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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften (BT-Drucksache 19/13828)

– Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des

Deutschen Bundestages am 4. November  2019

 

A. Tenor der Stellungnahme

Der Deutsche Richterbund befürwortet, die streitwertmäßige Beschränkung der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof unbefristet auszugestalten, um eine effiziente Erfüllung der Aufgaben des Gerichts als Revisionsinstanz und den Erhalt der Arbeitsfähigkeit des Gerichts dauerhaft sicherzustellen.

Die Einrichtung weiterer spezialisierter Spruchkörper bei den Landgerichten und Oberlandesgerichten stellt sicher, dass innerhalb des Gerichts eine häufigere Befassung der entscheidenden Spruchkörper mit der Materie eintritt (Erfahrungs- und Wissenszuwachs). Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass mit der Einrichtung von Spezialspruchkörpern – über eine Qualitätssteigerung hinaus – eine noch höhere Richtigkeitsgewähr für die richterlichen Entscheidungen erreicht werden kann.

Von einer Konzentration eines bestimmten Sachgebiets an einem Gericht ist zu erwarten, dass sich durch die Übernahme dieses Sachgebiets aus anderen Gerichtsbezirken das Geschäftsaufkommen noch weiter erhöht und eine noch häufigere Befassung des entscheidenden Spruchkörpers mit dem Sachgebiet eintritt.

Zuständigkeitskonzentrationen können aber dazu führen, dass sich bewährte Gerichtsstrukturen verändern.

 

B. Bewertung im Einzelnen

I. Unbefristete streitwertmäßige Beschränkung der Nichtzulassungsbeschwerde

Der Deutsche Richterbund befürwortet, dass die streitwertmäßige Beschränkung der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof unbefristet ausgestaltet werden soll, um eine effiziente Erfüllung der Aufgaben des Gerichts als Revisionsinstanz und den Erhalt der Arbeitsfähigkeit des Gerichts dauerhaft sicherzustellen.

Zuletzt die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages vom 25.04.2018 (vgl. hierzu auch BT-Drucksache 19/2500) hat eindeutig ergeben, dass es seit Beginn der Übergangsregelung in § 26 Nr. 8 EGZPO zum 01.01.2002 zu keinem Zeitpunkt Anlass gegeben hätte, auf diese von vorneherein als Entlastungsmaßnahme zugunsten des Bundesgerichtshofs vorgesehene Regelung zu verzichten. Da schon seit längerem nicht mehr von einer Übergangssituation die Rede sein kann, ist es richtig, die Streitwertgrenze unbefristet zu regeln und in die ZPO zu verlagern.

Bei der Verlagerung von § 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO in § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E ist die bisherige Formulierung „der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer“ beibehalten worden. Zu Recht weist der Gesetzeswortlaut nicht in gleicher Weise wie etwa in § 511 Abs. 2 Nr. 1 oder § 567 Abs. 2 ZPO unmittelbar auf die Maßgeblichkeit des Beschwerdegegenstands hin. Im Unterschied zu den dort geregelten Fällen der Berufung oder der Beschwerde fehlt es nämlich bei Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde an Rechtsmittelanträgen hinsichtlich der Hauptsache und damit an der Möglichkeit, den Wert des Beschwerdegegenstands endgültig zu bestimmen. Insofern kann nur die bisherige Formulierung fortgeführt werden, die auf das Ziel abstellt, welches der Rechtsmittelführer bei einem Erfolg seiner Nichtzulassungsbeschwerde in dem anschließenden Revisionsverfahren verfolgen will (vgl. hierzu BGH NJW 2002, 2720).

 

II. Ausbau der Spezialisierung bei den Landgerichten und Oberlandesgerichten

Die Vorschläge zur Erweiterung der Einrichtung von Spezialspruchkörpern (§§ 72a Abs. 1, 119a Abs. 1 GVG-E) greifen in die Selbstverwaltung der Landgerichte und Oberlandesgerichte und insbesondere in die Entscheidungsbefugnisse der unabhängigen Gerichtspräsidien ein. Diesem gesetzgeberischen Eingriff steht indes der Anspruch des Bürgers darauf, dass ein Rechtsstreit mit hohem richterlichem Sachverstand in angemessener Zeit richtig entschieden wird, gegenüber. In diesen Anspruch fügt sich ein, dass eine häufigere richterliche Befassung mit einer bestimmten Materie zu einer Qualitätssteigerung führt. Die Einrichtung spezialisierter Spruchkörper stellt sicher, dass innerhalb des Gerichts eine häufigere Befassung der entscheidenden Spruchkörper mit der Materie eintritt (Erfahrungs- und Wissenszuwachs), da die Verfahrenseingänge dem spezialisierten Spruchkörper zugewiesen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass mit der Einrichtung von weiteren Spezialspruchkörpern – über eine Qualitätssteigerung hinaus – auch in den neu geplanten Sachgebieten eine noch höhere Richtigkeitsgewähr für die richterlichen Entscheidungen erreicht werden kann.

