#19/2024

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung einer amtsangemessenen Bundesbesoldung und -versorgung (Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz – BBVAngG)

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Der Deutsche Richterbund tritt für eine deutliche Verbesserung der Besoldung der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ein.

Vier Jahre nachdem das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat, dass die Besoldung von Beamten, Richtern und Soldaten einen Mindestabstand zur Grundsicherung zu wahren hat, legt das Bundesministerium des Innern endlich einen entsprechenden Referentenentwurf vor. Allerdings widerspricht dieser in wesentlichen Teilen dem Grundgesetz, erfüllt die Anforderungen an eine amtsangemessene Besoldung nicht und ist auch personalwirtschaftlich fragwürdig. Darauf hatte der DRB bereits mit der Stellungnahme #5/2023 zu dem vorangegangenen Referentenentwurf des BMI vom Januar 2023 ausführlich hingewiesen. Die erforderliche Überarbeitung des Entwurfs ist jedoch unterblieben.

Die Tabellengehälter der Beamten- und Richterschaft werden durch neue wohnort- und familienbezogene Leistungen, die künftig bis zu einem Drittel der Gesamtbesoldung ausmachen können, verwässert und intransparent ausgestaltet. Dem geltenden Leistungsprinzip wird in Abkehr von allgemein geltenden Vergütungsstandards zu wenig Beachtung geschenkt. Bei Dienstantritt in einer ungelernten Tätigkeit soll ein Beamter, weil er verheiratet ist und 2 Kinder hat, künftig ein höheres Einkommen haben, als ein Beamter, der ein dreijähriges Studium absolviert hat, seit 8 Jahren im Dienst ist und bereits befördert wurde, aber ledig und kinderlos ist. Damit stellt dieser Entwurf das gesamte Verdienstgefüge auf den Kopf und gewährt Leistungen für Beamtenkinder, die für Kinder nicht verbeamteter Eltern niemals gewährt würden. Das ist ungerecht und inakzeptabel.

Die Besoldung muss dem jeweiligen Amt angemessen sein, nicht dem Familienstand, der Kinderzahl oder dem Wohnort. Dieses grundlegende Prinzip der Besoldung wird durch den Entwurf außer Kraft gesetzt. Der vorliegende Entwurf verschleiert zudem das gravierende Ausmaß der aktuellen Unterbesoldung. 

Angesichts dieses Befundes ist gesetzgeberisch und politisch das veranlasst, worauf das Bundesverfassungsgericht bereits in den Entscheidungen zum Mindestabstand der Besoldung von der Grundsicherung und zum Streikverbot für Beamte klar hingewiesen hat: Es braucht eine signifikante Erhöhung der (Tabellen-)Besoldung von Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in Deutschland!

 

B. Bewertung im Einzelnen

 

Der vorgelegte Referentenentwurf verwirklicht nicht den Verfassungsauftrag, eine amtsangemessene Besoldung unter Wahrung des Mindestabstands zur Grundsicherung herzustellen. Vielmehr strukturiert er die Besoldung auf der Grundlage eines unzutreffenden Maßstabes. So heißt es bereits im Vorblatt des Referentenentwurfs (S. 2), dass sich die „Dienst- und Versorgungsbezüge stärker an dem (vom BVerfG postulierten) sozialrechtlichen Mindestsicherungsniveau orientieren, und zwar insbesondere im Hinblick auf die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden Bedarfe von Ehegatten und Kindern“. Und auch der Begründungsteil macht deutlich, dass die Bedarfe der Familienangehörigen nur auf dem Niveau des Existenzminimums berücksichtigt werden (S. 53). Die Verfassung verlangt vom Besoldungsgesetzgeber jedoch: 

„Richter und Staatsanwälte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Damit wird der Bezug der Besoldung sowohl zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung als auch zur Lage der Staatsfinanzen, das heißt zu der sich in der Situation der öffentlichen Haushalte ausdrückenden Leistungsfähigkeit des Dienstherrn, hergestellt“ (stRspr, zuletzt BVerfGE 155, 1 <Rn. 23>). 

Orientiert sich der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Besoldung aber weder am Amt noch an den allgemeinen Lebensverhältnissen der Gesamtbevölkerung, sondern am sozialrechtlichen Existenzminimum, verstößt er offensichtlich gegen die Verfassung und verkennt, dass die Alimentation keine Sozialleistung ist, sondern das 

„`Korrelat` des Dienstherrn für die mit der Berufung in das Richter-, Beamten- oder Soldatenverhältnis verbundene Pflicht darstellt, unter Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit - grundsätzlich auf Lebenszeit - die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und gemäß den jeweiligen Anforderungen die Dienstpflichten nach Kräften zu erfüllen. Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position, zu der die individuelle Garantie einer amtsangemessenen Besoldung und Versorgung durch das Alimentationsprinzip und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung wesentlich beitragen, bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot, während diese umgekehrt eine gerichtliche Kontrolle der Alimentation erfordern; diese Strukturprinzipien sind untrennbar miteinander verbunden“ (stRspr., zuletzt BVerfGE 155, 1 <Rn. 24>). 

Es ist daher strukturell ungenügend, durch die Bezugnahme auf das Existenzminimum lediglich das physische Überleben der Beamten, Richter, Soldaten und Versorgungsempfänger und das sozial unverzichtbare Maß von deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu sichern. 

Der Referentenentwurf beschränkt sich nicht nur darauf, den Mindestabstand der Besoldung von der Grundsicherung ausschließlich rechnerisch herzustellen. Er wählt hierfür auch Mittel, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen und stellt das Besoldungssystem gleichsam auf den Kopf. Die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass sich die Besoldung am jeweils ausgeübten Amt zu orientieren hat, wird durch soziale Besoldungsparameter wie Familienstand, Kinderzahl und Wohnort erheblich verwässert. Das macht aus der bisher am Leistungsprinzip orientierten Besoldung ein Entgeltsystem, das nach Art einer Sozialleistung am individuellen Bedarf ausgerichtet ist, und widerspricht deshalb den nach Art. 33 Abs. 5 GG vom Gesetzgeber zu beachtenden hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Die Neuregelung führt zudem zu personalpolitischen Verwerfungen im gesamten Besoldungsgefüge und auch im Verhältnis zu den Angestelltenvergütungen, die von den Tarifvertragsparteien aus gutem Grunde heraus unabhängig von den vorgenannten sozialpolitischen Gesichtspunkten ausgestaltet worden sind. 

 

I. Verfassungsauftrag 

 

Der Entwurf missachtet den verfassungsrechtlichen Gestaltungsauftrag des Besoldungsgesetzgebers nach Art. 33 Abs. 5 GG. 

Zu den vom Gesetzgeber zu beachtenden hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt das Alimentationsprinzip. Art. 33 Abs. 5 GG ist unmittelbar geltendes Recht und enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber, den Beamten und Richtern und ihre Familien lebenslang einen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren.  

Diesen Auftrag erkennt die Entwurfsbegründung im Zusammenhang mit der Familienalimentation (S. 57), behauptet aber sogleich, dass die familienbezogenen Leistungen mit steigender Grundbesoldung abgeschmolzen werden dürften (S. 58), was unterstellt, dass der angemessene Lebensbedarf der Familie des Beamten mit steigender Grundbesoldung sinkt. Dieser erhöht sich aber in derselben Weise wie derjenige des Beamten selbst, weshalb die familienbezogenen Leistungen mit Alimentationscharakter nicht abgeschmolzen werden dürfen. Wenn sich der Gesetzgeber – wie hier – entschließen will, den Anteil der familienbezogenen Leistungen an der Gesamtbesoldung zu erhöhen und von den tatsächlichen Lebensverhältnissens abhängig zu machen (S. 58), kann das nicht nur die Bedarfsdeckung umfassen, sondern muss auch die Bedarfsermittlung betreffen, die über das Existenzminimum hinausgeht. 

Der Referentenentwurf entwickelt jedoch keine Vorstellung davon, welche Besoldung welchem Amt angemessen ist. Eine solche Vorstellung muss der Gesetzgeber selbst dann entwickeln, wenn er lediglich ein vorhandenes Besoldungssystem fortschreibt. Es ist in besonderer Weise erforderlich, wenn – wie hier – eine grundlegende Veränderung vorgenommen wird.  

Diese grundlegende Veränderung besteht nicht allein in der Einführung des alimentativen Ergänzungszuschlags, sondern auch in der Berücksichtigung von Partnereinkommen in der Folge der Berücksichtigung gesellschaftlicher Veränderungen (S. 59), wobei der Referentenentwurf offen lässt, ob er von der Bezugsgröße der Besoldung – bisher die Alleinverdienerfamilie mit zwei Kindern – abgeht. Die auch nur faktische Änderung der Besoldungsbezugsgröße darf nicht allein in der Feststellung bestehen, die vierköpfige Alleinverdiener-Familie sei nicht mehr der gesellschaftliche Regelfall, um sodann von dieser – möglicherweise zutreffenden – Annahme ausgehend weitere willkürlich erscheinende Annahmen zugrunde zu legen und in die Berechnung zur Einhaltung des Mindestabstandsgebots einfließen zu lassen. Ändert der Gesetzgeber die Bezugsgröße der Besoldung und schreibt die Besoldung nicht allein auf der Grundlage der bisherigen Bezugsgröße unter Berücksichtigung der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse fort, muss er verpflichtet sein, eine tatsachenbasierte Vorstellung davon zu entwickeln, was die amtsangemessenen Lebensverhältnisse eines Beamten oder Richters sind (vgl. BVerfGE 117, 330), denn ohne eine solche Vorstellung fehlt ihm das Bezugssystem und ist er letztlich nicht in der Lage, die Amtsangemessenheit der Besoldung sachgerecht zu beurteilen. Hierzu bedarf es der Definition angemessener Lebensverhältnisse. Dies erfordert Vorstellungen zum Wohn-, Freizeit- und Konsumverhalten der Angehörigen der einzelnen Laufbahn- und Besoldungsgruppen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Lebens- und Karrieresituation. In diese müssen jedenfalls die Qualifikation, die dienstliche Verantwortung und die Reputation des Amtes sachgerecht und unter Berücksichtigung des Lebensstandards vergleichbarer Personen außerhalb der Beamtenschaft und des öffentlichen Dienstes einfließen. Ohne eine solche inhaltliche Konkretisierung des neuen Bezugssystems erscheinen die Werte sowohl der Besoldungstabellen als auch der diversen Zuschläge willkürlich. Der Referentenentwurf verhält sich insoweit defizitär. Selbst Ansätze einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem amtsangemessenen Lebensstandard sind nicht erkennbar. 

