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zu den Verfassungsbeschwerden mit den Aktenzeichen 2 BvR 993/15, 2 BvR 858/16, 2 BvR 2345/16

 

Die drei erhobenen Verfassungsbeschwerden betreffen nicht nur inhaltlich jeweils den richterlich angeordneten Gewahrsam zur Sicherung der Abschiebung Ausreisepflichtiger (Abschiebungshaft), sondern darüber hinaus inhaltlich ein identisches Problem des Verfahrensrechtes. Es geht darum, ob ein Fehler im gerichtlichen Freiheitsentziehungsverfahren unmittelbar zur Rechtswidrigkeit der ergangenen Entscheidung führt oder ob es darauf ankommt, dass das Verfahren ohne den festgestellten Mangel zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Ausschließlich mit diesem Fragenkomplex setzt sich die vorliegende Stellungnahme auseinander.

I. Verfassungsbeschwerde vom 29.05.2015 zum Aktenzeichen 2 BvR 993/15

Angegriffen werden im Wesentlichen die Ausführungen des V. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes im Beschluss vom 12.03.2015 – V ZB 187/14. Dabei wird unter Betonung des Gewichtes einer Freiheitsentziehung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs deswegen gerügt, weil dem Betroffenen zu Beginn der richterlichen Anhörung im Sinne des § 420 FamFG der behördliche Antrag im Sinne des § 417 FamFG nicht vollständig in Kopie ausgehändigt und übersetzt worden ist.

In dieser Beziehung ist die angegriffene Entscheidung überholt worden durch den Beschluss des V. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes vom 18.02.2016 - V ZB 23/15, der Gegenstand der zeitlich nachfolgenden Verfassungsbeschwerde vom 25.04.2016 (gerichtliches Az.: 2 BvR 858/16) ist.

Inhaltlich sind mehrere Komplexe zu unterscheiden, nämlich einerseits die Frage, in welchem Umfang dem Betroffenen eines Freiheitsentziehungsverfahrens zu Beginn der richterlichen Anhörung Kenntnis vom verfahrenseinleitenden Antrag zu geben ist (1.) und welche Rechtsfolgen sich aus einer Verletzung der herausgestellten Grundsätze ergeben (2.).

1. Bekanntgabe des Antrages vor der richterlichen Anhörung
Freiheitsentziehungsverfahren gemäß §§ 415 ff. FamFG sind, wie § 417 FamFG klarstellt, als sogenannte Antragsverfahren im Sinne der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet. Es bedarf also eines Antrages gemäß § 23 FamFG, mit dem das Verfahren beginnt und durch dessen Rücknahme es endet. Wegen dieser hervorragenden Bedeutung bestimmt § 23 Abs. 2 FamFG, dass das Gericht den Antrag an die Beteiligten, die nicht Antragsteller sind, übermitteln soll. Dieses einfachgesetzliche Postulat verdichtet sich in Verfahren, die gerichtet sind auf die Einschränkung des verfassungsrechtlich besonders geschützten Rechtes der Freiheit, in Richtung einer Mussvorschrift. Dabei muss im gerichtlichen Verfahren der Antrag dem Betroffenen bzw. seinem Bevollmächtigten so zeitnah bekannt gegeben werden, dass er auf dieser Grundlage im Stande ist, zur Sachaufklärung beizutragen und seine Rechte wahrzunehmen. Dementsprechend ist nach der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zum Jahre 2009 ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes  somit regelmäßig eine Zugänglichmachung des Antrages rechtzeitig vor der Anhörung erforderlich, was dann eine Übersetzung sowie Aushändigung (in Kopie ) bedeutet . In keinem Fall genügt es, den Inhalt des Haftantrags lediglich mündlich vorzutragen, auch wenn dieser dabei "komplett wörtlich" übersetzt wird . Nimmt der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen nicht am Termin teil, so genügt es nicht, dass ihm der Antrag gefaxt, dem Betroffenen aber nicht ausgehändigt wird . Die erstmalige Bekanntgabe des Antrages zu Beginn der Anhörung ist ausnahmsweise nur dann ausreichend, wenn es sich um einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt handelt, bei dem der Betroffene auch unter dem Gesichtspunkt der Überraschung ohne Weiteres Stellung nehmen kann . Letztgenanntes mag nun durchaus bei den Verfahren der Ingewahrsamnahme nach den Landespolizeigesetzen häufiger der Fall sein, jedoch sehr selten im Bereich der Abschiebungshaft. Auch dann, wenn eine Bekanntgabe zu Beginn der Anhörung für ausreichend erachtet wird, ist es immer erforderlich, dass der Betroffene den schriftlich gefassten Antrag in Kopie ausgehändigt erhält ; er muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können . Schließlich ist die vor der Anhörung erfolgte Übermittlung und Übersetzung des Antrages in den Akten zu dokumentieren .
Die vorgenannten Grundsätze sind als Erfordernis eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens vor dem Hintergrund des konstitutiven Charakters des verfahrenseinleitenden Antrages unerlässlich. Auf die Frage, ob einzelne Punkte des Antrages der gerichtlichen Entscheidung nicht zugrunde liegen, kommt es hierbei noch nicht an.