Die gesetzliche Einrichtung von Spezialspruchkörpern ist von der Entscheidung über die Besetzung dieser Spruchkörper zu unterscheiden. Entscheidungen über die Besetzung der Spruchkörper haben weiterhin die Präsidien zu treffen. Ausdrückliche gesetzliche Vorgaben gibt es hierzu nicht. Jedoch sollten auch ohne gesetzliche Vorgaben in den Spezialspruchkörpern grundsätzlich nur – jedenfalls mehrheitlich – entsprechend spezialisierte Richter eingesetzt werden. Spezialisiert dürfte der einzelne Richter dann sein, wenn er in dem Spezialgebiet über ausreichende praktische Erfahrungen und theoretische Kenntnisse verfügt. Praktische Erfahrungen werden sich in der Regel allerdings erst mit dem Einsatz in einem Spezialspruch-körper erwerben lassen. Dass ein Richter vor einem Einsatz in einem Spezialspruchkörper über besondere theoretische Kenntnisse verfügt, kann eine langfristige Personalplanung zwar durchaus gewährleisten. In dem Alltagsgeschäft der Präsidien wird jedoch damit zu rechnen sein, dass auch kurzfristige Personalentscheidungen über den Einsatz in den Spezialspruchkörpern zu treffen sein werden. In diesen Fällen werden die Präsidien wohl auch auf Richter zurückgreifen müssen, die noch nicht über besondere Kenntnisse in dem Spezialbereich verfügen. Hilfreich wäre es, wenn die zeitlichen Vorläufe für eine Fortbildung bei der Deutschen Richterakademie deutlich verkürzt und die Anzahl der Fortbildungsmöglichkeiten für die Spezialbereiche deutlich erweitert werden würden. Auch ist es erforderlich, sicherzustellen, dass den sich fortbildenden Richtern sämtliche Reisekosten anlässlich der Teilnahme an der Fortbildung erstattet werden. Entsprechendes muss für Anmelde- und Übernachtungskosten gelten, wenn die Fortbildung nicht bei der Deutschen Richterakademie, sondern bei externen Fortbildungsdienstleistern stattfindet.

Mit der Spezialisierung des Richters ist die Erwartung verbunden, dass der Richter für eine nicht nur kurze Dauer in dem Spezialspruchkörper verbleibt. Denn nur dann kann die Spezialisierung ihre Wirkung einer höheren Richtigkeitsgewähr gegenüber dem Bürger vollständig entfalten, wenn nämlich der Richter die Gelegenheit hat, seine Spezialkenntnisse anzuwenden und zu vertiefen. Dies hat gleichzeitig zur Folge, dass Richter in den Spezialspruchkörpern für einen anderweitigen Einsatz im Gericht nicht mehr frei verfügbar sind. Die Spezialisierung schränkt damit auch die Entscheidungsflexibilität der Gerichtspräsidien ein. Diese verringerte Entscheidungsflexibilität wird vor allem kleinere Landgerichte vor Probleme stellen.

Die Spezialisierung eines Richters muss als Teil seiner Personalentwicklung begriffen werden. Die Spezialisierung darf aber in praktisch-tatsächlicher Hinsicht einer weitergehenden – flexiblen – Personal-entwicklung des Richters nicht entgegenstehen. Auch dem spezialisierten Richter müssen Möglichkeiten zu einem anderweitigen Einsatz offenstehen. Außerdem muss in Bedacht genommen werden, dass die Spezialisierung des Richters und der sich daraus ergebende längere Verbleib bei einem Spruchkörper gleichermaßen ein Pluspunkt bei einer Beurteilung ist wie die Flexibilität eines Richters, der in unterschiedlichen Dezernaten und verschiedenen Gerichten oder Ministerien Erfahrungen sammelt.

Bei den Spezialspruchkörpern bleibt es möglich, die Verfahren von dem vollbesetzten Kollegium auf den Einzelrichter zu übertragen. Zwar ist erstinstanzlich in § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO auch das Kollegialprinzip für die Spezialbereiche nach § 72a Abs. 1 GVG-E verankert worden, die Übertragungsmöglichkeiten auf den Einzelrichter nach § 348a ZPO sind jedoch beibehalten worden. Auch die §§ 526, 527 ZPO (für die Berufungsgerichte) sind unverändert geblieben. Eine noch deutlichere Stärkung des Kollegialprinzips wäre indes zu befürworten gewesen. Denn eine Stärkung des Kollegialprinzips wäre eine weitere Maßnahme zur Sicherung und Steigerung der Qualität der Justiz gewesen. Die Entscheidungsfindung im Kollegium führt zu ständiger Selbstüberprüfung. Die Akzeptanz der Parteien ist bei Entscheidungen durch ein vollbesetztes Kollegium größer. Die Arbeit im Kollegium erfordert unzweifelhaft ein Mehr an Zeit und Arbeitskraft. Deshalb kann eine Stärkung des Kollegialprinzips nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn zugleich die Landesgesetzgeber und Landesjustizverwaltungen Sorge für eine angemessene Personalausstattung tragen.