 

II. Prozedurale Anforderungen und Tatsachenermittlung 

 

Der Gesetzentwurf genügt hinsichtlich der Tatsachenermittlung und seinen Darlegungen nicht den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten prozeduralen Anforderungen an eine Besoldungsregelung. 

Die Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber ist an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen geknüpft. Diese treten als „zweite Säule“ des Alimentationsprinzips neben seine auf eine Evidenzkontrolle beschränkte materielle Dimension und dienen seiner Flankierung, Absicherung und Verstärkung. Zwar schuldet der Gesetzgeber nach überkommener Auffassung von Verfassungs wegen grundsätzlich nur ein wirksames Gesetz. Da aber das grundrechtsgleiche Recht auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation keine quantifizierbaren Vorgaben im Sinne einer exakten Besoldungshöhe liefert, bedarf es prozeduraler Sicherungen, damit die verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive des Art. 33 Abs. 5 GG auch tatsächlich eingehalten wird (BVerfGE 155, 1 <Rn. 96 f.>). 

Diese Anforderungen missachtet der Entwurf in entscheidenden Bereichen, vor allem in Bezug auf die Ermittlung und Darstellung des Mindestabstands der Besoldung von der Grundsicherung. 

Jenseits der eigentlichen Tatsachenermittlung genügt die Entwurfsbegründung den prozeduralen Anforderungen auch deshalb nicht, weil ihr keine klaren Vorstellungen vom Regelungsthema und seiner Systematik zugrunde liegen. Wenn innerhalb der Tatsachenermittlung die Rechtsausführungen zu eventuellen Gestaltungsmöglichkeiten gemacht werden (S. 58 ff.), ist das ein systematischer Mangel. 

 

1. Erster bis dritter und fünfter Parameter der ersten Prüfungsstufe 

Zum ersten bis dritten Parameter der ersten Prüfungsstufe wird auf ein anderes Gesetzgebungsverfahren Bezug genommen (S. 56). Die dortigen Angaben treffen im Wesentlichen zu.  

Der Eindruck, dass sich die Besoldung schneller entwickelt habe als die Einkommen der Tarifbeschäftigten (Tariflohnindex – erster Parameter) sowie die Einkommen der Gesamtbevölkerung (Nominallohnindex – zweiter Parameter) ist allerdings falsch. Der zahlenmäßige Vorsprung der Besoldungsentwicklung ist allein darauf zurückzuführen, dass im Wert für 2012 eine Erhöhung um 2,44 % enthalten ist, durch welche die Abschaffung der Jahressonderzahlung im Jahr 2006, die dort zu einer Absenkung der Besoldung um 2,5 % geführt hatte, weitgehend kompensiert wird. Im vorliegenden Entwurf fällt das nur deshalb nicht auf, weil die an sich erforderliche Staffelprüfung nicht durchgeführt wurde. 

Im Übrigen zeigt der Vergleich vor allem, dass die Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst in Krisenzeiten stabil bleibt, dafür allerdings die Aufholbewegung in wirtschaftlich günstigen Jahren nicht mitvollzieht. 

Beim Vergleich mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist mit zu berücksichtigen, dass der Index ausschließlich die lineare Entwicklung der Tabellengehälter betrachtet. Tatsächlich werden im Tarifbereich weitere Leistungen gewährt, sodass die reale Entwicklung dieser Einkommen höher ist, als sie in der Tabelle dargestellt wird. Aus diesem Grunde macht sich der Deutsche Richterbund dafür stark, dass wegen der unterschiedlichen Regelungsmöglichkeiten im Tarif und in der Besoldung Tarifabschlüsse von ihrem Volumen her vollständig übernommen werden, d. h. die nichtlinearen Tarifleistungen im Besoldungsbereich in ergänzende lineare Leistungen übersetzt werden. 

Beim Vergleich mit dem Nominallohnindex darf überdies nicht vergessen werden, dass dieser die kontinuierlich sinkende durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Beschäftigter nicht mit abbildet, die nach dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2021 nur noch 34,7 Stunden betrug, während sie bei den Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern in Vollzeit weiter bei 40 Stunden lag. Beim Vergleich mit dem Nominal-Stundenlohn würde sich daher ein erheblicher Vorsprung der Einkommensentwicklung der Gesamtbevölkerung im Vergleich zur Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst, sowohl bezogen auf die Tarifbeschäftigten als auch auf die Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter ergeben. 

Insgesamt weisen diese beiden Parameter darauf hin, dass die Entwicklung der Einkommen hinter der Wirtschaftsentwicklung als solcher zurückbleibt. Im Zeitraum 2008 bis 2023 ist das deutsche Bruttosozialprodukt von 2.590 Mrd. € auf 4.186 Mrd. € also um 62 % gewachsen, während die Einkommen im selben Zeitraum nur um weniger als 40 % wuchsen. 

Der Vergleich mit dem Verbraucherpreisindex (dritter Parameter) zeigt schließlich an, dass sich der Lebensstandard der Tarifbeschäftigten sowie der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter über den zu betrachtenden 15-Jahreszeitraum nur aufgrund der über lange Jahre hinweg niedrigen Inflation geringfügig positiv entwickelt hat. Weder die gestiegenen Anforderungen an ihre Tätigkeiten noch Effektivitätsgewinne haben sich auf ihr Einkommen ausgewirkt.  

 

2. Vierter Parameter der ersten Prüfungsstufe 

Der Gesetzentwurf ermittelt die Werte des vierten Parameters der ersten Prüfungsstufe unzureichend und zum Teil methodisch falsch. Darüber hinaus erweist sich das Mindestabstandsgebot als aktuell gravierend verletzt.  

a) Systeminterner Besoldungsvergleich – Binnenabstandsgebot 

Die Ausführungen zum systeminternen Besoldungsvergleich sind verfassungsrechtlich mindestens zweifelhaft. 

Der systeminterne Besoldungsvergleich trägt dem besoldungsrechtlichen Leistungsprinzip und damit dem Erfordernis der Amtsbezogenheit der Besoldung Rechnung. Die Amtsangemessenheit der Alimentation der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter bestimmt sich auch durch ihr Verhältnis zur Besoldung und Versorgung anderer Beamtengruppen. Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die „amts“-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung. Die Organisation der öffentlichen Verwaltung stellt darauf ab, dass in den höher besoldeten Ämtern die für den Dienstherrn wertvolleren Leistungen erbracht werden. Deshalb muss im Hinblick auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter eine Staffelung der Gehälter einhergehen. Vergleiche sind dabei nicht nur innerhalb einer Besoldungsordnung, sondern gerade auch zwischen den verschiedenen Besoldungsordnungen geboten (BVerfGE 155, 1 <Rn. 43>). 

Dieser Parameter ist verletzt, wenn es beispielsweise infolge unterschiedlich hoher linearer oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen zu einer deutlichen Verringerung der Abstände zwischen zwei zu vergleichenden Besoldungsgruppen kommt, nämlich wenn der Abstand von zwei zu vergleichenden Besoldungsgruppen innerhalb von 5 Jahren um mindestens 10 % abschmilzt (BVerfGE 155, 1 <Rn. 44>). 

Zutreffend verneint der Entwurf ein solches Abschmelzen der Abstände innerhalb der Tabelle der Grundgehälter (S. 56); diese haben sich in der Tat allenfalls geringfügig geändert, seitdem das Bundesverfassungsgericht für die Besoldung die im Tarifbereich verbreiteten, allein sozialpolitisch motivierten Veränderungen der Grundgehaltstabelle, vor allen durch ungleichmäßige Erhöhungsfaktoren und Sockelbeträge praktisch für unzulässig erklärt hat (BVerfGE 140, 240 <Rn. 91>; 145, 304 <Rn. 99>). Allerdings kann die Sockelbetragserhöhung von 200 € mit dem BBesVAnpÄndG 2023/2024 nicht einfach mit dem Argument, sie sei „dienstrechtspolitisch geboten“ gewesen, gerechtfertigt werden (S. 57). Das „dienstrechtspolitische Gebot“ bestand allein in der systemgerechten Übertragung des Tarifergebnisses. Das letzteres eine Sockelbetragserhöhung beinhaltete, rechtfertigt nicht deren inhaltsgleiche Übernahme in das Besoldungsrecht, weil ihr keine Vorstellung von geänderten Ämterwertigkeiten zugrunde lagen und sie dementsprechend zu einer unberechtigten Nivellierung der Besoldungsabstände geführt haben. Tarifabschlüsse sind nicht „dienstrechtspolitisch“, sondern systemgerecht auf die Besoldung zu übertragen. Anderenfalls liefe die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Binnenabständen gänzlich leer. 