2. Nicht ordnungsgemäße Bekanntgabe des Antrages vor der richterlichen Anhörung
In mehreren Beschlüssen der Jahre 2009 bis 2013 hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes klargestellt, dass eine Haftanordnung ohne Weiteres rechtswidrig sei, wenn der Haftantrag dem Betroffenen nicht vor der richterlichen Anhörung ausgehändigt worden ist ; denn eine ordnungsgemäße Anhörung des Betroffenen lasse sich ohne Beachtung dieses wichtigen Erfordernisses nicht durchführen . In den beiden von den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung aufgegeben und differenziert nun danach, ob das Verfahren ohne den festgestellten Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können .
Diese Argumentation dürfte zutreffend sein. Sie steht einerseits im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im Urteil vom 10.09.2013 . In diesem Verfahren ging es nicht um ein Gerichts-, sondern um das in den Niederlanden übliche Verwaltungsverfahren zur Verlängerung der Abschiebungshaft. Das Gericht hat hierzu – insoweit abweichend von der Stellungnahme des Generalanwaltes Melchior Wathelet vom 23.08.2013 – ausgeführt (Rn. 45):
Nach alledem ist auf die Fragen zu antworten, dass das Unionsrecht, insbesondere Art. 15 Abs. 2 und 6 der Richtlinie 2008/115, dahin auszulegen ist, dass das nationale Gericht, das mit der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer in einem Verwaltungsverfahren unter Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschlossenen Verlängerung einer Haftmaßnahme betraut ist, die Haftmaßnahme nur dann aufheben darf, wenn es aufgrund aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände des jeweiligen Falles der Ansicht ist, dass dieser Verstoß demjenigen, der sich darauf beruft, tatsächlich die Möglichkeit genommen hat, sich in solchem Maße besser zu verteidigen, dass dieses Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.
Diese Argumentation gilt für ein gerichtliches Verfahren umso mehr. Nach den Wertungen, welche sich in der Schaffung von Richtervorbehalten in der Legislative widerspiegeln, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Richter die Verfahrensrechte der Beteiligten beachtet und unter reiflicher Abwägung seine Entscheidung trifft. Dies ist der eigentliche Sinn, weshalb der Richtervorbehalt einer „bloßen“ Entscheidung der Exekutive (oder auch einer solchen der Staatsanwaltschaft) im grundrechtsrelevanten Bereich sowohl in der Verfassung (z.B. Art. 13, 104 GG) als auch einfachgesetzlich (§§ 98, 102 f., 110b StPO) vorgezogen wird. Ist aber nach alledem im nationalen Recht das vom Richter durchgeführte Verfahren von den allgemeinen Wertungen her als ein solches anzusehen, das den Verfahrens- und damit auch den beteiligten Grundrechten des Betroffenen am besten entspricht, so müssen die vom Europäischen Gerichtshof für die Freiheitsentziehung durch eine Verwaltungsbehörde aufgestellten Grundsätze erst recht für die vorliegende Frage gelten.