Die in Betracht gezogenen Länderöffnungsklauseln (§§ 72a Abs. 2, 119a Abs. 2 GVG), die die Entscheidung zur Einrichtung weiterer spezialisierter Spruchkörper auf die Länder überträgt, hat einerseits den Nachteil, dass sie eine Zersplitterung in der Anwendung von Gerichtsverfassungs- und Prozessrecht nach sich ziehen wird. Das geltend gemachte Erfordernis zur Einrichtung von Spezialspruchkörpern gilt gleichermaßen für alle Bürger in Deutschland. Andererseits hat die Länderöffnungsklausel den Vorteil, dass besser auf die örtlichen Gegebenheiten der Gerichte Rücksicht genommen werden könnte. Die Landesjustizverwaltungen werden unter Einbeziehung der Stellungnahmen der Landgerichte und Oberlandesgerichte Spe-zialspruchkörper nur unter Berücksichtigung der konkreten Erfordernisse für die gerichtlichen Geschäfte vor Ort und nur dort, wo es sinnvoll ist, einrichten können.

 

III. Erweiterung der Konzentrationsmöglichkeiten

§ 13a Abs. 1 GVG-E soll künftig gerichtsbezirksübergreifende Zu-ständigkeitskonzentrationen durch Landesverordnung ermöglichen. Ob das Ausmaß der Ermächtigung (vgl. Art. 80 Abs. 1 GG) in § 13a Abs. 1 GVG-E ausreichend bestimmt ist, wird in dem Entwurf nicht ausdrücklich erörtert (vgl. zu diesem Aspekt auch BVerfG NJW 1969, 1291).

Von einer Konzentration eines bestimmten Sachgebiets an einem Gericht ist zu erwarten, dass sich durch die Übernahme dieses Sachgebiets aus anderen Gerichtsbezirken das Geschäftsaufkommen erhöht und eine noch häufigere Befassung des entscheidenden Spruchkörpers mit der Materie eintritt (Erfahrungs- und Wissenszuwachs). Auch wird die Übernahme eines Sachgebiets im Wege der Zuständigkeitskonzentration für das übernehmende Gericht einen Bedeutungsgewinn bringen. Andererseits können Zuständigkeitskonzentrationen auch zu einem „Rückzug der Gerichte aus der Flä-che“ führen, längere Fahrtzeiten und höhere Fahrtkosten der Pro-zessbeteiligten nach sich ziehen und für das Zuständigkeiten abgebende Gericht zu einem Bedeutungsverlust führen. Zuständigkeitskonzentrationen können dazu beitragen, dass sich bewährte Gerichtsstrukturen verändern.

 

IV. Zu weiteren Vorschlägen des Entwurfs

1. Zu § 44 Abs. 4 ZPO-E

Der Deutsche Richterbund ist mit einer Regelung, dass ein Ableh-nungsgesuch unverzüglich nach Kenntnis vom Ablehnungsgrund anzubringen ist, einverstanden.

Die Regelung über den Verlust des Ablehnungsrechts ist in § 43 ZPO getroffen. In dieser Vorschrift müsste der Vorschlag über die unverzügliche Anbringung eines Ablehnungsgesuchs verortet werden. In § 44 Abs. 4 ZPO müssten gegebenenfalls Folgeänderungen getroffen werden.

Indes dürfte nicht zu erwarten sein, dass eine solche Regelung die Ablehnung von Richtern zum Zwecke der Verzögerung von Verfahren vermeidet, weil auch bei einer verspäteten Geltendmachung eines Ablehnungsgrundes das Ablehnungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen werden muss. Bis dahin kann der abgelehnte Richter den Rechtsstreit nicht fortsetzen. Der Verzögerung von Verfahren dienende Ablehnungsgesuche werden häufig kurz vor Verhandlungsterminen gestellt. Nachzudenken wäre deshalb über die Möglichkeit, dass eine mündliche Verhandlung auch dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden kann, wenn der Richter nach Terminsanberaumung bzw. -ladung abgelehnt wird und die Ablehnung eine Vertagung des Termins erfordern würde (Fortführung des Rechtsgedankens aus § 47 Abs. 2 ZPO). Für eine solche Modifikation spricht der Justizgewährungsanspruch der gegnerischen Prozesspartei, da bei Missbrauch des Ablehnungsrechts durch eine Prozesspartei Rechtsstreite in der Praxis teilweise um mehrere Monate oder Jahre verzögert werden.