Dem Sinn des systeminternen Besoldungsvergleichs widerspricht es aber mit hoher Wahrscheinlichkeit, die geänderten Familienzuschläge einschließlich des alimentativen Ergänzungszuschlags und der Abschmelzbeträge nicht mit zu berücksichtigen, wie es der Entwurf vorsieht (S. 57). Zwar ist aus den früheren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht erkennbar, dass beim systeminternen Besoldungsvergleich auch die Familienzuschläge mit zu berücksichtigen sind. Allerdings hatten diese einen deutlich geringeren Anteil am Gesamteinkommen und sollten auch nicht einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen, sondern kompensierten die besondere Belastung der Familie durch Verfügbarkeit des Beamten für seinen Dienstherren und leisteten einen Beitrag zu der aus der Kindererziehung resultierenden Belastung (BVerfGE 21, 329 <345 f.>; BVerwGE 124, 227 <Rn. 9>). Findet aber ein Paradigmenwechsel statt und erlangt der Familienzuschlag Bedeutung für die Gewährleistung des amtsangemessenen Lebensstandards, erscheint es nicht nur folgerichtig, sondern unvermeidbar, ihn rechnerisch in den systeminternen Besoldungsvergleich einzubeziehen. 

Es ergibt sich beispielhaft folgendes Bild im Juli 2024 für den Abstand zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen: 

Besoldungsgruppe 

Grundgehalt

Familienzuschlag (verh., 2 Kinder)

Gesamtgehalt

A 9 – Endstufe 

4.283,30 €

464,04 €

4.747,34 €

A 10 – Endstufe 

4.774,53 €

464,04 €

5.238,57 €

Abstand 

+ 11,5 %

 

+ 10,3 %

Nach dem Entwurf würde sich folgendes Bild ergeben: 

Besoldungsgruppe 

Grundgehalt

Familienzuschlag (verh., 2 Kinder)

AEV (max.)

Gesamtgehalt

A9 – Endstufe 

4.283,30 €

464,04 €

411 €

5.158,34 €

A10 – Endstufe 

4.774,53 €

464,04 €

390 €

5.628,57 €

Abstand 

+ 11,5 %

  

+ 9,1 %

Hier ist einerseits zu erkennen, dass die neuen Familienleistungen einen erheblichen Einfluss auf den Abstand zwischen den Besoldungsgruppen haben und andererseits die Erhöhung den Abstand zwischen den Besoldungsgruppen signifikant abschmilzt – in dem willkürlich gewählten Beispielsfall um fast genau jene 10 %, dem Schwellenwert, bei dessen Überschreitung der Parameter verletzt wäre. 

Ein solches Abschmelzen der Besoldungsabstände ist aber nur im Rahmen einer Neueinschätzung der Ämterwertigkeit und der Neustrukturierung des Besoldungsgefüges selbst zulässig; im Übrigen greift das Abschmelzverbot (BVerfGE 145, 304 <Rn. 79>). Dass im vorliegenden Fall eine Neueinschätzung der Ämterwertigkeit oder eine Neustrukturierung des Besoldungsgefüges beabsichtigt wäre, behauptet die Entwurfsbegründung nicht. Auch aus ihrem Text lässt sich dies nicht erkennen. 

b) Mindestabstandsgebot 

Der Entwurf ermittelt den Abstand zwischen Grundsicherungsniveau und der untersten Besoldung unzureichend und inhaltlich auch unzutreffend. 

Grundsicherungsniveau und unterste Besoldung sind besonders sorgfältig zu ermitteln, weil das Alimentationsprinzip schon dann verletzt ist, wenn die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe den Mindestabstand zur Grundsicherung nicht einhält (BVerfGE 155, 1 <Rn. 48>). Die Bedeutung des Mindestabstandsgebots reicht also weit über das hinaus, was seine Verortung als Unterpunkt des vierten Parameters der ersten Prüfungsstufe anzudeuten scheint: Ist er verletzt, erübrigen sich alle weiteren Prüfungen der ersten und zweiten Prüfungsstufe, und es kommt nur noch darauf an, ob sich auf der dritten Prüfungsstufe hinreichende kollidierende Erwägungen von Verfassungsrang als Rechtfertigung für die Verletzung finden lassen. 

aa) Niedrigste Besoldung 

Der Entwurf ermittelt nicht die aktuell niedrigste Nettobesoldung, sondern die künftig unterste. Das ist schon deshalb unzureichend, weil es dem parlamentarischen Gesetzgeber unmöglich machen soll, eine Vorstellung davon zu entwickeln, inwieweit die aktuelle Besoldung das Mindestabstandsgebot beachtet und im Falle der Nichtbeachtung, welcher Handlungsbedarf überhaupt besteht. Das lässt sich allenfalls mit Blick auf die Höhe des „alimentativen Ergänzungszuschlags“ sowie des Partnereinkommens erahnen. Zudem unterstellt der Entwurf auf diese Weise systemwidrig und mit unpassendem Optimismus, dass sein Regelungskonzept verfassungsgemäß ist. 

Aktuell ist die unterste Grundbesoldung die Besoldungsgruppe A3 Erfahrungsstufe 1 mit einem Grundgehalt von 2.706,99 €. Die Familienzuschläge für einen Verheirateten mit zwei Kindern betragen 496,25 € (317,66 € + 146,38 € + 5,37 € + 26,84 €). Die monatliche Bruttobesoldung beträgt damit 3.203,24 €. 

Die angegebenen Kosten für die private Krankenversicherung sind nicht belegt und auch nicht aus allgemein zugänglichen Quellen verifizierbar. Die prozeduralen Anforderungen dienen jedoch nicht allein der Selbstvergewisserung des Gesetzgebers. Sie haben auch die Funktion, dem Normunterworfenen die Prüfung zu ermöglichen, ob die verfassungsrechtlichen Anforderungen eingehalten sind und gegebenenfalls die Risiken eines Rechtsstreits abschätzen zu können. Das ist mit einem Verweis auf eine nicht publizierte Auskunft eines privaten Interessenverbandes nicht gewährleistet. Zudem sind die Angaben nicht hinreichend aktuell, weil sie sich auf 2022 beziehen. Am Ende des 3. Quartals sollten die Daten des Vorjahres verfügbar sein. 

Die Berücksichtigung von Rundfunkbeitrag und Sozialtarifen bei der untersten Besoldung mag für die Höhe der Differenz folgenlos sein, wirkt sich aber auf die Höhe der Mindestbesoldung aus – diesen rechnerischen Effekt will der Entwurf offenbar vermeiden. Sie ist zudem sachlich falsch, weil es sich um Elemente des Grundsicherungsniveaus handelt, die dort erörtert werden.  

Zu Unrecht berücksichtigt der Referentenentwurf ein (fiktives) Partnereinkommen (S. 63), weil der Dienstherr verpflichtet ist, den Beamten zu alimentieren, und der Beamte nicht auf Unterhaltsansprüche gegen seine Angehörigen verwiesen werden kann.  

Daher ergibt sich derzeit folgendes niedrigstes Nettoeinkommen eines Alleinverdieners mit zwei Kindern: 

 

Monatsbetrag 

Jahresbetrag 

Grundgehalt 

2.706,99 € 

32.483,88 € 

Familienzuschlag 

496,25 € 

5.955,00 € 

Bruttobesoldung 

3.203,24 € 

38.438,88 € 

- Lohnsteuer 

174,00 € 

2.088,00 € 

- PKV-Beitrag 

653,92 € 

7.847,04 € 

Kindergeld 

500,00 € 

6.000,00 € 

Nettobesoldung 

2.875,32 € 

34.503,84 € 

bb)      Grundsicherungsniveau 

Das Grundsicherungsniveau ist hinsichtlich mehrerer Elemente methodisch unzureichend und inhaltlich unzutreffend ermittelt. 

Hinsichtlich der Höhe der Grundsicherungsleistungen trifft den Besoldungsgesetzgeber die Pflicht, die ihm zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen, um diese Höhe zutreffend zu erkennen, die Entwicklung der Lebensverhältnisse zu beobachten und die Höhe der Besoldung an diese Entwicklung kontinuierlich im gebotenen Umfang anzupassen (BVerfGE 155, 1 <Rn.53>). 

Das Grundsicherungsniveau umfasst alle Elemente des Lebensstandards, der den Empfängern von Grundsicherungsleistungen staatlicherseits gewährt wird, unabhängig davon, ob diese zum von Verfassungs wegen garantierten Existenzminimum zählen oder über dieses hinausgehen und ob zur Befriedigung der anerkannten Bedürfnisse Geldleistungen gewährt oder bedarfsdeckende Sach- oder Dienstleistungen erbracht werden (BVerfGE 155, 1 <Rn. 50>). Dazu gehören neben den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 SGB II, die Kosten für Unterkunft und Heizung, die Leistungen für Bildung und Teilhabe, die Mehrbedarfe und die Sozialtarife. 

(1) Die angegebenen Regelbedarfe sind zutreffend ermittelt. 

(2) Der Gesetzentwurf legt unzutreffende Unterkunftskosten zugrunde. 

Zur realitätsnahen Ermittlung dieser Kosten hatte das Bundesverfassungsgericht empfohlen, auf die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zu den tatsächlich gewährten Kosten zurückzugreifen und auf das 95 %-Perzentil abzustellen, um Extremwerte auszuschließen (BVerfGE 155, 1 <Rn. 55, 59>). Denn um der verfassungsrechtlichen Zielsetzung, das Grundsicherungsniveau als Ausgangspunkt für die Festlegung der Untergrenze der Beamtenbesoldung zu bestimmen, gerecht zu werden, muss der Bedarf für die Kosten der Unterkunft so erfasst werden, wie ihn das Sozialrecht definiert und die Grundsicherungsbehörden tatsächlich anerkennen. Auch muss der Ansatz so bemessen sein, dass er auch in den Kommunen mit höheren Kosten der Unterkunft das Grundsicherungsniveau nicht unterschreitet (BVerfGE 155, 1 <Rn. 57>). 

