Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Rechtsvorschriften
Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Rechtsvorschriften dient der innerstaatlichen Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1226 vom 24. April 2024 zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union („Richtlinie Sanktionsstrafrecht“), die Mindeststandards bei der strafrechtlichen Ahndung von Verstößen gegen EU-Sanktionen setzt.
Angesichts der Umsetzungsverpflichtung beschränkt sich die Stellungnahme auf die Art und Weise, mit der die Richtlinie in nationale Regelungen Eingang finden soll. Auffällig ist, dass die beabsichtigte Neuregelung gegenüber der bestehenden Fassung des Straftatbestands umfangreiche und sehr detaillierte objektive Tathandlungen beschreibt. Dies mag geeignet sein, die Klarheit der Straftatbestände zu fördern, stellt sich jedoch in Gestalt von § 18 Abs. 11 AWG-E als nicht unproblematisch dar.
Nach dieser Bestimmung soll künftig ein Strafausschließungsgrund vorliegen, „wenn die Handlung als humanitäre Hilfe für eine bedürftige Person erbracht wird“. Begründet wird dies mit Artikel 3 Absatz 5 der umzusetzenden Richtlinie Sanktionsstrafrecht, die ihrerseits der am 9. Dezember 2022 verabschiedeten Resolution 2664 (2022) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen folgt.
Zwar ist es dem Grunde nach uneingeschränkt zu begrüßen, dass humanitäre Hilfe in Krisenregionen nicht daran scheitern darf, dass innerstaatlich ein strafbewehrter Sanktionsverstoß zu besorgen ist. Im Einzelfall jedoch kann der inhaltlich nicht näher ausgeformte Strafausschließungsgrund der „humanitären Hilfe für eine bedürftige Person“ zu erheblichen Unklarheiten und damit auch zu Strafbarkeitslücken führen. Denn auch terroristische Vereinigungen wie der Islamische Staat werben aktiv um vermeintlich humanitäre Unterstützung für Angehörige von IS-Kämpfern im kurdisch beherrschten Nordosten Syriens. Diese Unterstützung aber dient jedenfalls auch dazu, die Vereinigungsstrukturen in den Lagern aufrechtzuerhalten und zu stärken, so dass sich erwünschte humanitäre Hilfe im Einzelfall als zu missbilligende Terrorismusfinanzierung darstellen kann.
Vor diesem Hintergrund bedarf es einer weiteren tatbestandlichen Einhegung des vorgesehenen Strafausschließungsgrundes. Denkbar wäre eine engere Orientierung am Wortlaut der umzusetzenden Richtlinie Sanktionsstrafrecht, die „humanitäre Hilfe für bedürftige Personen oder Tätigkeiten zur Unterstützung grundlegender menschlicher Bedürfnisse“ ausnehmen will, „die im Einklang mit den Grundsätzen der Unparteilichkeit, Menschlichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit und gegebenenfalls mit dem humanitären Völkerrecht erbracht werden“. Auf diese Weise könnte eine in das Gewand der humanitären Unterstützung gekleidete Terrorismusfinanzierung auch künftig als Sanktionsverstoß verfolgt werden.
Alternativ wäre zu erwägen, in Anknüpfung an Formulierungen in der Resolution 2664 (2022) nur anerkannte Hilfsorganisationen straffrei zu stellen.