2. Zu § 67 ZPO-E

Der Deutsche Richterbund befürwortet den Regelungsvorschlag. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens des streitgenössischen Nebenintervenienten (§ 69 ZPO) nach §§ 141, 278 Abs. 3 ZPO ist bereits nach der geltenden Rechtslage möglich (vgl. Greger in: Zöller, 32. Aufl. (2018), § 141 ZPO, Rn. 2). Hinsichtlich des gewöhnlichen Nebenintervenienten ist umstritten, ob dessen persönliches Erscheinen nach den §§ 141, 278 Abs. 3 ZPO angeordnet werden kann (befürwortend Althammer in: Zöller, 32. Aufl. (2018), § 67 ZPO, Rn. 2 unter Bezugnahme auf § 273 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Insofern erscheint eine gesetzliche Klarstellung begrüßenswert, ebenso die Schaffung der Möglichkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens. Das Gericht wird aber bei der Anordnung zu bedenken haben, dass der gewöhnliche Nebenintervenient Zeuge sein kann. Der streitgenössische Ne-benintervenient (§ 69 ZPO) ist dagegen nicht zeugnisfähig.

3. Zu § 115 Abs. 1 ZPO-E (Vorschlag des Bundesrats)

Der Deutsche Richterbund begrüßt das Anliegen, die Festlegung der Freibeträge des § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO übersichtlicher auszugestalten. Das Regelungsbedürfnis ist zuletzt durch die Prozesskostenhilfebekanntmachung 2019 vom 19.12.2018 (BGBl. 2018 I, S. 2707) und die Zweite Prozesskostenhilfebekanntmachung 2019 vom 21.02.2019 (BGBl. 2019 I, S. 161) sichtbar geworden.

Durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (BGBl. 2011 I, S. 453) wurden einzelne Freibeträge des § 115 Abs. 1 ZPO neu ausgerichtet. Bezugsgröße der Freibeträge nach § 115 Abs. 1 ZPO ist der höchste Regelsatz, der nach der Anlage zu § 28 SGB XII festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist. Hervorzuheben ist, dass auf den „höchsten“ Regelsatz Bezug genommen wird. Haben Länder von der in § 29 SGB XII eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, regionale Regelsätze festzusetzen und sind diese Regelsätze höher als diejenigen des Bundes, ist dann der regionale Regelsatz als höchster Regelsatz im Sinne von § 115 Abs. 1 ZPO heranzuziehen. Nach § 115 Abs. 1 S. 5 ZPO gibt das BMJV bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Freibeträge der Höhe nach bekannt.

Die Bekanntmachung ist nicht rechtsverbindlich. Sie hat den Zweck der Praxis zu einer schnellen und übersichtlichen Handhabung der Freibeträge verhelfen.

Nach der Anlage zu § 28 SGB XII in Verbindung mit der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2019 (BGBl. 2018 I, S. 1766) ist für die Regelbedarfsstufe 1 für das Jahr 2019 ein Regelsatz von EUR 424,- festgesetzt worden. Das BMJV hat im Rahmen der Prozesskostenhilfebekanntmachung für 2019 vom 19.12.2018 höhere regionale Regelsätze zugrunde gelegt, so etwa für die Regelbedarfs-stufe 1 in Höhe von EUR 446,-. Auf diesen festgestellten höheren regionalen Regelsätzen basierend sind die einzelnen Freibeträge nach § 115 Abs. 1 ZPO berechnet und bekannt gemacht worden.

Erst am 03.01.2019 hat der Landkreis München seine Regelsatzfest-setzungsverordnung im Amtsblatt (Amtsblatt des Landkreises Nr. 1/2019, Nr. 1302) veröffentlicht hat und dort für die Regelbedarfsstufen noch höhere – als die in der Prozesskostenhilfebekanntmachung 2019 zugrunde gelegten –  Regelsätze für 2019 festgelegt.

Hierdurch ist Prozesskostenhilfebekanntmachung für 2019 vom 19.12.2018 seit dem 03.01.2019 unrichtig geworden mit der Folge, dass sie ihrem Zweck einer schnellen und übersichtlichen Handhabung der Freibeträge nicht mehr gerecht werden konnte. Diese nachträgliche Unrichtigkeit ist erst durch die Zweite Prozesskostenhilfebekanntmachung für 2019 vom 21.02.2019 beseitigt worden.

Insofern erscheint das Anliegen, die Gefahr der (nachträglichen) Un-richtigkeit einer Prozesskostenhilfebekanntmachung zu verringern, gerechtfertigt. Ohne eine entsprechende Gesetzesänderung würde eine Prozesskostenhilfebekanntmachung ihren Zweck nicht sicher erfüllen können.