Der Entwurf geht einen anderen Weg, indem er unter Rückgriff auf die sozialgerichtliche Rechtsprechung zu den angemessenen Wohnkosten im Rahmen der Grundsicherung abstellt und damit auf die Werte der Wohngeldtabelle mit einem Aufschlag von 10 %. Er legt einen Monatswert von 1.240 € zugrunde (S. 63). Das ist ungenügend, denn auf diese Wiese wird nur betrachtet, was als angemessene Kosten definiert wird, nicht was die Grundsicherungsbehörden tatsächlich anerkennen und was in den Kommunen mit höheren Kosten der Unterkunft auch tatsächlich gewährt wird. 

Diese Unterscheidung ist keineswegs banal, was ein Blick in die Statistik der Bundesagentur für Arbeit bezogen auf das Jahr 2023 offenbart: Das 95 %-Perzentil der tatsächlich gewährten laufenden Unterkunftskosten (Summe aus 95 %-Perzentil der laufenden Unterkunftskosten und der laufenden Betriebskosten ohne Heizkosten) einer 4-Personen-Bedarfsgemeinschaft (BG) mit 2 Kindern betrug in Hamburg 3.025 € monatlich; das entspricht etwa dem Doppelten des Betrages, der theoretisch unter Zugrundelegung der Wohngeldtabelle angemessen gewesen wäre. Das offenbart die Lebensferne der Wohngeldtabelle. In Bayern lag das entsprechende 95 %-Perzentil immerhin noch bei 1.515 € - und das in einem Flächenland, in dem sich die Extremwerte der Landeshauptstadt zumindest etwas nivellieren dürften. Im Bereich zwischen 1.500 und 1.600 € liegen die Vergleichswerte für Baden-Württemberg, Berlin und Hessen. Angesichts dieses Befundes ist der Verweis auf die Wohngeldtabelle zzgl. 10 % – mit einem Monatswert von 1.240 € – nicht realitätsnah. 

(3) Die angegebenen Heizkosten sind offensichtlich unzutreffend. 

Im Grundsicherungsrecht werden die Heizkosten unter Zugrundelegung des Heizspiegels des Vorjahres (für das vorvergangene Jahr als Abrechnungszeitraum) ermittelt, was das Bundesverfassungsgericht als realitätsnah angesehen hat (BVerfGE 155, 1 <Rn. 62>). 

Nach dem für 2024 heranzuziehenden Heizspiegel 2023 (Abrechnungsjahr 2022) sind angemessene Heizkosten jährlich 39,50 €/m². Bei einer angemessenen Wohnfläche von 85 m² ergibt dies angemessene monatliche Heizkosten in Höhe von 280 €. Ebenso realitätsgerecht wäre es auch gewesen, wieder auf die Leistungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit abzustellen. Dort bewegten sich die Werte des 95 %-Perzentils 2023 bundesweit in einem Korridor zwischen 290 und 310 €. 

Stattdessen stellt der Entwurf auf die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2018 ab. Diese Berechnungsmethode widerspricht dem Grundsicherungsrecht und kann schon deshalb nicht herangezogen werden. Überdies wären die Werte aus 2018 für 2024 nicht mehr hinreichend aktuell und würden auch deshalb keine realitätsnahen Ergebnisse hervorbringen.  

Unter diesen Umständen sind die im Entwurf angegebenen Heizkosten von nur 190 € (S. 63) offensichtlich unzutreffend. 

(4) Die im Referentenentwurf stark ausdifferenzierten Leistungen für Bildung und Teilhabe sind zwar nicht nachvollziebar – und damit unzureichend – ermittelt, bewegen sich aber mit insg. ca. 200 € im Monat (S. 64) zumindest auf einem nicht unplausiblen Niveau. 

(5) Mehrbedarfe erwähnt der Entwurf gar nicht. Im Bundesdurchschnitt bewegen sie sich auf einem Niveau von 5 € pro Monat. 

(6) Grob falsch sind die angegebenen Sozialtarife. 

Hier ist schon die methodische Herangehensweise grob fehlerhaft. Es wird anhand der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 angegeben, wie viel für die Teilhabe am kulturellen Leben ausgegeben wird (S. 63) und eine Einsparung von 20 % angenommen. Nicht nur, dass die Datenbasis nicht aktuell ist. Es wird ein Wert angegeben, auf den es nicht ankommt. Es geht nicht darum, wie viel Geld der Betroffene ausgibt, sondern welche Vergünstigungen, Rabatte oder Ersparnisse ihm zugänglich sind. 

Richtigerweise hätte deshalb ermittelt werden müssen, welche Vergünstigungen Grundsicherungsempfängern in kulturellen Einrichtungen oder bei Veranstaltungen (Theater, Museen, Zoos, Sportstätten, Sportvereinen, Bäder, Bibliotheken usw.) sowie im öffentlichen Personennahverkehr (Sozialticket) typischerweise gewährt werden. Soweit die Länder in ihren Gesetzen hierfür Werte angegeben haben, schwanken diese zum Teil erheblich, wobei sie mit der für ihre Ermittlung aufgewendeten Sorgfalt tendenziell steigen. Als plausibel sind Werte anzusehen, die sich in etwa auf dem Niveau der Leistungen für Bildung und Teilhabe, also unter Einschluss des Rundfunkbeitrages bei etwa 130 € im Monat bewegen. 

(7) Zwischenergebnis 

Daraus ergibt sich – unter Berücksichtigung der unzureichend ermittelten Daten für die Leistungen für Bildung und Teilhabe – für eine Bedarfsgemeinschaft aus zwei Erwachsenen mit zwei Kindern das folgende Grundsicherungsniveau: 

 

Monatsbetrag 

Jahresbetrag 

Regelbedarf 

1.846,00 € 

22.152,00 € 

Unterkunftskosten 

1.600,00 € 

19.200,00 € 

Heizkosten 

300,00 € 

3.600,00 € 

Bildung und Teilhabe (Schulbedarf, Klassenfahrten ect) 

69,20 € 

818,34 € 

Kinderbetreuung, Mittagessen 

131,48 € 

1.572,48 € 

Sozialtarife (incl. Rundfunk) 

130,00 € 

1.560,00 € 

Summe 

4.075,24 € 

48.902,82 € 

cc) Ausmaß der Unteralimentation 

Ausgehend von diesen Werten ist festzustellen, welches Ausmaß die aktuelle Unteralimentation hat. 

Aus dem obigen Wert zum Grundsicherungsniveau ergibt sich ein Wert für die Mindestbesoldung in Höhe von 56.237  € jährlich, entspricht 4.686 € monatlich. 

Nach den obigen Feststellungen beträgt die unterste Besoldung derzeit 34.503 € im Jahr, entspricht 2.875 € monatlich. Sie liegt etwa 30 % unterhalb des Grundsicherungsniveaus. Bis zur Mindestbesoldung fehlen netto etwa 1.800 € monatlich, was über 60 % des derzeitig niedrigsten Bruttogrundgehalts entspricht. Das Alimentationsprinzip ist damit für die zur Prüfung gestellte unterste Besoldung unzweifelhaft und ganz erheblich verletzt. 

Der exakte Wert könnte sich mit genaueren Tatsachenermittlungen möglicherweise noch etwas weniger dramatisch darstellen, aber er wird in jedem Fall signifikant bleiben.  

Nach dem Rechenbeispiel des Gesetzentwurfs müssen zur Herstellung des Mindestabstands das Grundgehalt um brutto 300 € monatlich und die Familienzuschläge – in Orten der Mietenstufe VII – um brutto 500 € erhöht werden. Hinzu kommt die nötige virtuelle Einkommenserhöhung durch die Berücksichtigung des Partnereinkommens in Höhe von netto 540 €. Selbst nach Auffassung des Referentenentwurfs besteht also ein Bedarf, das Nettoeinkommen in der untersten Besoldung um monatlich 1.340 € oder etwa 50 % des aktuell niedrigsten Bruttogrundgehalts anzuheben. In einem Ort der Mietenstufe IV (z. B. Berlin) beträgt der Erhöhungsbedarf immerhin noch etwa 900 €, was auch noch mehr als 30 % des gegenwärtig niedrigsten Grundgehalts ausmacht.  

Weil die Familienzuschläge und das Kindergeld derzeit zusammen etwa 1.000 € monatlich betragen und damit gemeinsam der Höhe der Abzüge für die Einkommensteuer und die Krankenversicherung entsprechen, wird die Mindestbesoldung voraussichtlich erst bei einem monatlichen Grundgehalt von ca. 3.700 € zuverlässig erreicht. In der aktuellen Tabelle wird dieser Wert erst in der Besoldungsgruppe A 8 in der 6. Stufe erreicht. Erst in der Besoldungsgruppe A 11 wird er schon in der 1. Stufe überschritten. Von den 112 Feldern der Tabelle der Besoldungsordnung A wird der Wert in 49 Feldern unterschritten. Selbst wenn der Grenzwert bei einem Grundgehalt von nur 3.300 € liegen würde, wäre er noch immer in 36 Feldern und damit in knapp einem Drittel der gesamten Tabelle unterschritten und das Alimentationsprinzip damit auch insoweit für zahlreiche Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen verletzt. 

Die weitere Prüfung auf der zweiten Prüfungsstufe ist deshalb an sich entbehrlich. 

 

3. Zweite Prüfungsstufe 

Der Entwurf erklärt die zweite Prüfungsstufe für irrelevant, weil auf der Basis der vorgeschlagenen Neuregelung kein Parameter der ersten Prüfungsstufe verletzt sei (S. 60).  

