Statistiken der Strafrechtspflege des Bundes (Strafrechtspflegestatistikgesetz – StrafStatG)

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Der Deutsche Richterbund hat erhebliche Bedenken gegen den vorgelegten  Gesetzentwurf über die Statistiken der Strafrechtspflege des Bundes (Strafrechtspflegestatistikgesetz – StrafStatG). 

Zwar sind die mit dem Referentenentwurf geforderten statistischen Erhebungen nachvollziehbar und erfüllen wichtige Zwecke. Jedoch erfassen die nach dem geplanten Strafrechtspflegestatistikgesetz vorgesehenen Erhebungen, die weit überwiegend von den Staatsanwaltschaften durchzuführen wären, nahezu jeden Detailaspekt eines Ermittlungsverfahrens. Dies führt erwartbar zu einem Mehraufwand, der vor dem Hintergrund der hinlänglich bekannten, bundesweit prekären Personalsituation der Staatsanwaltschaften geeignet ist, die Arbeitsfähigkeit der Staatsanwaltschaften mit Blick auf die Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags in erheblichem Maße zu beeinträchtigen.
 
B. Bewertung im Einzelnen

I. Vorbemerkung und grundsätzliche Bewertung des Referentenentwurfs

Mit dem Gesetzentwurf über die Statistiken der Strafrechtspflege des Bundes (Strafrechtspflegestatistikgesetz – StrafStatG) soll zum einen für die bestehende gerichtliche Strafverfolgungsstatistik eine bundesgesetzliche Grundlage geschaffen werden. Zum anderen sollen zahlreiche neue Statistiken für die Abschnitte des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und der Strafvollstreckung eingeführt sowie gesetzlich etabliert werden.

Der Referentenentwurf verfolgt damit ein jedenfalls im Grundsatz nachvollziehbares Anliegen. Die Entwurfsbegründung führt unter anderem unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zutreffend aus, dass die Erhebung aussagefähiger, auf Vergleichbarkeit angelegter Daten wissenschaftlicher und politischer Erkenntnisgewinnung sowie einer öffentlichen Diskussion dient, die die Suche nach besten Lösungen anspornt und demokratische Verantwortung geltend zu machen erlaubt (Ref-E, S. 17). Daraus ergibt sich allerdings keine allgemeine Forderung nach einer evidenzbasierten Kriminalpolitik. 

In seiner Umsetzung des Koalitionsvertrages aber führte der Referentenentwurf zu einem ganz erheblichen und kaum noch vertretbaren Mehraufwand für die ohnehin bereits überlasteten Staatsanwaltschaften.


1. Die Staatsanwaltschaften sind chronisch überlastet und erfüllen bereits zahlreiche statistische Aufgaben. Das geplante Strafrechtspflegestatistikgesetz würde im Falle seines Inkrafttretens eine zusätzliche ganz erhebliche Belastung mit sich bringen.

Die fortschreitende Überlastung der Strafjustiz – insbesondere der Staatsanwaltschaften – ist ein zentrales Problem der Kriminalitätsbekämpfung. 

Allein im Jahr 2023 haben die Staatsanwaltschaften bundesweit mehr als 5,5 Millionen neue Fälle erreicht; das sind 350.000 mehr als im Vorjahr und rund 860.000 mehr als noch vor zehn Jahren. Ende des Jahres 2023 lagen 923.000 offene Verfahren bei den Staatsanwaltschaften – eine Steigerung um 25% gegenüber dem Jahr 2021.

Noch immer sind die Staatsanwaltschaften mit der Amnestie-Regelung nach der Cannabis-Legalisierung beschäftigt. Fast 280.000 Verfahrensakten mussten überprüft werden, um rückwirkend Strafen zu erlassen oder neu festzusetzen. 

Zudem erfüllen die Staatsanwaltschaften bereits jetzt zahlreiche umfängliche statistische Aufgaben. Beispielhaft seien hier nur die Statistiken über Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation, zur Online-Durchsuchung, zur Wohnraumüberwachung sowie zur Erhebung von Verkehrsdaten genannt. Auch im Gesetzesentwurf des Bundesministeriums der Justiz betreffend die Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation sind – neben umfangreichen Prüf-, Dokumentations- und Begründungspflichten, die ebenfalls in hohem Maße Zeit und Personal binden würden – umfangreiche Berichtspflichten zu statistischen Zwecken vorgesehen. 

Zwar sind die mit dem Referentenentwurf geforderten statistischen Erhebungen nachvollziehbar und erfüllen dem Grunde nach wichtige Zwecke. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Last der statistischen Erfassung letztlich immer dieselben Staatsanwältinnen und Staatsanwälte trifft, deren Anzahl sich – im Vergleich zu den stetig steigenden Anforderungen, die im Bereich ihrer Kernaufgabe, der Strafverfolgung, und im Vergleich zu ihren wachsenden statistischen Aufgaben an sie gestellt werden – nicht in dem erforderlichen Maße erhöht.

Die aufgrund des geplanten Strafrechtspflegestatistikgesetzes zu erwartende Mehrarbeit ist geeignet, die aufgrund des KCanG im Hinblick auf Art. 316p EGStGB erforderlich gewordene Mehrarbeit bei weitem zu übertreffen.


2. Der Referentenentwurf geht unzutreffend davon aus, dass die Erledigung der statistischen Aufgaben im Sinne des geplanten Strafrechtspflegestatistikgesetzes nach Einführung der elektronischen Strafakte ohne personellen Aufwand erfolgt. In der Mehrzahl der Fälle wird eine Aktenauswertung und eine entsprechende Prüfung des Akteninhalts erforderlich sein.

Dem Referentenentwurf liegt die stillschweigende Annahme zugrunde, dass die Erledigung der statistischen Aufgaben im Sinne des geplanten Strafrechtspflegestatistikgesetzes nach Einführung der elektronischen Strafakte ohne personellen Aufwand und gewissermaßen von selbst erfolgt. Diese Annahme trifft nicht zu. Denn eine Vielzahl der nach § 2 StrafStatG-E zu erfassenden Daten werden nicht schon aufgrund der Erfassung der Verfahren in den elektronischen Systemen erhoben werden können. Vielmehr werden die staatsanwaltschaftlichen Dezernentinnen und Dezernenten die Daten zu erheben und zu erfassen haben, weil die geforderten Daten eine Aktenauswertung und eine entsprechende Prüfung des Akteninhalts voraussetzen. Dies gilt besonders für die Erfassung zum Verletzten einer Straftat und einem etwaigen Näheverhältnis zu der beschuldigten Person (§ 2 Nr. 1 h) StrafStatG-E). Diese Daten werden mit Blick auf das zu prüfende Näheverhältnis nur nach Auswertung der Verfahrensakte selbst und damit nur durch staatsanwaltschaftliche Dezernenten erhoben werden können. Konservativ gerechnet wäre für eine gründliche Sichtung der Verfahrensakte und die Erhebung der geforderten Daten von einem zeitlichen Aufwand von im Schnitt mindestens 10 Minuten pro Akte auszugehen.

3. Bei einem Teil der zu erfassenden Daten wäre der Aufwand der Ermittlungen zu rein statistischen Zwecken höher als der Aufwand für die Verfahrensbearbeitung selbst. Der gegenwärtige Zuschnitt des Referentenentwurfs ist dazu geeignet, die Arbeitsfähigkeit der Staatsanwaltschaften mit Blick auf die Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags in erheblichem Maße zu beeinträchtigen. 

Gemäß § 2 Nr. 1 h) StrafStatG-E sollen bei Straftaten gegen die höchstpersönlichen Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit, persönliche Freiheit, Ehre und die sexuelle Selbstbestimmung die Anzahl, das Alter, das Geschlecht und die Staatsangehörigkeiten der dadurch Verletzten im Sinne des § 373b Absatz 1 StPO sowie Einzelangaben zum Näheverhältnis zwischen beschuldigter Person und verletzter Person erfasst werden.

Insbesondere diese nach § 2 Nr. 1 h) StrafStatG-E zu erfassenden Daten wären aber mit einem völlig unvertretbaren Zusatzaufwand für die Staatsanwaltschaften verbunden. Unter den Katalog fällt ein beträchtlicher Teil von Verfahren, die in der Praxis auf den Privatklageweg verwiesen werden. Der Aufwand, der mit der Feststellung der nach dem Strafrechtspflegestatistikgesetz zu erfassenden Angaben verbunden ist, dürfte daher teilweise höher sein als der Aufwand für die Verfahrensbearbeitung selbst. Dasselbe gilt für die bei § 3 Nr. 1 h) und i) StrafStatG-E verlangten Angaben, für die nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 b) 
StrafStatG-E ebenfalls die Staatsanwaltschaften zuständig wären.

Bei einer großstädtischen Staatsanwaltschaft ist jährlich mit etwa 8.000 Erledigungen in Verfahren wegen Straftaten gegen die persönliche Ehre (Beleidigung, Verleumdung oder übler Nachrede) zu rechnen. Legte man für jedes dieser 8.000 Verfahren einen – äußerst zurückhaltend veranschlagten – Erfassungsaufwand von lediglich 10 Minuten zugrunde, bedeutete dies jährlich 80.000 zusätzliche Arbeitsminuten bzw. 1333 zusätzliche Arbeitsstunden und damit knapp 167 zusätzliche Arbeitstage. 

Dieser Aufwand allein für einen Teilbereich der nach dem Strafrechtspflegestatistikgesetz zu erhebenden Daten ist unverhältnismäßig. Straftaten gegen die persönliche Ehre zählen zu denjenigen Verfahren, hinsichtlich derer der Gesetzgeber eigentlich davon ausgeht, dass die Strafverfolgungsbehörden sich aus ökonomischen Gründen nicht vertieft mit ihnen befassen sollen. Aus diesem Grunde wird in der Praxis großzügig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Anzeigeerstatter auf den Privatklageweg zu verweisen.

Der skizzierte Mehraufwand ist vor dem Hintergrund der hinlänglich bekannten, bundesweit prekären Personalsituation der Staatsanwaltschaften schlicht unzumutbar und geeignet, die Arbeitsfähigkeit der Staatsanwaltschaften mit Blick auf die Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags in erheblichem Maße zu beeinträchtigen.


II. Zu den einzelnen Regelungen des Referentenentwurfs

1. Zu § 2 StrafStatG-E

§ 2 StrafStatG-E regelt die „Strafverfolgungsstatistik I“ und zählt die bei Abschluss eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zu erfassenden Erhebungsmerkmale auf.
Diese Erhebungsmerkmale gehen deutlich über dasjenige hinaus, was derzeit in den elektronischen Systemen der Staatsanwaltschaften erfasst wird. Folglich bedarf es einer dezidierten Auswertung der Verfahrensakte. Da es zahlreiche Merkmale gibt, deren Erfassung nicht auf die Serviceeinheiten delegiert werden kann, würde diese Aufgabe den staatsanwaltschaftlichen Dezernenten überlassen bleiben. Ungeachtet dessen bleibt festzuhalten, dass der Personalmangel im Unterstützungsbereich bei den Staatsanwaltschaften mindestens ebenso groß ist wie bei den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten.

Bereits § 2 Nr. 1 a) StrafStatG-E macht eine präzise Durchsicht der Verfahrensakte erforderlich. Denn ausweislich der Entwurfsbegründung (Ref-E, S. 35) ist mit „Art der Behörde, die das Ermittlungsverfahren eingeleitet hat“ auch eine Polizeibehörde gemeint, sofern es sich – wie regelmäßig – um einen zunächst bei einer Polizeibehörde bekannt gewordenen Sachverhalt handelt. 

Aber gerade wenn das Verfahren seinen Ursprung bei der Polizei hat, bedarf schon das Datum der Einleitung häufig einer Durchsicht der Verfahrensakte sowie einer Bewertung und Entscheidung. Denn nicht selten divergiert das Datum der tatsächlichen Anzeigeerstattung vom Datum der Abfassung der Strafanzeige in den polizeilichen Auskunftssystemen. Schon an dieser Stelle ist mithin eine genaue Prüfung geboten. Zwar mögen Abweichungen in diesem Bereich im Ergebnis nicht von großer Bedeutung sein. Gleichwohl wäre auch an dieser Stelle Präzision zu fordern, um statistische Verzerrungen zu vermeiden und Sinn und Zweck der statistischen Erfassung nicht von vornherein ad absurdum zu führen.

Dasselbe gilt für die Erfassung der Bezeichnung des von der einleitenden Behörde angenommenen Tatverdachts. Die Entwurfsbegründung führt aus, dass das nach der Beurteilung der Einleitungsbehörde schwerste Delikt zu erfassen sei (Ref-E, S. 35). Diese Frage können Mitarbeitende des Unterstützungsbereichs nicht immer zuverlässig beurteilen. Auch in diesem Bereich wäre eine Prüfung durch die staatsanwaltschaftlichen Dezernentinnen und Dezernenten geboten.

Zur Erfassung der unter § 2 Nr. 1c) StrafStatG-E geforderten Daten bedarf es bei nahezu allen Unterpunkten einer Überprüfung und Auswertung der Verfahrensakte. 

Bei § 2 Nr. 1 c) aa) StrafStatG-E ist dies offensichtlich. Um das Datum „der letzten vorgeworfenen Tat, die der Erledigung zugrunde lag“, benennen zu können, muss mindestens die Abschlussentscheidung, in einer Vielzahl von Fällen sicherlich auch die Verfahrensakte selbst, ausgewertet werden. 

Mit Blick auf die Frage des Eingangs des Verfahrens, § 2 Nr. 1c) bb) StrafStatG-E, gibt es drei Zeitpunkte zur Auswahl: Datum des Eingangsstempels der Poststelle, Datum der Auszeichnung durch die zuständige Abteilungsleitung und das Datum der Erfassung in den elektronischen Systemen (z. B. MESTA). 

Diese Zeitpunkte können je nach Ausmaß von Eintragungsrückständen ganz erheblich voneinander divergieren. Dem Sinn nach dürfte wohl das Erfassungsdatum in den elektronischen Systemen maßgeblich sein. Welcher Zeitpunkt tatsächlich maßgeblich sein soll, lässt der Entwurf offen. Eine einheitliche Erfassungspraxis wäre damit nicht sichergestellt. 

Die Daten im Sinne des § 2 Nr. 1 d) StrafStatG-E („Bezeichnung der angewendeten Vorschriften und rechtliche Bezeichnung des Tatvorwurfs zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ermittlungsverfahrens“) können hinsichtlich der angewandten Vorschriften durchaus durch die Mitarbeitenden des Unterstützungsbereichs erfasst werden. Die rechtliche Bezeichnung des Tatvorwurfs dürfte jedoch, um eine korrekte Erfassung sicherzustellen, von den staatsanwaltschaftlichen Dezernentinnen und Dezernenten einzutragen oder zumindest zu kontrollieren sein.

Daten nach § 2 Nr. 1 f) StrafStatG-E dürften jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle durch die Serviceeinheiten erfasst werden können. Einer Auswertung der Akte bedarf es gleichwohl immer dann, wenn das Verfahren nicht auf eine Geldwäscheverdachtsmeldung zurückgeht, sondern diese erst im laufenden Verfahren, gegebenenfalls aufgrund einer im Ermittlungsverfahren getätigten Bankanfrage, eingeht. In den letztgenannten Fällen bedürfte es einer Sichtung der Verfahrensakte durch die staatsanwaltschaftlichen Dezernentinnen und Dezernenten, um eine korrekte Erfassung zu gewährleisten.

Der Wortlaut von § 2 Nr. 1 g) StrafStatG-E wirft die Frage auf, was mit der Formulierung „mittels Internet“ genau gemeint ist. Ausweislich der Entwurfsbegründung sollen darunter sämtliche Straftaten zu verstehen sein, bei denen das Internet und/oder ein IT-Gerät bei der Tatbestandsverwirklichung eingesetzt wurden (Ref-E, S. 39). Sollte der Begriff tatsächlich so weit verstanden werden, bedarf auch dieser Punkt jedenfalls in einer Vielzahl von Fällen einer Aktenauswertung und kann nur durch die staatsanwaltschaftlichen Dezernentinnen und Dezernenten erfasst werden. Bei der Tatbestandsverwirklichung könnte nämlich auch im Stadium der Vorbereitungshandlungen – z. B. beim Auskundschaften von Tatobjekten oder der Anbahnung des Kontakts zu dem späteren Opfer eines sexuellen Übergriffs über eine Social Media-Plattform – das Tatmittel Internet oder aber ein IT-Gerät zum Einsatz gekommen sein. Ein einfacher und oberflächlicher Blick in die Verfahrensakte – etwa durch Serviceeinheiten – wäre insoweit unzureichend.

Soweit in § 2 Nr. 1h) StrafStatG-E nunmehr zahlreiche Daten zum Verletzten erfasst werden sollen, wird dies bislang allenfalls teilweise über Aktenzeichenzusätze erfasst. Auch diese Daten werden – jedenfalls was das Näheverhältnis betrifft – nur nach Auswertung der Verfahrensakte selbst und damit nur durch staatsanwaltschaftliche Dezernentinnen und Dezernenten und nicht durch Serviceeinheiten erfasst werden können. Darüber hinaus wird ein erheblicher statistisch begründeter Mehraufwand in solchen Verfahren zu leisten sein, bei denen, soweit es die Rechtsgüter „körperliche Unversehrtheit“ und „Ehre“ betrifft, zu einem nicht unwesentlichen Anteil auf den Privatklageweg verwiesen wird. 

Auch unter Berücksichtigung der Entwurfsbegründung ist nicht ersichtlich, was unter § 2 Nr. 1 i) StrafStatG-E erfasst werden soll. Insoweit fehlt es an der erforderlichen Bestimmtheit und Normenklarheit. Etwa ist unklar, ob lediglich vorläufige Sicherungsmaßnahmen erfasst werden sollen oder aber auch Handlungen, die der Vorbereitung der gerichtlichen Einziehungsanordnung dienen (z. B. Finanzermittlungen zur Auffindung von Vermögenswerten). Problematisch ist auch die Angabe des „geschätzten Gesamtwertes der betroffenen Vermögensgegenstände“. Wer die Schätzung nach welchen Maßstäben vornehmen und was genau unter dem Begriff der „betroffenen Vermögensgegenstände“ zu verstehen sein soll, bleibt offen. 

Die Erfassung der in § 2 Nr. 1 j) StrafStatG-E geforderten Daten kann durch Serviceeinheiten erfolgen, sofern und soweit beim Haftgrund Mehrfachnennungen möglich sind. Insoweit wäre allerdings eine Präzisierung des Wortlauts erforderlich, da im Referentenentwurf von „Haftgrund“ nur im Singular die Rede ist, in der Praxis jedoch nicht selten mehrere Haftgründe vorliegen. 