4. Zu § 128 Abs. 3 ZPO-E

Der Deutsche Richterbund unterstützt den Vorschlag. Die Neufassung führt zu einer vereinfachten Erledigung des Verfahrens, z. B. wenn in einem Schlussurteil lediglich noch über Zinsforderungen, Anwalts- oder Inkassokosten zu entscheiden ist.

Der Vorschlag berührt zwar Art. 6 Abs. 1 EMRK. Diese Vorschrift bestimmt, dass jeder das Recht hat, dass Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche in öffentlicher und mündlicher Verhandlung verhandelt werden. Einschränkungen dieses Anspruchs sind aber vertretbar, weil die Entscheidung lediglich Nebenforderungen betrifft.

Voraussetzung dieser Verfahrensweise sollte aber sein, dass die Parteien zuvor hierauf hingewiesen werden.

In diesem Zusammenhang sollte in § 310 Abs. 3 ZPO geregelt werden, dass Urteile nach § 128 Abs. 3 ZPO-E nicht verkündet werden müssen, sondern die Zustellung eines solches Urteils an alle Parteien die Verkündung ersetzt. Ohne eine solche Regelung müsste ein Verkündungstermin bestimmt werden und müssten die Parteien zu diesem Termin geladen werden. Dies erscheint bei einem Urteil über Nebenforderungen entbehrlich.

5. Zu § 139 Abs. 1 ZPO-E

Der Deutsche Richterbund schlägt vor, die geplante Regelung zu überdenken. Es ist schlichtweg überflüssig, § 139 Abs. 1 S. 3 ZPO-E in der Form einer Klarstellung zu erweitern.

Der klarstellende Regelungsgehalt ergibt sich ohnehin schon aus den bisher vorhandenen Regelungen des § 139 ZPO und den sonstigen Befugnissen des Gerichts zur Verfahrensleitung. Ein schlichter gesetzgeberischer Appell schafft keinen Anreiz zu einer neuen Verfahrensgestaltung.

Eine effektive Ausgestaltung der Strukturierung und Abschichtung des Rechtsstreits durch die Gerichte würde im Übrigen allenfalls dann gelingen können, wenn den Gerichten weitergehende Möglichkeiten in der Anwendung von Präklusionsnormen und der Regelungen von Teilurteilen (§ 301 ZPO) zur Seite gestellt werden würden. Die bisherigen, einem Gericht zur Verfügung stehenden Instrumente zur praktischen Durchsetzung einer Strukturierungsanordnung genügen jedenfalls nicht.

6. Zu § 144 Abs. ZPO-E

Der Deutsche Richterbund bittet, den Regelungsvorschlag zu überdenken. Soweit der Sachverständige nicht zu einer Begutachtung, sondern für eine Beratung des Gerichts hinzugezogen werden soll, fehlen passende Verfahrensvorschriften. Der Verweis in § 144 Abs. 3 ZPO-E auf Beweisvorschriften, insbesondere die §§ 402 ff. ZPO hilft nicht weiter. Den Beweisvorschriften liegt der in der ZPO vorherrschende Beibringungsgrundsatz zugrunde.

§ 144 ZPO enthält indes eine Durchbrechung des Beibringungsgrundsatzes. Insbesondere muss ausdrücklich geregelt werden, wie die Transparenz der Beratungen gewährleistet werden soll und dass Parteien einen Anspruch auf passive oder aktive Teilnahme an den Beratungen zwischen dem Gericht und dem hinzugezogenen Sachverständigen haben.

7. Zu § 278 Abs. 6 ZPO-E

Der Deutsche Richterbund begrüßt den Regelungsvorschlag. In dem derzeit geltenden § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO heißt es: „Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen.“ Nach dem Regelungsvorschlag soll nun ein Vergleich auch dann geschlossen werden können, wenn das Gericht den Vergleichsvorschlag zu Protokoll der mündlichen Verhandlung abgibt bzw. wenn die Parteien einen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung annehmen. Diese Verbesserungen er-scheinen praxisgerecht.

8. Zur Aufhebung von § 320 Abs. 3 ZPO

Der Deutsche Richterbund hat gegen den Vorschlag keine Bedenken. Bisher ist nach § 320 Abs. 3 ZPO über einen Tatbestandsberichtigungsantrag mündlich zu verhandeln, wenn eine Partei dies beantragt. Der Vorschlag drängt den Grundsatz der mündlichen Verhandlung zurück. Die Bedeutung dieser weiteren Einschränkung dürfte aber insgesamt eher gering sein.

9. Zu § 321 Abs. 3 ZPO-E

Der Deutsche Richterbund lehnt den Vorschlag ab. Soweit das Übergehen Kosten oder Nebenforderungen betrifft, befürwortet der Deutsche Richterbund bereits die Änderung des § 128 Abs. 3 ZPO-E, die auch für das Urteilsergänzungsverfahren gelten würde. Insofern ist eine erneute Regelung in § 321 Abs. 3 ZPO-E überflüssig und missverständlich. Außerdem erscheint es widersprüchlich, wenn § 321 Abs. 3 ZPO-E im schriftlichen Urteilsergänzungsverfahren die entsprechende Anwendung von § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO bestimmt wird, während für das schriftliche Urteilsverfahren nach § 128 Abs. 3 ZPO-E die entsprechende Anwendung von § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht ausdrücklich vorgegeben ist.