Die vorgenannt dargestellte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist auch durchaus für die hier zu untersuchende Frage von Bedeutung. Denn sie ist ergangen zur rechtlichen Grundlage der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger . Diese aber ist nicht nur im maßgeblichen Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet  (AufenthG) über § 62a Abs. 3 AufenthG direkt zu berücksichtigen, sondern findet in vielen Fragen der Abschiebungshaft mittelbare Beachtung. In Zusammenschau mit der zunehmenden Anzahl an sogenannten Dublin-(III)-Fällen  und der unmittelbaren Anwendung des Artikels 28 Abs. 2 Dublin-III-VO bei der Überstellungshaft  dürfte mithin das Erfordernis einer einheitlichen Handhabung im Bereich der Europäischen Union für die Beachtung des erörterten Urteils des Europäischen Gerichtshofes sprechen.
Auch ohne Beachtung der Rechtsprechung auf europäischer Ebene dürfte die Auffassung des Bundesgerichtshofes zutreffend sein. Denn es werden dem Betroffenen in concreto keinerlei Rechte abgeschnitten. Das Gericht hat im Verfahren nach §§ 415 ff. FamFG die grundlegende Bestimmung des § 37 Abs. 2 FamFG zu beachten. Schon nach dieser einfachgesetzlichen Norm, die letztlich auf den grundgesetzlichen Vorgaben des Art. 103 GG fußt, müssen mit dem Betroffenen die Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung erörtert werden. Hieraus folgt, dass selbst bei fehlender Übergabe des Antrages und nicht erfolgter Übersetzung diejenigen tatsächlichen Grundlagen, die das Gericht dem Antrag entnehmend zur Grundlage der Entscheidung machen möchte, mit dem Betroffenen zu erörtern sind. Bei einem ordnungsgemäßen Verlauf des Verfahrens kann es so im Ergebnis zu keiner Verletzung des rechtlichen Gehörs im Hinblick auf die zu treffende gerichtliche Entscheidung kommen. Soweit hier gleichwohl Fehler auftreten, bleibt es dem Betroffenen unbenommen, diese zu rügen und darzulegen, dass die angegriffene Entscheidung hierauf beruht. Dann ist auch die zwingende Folge der Rechtswidrigkeit evident.
Im Gegenschluss wäre das Verdikt der grundsätzlichen Rechtswidrigkeit von Anbeginn des Beschlusserlasses nur gerechtfertigt, wenn eine – wie auch immer geartete – Vermutung oder aber Wahrscheinlichkeit dafür sprechen könnte, dass das gerichtliche Verfahren ohne vollständige Bekanntgabe des behördlichen Antrages zu Beginn der Anhörung mit einem solchen Makel behaftet ist, der die ausgesprochene Rechtsfolge als von der Gesamtrechtsordnung nicht tragbar ansehen lassen würde. Ebenso liegt es aber in Anbetracht der Verpflichtungen aus § 37 Abs. 2 FamFG i.V.m. Art. 103 GG nicht; der Regelfall dürfte sein, dass der Betroffene sich mit allen die gerichtliche Feststellung tragenden Tatsachen auseinandersetzen konnte. Für den verbleibenden Ausnahmefall stehen dem Betroffenen ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung. Die eingangs erwähnte Vermutung oder aber Wahrscheinlichkeit besteht demnach nicht.
Soweit schließlich der behördliche Antrag die Mindestvoraussetzungen, welche er zu seiner Zulässigkeit benötigt, nicht erfüllt, ist er bereits von Amts wegen zurückzuweisen. Die Frage der Verletzung des rechtlichen Gehörs spielt in einem solchen Fall keine Rolle.