Das ist mit Blick auf das aktuelle Besoldungsniveau allerdings – wie bereits dargelegt – unzutreffend und verkürzt die Bewertung unzulässig. Die Angemessenheit der Besoldung ergibt sich nicht allein aus der entwicklungsbezogenen Betrachtung der Vergleichswerte der ersten Prüfungsstufe. Auch ist die zweite Prüfungsstufe nicht verschlossen, wenn keiner der Vergleichsparameter der ersten Prüfungsstufe verletzt ist. 

Daher bleibt der Blick auf die absoluten Verdienstverhältnisse nicht belanglos. Diesen Vergleich nimmt das Bundesverfassungsgericht anhand der Leistungsgruppen der Verdienststatistik vor (BVerfGE 140, 240 <Rn. 137>). Nach den auf beim Statistischen Bundesamt abrufbaren Zahlen betrug der durchschnittliche Bruttoverdienst (dBV) der Vollbeschäftigten in Deutschland im Jahr 2023 59.094 €, entspricht 4.924 € monatlich. 

a) Beamtenbesoldung allgemein 

Das Statistische Bundesamt gibt als durchschnittliche Bruttomonatsverdienste in der Gesamtwirtschaft im 1. Quartal 2024 nach Anforderungsniveaus (ehem. „Leistungsgruppen“ in umgekehrter Zählweise) für Männer und Frauen gesamt folgende Werte an. Das Verhältnis zum dBV wurde hier rechnerisch ermittelt und wird zur besseren Einordnung angegeben:  

Anforderungs-niveau

Beschäftigen-anteil

pro Monat

pro Stunde

Wochenar-beitszeit

Verhältnis zum dBV

4 = h.D.

18,5 %

8.108 €

47,98 €

39,0 h

165 %

3 = g.D.

18,6 %

5.676 €

33,76 €

38,8 h

115 %

2 = m.D.

51,0 %

3.941 €

23,81 €

38,2 h

80 %

1 = e.D.

11,9 %

2.941 €

18,15 €

37,4 h

60 %

Aus diesen Daten ist erkennbar, dass vor allem im Bereich der Anforderungsgruppe 1 das Einkommen zwar bereits deutlich oberhalb des Mindestlohns liegt, aber in der Konstellation der Alleinverdienerehe mit 2 Kindern das Grundsicherungsniveau einer 4-Personen-Bedarfsgemeinschaft mit 2 Kindern nicht erreicht wird; allerdings stehen dieser Bevölkerungsgruppe ergänzende Leistungen wie Wohngeld zur Verfügung. Nötigenfalls können aufstockende Grundsicherungsleistungen bezogen werden. Zugleich vermitteln diese Zahlen einen Eindruck davon, welches Niveau die Grundsicherungsleistungen – entgegen einer verbreiteten Annahme in der Gesellschaft – tatsächlich im Verhältnis zu Tätigkeiten im Niedriglohnbereich haben. 

Erkennbar ist weiterhin, dass die Verdienste herausgehobener Fachkräfte, also üblicherweise Beschäftigter mit einer Fachhochschulausbildung, leicht oberhalb des Durchschnitts der Gesamtbevölkerung liegen. Die Verdienste von Führungskräften, also üblicherweise Beschäftigter mit Hochschulausbildung, liegen deutlich, nämlich um 2/3 über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. 

Die Verdienste der Anforderungsniveaus lassen sich mit den Grundgehältern nach dem Bundesbesoldungsgesetz in Beziehung setzen. Weil keine Daten darüber vorliegen, wie schnell die jeweilige Laufbahn durchlaufen und wann das jeweilige Endamt erreicht wird, kann keine Durchschnittsbesoldung angegeben werden, sondern nur der Besoldungsrahmen vom Dienstantritt bis zur Pensionierung. Als Anfangsgrundgehalt wird das Grundgehalt der untersten Besoldungsgruppe der jeweiligen Laufbahngruppe in der ersten Erfahrungsstufe herangezogen, als Endgrundgehalt das Grundgehalt der höchsten Besoldungsgruppe der jeweiligen Erfahrungsgruppe in der höchsten Erfahrungsstufe. Das Verhältnis zum Durchschnittseinkommen der zum Vergleich herangezogenen Anforderungsniveaus (AN) sowie zum durchschnittlichen Bruttojahresverdienst aller Vollzeitbeschäftigten wurde hier rechnerisch ermittelt und zur Einordnung angegeben: 

Laufbahngruppe

Anfangsgrundgehalt

Endgrundgehalt

Höhe

Verhältnis

Höhe

Verhältnis

zum AN

zum dBV

zum AN

zum dBV

h.D. A 13 – A 16 (AN 4)

5.046 €

62 %

102 %

8.716 €

107 %

177 %

g.D. A 9 – A 13 (AN 3)

3.354 €

59 %

68 %

6.428 €

113 %

130 %

m.D. A 6 – A 9 (AN 2)

2.844 €

72 %

58 %

4.283 €

108 %

87 %

e.D. A 3 – A 6 (AN 1)

2.707 €

92 %

55 %

3.416 €

116 %

69 %

Erkennbar ist, dass in den Laufbahngruppen die Einkommen vom Beginn des Berufslebens bis an sein Ende unterschiedlich stark ansteigen. Im einfachen Dienst steigen sie um ca. reichlich 25 %, im mittleren Dienst um 50 %, im gehobenen Dienst um etwa 90 % und im höheren Dienst um knapp 75 %, was auf die stärkere Steigerung der Anforderungen zwischen dem Eingangs- und dem Endamt im höheren und im gehobenen Dienst im Vergleich zur Steigerung der Anforderungen zwischen dem Eingangs- und dem Endamt im mittleren und einfachen Dienst zurückzuführen ist. Allerdings ist im gehobenen und im höheren Dienst die Besoldung am Dienstbeginn vergleichsweise besonders niedrig. 

Relevanter ist die Feststellung, dass die Eingangsbesoldung mit steigender Laufbahngruppe umso deutlicher unter dem Verdienstdurchschnitt des vergleichbaren Anforderungsniveaus liegt und die Endbesoldung nur wenig darüber. Auch unter Berücksichtigung anderer Regelungen zur Absicherung von Krankheit und Alter zeigt sich hieran, dass die Besoldung in allen Bereichen hinter den Verdiensten vergleichbar qualifizierter Beschäftigter in der Gesamtwirtschaft deutlich zurückbleibt. Selbst die Endbesoldung übersteigt die durchschnittlichen Verdienste in der jeweiligen Leistungsgruppe nur geringfügig. Dieses Bild ändert sich auch kaum, wenn man die Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung, die das Arbeitnehmer-Brutto mindern, mit einstellt. 

Daraus ergibt sich: Beamtinnen und Beamte aller Laufbahnen werden strukturell zu niedrig besoldet, also unteralimentiert. 

b) Besoldung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte insbesondere 

Der Befund zu den Beamtinnen und Beamten gilt auch für die Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Im Hinblick auf sie sind darüber hinaus noch weitere Zahlen zu betrachten. 

Anders als für die Ämter der Laufbahnen der Besoldungsordnung A lässt sich für die Besoldung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten ein Durchschnittswert bestimmen, weil etwa 2/3 von ihnen vom Eintritt in den Dienst bis zur Pensionierung ein Amt der Besoldungsgruppe R1 bekleiden. Anhand der Verweildauer in den jeweiligen Erfahrungsstufen und einer Gesamtdienstzeit von angenommenen 37 Jahren lässt sich deshalb ein gewichtetes Durchschnittsgehalt für den Großteil der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Deutschland errechnen. Zwar existiert auf der Bundesebene kein Amt der Besoldungsgruppe R1. Das Bundesministerium des Innern veröffentlicht aber die fiktive Höhe der Grundgehälter in dieser Besoldungsgruppe.  

Hieraus ergibt sich, dass das gewichtete Durchschnittsgrundgehalt eines
R1-Richters nach dem Bundesbesoldungsgesetz im Jahr 2023 im Monat 6.763 € betragen hätte, das Jahresgrundgehalt mithin 81.156 €. Es hätte damit die Höhe von 137 % des durchschnittlichen Bruttoverdienstes eines Vollzeitbeschäftigten in Deutschland erreicht. 

Besoldungsgruppe

Jahresbruttoverdienst

Verhältnis

zum AN1

zum dBV

R1 (fiktiv, gewichtet)

81.156 €

83 %

137 %

R3

109.596 €

112 %

185 %

R6

129.768 €

133 %

220 %

Aus diesen Zahlen ist erkennbar, dass die Verdienste der meisten Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte deutlich unterhalb des durchschnittlichen Verdienstes von Beschäftigten in leitender Tätigkeit liegt und entsprechend auch deutlich weniger als die 2/3 über dem durchschnittlichen Bruttojahresverdienst aller Vollbeschäftigten in Deutschland. 

Erst in der Besoldungsgruppe R3, dem Amt der Leiterin oder des Leiters einer mittelgroßen Staatsanwaltschaft, der Präsidentin oder des Präsidenten eines Gerichts mit bis zu 40 Richterinnen und Richtern und der Vorsitzenden oder des Vorsitzenden des Senats eines Landesobergerichts, ein Amt, das nur wenige am Ende ihrer Karriere erreichen, überschreitet die Besoldung den Durchschnittsverdienst des Anforderungsniveaus 4. Selbst die Besoldung von beisitzenden Bundesrichtern (R 6) übersteigt den Durchschnitt aller Beschäftigten in leitender Tätigkeit nur um etwa 1/3 und beträgt weniger als das 2,5-fache des durchschnittlichen Bruttoverdienstes aller Vollzeitbeschäftigten. 