10. Zu § 522 ZPO-E (Vorschlag des Bundesrats)

Der Bundesrat schlägt die Bereinigung der Aufspaltung der Rechtsmittel gegen verfahrensabschließende Entscheidungen des Berufungsgerichts vor (vgl. 522 Abs. 1 S. 4 und Abs. 3 ZPO). In diesem Zusammenhang ist auf die Entscheidung BGH NJW 2014, 3583 zu verweisen.

Nicht bedacht wird in dem Vorschlag indes, dass dieser in Familien-sachen zu nicht tragbaren Rechtsschutzverkürzungen führen würde und eine Überprüfung von Verwerfungsentscheidungen des Beschwerdegerichts dann nur noch auf eine zugelassene Rechtsbeschwerde stattfinden könnte.

11. Zu § 614 ZPO-E (Vorschlag des Bundesrats)

Der Deutsche Richterbund hält das Anliegen (vgl. BR-Drs. 366/19 (B), S. 8), die Regelung des § 614 ZPO über die Revision gegen Musterfeststellungsurteile zu verbessern, für richtig.

Nach § 614 S. 1 ZPO findet gegen ein Musterfeststellungsurteil die Revision statt. Über diese Entscheidung der BGH (§ 133 GVG). Nach § 614 S. 2 ZPO hat die Sache stets grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (gemeint ist § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Vorschrift des § 614 S. 2 ZPO ist „verunglückt“. Unklar erscheint nämlich, ob das Oberlandesgericht befugt und verpflichtet ist, die Revision zuzulassen. Nach § 543 Abs. 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn sie das Berufungsgericht oder das Revisionsgericht auf die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) zugelassen hat. Für eine Zulassung der Revision muss nach § 543 As. 2 S. 1 ZPO ein Zulassungsgrund vorliegen, die Sache muss also grundsätzliche Bedeutung haben (Nr. 1) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (Nr. 2). An die Zulassung durch das Berufungsgericht ist das Revisionsgericht gebunden (§ 543 Abs. 2 S. 2 ZPO). Nun dürfte anzunehmen sein, dass der Gesetzgeber mit § 614 ZPO den Regelungszweck verfolgte, dass die Revision gegen ein Musterfeststellungsurteil stets statthaft und nicht von einer Prüfung von Zulassungsgründen abhängen sollte. Seinem Wortlaut nach legt § 614 S. 2 ZPO aber nur das Vorliegen eines Zulassungsgrundes (grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) fest. Jedoch wird mit dieser gesetzlichen Maßgabe das Erfordernis einer Entscheidung über die Zulassung der Revision aus § 543 Abs. 1 ZPO noch nicht entbehrlich. Insofern normiert § 614 S. 2 ZPO seinem Wortlaut nach keine Zulassungsfiktion. Eine ausdrückliche Zulassung erscheint zwingend, wenn auch für die Zulassung überhaupt kein Entscheidungsspielraum besteht. Wird die Revision nicht zugelassen, besteht die Möglichkeit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde, die allerdings nur bei einem Wert von mehr als EUR 20.000,- gegeben ist (vgl. § 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO).

Zu bemerken ist allerdings, dass § 543 Abs. 1 ZPO nicht ausdrücklich die Zulassung durch das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug eröffnet und dass § 543 Abs. 2 S. 2 ZPO auch nicht eine Bindung des Revisionsgerichts an eine Zulassung durch das Oberlandesgericht bestimmt. Aus der Benennung der Revision als Rechtsmittel gegen Musterfeststellungsurteile in § 614 S. 1 ZPO lässt sich aber wohl folgern, dass mit dem Begriff der Revision auf die §§ 542 ff. ZPO verwiesen wird und diese Regelungen mit der verfahrensrechtlichen Besonderheit eines vom Oberlandesgerichts in erster Instanz erlassenen Musterfeststellungsurteils entsprechend anzuwenden sind.

Entsprechende Klarstellungen sollten deshalb in § 614 und § 543 ZPO erfolgen.

12. Zu §§ 695, 697 Abs. 2 ZPO-E

Aus Sicht des Deutschen Richterbundes kann die vorgeschlagene Regelung eine klarstellende und verfahrensvereinfachende Wirkung haben. Die gerichtliche Praxis hat die Fallkonstellation, dass die Klage hinter dem Mahnantrag zurückbleibt, in den Griff bekommen, indem das Gericht das Zurückbleiben des Klageantrags gegenüber dem Mahnantrag aufklärt und diesbezüglich eine Anordnung (Hergabe einer Klagerücknahmeerklärung) oder einen Hinweis (Auslegung als Klagerücknahme) erteilt.