 

II. Verfassungsbeschwerde vom 25.04.2016 zum Aktenzeichen 2 BvR 858/16

Angegriffen werden im Wesentlichen die Ausführungen des V. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes im Beschluss vom 18.02.2016 - V ZB 23/15.
Die erste Rüge betrifft die fehlende Aushändigung des behördlichen Antrages auf Anordnung der Abschiebungshaft. Diesbezüglich ist zur Verfassungsbeschwerde vom 29.05.2015 bereits umfänglich unter Einbeziehung des Beschlusses vom 18.02.2016 (V ZB 23/15) ausgeführt worden.
Weitergehend wird gerügt, dass das Landgericht als Beschwerdeinstanz den Betroffenen nicht erneut persönlich angehört hat. Eine solche Anhörung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dann entbehrlich, wenn der Betroffene bereits vom Amtsgericht angehört wurde und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Im vorliegenden Fall war dem Betroffenen der Haftantrag vollständig mündlich übersetzt und nach der Entscheidung des Amtsgerichtes den Bevollmächtigten zusammen mit der Verfahrensakte schriftlich zugänglich gemacht worden. Es hätte mithin dem anwaltlich vertretenen Betroffenen oblegen, Tatsachen darzulegen, welche eine erneute Anhörung, insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis des rechtlichen Gehörs aus § 37 Abs. 2 FamFG i.V.m. Art. 103 GG hätten bedingen können. Dies ist vorliegend nicht erfolgt. Eine erneute Anhörung des Betroffenen zu neuen entscheidungserheblichen Punkten war so nicht möglich; es ist nicht erkennbar, aus welchem Grunde und zu welchem Thema der anwaltlich vertretene Betroffene für das Berufungsgericht Relevantes hätte vortragen können. Damit aber konnte seine erneute Anhörung unterbleiben.

 

III. Verfassungsbeschwerde vom 10.11.2016 zum Aktenzeichen 2 BvR 2345/16

Angegriffen werden die Ausführungen des V. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes im Beschluss vom 15.09.2016 - V ZB 49/15. Gegenstand der Rügen ist einerseits die nicht erfolgte Beiziehung der Verfahrensakten durch den Haftrichter (1.). Des Weiteren wird geltend gemacht, dass die unterbliebene Informierung der vom Betroffenen benannten Vertrauensperson einen Verstoß gegen grundgesetzlich gewährte Verfahrensrechte darstelle (2.).

1. Nicht erfolgte Beiziehung der Verfahrensakten
In § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG ist die Beiziehung der Verfahrensakten durch den Haftrichter in Fällen der Abschiebungshaft als Sollbestimmung vom Gesetz normiert. Grund ist die besondere Ausprägung der in § 26 FamFG generell festgeschriebenen Amtsermittlung vor dem Hintergrund des gewichtigen Eingriffes in die Freiheitsrechte des Betroffenen. Die Akte ist daher einzusehen, und zwar regelmäßig; dies ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes . Die Regelhaftigkeit spiegelt sich wider im Normencharakter des § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG als Sollbestimmung. Eine zwingende Beiziehung in jedem Fall  ist mithin weder nach der Rechtsprechung noch dem Gesetz gefordert. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof erkannt, dass die Beiziehung nur ausnahmsweise dann unterbleiben darf, wenn der festzustellende Sachverhalt sich aus den vorgelegten Teilen vollständig ergibt  oder die Akte nur aus dem Antrag besteht .
Aus dem nicht zwingenden Charakter der Vorgabe der Aktenvorlage folgt ferner, dass bei einem Verstoß eine Unzulässigkeit des Antrages nicht gegeben ist . Gleiches muss dann auch unter Übertragung der genannten Wertungen für die Frage der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung gelten. Sofern das Gericht auf der Grundlage des – lediglich – vorgelegten Antrages in ausreichendem Maße in der Lage ist, die notwendigen Grundlagen für die Anordnung einer Haft unter Berücksichtigung der Schwere des Grundrechtseingriffes ausreichend zu prüfen und eine Entscheidung zu treffen, kann die – gänzlich oder teilweise –  unterbliebene Aktenvorlage nicht ursächlich für den angeordneten Freiheitsentzug sein. In einem solchen Fall liegt zwar – wie bereits dargelegt – ein Verfahrensmangel vor, doch führt er nicht zur Rechtswidrigkeit. Ist der gerichtliche Beschluss demgegenüber aufgrund der unterbliebenen Aktenvorlage unter Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes auf unvollständiger bzw. unzureichender Tatsachengrundlage ergangen, so liegt ein gravierender Mangel vor, der auf dem Verfahrensverstoß beruht. Dann ist die Rechtswidrigkeit der Entscheidung gegeben.

