#20/2024

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Fünftes Gesetz zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes    

A. Tenor der Stellungnahme 

Der Deutsche Richterbund sieht die ausnahmslose Verpflichtung sämtlicher Gerichte, die Namen der in den jeweiligen Spruchkörpern eingesetzten Berufsrichter im Internet zu veröffentlichen, kritisch. Ohne erkennbaren Nutzen für die rechtssuchenden Bürgerinnen und Bürger wird so das sog. Profiling oder Scoring von Richtern erleichtert, das eine erhebliche Gefahr für den Rechtsstaat und die diesem dienende richterliche Unabhängigkeit darstellt. 

Darüber hinaus sind Vertreter des Staates zunehmenden Diffamierungen und Hassangriffen ausgesetzt. Im Lichte dieser gesellschaftlichen Fehlentwicklung ist eine Veröffentlichung von Geschäftsverteilungsplänen mit persönlicher Namensnennung im Internet geeignet, die Gefahr von Übergriffen auf Richterinnen und Richter – online wie offline – zu erhöhen.  
B. Bewertung im Einzelnen

I.  Der Deutsche Richterbund sieht die ausnahmslose Verpflichtung sämtlicher Gerichte, die Namen der in den jeweiligen Spruchkörpern eingesetzten Berufsrichter im Internet zu veröffentlichen, kritisch. Wir möchten insbesondere auf zwei Gesichtspunkte hinweisen, die bedacht werden sollten, bislang in der Begründung des Gesetzentwurfs aber nicht behandelt werden: 

1) Zum einen sehen sich auch Richterinnen und Richter zunehmend massiven persönlichen Diffamierungen und Anfeindungen u.a. im Internet und den sozialen Medien ausgesetzt. Durch die Veröffentlichung von Geschäftsverteilungsplänen mit persönlicher Namensnennung im Internet werden sie hierfür noch leichter auffindbar und es können ihnen konkrete Entscheidungen auch durch nicht am Verfahren beteiligte Personen persönlich zugeordnet werden. Dem steht keine ausreichende Rechtfertigung gegenüber. Um den Verfahrensbeteiligten die niederschwellige Überprüfung der Spruchkörperbesetzung zu ermöglichen, genügt aus unserer Sicht ein (bereits jetzt bestehender) Anspruch auf Gewährung anderer Zugangsmöglichkeiten nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein Gang auf die Geschäftsstelle ist daher nicht zwingend erforderlich.  

2) Zum anderen - und dieser Aspekt erscheint noch problematischer - eröffnet die flächendeckende Veröffentlichung von Geschäftsverteilungsplänen im Internet die Möglichkeit, die in Rechtsprechungsdatenbanken veröffentlichten Gerichtsentscheidungen unter Einsatz von künstlicher Intelligenz personenbezogen systematisch auszuwerten. Dies erleichtert das Profiling bzw. Scoring von Richterinnen und Richtern und stellt dadurch eine erhebliche Gefahr für den Rechtsstaat und die durch Art. 97 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte richterliche Unabhängigkeit dar. Aus diesem Grund wurde beispielsweise in Frankreich die Verwendung von Identitätsdaten von Richtern und Angehörigen der Justiz mit dem Ziel der Bewertung, Analyse, des Vergleichs oder der Vorhersage ihrer tatsächlichen oder angeblichen Berufspraktiken verboten.  

Die in dem Gesetzentwurf enthaltene generelle Verpflichtung aller Gerichte zur Veröffentlichung der Namen der Berufsrichter im Internet sollte vor diesem Hintergrund überdacht werden. Den Gerichtsverwaltungen muss es möglich sein, zumindest in begründeten Fällen den berechtigten Interessen der Richterinnen und Richter Rechnung zu tragen und damit auch ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen. 

II. Gegen die Absenkung der Schwelle für die Unfähigkeit zum Schöffenamt bei strafgerichtlicher Verurteilung wegen vorsätzlicher Taten auf Geldstrafen von mehr als 90 Tagessätzen sowie alle Freiheitsstrafen in § 32 GVG hat der Deutsche Richterbund keine grundsätzlichen Bedenken.