Eine eindeutige Regelung stellt aber einen zusätzlichen Anreiz dar, den Antrag in der Klagebegründung genau zu überdenken. Sodann argumentiert der Richter aus einer stärkeren Position heraus. Er muss die Partei nicht zu einer Erklärung bewegen, sondern kann auf eine Fiktion zurückgreifen.

13. Zu § 718 Abs. 1 ZPO-E

Der Deutsche Richterbund hat gegen den Vorschlag keine Bedenken. Bisher ist nach § 718 Abs. 1 ZPO über einen Antrag über Vorabentscheidung stets mündlich zu verhandeln. Der Vorschlag drängt den Grundsatz der mündlichen Verhandlung zurück. Die Bedeutung dieser weiteren Einschränkung dürfte aber insgesamt eher gering sein.

 

V. Einzelne Vorschläge des Deutschen Richterbundes

1. Anordnung des persönlichen Erscheinens

Schwierigkeiten bereitet die umfassende Erledigung des Rechtsstreits in einem Termin, wenn Parteien der Anordnung zum persönlichen Erscheinen (§ 141 ZPO) – sei es zur Aufklärung des Sachverhalts, sei es für einen Güteversuch – nicht Folge leisten. Solche Fälle treten gehäuft auf, wenn gesetzliche Vertreter juristischer Personen nicht erscheinen. Eine Aufklärung des Sachverhalts oder ein Güteversuch – dies zeigt ohne weiteres die Erfahrung in den Gerichten – gelingen aber nun eher, wenn die Parteien auch tatsächlich anwesend sind. Reicht allein die Anordnung des persönlichen Erscheinens durch das Gericht noch nicht aus, sollten die Parteien durch weitergehende Möglichkeiten einer Ordnungsgeldfestsetzung dazu angehalten wer-den, zu dem Verhandlungstermin auch tatsächlich zu erscheinen. Dies gilt auch, wenn das persönliche Erscheinen allein dem Güteversuch dienen soll. Dem in der ZPO mehrfach niedergelegten Interesse an einer gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten sollte auch in diesem Bereich der entsprechende Nachdruck verliehen werden.

2. Präklusionsnormen

Nach § 272 Abs. 1 ZPO ist der Rechtsstreit in der Regel in einem umfassend vorbereiteten Termin zu erledigen. Den Gerichten stehen zur Durchsetzung dieser Regelung keine ausreichenden Handlungsmittel zur Verfügung. Werden etwa Schriftsätze erst wenige Tage vor dem anberaumten Verhandlungstermin eingereicht, konterkariert dies eine sachgerechte Vorbereitung des Gerichts auf den Verhandlungstermin. Hinzu kommt, dass das Gericht dem Anspruch des Prozessgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs genügen muss. Die derzeitigen Verspätungsvorschriften (z.B. §§ 296, 282 ZPO) schaffen oftmals keine Abhilfe. An die Zurückweisung von Vortrag als verspätet sind derart strenge Anforderungen geknüpft, dass deren Einhaltung in der gerichtlichen Praxis sehr schwierig ist. Insofern besteht ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf, die Verspätungsvorschriften so auszugestalten, dass sie für die Gerichte praktisch handhabbar sind, ohne aber vor allem den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör verfassungswidrig einzuschränken.

3. Rechtsbeschwerde gegen Zwischenurteile

Eine Rechtsschutzlücke, auf die der BGH (BeckRS 2018, 18950) hingewiesen hat, sollte geschlossen werden. Nach dessen Auffassung können Zwischenurteile nicht mit der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO angefochten werden. § 574 Abs. 1 ZPO führe nur Beschlüsse auf, nicht aber Zwischenurteile. Obwohl also beispielsweise nach § 387 Abs. 3 ZPO bei einem Zwischenstreit über ein Zeugnisverweigerungsrecht gegen das Zwischenurteil die sofortige Beschwerde stattfindet, soll sich auch aus dem Zusammenspiel dieser Regelungen keine Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergeben. Die unterschiedliche Behandlung der Anfechtbarkeit von Beschlüssen und Zwischenurteilen mit der Rechtsbeschwerde sollte bereinigt werden.

4. Abschaffung der Kostenfreiheit für öffentliche Stellen

Der Deutsche Richterbund schlägt vor, die Kostenfreiheit für öffentliche Stellen abzuschaffen. Hilfsweise wird vorgeschlagen, die Auslagenfreiheit abzuschaffen. Nach der jetzigen Rechtslage ist die Kostenfreiheit für den Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen vorgesehen. Diese Rechtslage beruht darauf, dass die Träger der Justizhoheit auch die mit dem Aufwand für die Errichtung und Unterhaltung der Gerichtsorganisation verbundenen Kosten tragen sollen (vgl. BGH Rechtspfleger 1982, 81). Diese Vorstellung führt jedoch zu einer einseitigen Benachteiligung der Justiz. Aus der ökonomischen Erkenntnis heraus, dass Kostenfreiheit zu einer Verschleierung der Verantwortung für entstehende Kosten führt, muss die Justiz nämlich ihrerseits vermehrt für staatliche Leistungen zahlen. So muss sie beispielsweise in einigen Bundesländern an staatliche Liegenschaftsbehörden für die Gebäude der Gerichte und Staatsanwaltschaften Miete zahlen, Ingenieurleistungen bezahlen oder Gebühren für Rechenzentren, in denen ihre Daten vorgehalten werden, entrichten. Diese Beispiele ließen sich beliebig erweitern. Auch dies hat zu einer deutlichen Verschlechterung ihres Kostendeckungsgrads und damit zu einem vermehrten Sparzwang geführt. Allein die von der Justiz zu entrichtenden Mieten liegen bei rd. 10 % ihres Gesamtetats.

Es kann nicht richtig sein, dass die Justiz für staatliche Dienstleistungen vermehrt zu zahlen hat, ihrerseits jedoch aufgrund der Kostenfreiheit die von ihr erbrachten Leistungen nicht in Rechnung stellen kann.

Der Gesetzgeber sollte deshalb entweder die Kostenfreiheit abschaffen oder aber die Justiz ihrerseits von solchen Zahlungsverpflichtungen befreien.

5. Zuständigkeit für Entscheidungen nach § 8a JVEG

Der Deutsche Richterbund schlägt vor, gesetzgeberisch oder durch Verwaltungsvorschriften die Zuständigkeit innerhalb des Gerichts zwischen Kostenbeamten und Richter in Bezug auf § 8a JVEG zu ändern.

Für die Prüfung und Anweisung bei formlosen Vergütungsrechnungen nach dem JVEG (z. B. Rechnung eines Sachverständigen) ist der Kostenbeamte allein zuständig. Diese Zuständigkeit ergibt sich üblicherweise aus Verwaltungsvorschriften der einzelnen Bundesländer. Die Auffassung, dass die originäre Zuständigkeit für die Bearbeitung einer Vergütungsrechnung (JVEG) bei dem Kostenbeamten besteht, wird zum Beispiel vom BGH (NJW 1969, 556) und dem OLG München (NJW-RR 1997, 768) ausdrücklich geteilt.

Ist der Kostenbeamte allein für die Bestätigung der sachlichen Richtigkeit einer Vergütungsrechnung verantwortlich, so erstreckt sich seine Verantwortlichkeit auf die Prüfung aller Voraussetzungen für eine Vergütung. Dies bedeutet auch, dass der Kostenbeamte zu prüfen hat, ob die Vergütung nach § 8a JVEG wegfällt oder zu be-schränken ist. So erhält der Berechtigte nach § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG die Vergütung nur insoweit, als seine Leistung verwertbar ist, wenn er eine mangelhafte Leistung erbracht hat. Soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt, gilt sie als verwertbar (§ 8a Abs. 2 S. 2 JVEG).

Nach Auffassung des Deutschen Richterbundes ist es indes einem Kostenbeamten nicht zuzumuten, ein Sachverständigengutachten auf seine Verwertbarkeit bzw. Mangelfreiheit zu überprüfen. Der Kostenbeamte muss aber bei der Auszahlung die sachliche Richtigkeit der Vergütungsrechnung bestätigen. Dieser Pflicht ist er auch nicht dadurch enthoben, dass auf der Grundlage des § 8a JEVG die Möglichkeit besteht, eine ausgezahlte Vergütung zurückzuverlangen.

Die Erwägung, dass der Kostenbeamte nach Eingang des Gutachtens und der fälligen Vergütungsrechnung eine Einschätzung des zuständigen Richters über die Verwertbarkeit und Mangelfreiheit des Gutachtens erfragen könne, greift nicht durch. Denn schon mit Blick auf die Gefahr eines Ablehnungsgesuchs wird mit einer Stellungnahme des Richters nicht vor Erlass eines an die Parteien gerichteten Hinweisbeschlusses oder Urteils zu rechnen sein. Aufgrund der Fälligkeit der Vergütungsrechnung wird der Kostenbeamte mit der Auszahlung nicht bis zum Erlass einer solchen Entscheidung warten können.

Der Deutsche Richterbund schlägt vor, dass § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG nur bei einem Antrag der Staatskasse auf Rückfestsetzung einer ausbezahlten Vergütung zu prüfen ist. Dieser Vorschlag beruht darauf, dass der bei Einführung des § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG in Bezug genommenen Rechtsprechung ebenfalls jeweils ein entsprechender Antrag der Staatskasse vorausging.