2. Nicht erfolgte Benachrichtigung der Vertrauensperson
Eine Vertrauensperson des Betroffenen kann im Freiheitsentziehungsverfahren nicht nur gemäß § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG in den verfahrensrechtlichen Status eines Beteiligten erhoben werden, sondern überdies ist diese Person unverzüglich von der Inhaftierung oder Verlängerung der Haftmaßnahme zu benachrichtigen. Grund ist, dass nach den Erfahrungen aus der Zeit des Regimes des Nationalsozialismus niemandem in Deutschland die Freiheit entzogen werden soll, ohne dass ein außenstehender Dritter hiervon erfährt. Unklar ist nach dem Gesetzeswortlaut, wie zu verfahren ist, wenn der Betroffene bei Kenntnis des Gerichtes von einer Vertrauensperson deren Benachrichtigung ablehnt . Der Sinn und Zweck der Vorschriften des Art. 104 Abs. 4 GG, nämlich ein spurloses „Verschwinden“ in deutschen Gewahrsamseinrichtungen zu verhindern, dürfte dafür sprechen, dass der Betroffene hierüber nicht disponieren kann. Einen klaren Verfahrensverstoß stellt es demgegenüber dar, wenn der Betroffene die Benachrichtigung möchte, das Gericht sie jedoch unterlässt. Denn in dieser Situation sind sowohl das Interesse des Betroffenen als auch das übergeordnete des Staates an der Information über den Freiheitsentzug negativ betroffen.
Fraglich ist allein die Rechtsfolge des zuvor festgestellten Verstoßes. Während eine Minderansicht hier zur Rechtswidrigkeit kommt , verneint dies die herrschende Ansicht , jedenfalls dann, wenn die Anhörung nachgeholt wird . Während für die vorgenannte Ansicht die doppelte Verletzung der Interessen, nämlich des Betroffenen sowie des Staates, spricht, ist im Sinne der herrschenden Meinung anzuführen, dass es bei der Benachrichtigung nicht um ein Verfahrensteil geht, welcher der gerichtlichen Anordnung der Freiheitsentziehung vorausgeht. Insofern erhellt die Situation eine Parallelbetrachtung zum Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b des Wiener Übereinkommens über die konsularischen Beziehungen . Für diesen verneint der Bundesgerichtshof ebenfalls eine automatische Rechtswidrigkeit . Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu dieser Frage differenzierend, jedoch letztlich nicht festlegend geäußert . Nach dem nun – anders als bei den Bestimmungen des Wiener Übereinkommens über die konsularischen Beziehungen – die Informationspflicht der Vertrauensperson erst nach Entscheidungserlass besteht, spricht vieles dafür, bei einer Verletzung keine Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung anzunehmen, weil die Auswirkungen des Verstoßes auf die gerichtlich ausgesprochene Rechtsfolge eine geringere ist.