In diesem Zusammenhang ist auf den jüngsten Rechtsstaatsbericht der EU-Kommission (https://commission.europa.eu/publications/2024-rule-law-report-communication-and-country-chapters_de) hinzuweisen, der Deutschland – zum wiederholten Male – ausdrücklich empfiehlt, die Besoldung von Richterinnen und Richtern im Interesse der Qualität und Unabhängigkeit der Justiz auf ein den europäischen Standards entsprechendes Niveau anzuheben. Zu diesem Niveau kann der Bericht des Europarates zu den europäischen Justizsystemen herangezogen werden. Danach beträgt das Richtereinkommen am Beginn der Karriere in der Regel mindestens das 1,5-fache des Durchschnittsverdienstes der Bevölkerung (so Belgien, Finnland, Frankreich, Italien, Österreich und Schweden, andere Staaten noch darüber). Die Verdienste der Richterinnen und Richter an den obersten Gerichten betragen zwischen dem 3-fachen und dem 5-fachen des Durchschnittsverdienstes der Bevölkerung, wobei zahlreiche Werte dies noch deutlich übertreffen. 

Ergänzend sind die Verdienste von Juristen in der Privatwirtschaft und in Anwaltskanzleien zu betrachten. Diese Vergleichsdaten sind der vom Deutschen Richterbund eingeholten Studie der Kienbaum Personalberatung entnommen und bilden den jeweiligen Median im Jahr 2023 ab.  

Jahresbrutto-verdienst

R1 / Jur. Fachkraft / Associate

R3 / 2. Führungsebene / Juniorpartner

R6 / 1. Führungsebene / Seniorpartner

Justiz

81.000 €

110.000 €

130.000 €

Wirtschaft

98.000 €

159.000 €

201.000 €

Anwaltschaft

139.000 €

225.000 €

385.000 €

Die vorstehende Tabelle vergleicht die Verdienste von drei Hierarchieebenen juristischer Tätigkeiten in der Justiz mit ähnlichen Hierarchieebenen in der Privatwirtschaft und der Anwaltschaft. Es zeigt sich, dass die Verdienste im Vergleich zur Justiz im Verdienstmedian der Privatwirtschaft um 20 % bis 55 % höher sind und im Verdienstmedian der Anwaltschaft sogar um 70 % bis 300 %. 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine weitere Öffnung der empirisch belegten Besoldungsschere zur Privatwirtschaft nur durch eine deutliche Anhebung der Besoldung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu vermeiden ist. 

 

III. Handlungsbedarf und Umsetzungswege 

 

Eine inhaltliche Auseinandersetzung zum Handlungsbedarf und den Umsetzungsmöglichkeiten ist dem Entwurf nicht zu entnehmen (S. 53); Alternativen werden nicht erwogen (S. 54). 

 

1. Maßstab 

Wie bei der Festsetzung der Bezüge hat der Gesetzgeber einen weiten – im Gegensatz zur Darstellung in der Entwurfsbegründung allerdings keinen grenzenlosen – Gestaltungsspielraum, um den Anforderungen des Gebotes eines Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau Rechnung zu tragen. Neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilferecht kommt insbesondere auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht. Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt. Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können (BVerfGE 155, 1 <Rn. 49>).  

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, zunächst auf der Grundlage der geltenden Besoldung festzustellen, wie viele Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen die Grenze von 115 % der Grundsicherungsleistungen unterschreiten. Erst ausgehend von dieser Feststellung kann geprüft werden, welche Maßnahmen als geeignet infrage kommen, um den Mindestabstand herzustellen. 

 

2. Anwendung im Entwurf 

Diesen notwendigen Schritt unterlässt der Entwurf vollständig.  

a) Der Entwurf erwähnt schon nicht den Fehlbetrag, um den die unterste Besoldungsgruppe unterhalb der Grenze von 115 % des Grundsicherungsniveaus liegt.  

Nach den obigen Darlegungen ist eine Lücke von nicht weniger als 35 % zu schließen. Selbst wenn man von einer Lücke in Höhe von „nur“ 20 % ausgehen würde, würde dies noch dem Vielfachen einer üblichen jährlichen Besoldungserhöhung entsprechen. 

Diesen Zusammenhang verschweigt der Referentenentwurf sorgsam. Er lässt sich aber, wie oben gezeigt wurde, aus den angegebenen Zahlen ableiten. 

b) Von dieser Feststellung ausgehend hätte der Entwurf weiter betrachten müssen, wie viele Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen von der Verletzung des Mindestabstandsgebots betroffen sind. 

Dieser Schritt wurde in dieser Stellungnahme weiter oben nachgeholt: Derzeit ist das Mindestabstandsgebot in mindestens einem Drittel der Tabellenfelder der Besoldungsordnung A verletzt. 

Sodann hätte der Entwurf sämtliche Handlungsmöglichkeiten betrachten müssen. Auch das ist indes nicht geschehen. Auch eine Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Handlungsinstrumente bleibt die Entwurfsbegründung schuldig. 

 

IV. Materiell-rechtliche Anforderungen 

 

Mit dem Ziel, eine verfassungsmäßige Besoldung herbeizuführen, nutzt der Entwurf drei Instrumente, nämlich den alimentativen Ergänzungszuschlag, die Anrechnung (fiktiven) Partnereinkommens und die Streichung der untersten Besoldungsgruppen bis A 4 Stufe 5. 

Der Entwurf stützt sich dabei auf den Hinweis in Rn. 49 des Beschlusses von 2020 (BVerfGE 155, 1), wonach zur Herstellung einer verfassungsgemäßen Besoldung neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilferecht insbesondere auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht komme.  

Gewiss verbietet es sich, Hinweise des Bundesverfassungsgerichts zu ignorieren. Allerdings birgt es erhebliche verfassungsrechtliche Risiken, die gesamte Besoldungsneuregelung auf einen nicht tragenden Entscheidungsteil zu stützen und ihm so ein Gewicht zu verleihen, der ihm nicht zukommt. Vor allem aber ist dem Hinweis nicht etwa – wie der Entwurf das tut – zu entnehmen, dass bloße Änderungen der familienbezogenen Leistungen und der Beihilfeleistungen schon für sich genommen ausreichen, um eine verfassungsgemäße Besoldung über die gesamte Tabelle hinweg herbeizuführen. Diese Interpretation ist deutlich zu kurz gegriffen und nicht geeignet, eine grundlegende Neustrukturierung der Besoldung der hier in Rede stehenden Art zu rechtfertigen, denn sie kollidiert mit weiteren hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums wie der Besoldung nach Maßgabe des ausgeübten Amtes und der Leistungsbezogenheit der Besoldung. Das Bundesverfassungsgericht hat denn auch im selben Absatz unter Rn. 49 ausgeführt, dass eine Anhebung der Tabellenbesoldung umso notwendiger ist, je mehr Tabellenfelder von dem Verstoß gegen das Alimentationsprinzip betroffen sind. Diese Vorgabe bleibt letztlich unbeachtet. 

Angesichts der oben aufgezeigten Größe der zu schließenden Lücke bedarf es einer linearen Erhöhung der Tabelle, zumindest als eine von mehreren Maßnahmen. Ohne eine lineare Erhöhung der Besoldungstabellen entstehen Unwuchten und Verwerfungen im Besoldungssystem und es wird insbesondere das Binnenabstandsgebot verletzt, weil Leistungen, deren Höhe nicht durch das Amt bestimmt werden, gegen das Leistungsprinzip verstoßen. Es widerspricht zudem dem Abstandsgebot, die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen einzuebnen, ohne dass dies mit einer anderen Bewertung der Ämter selbst verbunden wäre. 

Dass es allein mit familienbezogenen Leistungen nicht sein Bewenden haben kann, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die umzusetzende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unter anderem zu einem unverheirateten und kinderlosen Richter ergangen ist. Wenn die Besoldung auch solcher Personen verfassungswidrig war, würde sich daran durch die in diesem Entwurf vorgesehenen Regelungen nichts ändern. Mit seinem bereits mehrfach zitierten Hinweis hat das Bundesverfassungsgericht allerdings klargestellt, dass sich die Höhe der Unterbesoldung nicht bereits aus dem Prozentwert des fehlenden Abstandes ergibt und die Herstellung des Abstandes nicht allein durch eine Anhebung der Tabelle verlangt werden kann. Hätte das Bundesverfassungsgericht aber die Möglichkeit gesehen, dass nicht tabellarische Maßnahmen zur Herstellung des Mindestabstands ausreichen würden, hätte es mit Blick auf die Besoldung des unverheirateten und kinderlosen Richters keine Verletzung des Grundgesetzes feststellen können. Weil der Entwurf diesen Zusammenhang verkennt, ist er unzureichend. 

Im Übrigen sind die vorgesehenen Maßnahmen auch für sich betrachtet verfassungsrechtlich zumindest fragwürdig und zum Teil auch eindeutig verfassungswidrig. 

 

1. Alimentativer Ergänzungszuschlag 

Der Entwurf sieht einen sog. „alimentativen Ergänzungszuschlag“ vor, dessen Höhe von der wohngeldrechtlichen Mietenstufe am Wohnort des Beamten und dessen Familienverhältnissen abhängt. Er hängt aufgrund vorgesehener Abschmelzbeträge auch von der Besoldungsgruppe des Beamten ab. 

Diese Regelung verstößt gegen das Leistungsprinzip und damit gegen einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, der nach Artikel 33 Abs. 5 GG bei der Fortschreibung des Beamtenrechts nicht nur zu berücksichtigen, sondern zu beachten ist. 

a) Verfassungsrechtlicher Maßstab 

Es ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, dass den Beamten ein angemessener Lebensunterhalt nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards zu gewähren ist (stRspr seit 1958 in BVerfGE 8, 1).  

