Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf eines Gesetzes über eine Beauftragte oder einen Beauftragten der Bundesregierung für die Anliegen von Betroffenen von terroristischen Straftaten im Inland (Bundesopferbeauftragtengesetz – BOpfBeG)
Terroristische Anschläge zielen darauf ab, die Gesellschaft in ihrem Vertrauen auf den Schutz durch den Staat und seine Institutionen zu erschüttern. Es ist deshalb in besonderem Maße geboten, dieser bezweckten Einschüchterung in erster Linie durch die effektive Ermittlung sowie Verfolgung von Tätern und Tatbeteiligten, aber auch dadurch entgegenzutreten, Interessen von Opfern zu vertreten und frühzeitig zu Gehör zu bringen.
Stets ist jedoch in den Blick zu nehmen, dass die Aufklärung von Straftaten, zu der Strafverfolgungsbehörden gesetzlich verpflichtet sind (vgl. § 160 StPO), gerade bei terroristischen Großschadensereignissen mit einem zunächst unübersichtlichen Tatgeschehen, wie z. B. dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin am 19. Dezember 2016, und damit einhergehenden Kapazitätsengpässen im Vordergrund stehen muss und Polizei sowie Staatsanwaltschaft nicht durch weiterreichende Informationsbedarfe gebunden werden. Denn die ungehinderte und effektive Aufklärung des Tatgeschehens ist auch unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes von zentraler Bedeutung.
Diesem Spannungsfeld versucht der Entwurf eines Bundesopferbeauftragtengesetzes (BOpfBeG) Rechnung zu tragen, indem er z. B. in der Begründung zu § 4 Abs. 3 BOpfBeG-E ausführt, dass die Datenübermittlung unter dem Vorbehalt besteht, dass die erfragten Informationen der zuständigen Staatsanwaltschaft im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen bereits bekannt geworden sind (Seite 15 des Entwurfs).
Auf diese Weise soll nur eine Pflicht zur Datenübermittlung, nicht aber zur Datenerhebung statuiert werden. Gleichwohl sind in der praktischen Umsetzung Interessenkollisionen vorprogrammiert, denen letztlich nur durch eine ausreichende personelle und sächliche Ausstattung von Polizei und Justiz Rechnung getragen werden kann.
Der Umfang der Datenübermittlung steht im Spannungsfeld zur Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft
Nicht unproblematisch erscheint in diesem Zusammenhang der Umfang der angeordneten Datenübermittlung. In § 4 Abs. 1 BOpfBeG-E heißt es allgemein, dass der Opferbeauftragte Auskunft verlangen kann, „soweit dies zur Wahrnehmung ihrer oder seiner Aufgaben nach § 3 erforderlich ist“. Die Gesetzesbegründung konkretisiert dies dahingehend, dass die Vorschriften auch Auskünfte über z. B. den Tathergang verlangen kann. Inwieweit dies, anders als bei Erkenntnissen zu Betroffenen, Tatverdächtigen oder auch Tatmotiv, für Maßnahmen des Opferschutzes bedeutsam ist, ist indes nicht erkennbar. Angelegt ist jedoch insoweit ein Spannungsfeld zwischen gebotener Sachverhaltserforschung unter Leitung der Staatsanwaltschaft und Vermeidung der Gefährdung des Untersuchungszwecks (vgl. § 479 Abs. 1 StPO) auf der einen Seite und sehr weit gefasstem Auskunftsanspruch des Opferbeauftragten auf der anderen. Nicht zu verkennen ist auch, dass die Pflicht zur Unverzüglichkeit der Datenübermittlung (§ 4 Abs. 3 BOpfBeG-E) geeignet ist, im Einzelfall nachteilig auf die gebotene Priorisierung der Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft Einfluss zu nehmen.
Das Amt des Bundesopferbeauftragten wäre besser beim Bundesamt für Justiz angesiedelt
Soweit es die praktische Umsetzung des BOpfBeG betrifft, ist es zur Vermeidung von Doppelstrukturen und damit einhergehenden Reibungsverlusten vorzugswürdig, das Amt des Bundesopferbeauftragten nicht wie vorgesehen (§ 1 Abs. 2 BOpfBeG-E) im Bundesministerium der Justiz anzusiedeln, sondern, jedenfalls soweit es die in § 3 Nrn. 2 bis 4 des Entwurfs genannten Aufgaben (Information der Betroffenen, Vermittlung Betroffener in Hilfsangebote, Hilfestellung für Betroffene im Umgang mit Behörden) betrifft, im Bundesamt für Justiz (BfJ), das aufgrund seiner Zuständigkeit für die Gewährung von Härteleistungen nach der Richtlinie zur Zahlung von Härteleistungen für Opfer terroristischer und extremistischer Taten aus dem Bundeshaushalt ohnehin operative und in Teilen interessengleiche Tätigkeiten wahrnimmt. Für eine Zuständigkeit des BfJ dürfte überdies sprechen, dass es sich bei ihm um eine auch personell größere Behörde handelt, die in der Lage wäre, auch im Falle eines Großschadensereignisses mit tausenden Betroffenen (wie etwa bei einem Anschlag im Kontext eines Großkonzerts oder eines Stadionspiels) handlungsfähig zu bleiben.
Die Beschränkung auf terroristische Straftaten im Inland ist zu prüfen
Schließlich ist die Frage aufzuwerfen, inwieweit die Beschränkung der Zuständigkeit des Opferbeauftragten auf terroristische Straftaten im Inland geboten und sachgerecht ist, zumal die vorerwähnte, vom BfJ umzusetzende Entschädigungsrichtlinie eine solche Einschränkung auf Inlandtaten nicht enthält. Terroristische Anschläge wie in den Jahren 2015 und 2023 in Paris, 2016 in Istanbul und Nizza oder auch im Jahr 2002 in Djerba zeigen, dass auch bei terroristischen Taten im Ausland deutsche Opfer zu beklagen sind. Hinzu kommt, dass gerade Menschen, die im Ausland Opfer einer Straftat werden, im Einzelfall einer besonderen, über diplomatische Wege hinausreichenden Unterstützung bedürfen.