2. Zu § 3 StrafStatG-E

§ 3 StrafStatG-E regelt – wenngleich in begrenztem Umfang (zuständig ist ausschließlich der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter) – die bei den Gerichten zu erhebenden Daten. Insoweit wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen zu § 2 StrafStatG-E. Auch bei den Gerichten wären diverse Daten zu erheben, die kaum durch die Serviceeinheiten erfasst werden können, sondern letztlich durch die Richterin oder den Richter zu erfassen wären, weil sie eine Aktenauswertung voraussetzen.

Für die Staatsanwaltschaften ergibt sich mit Blick auf § 3 Nr. 1 h) aa) bis dd) StrafStatG-E ein weiterer erheblicher Mehraufwand. Denn für die Erfassung der dort geforderten Daten ist nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 b) StrafStatG-E bei nach Erwachsenenstrafrecht ergangenen Entscheidungen die Staatsanwaltschaft zuständig und es handelt sich dabei um Daten, die nicht ohnehin bereits nach § 2 StrafStatG-E zu erfassen sind.

Um die nach § 3 Nr. 1 h) aa) bis dd) StrafStatG-E zu erfassenden Daten erheben zu können, sind unter Umständen ergänzende Prüfungen bzw. Ermittlungen nötig, etwa wenn die Frage des Zusammenhangs mit einem Verkehrsunfall nicht offensichtlich beantwortet werden kann. Ergänzende Ermittlungen zu rein statistischen Zwecken sind mit Blick auf die stark strapazierten Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden nicht vertretbar.

3. Zu § 14 StrafStatG-E

§ 14 StrafStatG-E regelt, dass Beginn der Erfassung das Kalenderjahr 2027 sein soll. Die Staatsanwaltschaften werden zu diesem Zeitpunkt noch mit den Umstellungen nach der Einführung der elektronischen Akte befasst sein. Das zeitliche Zusammenfallen der Mehrbelastungen im Zusammenhang mit der Umstellung auf die elektronische Akte mit dem Mehraufwand, der die geplante umfängliche statistische Erfassung nahezu aller Aspekte eines Strafverfahrens erfordert, ist angesichts der ohnehin außerordentlich hohen Belastung der Staatsanwaltschaften unzumutbar.

4. Zweifel an der Vereinbarkeit mit der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung

Der Gesetzentwurf begegnet mit Blick auf die Europäische Datenschutz-Grundverordnung ernsthaften Bedenken.

Angesichts der Vielzahl der zu verarbeitenden Daten ist bereits zweifelhaft, ob der Entwurf dem Grundsatz der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) DS-GVO) entspricht.

Dies gilt umso mehr, als sich aus §§ 9 und 10 StrafStatG-E sowie der Begründung zu § 8 StrafStatG-E (Ref-E, S. 71 f.) unzweifelhaft ergibt, dass die in den vordergründig getrennten Statistiken nach §§ 2 bis 5 StrafStatG-E enthaltenen Datensätze miteinander verknüpft werden sollen. Nach § 10 Abs. 1 StrafStatG-E wird in den beim Statistischen Bundesamt gespeicherten Datensätzen das über alle Statistiken identische, weil nach § 8 Abs. 2 StrafStatG-E aus dem Aktenzeichen der das Ermittlungsverfahren abschließenden Behörde bestehende Verfahrenspseudonym gespeichert und jeweils mit dem (endgültigen) Personenpseudonym verbunden. Daher sind die entsprechenden Datensätze auch entgegen dem Entwurfstext mitnichten „nicht rückverfolgbar“ pseudonymisiert und damit nicht im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung pseudonymisiert (vgl. Art. 4 Nr. 5 DS-GVO), denn dies würde die angestrebte Zusammenführung der Datensätze ausschließen. Auch das endgültige Personenpseudonym ist keineswegs „nicht rückverfolgbar“ und daher kein Pseudonym im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung, denn es ermöglicht offenbar, verschiedene Verfahren, die dieselbe Person betreffen, dieser Person auch in der Statistik zuzuordnen. Anders wäre die nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 DS-GVO vorgesehene Personenzählung nicht möglich (vgl. Ref-E, S. 77).