Dieses Alimentationsprinzip ist weder Selbstzweck noch lästiges Anhängsel des Dienstrechts. Vielmehr bilden Dienstbezüge, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann (BVerfGE 21, 329). Der Gesetzgeber muss bei der Regelung des Besoldungsniveaus beachten, dass das Beamtenverhältnis für qualifizierte Kräfte attraktiv sein muss. Er muss das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung, die Verantwortung des Amtes, die Beanspruchung des Amtsinhabers beachten. Und er muss berücksichtigen, dass zu den Bedürfnissen, die der arbeitende Mensch soll befriedigen können, nicht nur die Grundbedürfnisse des Menschen gehören, sondern auch ein Minimum an „Lebenskomfort“ gehört (BVerfGE 44, 249). Die Gewährleistung dieses Inhalts des Alimentationsprinzips bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot der Beamten (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020, Leitsatz 2 und Rn. 24). 

Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, Richter und Staatsanwälte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren.  

Neben dem Alimentationsprinzip zählt das Leistungsprinzip zu den vom Gesetzgeber zu beachtenden hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG. Es bezeichnet in seinem Kern zunächst das Prinzip der Bestenauslese, wie es ausdrücklich in Art. 33 Abs. 2 GG verankert ist. Das Leistungsprinzip betrifft nicht nur den erstmaligen Zugang zu einem öffentlichen Amt beim Eintritt in das Beamtenverhältnis, sondern beinhaltet auch die Anerkennung und rechtliche Absicherung des Beförderungserfolges, den der Beamte bei der Bestenauslese aufgrund von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erlangt hat (BVerfGE 145, 304 <Rn. 69>).  

Daher bestimmt sich die Amtsangemessenheit der Besoldung auch im Verhältnis zur Besoldung und Versorgung anderer Beamtengruppen. Gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die „amts“-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung. Die Organisation der öffentlichen Verwaltung stellt darauf ab, dass in den höher besoldeten Ämtern die für den Dienstherrn wertvolleren Leistungen erbracht werden. Deshalb muss im Hinblick auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter eine Staffelung der Gehälter einhergehen. Amtsangemessene Gehälter sind auf dieser Grundlage so zu bemessen, dass sie Beamten eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung ihres jeweiligen Amtes entspricht (BVerfGE 140, 240 <Rn. 90>; 155, 1 <Rn. 43>). 

b) Bewertung

Der vorgesehene „alimentative Ergänzungszuschlag“ verstößt gegen diese Ausprägung des beamtenrechtlichen Leistungsprinzips in zweifacher Weise. 

aa) Erstens führt er zu einer substanziellen Wertigkeitsverschiebung zwischen tätigkeitsbezogenen und familienbezogenen Verdienstanteilen. 

Legt man das Zahlenwerk des Entwurfs (S. 62) zugrunde, betragen die familienbezogenen Besoldungsanteile bei dem Beamten mit der untersten Besoldung an einem Wohnort der Mietenstufe VII 25 % der Gesamtbesoldung, unter Einbeziehung des Partnereinkommens sogar 33 %. 

Künftig soll damit bis zu ein Drittel der Alimentation keinen Bezug zum Amt aufweisen. Dies stellt das Besoldungsgefüge gleichsam auf den Kopf. 

Künftig wird der Beamte mit dem niedrigsten Grundgehalt in einem Amt der Laufbahngruppe des einfachen Dienstes nach A 4 in Stufe 5 besoldet. Sein Amt gehört zur Laufbahngruppe des einfachen Dienstes und erfordert keine Laufbahnausbildung, sondern besteht im Kern in einer Anlerntätigkeit. Ist er verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in einem Ort der Mietenstufe VII erreicht sein Bruttoeinkommen dasjenige eines unverheirateten und kinderlosen Beamten in der Eingangsstufe der Besoldungsgruppe A 11. Ämter der Besoldungsgruppe A  11 gehören zur Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes und setzen eine Laufbahnausbildung in Form eines dreijährigen Fachhochschulstudiums voraus. Sie werden innerhalb der Laufbahn zudem erst mit der zweiten Beförderung etwa in der Mitte der gesamten Dienstzeit erreicht. Selbst an einem Wohnort der Mietenstufe IV (z. B. Berlin) wird das Bruttoeinkommen des verheirateten Beamten mit zwei Kindern und dem untersten Grundgehalt noch das eines unverheirateten und kinderlosen Beamten der Besoldungsgruppe A 10 in Stufe 1 erreichen, dem ersten Beförderungsamt der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes. 

Auf diese Weise wird der Bruttoverdienst nicht mehr maßgeblich durch die dem Dienstherrn erbrachten Dienste bestimmt, sondern durch Umstände in der Person der Beamtin oder des Beamten. Viel mehr als durch Tätigkeit für den Dienstherrn lässt sich das Einkommen durch Heirat und Kinderzahl erhöhen.  

Damit ist die Amtsbezogenheit der Besoldung nicht mehr gewährleistet. 

bb) Zweitens ist der Zuschlag nicht hinreichend alimentativ ausgestaltet und schmilzt so die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen unzulässig ab. 

Zu welcher Abschmelzung der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen der alimentative Ergänzungszuschlag führt, wurde oben im Zusammenhang mit dem vierten Parameter der ersten Prüfungsstufe bereits dargestellt. 

Soll der Zuschlag nicht nur verbal, sondern funktionell „alimentativ“ sein, ist er amts- und leistungsbezogen auszugestalten. Er darf also nicht wie hier durch die Abschmelzbeträge geschehen degressiv sein, je höher das Amt des Beamten besoldet ist. Er müsste vielmehr in dem Maße steigen, in dem das Grundgehalt steigt, weil die Steigerung der Grundgehälter die relative Wertigkeit der Ämter ausdrückt und damit zugleich Gradmesser für den amtsangemessenen Lebensstandard nicht nur des Beamten, sondern auch seiner Familie ist. 

Das zeigt sich anschaulich anhand der Wohnkosten der Beamten, auf die der Zuschlag durch die Bezugnahme auf die Unterkunftskosten im Grundsicherungsrecht und das Wohngeldgesetz abstellt. Im Grundsicherungsrecht werden die angemessenen Kosten der Unterkunft als Produkt aus einer angemessenen Wohnungsgröße und einem angemessenen Quadratmeterpreis ermittelt. Die Größe beider Faktoren wird unter Zugrundelegung des Existenzminimums bestimmt. Eine für eine vierköpfige Familie existenzsichernde Wohnung darf nach der Rechtsprechung 85 m² groß sein. Existenzsichernde Quadratmetermiete ist diejenige einer einfachen Wohnung im Sinne einer Wohnung in einfacher Lage mit einfacher Ausstattung. Das Produkt aus diesen Faktoren darf grundsätzlich den Wert von 110 % der Wohngeldtabelle nicht überschreiten. 

Es kann hier offenbleiben, ob einem Beamten und seiner Familie eine rechnerisch existenzsichernde Wohnung als angemessen zugemutet werden kann. Jedenfalls für Beamte höherer Laufbahnen und Besoldungsgruppen sowie Richter und Staatsanwälte ist dies nicht der Fall. Zum höheren Lebensstandard, der dem Inhaber eines höherwertigen Amtes zu gewährleisten ist, gehört auch eine größere Wohnung in einer besseren Wohnlage mit einer besseren Ausstattung, die deshalb auch deutlich teurer ist als nach dem Grundsicherungsrecht. Insoweit können Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter auch nicht auf ihre allgemein höhere Besoldung verwiesen werden, mit deren Hilfe sie auch höhere Unterkunftskosten finanzieren können, denn der höhere Lebensstandard betrifft nicht nur die Wohnverhältnisse, sondern auch Ernährung, Bildung, Freizeit, Kultur usw., so dass die höhere Besoldung nicht allein für die Wohnverhältnisse zur Verfügung steht. 

Das bedeutet, dass ein funktional alimentativer Ergänzungszuschlag, wenn schon nicht mit den einzelnen Tabellenfeldern oder Besoldungsgruppen, so doch zumindest mit den Laufbahngruppen steigen muss. Er würde für die Ämter der Laufbahnen des höheren Dienstes damit etwa das 2,5-fache der für das Amt mit der untersten Besoldung anzusetzenden Höhe betragen. Ein „Abschmelzen“ des Zuschlags mit steigender Besoldungsgruppe verbietet sich deshalb gänzlich. 

Dem steht nicht entgegen, dass die „echten“ Familienzuschläge bislang in einheitlicher Höhe gezahlt wurden, denn wie oben gezeigt wurde, hatten diese nicht den Zweck, für eine amtsangemessene Besoldungshöhe zu sorgen. 

cc) Im Grunde erweist sich der „alimentative Ergänzungszuschlag“ als Fremdkörper in der Besoldung. 

(1) Entgegen seiner Bezeichnung als „alimentativ“ verwirklicht er allein sozialpolitische Gesichtspunkte, indem er einen Bezug zu den Regelungen des Wohngeldgesetzes herstellt. Besoldung ist aber keine Sozialleistung und verträgt auch keine soziale Staffelung (BVerfGE 140, 240 <Rn. 91>; 145, 304 <Rn. 99>). 

(2) Der Ergänzungszuschlag ist auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten nicht vermittelbar. Für zwei Kinder zahlt der Dienstherr – zusätzlich zum Kindergeld – bis zu 480 € an Zuschlägen. Das ist zwar weniger als einige Länder zahlen, aber noch immer ein erheblicher Betrag. Dabei handelt es sich um eine soziale Leistung exklusiv für Beamtenkinder. Vergleichbare Leistungen werden für Kinder der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst nicht gewährt. Es ist nicht zu erwarten, dass der Staat als Arbeitgeber tarifliche Familienleistungen in dieser Größenordnung erbringen wird, denn auch kein anderer privater Arbeitgeber würde dies tun. Sozialpolitik zu betreiben, ist nicht die Aufgabe von Arbeitgebern, sondern die Aufgabe des Staates, insbesondere des steuerlichen Familienlastenausgleichs. Sozialpolitik hat sich an die gesamte Gesellschaft zur richten, nicht allein an Bedienstete des Staates oder gar nur einzelne Gruppen dieser Bediensteten. Für die im alimentativen Ergänzungszuschlag liegende sozialpolitische Besserstellung der Beamtenkinder im Vergleich zu Kindern anderer Bedienstetengruppen ist ein rechtfertigender Grund nicht ersichtlich. 

(3) Soweit der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts auf die Mietenstufen des Wohngeldgesetzes (BVerfGE 155, 1 <Rn. 61>) aufgegriffen werden soll, muss die Staffelung, wie das Bundesverfassungsgericht ausführt, ihrerseits mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein und geht es um die Abfederung von regionalen Höchstwerten, von denen ein Großteil der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter gar nicht betroffen ist.  

Mithin ist dies keine allgemeine Bestätigung wohnortbezogener Besoldungsbestandteile. Diese können nur dazu dienen, regional deutlich überdurchschnittliche Lebenshaltungskosten außerhalb der Grundgehälter abzufangen. Damit ist es unvereinbar, Zuschläge bereits ab Mietenstufe I vorzusehen. Jedenfalls bis zu einem im Bundesgebiet noch weit verbreiteten Niveau, wie es mindestens der Mietenstufe IV (z. B. Berlin) entspricht, kann nicht von deutlich überdurchschnittlichen oder gar extremen Lebenshaltungskosten gesprochen werden. Daher sind die entsprechenden Kosten nicht in Zuschläge auszugliedern, sondern in den Grundgehältern abzubilden. 

 

2. Anrechnung eines (fiktiven) Partnereinkommens 

Die Anrechnung (fiktiven) Partnereinkommens ist mit dem Alimentationsprinzip unvereinbar. Der Beamte wird vom Dienstherrn alimentiert. Der Dienstherr ist nicht der Ausfallbürge für den unterhaltsverpflichteten Lebenspartner. Ein Modell, in dem die Höhe der Besoldung vom Partner- oder Familieneinkommen abhängt, widerspricht sowohl der Besoldung in ihrer bisherigen Form als auch den Entgeltsystemen in der Privatwirtschaft und jedem anderen Verdienstsystem.  

Zudem rückt es die Besoldung strukturell an eine Sozialleistung heran. Der Entwurf sieht – anders als einige Ländergesetze, die ebenfalls Partnereinkommen anrechnen – auch keine Regelung für den Fall vor, dass kein Partnereinkommen erzielt wird. Der Dienstherr kann den Beamten aber zur Erfüllung seiner Alimentationspflicht nicht auf einen Unterhaltsanspruch gegen einen Dritten verweisen. 

 

3. Neues Amt mit der untersten Besoldung A 4 Stufe 5 

a) Auswirkungen auf den Binnenabstand 

Die neuen Eingangsämter im einfachen Dienst (A 4 Stufe 5) und im mittleren Dienst (A 6 Stufe 3) führen zu Unwuchten im Besoldungssystem und zum Abschmelzen der Binnenabstände. Der Berufsanfänger ohne Laufbahnausbildung im einfachen Dienst in A 4 Stufe 5 erhält vom ersten Tag an ein Grundgehalt von 3.001 €. Dieses liegt nur noch 29 € oder 1 % unter dem Grundgehalt des Beamten im Eingangsamt des mittleren Dienstes nach zweijähriger Laufbahnausbildung; bisher betrug dieser Abstand knapp 5 %. Haben beide jeweils zwei Kinder und leben in Mietenstufe IV oder höher verringert sich der Abstand der Bruttobesoldung auf ganze 13 € im Monat oder 0,4 % des Grundgehalts. 

Deutlich verringern sich auch die Besoldungsabstände zwischen den Eingangsämter des mittleren Dienstes (A 6 Stufe 3) und des gehobenen Dienstes (A 10 Stufe 1). Er betrug im Grundgehalt bisher etwas mehr als 25 % und reduziert sich nun auf 18 %, bei zwei Kindern und Mietenstufe IV oder höher sogar auf unter 16 %. 

b) Mindestabstandsgebot 

Die vorgesehene Änderung kann der Gesetzgeber nicht als Mittel zur Herstellung des Mindestabstands nutzen. 

Den Mindestabstand zwischen Grundsicherung und unterster Besoldung hat das Bundesverfassungsgericht nur deshalb auf lediglich 15 % festgelegt, weil das Gericht davon ausging, dass der Dienst als Beamter im untersten Amt keine besonderen Qualifikationen voraussetzt. Auf diese Weise wollte das Gericht sicherstellen, dass jemand, der arbeitet, ein höheres Einkommen erhält, als jemand, der nicht arbeitet. Es konnte davon ausgehen, dass jeder Empfänger von Grundsicherungsleistungen theoretisch jederzeit das am geringsten besoldete Amt eines Beamten übernehmen könnte, weil dieses keine besonderen Qualifikationen voraussetzt. Ist dies aber nicht mehr der Fall, muss die unterste Besoldung einen größeren Abstand zur Grundsicherung wahren, weil qualifizierte Tätigkeiten wertvoller sind als nicht qualifizierte.  

Ein Amt der künftig untersten Besoldungsgruppe A 4 Stufe 5 kann aber nicht mehr ohne Qualifikation ausgeübt werden, denn der Entwurf betont selbst, dass die bisher in A 3 ausgeübten Tätigkeiten aufgrund des flächendeckenden Einsatzes von moderner Informations-, Kommunikations- und Bürotechnik in der Bundesverwaltung, aber auch wegen der sich aus der erhöhten Komplexität der dienstorganisatorischen Abläufe insgesamt ergebenden Anforderungen an die Amtsinhaber nunmehr höher zu bewerten sei. Damit macht die Begründung des Entwurfs klar, dass im Bundesdienst kein Amt mehr den Erwartungen des Bundesverfassungsgerichts an das Amt mit der untersten Besoldung erfüllt. Dementsprechend muss der Abstand dieses Amtes zur Grundsicherung auch größer sein als 15 %. 

 

V. Versorgung 

 

Mit hoher Wahrscheinlichkeit unzureichend sind auch Regelungen mit Bezug zur Versorgung. 

Es ist seit langem geltendes Recht, dass Versorgungsempfängerinnen und
-empfänger wegen des auch für sie geltenden Alimentationsprinzips nicht auf den Bezug von Sozialleistungen verwiesen werden dürfen (BVerfGE 155, 1 <Rn. 52>). Die Versorgung muss in jedem Fall mindestens ein Lebensniveau sicherstellen, das dem Bezug von Grundsicherung im Alter entspricht. 

Weil das Vorhandensein unterhaltsberechtigter Kinder bei Erreichen der Dienstaltersgrenze, dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst und dem Eintritt in die Versorgung von jeher eher die Ausnahme bildet, kommt es in Betracht, im Recht der Versorgung von einer anderen Bezugsgröße als im Recht der Besoldung auszugehen. Jedenfalls erscheint es sachgerecht, dass kinderbezogene Leistungen einen höheren Anteil an der möglichen Gesamtversorgung haben. 

Lebt ein verheirateter Versorgungsempfänger aber mit zwei unterhaltberechtigten Kindern in einem gemeinsamen Haushalt, besteht allerdings die Möglichkeit, dass seine Versorgung trotz Familienzuschlags und alimentativen Ergänzungszuschlags das Niveau der Grundsicherung unterschreitet. Ein Beamter des einfachen Dienstes, der bei Erreichen der Dienstaltersgrenze aus A 6 in der Endstufe besoldet wurde, und volle Versorgungsbezüge erhält, bezieht ein Bruttogrundruhegehalt von 2.430 €. Das sind mehr als 500 € weniger als das künftig niedrigste Grundgehalt. Die Differenz der Nettoversorgung von der Nettobesoldung wird zwar geringer sein, gleichwohl besteht die Gefahr, dass die Versorgung auch mit dem alimentativen Ergänzungszuschlag unter der Grundsicherung bleiben könnte, erst recht wenn man bedenkt, dass mit zunehmendem Alter die Möglichkeit abnimmt, ein Partnereinkommen zu generieren.  

 

VI. Fazit 

 

Der Deutsche Richterbund erkennt durchaus an, dass die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vor dem Hintergrund begrenzter finanzieller Mittel eine Herausforderung ist. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Entwicklung der Rechtsprechung zeigt, dass aus Sicht des Gerichts die Besoldung zu lange zu Unrecht vornehmlich als Einsparbereich betrachtet wurde und deshalb nunmehr einer erheblichen Erhöhung bedarf.  

Zudem sollte eine Umsetzung der Entscheidung in einer nachhaltig tragfähigen Lösung bestehen, die personalpolitisch sinnvoll und praxisgerecht ist. Die Beamtenbesoldung sollte modern, transparent und im Wettbewerb um die besten Köpfe konkurrenzfähig sein. Wir halten es nicht für sinnvoll, aus kurzfristig gedachten fiskalischen Gründen heraus personalpolitisch nachteilige Lösungen herbeizuführen, die die Praxis vor unauflösbare Probleme stellen. Die durch den vorliegenden Entwurf bewirkten Besoldungs- bzw. Vergütungsunterschiede zwischen Angestellten ohne soziale Vergütungsbestandteile und Beamten mit sozial definierten Zulagen sind personalpolitisch nicht zu rechtfertigen und spannungsgeladen. Entsprechendes gilt für das Verhältnis von zulagenberechtigten zu nicht zulagenberechtigten Beamten und Richtern.  

Schließlich muss die Umsetzung einer Entscheidung des Verfassungsgerichts ihrerseits verfassungsrechtlich rechtssicher sein. Es wäre ein verheerendes Signal, würde die Umsetzung vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben.