Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf des BMJ für ein Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von gewaltbetroffenen Personen im familiengerichtlichen Verfahren, zur Stärkung des Verfahrensbeistands und zur Anpassung sonstiger Verfahrensvorschriften
A. Tenor der Stellungnahme
Der DRB begrüßt angesichts der ins Stocken geratenen Unterhalts-, Abstammungs- und Kindschaftsrechtsreformen das Vorhaben, zumindest punktuelle Änderungen im Familien- und Nachlassrecht vorzunehmen.
Vor dem Hintergrund der Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention, den Schutz von gewaltbetroffenen Personen zu verbessern, ist die Einführung eines Wahlgerichtsstands sicherlich sinnvoll und richtig – eine kleine Änderung, die im Einzelfall sogar Leben retten kann. Zu überlegen ist daher, ob man ihn nicht auch für Ehesachen einführt. Sicherlich ist auch die Konkretisierung der Amtsermittlungspflicht in Fällen von Partnerschaftsgewalt dem Grunde nach zu begrüßen. Ohne Ermittlungsgehilfen oder eine erheblich bessere Ausstattung der Familiengerichte wird diese aber die damit verbundenen Erwartungen wahrscheinlich nicht erfüllen können. Sehr hilfreich wäre, die geplanten Anforderungen an einen Gewaltschutzantrag noch weiter auszubauen und mit den zur Gefährdungseinschätzung bei der Polizei verwendeten Kriterienkatalogen abzustimmen. In diesem Zusammenhang könnte auch abgefragt werden, ob getrennte Anhörungen der Beteiligten erwünscht sind.
Die Einbindung des Jugendamtes in allen Gewaltschutzverfahren und nicht nur in solchen, in denen eine Wohnungszuweisung beantragt wird, ist sinnvoll und richtig und sollte deshalb gesetzestechnisch deutlicher sichtbar erfolgen.
Die Ausweitung der Beschwerdemöglichkeit auf einstweilige Anordnungen nach mündlicher Verhandlung über den kompletten Ausschluss des Umgangs ist stimmig mit anderen Wertungen des Gesetzgebers, die entsprechend sprachlich angepasst werden sollten. Sie wird zu einer Belastung der Beschwerdegerichte führen, die aber umgekehrt zu Recht von unnötig verfahrensverlängernden Wiederholungen von Verfahrenshandlungen entastet werden, wenn die Beschwerde ohnehin aussichtlos erscheint.
Die Anpassung und Umstrukturierung der Pauschalen für die in Kindschaftssachen wichtigen Verfahrensbeistände ist zu begrüßen; ebenso die Klarstellung, welche Kosten von den Pauschalen umfasst sind, und dass Dolmetscherkosten zusätzlich genehmigt werden können, wobei die Übernahme – nicht notwendig durch einen Beschluss – nur angeordnet werden sollte, falls der Verfahrensbeistand die Leistungen im Einzelfall für notwendig erachtet. Die Einführung einer Pflicht der Eltern, ein Gespräch zwischen ihren Kindern und dem Verfahrensbeistand zu ermöglichen, ist sinnvoll, um eine effektive Arbeit der Verfahrensbeistände zu gewährleisten.
Die Änderungen im Versorgungsausgleich ermöglichen eine seit langem diskutierte Korrektur, wenn Anrechte beim Ausgleich bei der Scheidung vergessen wurden. Einer Rückwirkung bedarf es dafür nicht – offen ist lediglich noch, inwieweit erfolgte Kapitalauszahlungen einbezogen werden sollen.
Bei den weiteren Gesetzesvorhaben im Familienrecht gibt es nach Einschätzung des Deutschen Richterbundes weitere Teilbereiche, hinsichtlich derer auch nach Einschätzung der übrigen Fachwelt dringender Reformbedarf herrscht. Das vorliegende Änderungsgesetz könnte daher um folgende Regelungen ergänzt werden:
- Kompetenz beider (verheirateten) Elternteile, Unterhaltsansprüche gemeinsamer Kinder geltend zu machen, wenn die Kinder paritätisch betreut werden (§ 1629 BGB),
- Bedarfsorientierung im Kindesunterhalt am Einkommen beider Elternteile (§ 1610 BGB),
- Haftung der Eltern für den Kindesunterhalt auch entsprechend der Betreuungsanteile (§ 1606 Abs. 3 BGB),
- Änderung der §§ 1591 ff. BGB dahingehend, dass die Ehefrau der Mutter i. S. d. § 1591 BGB der andere Elternteil des Kindes ist.
- kein genereller Ausschluss des Anfechtungsrechts des leiblichen Vaters, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zum rechtlichen Vater besteht (§ 1600 2 Alt. 1 entsprechend BVerfG B. v. 09.04.2024 – 1 BvR 2017/21),
- Ausweitung des § 1599 Abs. 2 BGB auf den Zeitraum vor Anhängigkeit der Scheidung,
- Erleichterung der Voraussetzungen für die Einrichtung einer Umgangspflegschaft (§ 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB).
B. Bewertung im Einzelnen
I. Verbesserung des Schutzes von gewaltbetroffenen Personen
Hilfreich ist die Gesetzesbegründung zur Klärung der Begrifflichkeiten im Bereich der Gewalt im häuslichen Umfeld. Die Definition von Paargewalt unter dem Oberbegriff der häuslichen Gewalt ist stimmig; zu Recht wird schon aus systematischen Gründen auf den Gewaltbegriff des GewSchG zurückgegriffen.
1. Die Einführung von Wahlgerichtsständen für Personen, zwischen denen ein Gewaltschutzverfahren anhängig ist oder zwischen denen eine Gewaltschutzanordnung besteht, wird seit langem zu Recht gefordert. Es mag nur einen relativ kleinen Personenkreis betreffen, für den es relevant ist, ob mit der Preisgabe des Gerichtsbezirkes, in dem sich die geschädigte Person oder deren Kinder befinden, die Gefahr eines Übergriffs erhöht wird. Sind die Betroffenen z. B. vorübergehend in ein Frauenhaus geflüchtet, wird der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes dort in der Regel gar nicht begründet (OLG Hamburg, B. v. 11.10.2023 – 2 AR 9/23). Nichtsdestotrotz ist es für den Personenkreis, der einen gewöhnlichen Aufenthalt zur Sicherheit in einem anderen Bezirk begründet, mitunter lebenswichtig, den aktuellen Aufenthaltsort geheimhalten zu können.
Für die Zuständigkeitsprüfung braucht es in der Tat ein möglichst eindeutiges Kriterium, das der Entwurf überzeugend an das Gewaltschutzverfahren oder die Gewaltschutzanordnung zwischen den Beteiligten anknüpft. Die damit verbundene wahrscheinliche Konzentration der Familiensachen an demselben Familiengericht ist auch vor dem Hintergrund sinnvoll, dass auch dasselbe Jugendamt zuständig bleiben sollte, das die Familie ggf. auch bisher begleitet hat und dementsprechend über mehr Sachkenntnis verfügen dürfte. Zu prüfen wäre daher auch, ob es insoweit einer Anpassung des § 87b i. V. m. § 86 SGB VIII bedarf. Die geplante zwingende Ausgestaltung der Zuständigkeitskonzentration bei einer Abteilung des Familiengerichts im Rahmen des § 23b Abs. 2 S. 1 GVG-E gibt Anlass zu der Bemerkung, dass diese eher versteckte Änderung den Präsidien der Amtsgerichte ggf. gesondert mitgeteilt werden sollte.
Der Wahlgerichtsstand soll zutreffend für Kindschaftssachen (§ 152 FamFG-E), Verfahren wegen Kindesunterhalt (§ 232 FamFG-E) und Abstammungssachen (§ 170 FamFG-E) eingerichtet werden. Zu bedenken ist aber, dass auch der Scheidungsantrag an dem Gericht zu stellen ist, an dem alle (gemeinsamen minderjährigen) Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 122 Nr. 1 FamFG). Oftmals wird sich die Gefährdungslage nach dem Trennungsjahr entspannt haben. Es wird aber – insbesondere bei Härtefallscheidungsanträgen vor Ablauf des Trennungsjahres – auch Konstellationen geben, in denen der Schutz der geschädigten Person eine Geheimhaltung des Aufenthaltsortes auch zum Zeitpunkt des Scheidungsantrages gebietet, zumal die Scheidungssache dann auch die anderen Folgesachen in den Verbund „zieht“.
Der beabsichtigte zusätzliche Wahlgerichtsstand für Gewaltschutzsachen am gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers (§ 211 FamFG-E) scheint indessen nicht mit den bisher dargelegten Überlegungen zu harmonieren. Denn damit wird gerade die Möglichkeit eröffnet, dass ein Gericht für die Gewaltschutzsache und in der Folge nach Wahl auch für die Kindschaftssache (§ 152 FamFG-E) zuständig wird, das bisher nicht zuständig war. Dieses Gericht müsste zudem mit einem Jugendamt zusammenarbeiten, das die Familie bisher mit höherer Wahrscheinlichkeit noch nicht kennt. Schließlich muss die antragstellende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt preisgeben. Ihr wird ohne die Neuregelung allerdings ggf. zugemutet, zum entfernten Gericht zu reisen, was im Hinblick auf den Informationsvorsprung von Jugendamt, Polizei und Gericht am bisherigen Aufenthaltsort hinnehmbar erscheint, wenngleich die Entwurfsbegründung ebenfalls gute Argumente für die Einführung nennt (S. 47 f.).
2. Bedenklich erscheint die Regelung des § 156a FamFG-E. Einerseits umfasst die Amtsermittlungspflicht bereits derzeit, bei Anhaltspunkten für Partnerschaftsgewalt die – oftmals gegenseitigen – Vorwürfe aufzuklären und den Schutzbedarf der Beteiligten zu berücksichtigen. Dies im Hinblick auf die Istanbul-Konvention sichtbar zu machen, erscheint verständlich. Die Entwurfsbegründung spricht daher zu Recht von einem klarstellenden Charakter (S. 37).
Im Hinblick auf die Umstände, die laut Entwurfsbegründung zu erwägen sein sollen,
- (Dauer und Intensität der gewalttätigen Konflikte, die Wiederholungsgefahr, die Gewaltbetroffenheit des Kindes durch eigenes Gewalterleben und durch das Miterleben von häuslicher Gewalt, die zu erwartenden Auswirkungen des Umgangs auf das Kind und den gewaltbetroffenen Elternteil und die Möglichkeiten, den gewaltbetroffenen Elternteil bei der Ausübung des Rechts auf Umgang oder der Ausübung der (gemeinsamen) Sorge vor physischen Risiken und psychischen Belastungen zu schützen.)
stellt sich für die Praxis die Frage, wie diese Erkenntnisse durch das Familiengericht effizient erlangt werden sollen. Das Jugendamt oder der Verfahrensbeistand sind keine Ermittlungsgehilfen des Familiengerichts und weitgehend auf die Kooperation der Elternteile angewiesen. Das Familiengericht kann Bundeszentralregisterauszüge erheben, Vorakten, Strafakten oder Betreuungsakten beiziehen, aber nicht mit den Befugnissen der Strafverfolgungsbehörden ermitteln. Das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) sieht Übermittlungen von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdungen an das Jugendamt vor, nicht aber unmittelbar an das Gericht. Das Familiengericht ist deshalb auf Schweigepflichtentbindungen und den Kooperationswillen der Geheimnisträger angewiesen. Kinder sind – absolut zu Recht – nicht als Zeugen zu vernehmen (§ 163a FamFG). Die Aufklärung durch die Befragung des Umfeldes oder Augenscheinstermine würden Ressourcen erfordern, die die Familiengerichte derzeit keinesfalls haben. Wenn nicht regelhaft Sachverständigengutachten eingeholt werden sollen, ist das Gericht also maßgeblich auf den Vortrag der Beteiligten angewiesen. In den wenigsten Kindschaftsverfahren, in denen der Vorwurf erhoben wird, ein Elternteil sei gegenüber dem anderen gewalttätig gewesen, sind die behauptete Tatsache als solche, mindestens aber Ausmaß und Häufigkeit der Gewaltausübung zwischen den Beteiligten „unstreitig“ (Meysen, SOCLES, Kindschaftssachen nach häuslicher Gewalt, S. 117).
Den Wahrheitsgehalt zu beurteilen, wird aber noch schwerer fallen, wenn die Beteiligten künftig getrennt angehört werden sollen. Die Aussagen der Elternteile anhand von Realkriterien zu überprüfen (Meysen, aaO S. 119), ist sicherlich der richtige Weg, der im Strafrecht zu verlässlichen Ergebnissen führen kann – für das Familiengericht wird das ohne Ermittlungsgehilfen kaum leistbar sein. Zutreffend spricht die Entwurfsbegründung daher davon, dass die verstärkten Anforderungen an die Amtsermittlung die Verfahrensdauer erheblich verlängern werden und insoweit in Konflikt mit dem Beschleunigungsgrundsatz (§ 155 FamFG) geraten. Aus den Gründen ist aber nicht zu entnehmen, wie die Familiengerichte die Amtsermittlung effektiv gestalten können, wenn sie keine Ermittlungsgehilfen erhalten oder nicht massiv personell verstärkt werden.
Hinsichtlich der geplanten Ausnahme (§ 156a Abs. 2 FamFG-E), vom Gebot des § 156 FamFG abweichend auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken, weist die Begründung zutreffend darauf hin, dass die Gefahr besteht, dass über Vereinbarungen und Verhandlungen die Gewalt- und Machtstrukturen fortgesetzt werden können. Es gilt aber auch zu bedenken, dass „echte“ einvernehmliche Lösungen die Kinder am meisten entlasten und die Beteiligten am effektivsten schützen. Denn Gewaltschutzanordnungen und Umgangsbeschränkungen bieten keine Gewähr, dass sie auch eingehalten werden – Vollstreckungsmöglichkeiten beeindrucken häufig wenig. Es würde deshalb ausreichen, das Gericht von der Pflicht des § 156 Abs. 1 S. 1 FamFG zu entbinden, und ihm nicht umgekehrt vorzugeben, nicht auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken. Das ist vom Entwurf vielleicht auch beabsichtigt, weil die Begründung auf § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG Bezug nimmt, der vorsieht, dass – mit Ausnahme von Gewaltschutzsachen – auf eine gütliche Einigung hingewirkt werden soll. Dem Entwurfstext ist aber in Hinblick auf die weitere Begründung, die von Einvernehmen nur noch im Ausnahmefall spricht, eher zu entnehmen, dass nicht nur keine Pflicht zu Vergleichsbemühungen bestehen soll, sondern auch entsprechende Bemühungen gar nicht unternommen werden sollen.
Unproblematisch erscheint hingegen, dass das Gericht davon absehen soll, die Beteiligten zu gemeinsamenBeratungs- oder Informationsgesprächen zu verpflichten. Zum einen beruhen solche Beratungen oder Informationen über Mediation oder andere außergerichtliche Möglichkeiten der Konfliktbeilegung in der Praxis meist ohnehin nicht auf einer förmlichen Verpflichtung i. S. d. § 156 Abs. 1 Sätze 3 und 4 FamFG, sondern auf einer Vereinbarung der Beteiligten. Zum anderen achten Beratungsstellen insbesondere bei Gewaltvorwürfen auf Ungleichgewichte in der Beratung, und in der Mediation ist die Freiwilligkeit ohnehin ein Grundprinzip. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang aber die Möglichkeit, die Beteiligten einzeln – insbesondere die mutmaßlich schädigende Person – verpflichten zu können, an einer (nicht mit dem Partner gemeinsamen) Beratung teilzunehmen und dafür auch die Kosten tragen zu müssen. Denn bisher ist eine solche Verpflichtung nicht durchsetzbar (§ 156 Abs. 1 S. 5 FamFG). Das würde indes voraussetzen, dass es ein flächendeckendes Angebot für Antiaggressions- oder Antigewalttrainings gibt. Faktisch sehen sich Gewalttäter zudem daran gehindert, Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen, weil sie eine strafrechtliche Verfolgung befürchten, wenn sie die Gewaltvorwürfe einräumen. Ein Verwertungsverbot im Strafverfahren könnte hier die Bereitschaft erhöhen.
Eine getrennte Anhörung der Beteiligten ist – wie der Entwurf zutreffend betont – bereits de lege lata möglich (§ 33 Abs. 1 Satz 2 FamFG). In der Praxis wird dies jedoch kaum angeregt und das Gericht kann ohne entsprechenden Vortrag schwer einschätzen, ob es erforderlich ist. Im Hinblick auf die besseren Möglichkeiten, die Wahrhaftigkeit der Aussagen zu bewerten (s. o.), und eine einvernehmliche Lösung zu erzielen, sollte die geschädigte Person ggf. mit ihrem Verfahrensbevollmächtigten besprechen, welche Verfahrensweise sie anregt. Damit dieser Punkt aber nicht übersehen wird, erscheint eine Regelung sinnvoller, die den Beteiligten in Fällen, in denen ein Gewaltschutzverfahren zwischen den Beteiligten anhängig ist oder eine Gewaltschutzverfügung zwischen ihnen besteht, vorgibt, sich bei der Antragstellung oder -erwiderung dazu zu äußern, ob sie eine separate Anhörung wünschen. Zu beachten ist im Übrigen, dass es durch die geplante Sollvorschrift hinsichtlich getrennter Anhörungen zu deutlich mehr Terminen kommen wird, die Kapazitäten am Familiengericht binden, auch wenn dies im Einzelfall nicht erforderlich und sogar von den Beteiligten gar nicht gewünscht ist.
Lässt man schließlich im Rahmen des § 156a Abs. 2 FamFG-E dafür, dass es zu Partnerschaftsgewalt gekommen ist, Anhaltspunkte ausreichen, würde das bedeuten, dass der Elternteil, der Gewalt behauptet, faktisch darüber entscheiden könnte, wie das Gericht das Kindschaftsverfahren gestaltet. Es bietet sich daher im Rahmen des § 156a Abs. 2 FamFG-E jedenfalls an, im Einklang mit § 152 Abs. 2 Nr. 2 FamFG-E vorauszusetzen, dass ein Gewaltschutzverfahren zwischen den Beteiligten anhängig ist oder eine Gewaltschutzverfügung zwischen ihnen besteht.
3. Die Stärkung des Informationsflusses ist zu begrüßen. Gerade in Gewaltschutzsachen müssen viele verschiedene Institutionen Hand in Hand zusammenarbeiten, sodass dem gegenseitigen Austausch eine besondere Bedeutung zukommt. Ausgangspunkt ist dabei stets der Vortrag der antragstellenden Person.
Die Einführung eines § 211a FamFG-E ist daher sinnvoll und richtig. Im Rahmen des § 211a Abs. 1 Nr. 3 FamFG-E könnte auch aufgegeben werden mitzuteilen, ob und weshalb eine getrennte Anhörung gewünscht wird. Im Hinblick auf die dargelegten Schwierigkeiten, der Amtsermittlungspflicht nachzukommen (s. o.), könnte dem Antragsteller in seinem Interesse, im Interesse des Kindeswohls und im Interesse der beteiligten Professionen (Eigenschutz) aufgegeben werden, zu Dauer und Intensität der gewalttätigen Konflikte, früherer Gewalt, Gewalt während einer etwaigen Schwangerschaft, der Wiederholungsgefahr, der Gewaltbetroffenheit etwaiger Kinder, einer etwaigen Bewaffnung des Antragsgegners, erfolgten polizeilichen Maßnahmen (sog. Platzverweis), Miet- und Eigentumsverhältnissen an der bisher gemeinsamen Wohnung (bei Anträgen gemäß § 2 GewSchG), erfolgten Untersuchungen (z. B. in einer Gewaltambulanz mit Schweigepflichtsentbindung) usw. vorzutragen. Die konkreten Inhalte könnten mit den Beurteilungsbögen der Polizeien (z. B. Ontario Domestic Assault Risk Assessment – ODARA) abgestimmt werden, um eine schnelle und möglichst verlässliche Einschätzung des Gefährdungspotentials vornehmen zu können. Im Hinblick auf die häufig auftretenden Probleme bei der Zustellung (s. u.) wären Informationen zum Aufenthaltsort des Antragsgegners und dessen Erreichbarkeit zudem von besonderer Wichtigkeit. Der Katalog des § 211a FamFG-E könnte somit zugleich als Vorlage für Beratungsstellen sowie die Rechtsantragsstelle bei Gericht dienen, um anhand dieser „Checkliste“ keine wesentlichen Informationen zu vergessen.
Die in § 211a Abs. 3 FamFG-E vorgesehene Übermittlung des Antrags insbesondere an die Polizei und das Jugendamt ist für einige Bundesländer bereits über Nr. XI der Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi) vorgesehen. Eine einheitliche gesetzliche Regelung ist aber auf jeden Fall vorzuziehen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass je nach Polizei- oder Ordnungsbehördengesetz der Länder die Ortspolizeibehörde, die eine vorübergehende Wegweisung oder Wohnungszuweisung bewirken kann, und die Schutzpolizei, die für Akutmaßnahmen zuständig ist oder die Zustellung bewirken kann, auseinanderfallen können. Deshalb empfiehlt sich eher eine Formulierung im Plural oder in der Art, dass die Mitteilung an die Polizeibehörde und/oder die Polizeidienststelle erfolgen soll.
Die Einbindung des Jugendamtes in allen Fällen häuslicher Gewalt, in denen Kinder betroffen sind, ist sicherlich sinnvoll, zumal das Jugendamt, auch ohne Ermittlungsgehilfe des Gerichts zu sein, regelmäßig die bedeutendste Erkenntnisquelle für die Amtsermittlung des Familiengerichts darstellt. Der Entwurf sieht die Einbindung über die Möglichkeit einer Beteiligung auch in Verfahren gemäß § 1 GewSchG über § 212 FamFG-E i. V. m. § 7 FamFG systematisch richtig vor. Wenn das Jugendamt auf seinen Antrag zu beteiligen ist, ist es über dieses Recht und damit auch über den Antrag zu informieren. Für die Praxis effektiver scheint aber eine Änderung des § 213 FamFG zu sein. Denn das Jugendamt macht von seinem Beteiligungsrecht in der Praxis faktisch keinen Gebrauch. Das ist zwar unschädlich für die Informationspflicht und die Beschwerderechte, effektiver wäre gleichwohl die Klarstellung in § 213 FamFG, dass die Anhörung des Jugendamtes nicht lediglich in Verfahren gemäß § 2 GewSchG erfolgen soll, sondern auch in solchen gemäß § 1 GewSchG, wenn Kinder im Haushalt leben. Lässt man den § 213 FamFG unverändert, wäre das ein falsches oder zumindest missverständliches Signal. Die Einbindung des Jugendamtes sollte vielmehr klar ersichtlich im § 213 FamFG erfolgen, statt über den „Umweg“ des § 212 FamFG i. V. m. § 7 FamFG. Dies hätte auch den Vorteil, dass die Anhörung des Jugendamtes in der automatisierten Verfahrensverwaltung leicht eingepflegt werden könnte.
Die geplante Erweiterung der Zustellungsmöglichkeiten im § 214 FamFG E ist sinnvoll, praxisnah und daher uneingeschränkt zu begrüßen.
Die Vorschrift des § 214a FamFG-E erscheint angesichts der Begründung missglückt. Die persönliche Anhörung der antragstellenden Person vor der Bestätigung eines Vergleichs ist in der Praxis ohnehin üblich, da eine vergleichsweise Regelung in Gewaltschutzsachen meist am Ende einer gemeinsamen Verhandlung steht; Vereinbarungen im schriftlichen Verfahren dürften in der Praxis selten sein. Der Entwurfsbegründung scheint es auch – überzeugend – eher darauf anzukommen, dass diese Anhörung in Abwesenheit des Antragsgegners stattfinden soll, damit sichergestellt wird, dass die Einigung nicht übereilt und tatsächlich aus freien Stücken erfolgt. Das sollte aber nicht nur für solche Vergleiche gelten, die familiengerichtlich bestätigt werden, sondern auch für solche, die unbestätigt bleiben und daher nicht strafbewehrt, sondern „nur“ zivilrechtlich vollstreckbar sind. Es könnte sich daher anbieten, die für die Kindschaftsverfahren vorgesehene Sollvorschrift zur getrennten Anhörung nicht dort, sondern eher in den Vorschriften für die Gewaltschutzverfahren z. B. dergestalt zu verorten, dass das Gericht in Fällen von Partnerschaftsgewalt die Beteiligten – insbesondere vor einer vergleichsweisen Regelung – getrennt anhören soll.
Hinsichtlich der Neufassung des § 164 FamFG-E gibt die Begründung Anlass zu der Bemerkung, dass sich die Begründungspflicht einer Entscheidung durch Beschluss bereits aus § 38 Abs. 3 S. 1 FamFG ergibt. Daraus, dass § 164 Abs. 1 S. 1 FamFG-E dies wiederholt, dabei aber den Begriff der Entscheidung verwendet, könnte man auf einen Willen des Gesetzgebers schließen, eine weitergehende Begründungspflicht einzuführen, was aber wohl nicht die Intention des Entwurfs sein dürfte.
II. Beschwerdeverfahren
Die Ausweitung der Beschwerdemöglichkeit auf Umgangsverfahren, in denen der Umgang vollständig und nicht nur vorübergehend ausgeschlossen wurde oder werden sollte, wird die Beschwerdegerichte zusätzlich belasten. Im Hinblick auf den erheblichen Grundrechtseingriff bei einer Anordnung oder Versagung des Umgangsausschlusses erscheint dies im Vergleich zum bisherigen Katalog des § 57 FamFG stimmig. Zu Recht und mit überzeugenden praxisnahen Beispielen wird die Beschwerdemöglichkeit auf den vollständigen und nicht nur vorübergehenden Ausschluss beschränkt. Im systematischen Vergleich zu § 68 Abs. 2 Nr. 5 FamFG wird zum einen deutlich, dass die besondere Grundrechtsrelevanz solcher Verfahren auch im Beschwerdeverfahren gesehen wird. Anbieten würde sich im Rahmen der Novellierung dann aber auch, den § 68 Abs. 2 Nr. 5 FamFG genauso wie den geplanten § 57 Nr. 2 FamFG-E zu fassen. Denn auch für das Beschwerdeverfahren kommt es bei nur vorübergehenden Aussetzungen des Umgangs nicht unbedingt darauf an, dass der Senat alle Verfahrenshandlungen wiederholt.
Gegen die Konkretisierung der Fälle, in denen das Beschwerdegericht von Verfahrenshandlungen absehen kann, bestehen im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben keine Bedenken. Sprachlich könnte es sich anbieten, nicht vom persönlichen Eindruck der anzuhörenden Person zu sprechen, sondern vom persönlichen Eindruck eines Beteiligten, da Kinder, die offensichtlich nicht in der Lage sind, ihre Neigungen und ihren Willen kundzutun, ggf. nicht angehört, wohl aber wahrgenommen werden (vgl. § 159 Abs. 2 Satz 3 FamFG).
Zu Recht hat die Justizministerkonferenz im Frühjahr 2023 angeregt, die Vorschrift des § 68 Abs. 5 FamFG flexibler zu gestalten. Das entspricht einer Forderung vieler Familiensenate (vgl. z. B. NZFam 2023, 738). Denn es ist zwar grundsätzlich richtig und wichtig, die Subjektstellung der Kinder in den Kindschaftssachen zu stärken. Bei aussichtlosen Beschwerden werden die Kinder und ggf. Pflegefamilien aber unnötig belastet und das Verfahren in die Länge gezogen, wenn die Wahrnehmung der Kinder ausnahmslos erfolgen muss. Man darf darauf vertrauen, dass die Familiensenate Verfahrenshandlungen nur dann nicht wiederholen, wenn es nicht darauf ankommt.
III. Verfahrensbeistände
Die Stellungnahme des Verfahrensbeistands ist – gerade im Hinblick auf die verstärkt geforderte Amtsermittlungsflicht in Fällen von Partnerschaftsgewalt – eine wichtige Erkenntnisquelle für das Familiengericht. Dementsprechend ist es unabdingbar, die Person des Verfahrensbeistands angemessen zu entschädigen, um die berufsmäßige Ausübung einigermaßen attraktiv zu halten. Die Orientierung an der Vergütung für einen Rechtsanwalt ist überzeugend. Eine Orientierung an der Inflation seit Einführung der Pauschale hätte auch eine weitergehende Erhöhung gerechtfertigt. Zutreffend ist es, die Pauschale nicht mehr nach einem Aufgabenkreis, sondern danach zu differenzieren, ob bei der Begleitung mehrerer Kinder Synergien entstehen. Da diese Synergien einerseits in der Regel aber nur dann entstehen, wenn die Kinder in einem Haushalt leben und nicht z. B. in verschiedenen Einrichtungen untergebracht sind, andererseits aber auch entstehen, wenn die Kinder zwar im selben Haushalt leben, aber keine Geschwister sind, erscheint eine geänderte Formulierung in § 158a Abs. 1 S. 2 FamFG-E sinnvoller: Wird der Verfahrensbeistand für mehrere Kinder aus demselben Haushalt bestellt, reduziert sich die Pauschale ab dem zweiten Kind auf 555 Euro.
Die vorgesehene Übergangsvorschrift in § 493 FamFG-E wird helfen, Unklarheiten nicht entstehen zu lassen.
Die Klarstellung, dass Dolmetscherkosten gesondert geltend gemacht werden können, ansonsten aber alle Kosten von der Pauschale abgedeckt werden, beseitigt Unklarheiten in der Praxis. Für die Anerkennungsfähigkeit der Dolmetscherkosten braucht es aber keinen förmlichen Beschluss, eine Verfügung erscheint ausreichend und (etwas) weniger aufwendig. Die geplante Vorgabe in § 158b Abs. 2 S. 2 FamFG-E, die Gestattung zum frühestmöglichen Zeitpunkt auszusprechen, könnte dazu führen, dass – mangels konkreterer Informationen in der Antragsschrift – die Gestattung bei allen Familien mit möglichen Verständigungsproblemen standardmäßig erfolgt. Um dies zu verhindern, bietet sich folgende Formulierung an: „Die Gestattung soll unmittelbar erfolgen, sobald der Verfahrensbeistand dem Gericht die Notwendigkeit anzeigt.“
Die Einführung einer durchsetzbaren Pflicht der Eltern, dem Verfahrensbeistand das persönliche Gespräch mit dem Kind zu ermöglichen (§ 158d FamFG-E), erscheint vor dem Hintergrund der Wichtigkeit der Stellungnahme des Verfahrensbeistands und den Anforderungen an die Amtsermittlung sinnvoll und richtig sowie im Hinblick auf die relativ geringe Eingriffsintensität in das Elternrecht angemessen. Soweit die Entwurfsbegründung insoweit von einem Eingriff in Art. 6 GG spricht, wäre das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachten.
IV. Nachlasssachen
Die geplanten Änderungen erscheinen sinnvoll. Angesichts des automatisierten Betriebs des zentralen Testamentsregisters (ZTR) erscheint die in § 351 FamFG bisher vorgesehene Fortlebensermittlung hinsichtlich eines Erblassers, dessen Verfügung von Todes wegen über 30 Jahre in amtlicher Verwahrung ist, nur noch dann erforderlich, wenn die entsprechenden Daten dazu im ZTR unvollständig oder unrichtig erfasst sind. Die Prüfung kann dadurch insgesamt gesehen wahrscheinlich schneller erfolgen, was angesichts vielerorts überlasteter Nachlassgerichte hilfreich erscheint.
Zutreffend differenziert die Begründung aber: Hinsichtlich der bis 31. Dezember 1995 registrierten Verfügungen ergibt sich durch den Wegfall der Fortlebensermittlung in den Fällen, in denen die Daten im ZTR richtig und vollständig erfasst sind, eine Einsparung. Hinsichtlich der überführten Registrierungen im Zeitraum 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2016 entsteht aber durch die vorgezogene Prüfpflicht ein Mehraufwand, da auch die Verfügungen von Todes wegen umfasst sind, die keine 30-jährige Verwahrdauer erreichen würden, weil der Erblasser zuvor verstirbt. In diesen Fällen entsteht ein Mehraufwand, dem keine Entlastung durch den Entfall der Fortlebensermittlung gegenübersteht. Bei den genuinen Registrierungen im ZTR ab 2012 entsteht durch den Wegfall der Fortlebensermittlung in den Fällen, in denen die 30-jährige Verwahrdauer erreicht würde, eine Einsparung.
V. Versorgungsausgleich
Wie mit vergessenen Anrechten im Versorgungsausgleich umzugehen ist, ist seit langem umstritten. Insbesondere die Versorgungsausgleichs-Kommission des Deutschen Familiengerichtstages (DFGT) hat mit überzeugender Begründung empfohlen, eine Korrektur zu ermöglichen.
Obwohl die geplante gesetzliche Regelung der Sache nach eine Durchbrechung der Rechtskraft i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. § 322 ZPO darstellt, die eigentlich nur im Rahmen der §§ 579, 580 ZPO möglich wäre, aber in vielen Fällen wegen der zeitlichen Befristung gemäß § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO ausscheidet, ist der Weg des Ausgleichs solcher Anrechte über die Ergänzung des § 20 Abs. 1 VersAusglG zu befürworten. Denn ansonsten kann es auch durch die Unachtsamkeit des Gerichts zu ungerechten Ergebnissen kommen, die bisher nur ganz eingeschränkt korrigierbar waren.
Der Weg über die Verortung der Korrektur im schuldrechtlichen Wertausgleich nach der Scheidung, also in der Regel dann, wenn die Ehegatten in Altersrente sind, erscheint sachgerecht, weil dadurch ein Abänderungsverfahren hinsichtlich des Versorgungsausgleichs bei der Scheidung unterbleiben kann, in dem es ggf. zu Gesamtvereinbarungen oder wechselseitigen (Teil-)Verzichten gekommen war.
Zuzustimmen ist auch der Übergangsvorschrift des § 55 VersAusglG-E, in der ein Anspruch erst ab Inkrafttreten geregelt wird. Eine Rückwirkung wäre wohl nicht möglich, weil der Anspruch erst aufgrund der neuen gesetzlichen Regelung originär entsteht, sodass auch kein Verzug für die Zeit davor möglich ist (so z. B. nach § 1613 Abs. 2 Nr. 2 b BGB, worauf § 20 Abs. 3 VersAusglG verweist). Die Rechtfertigung folgt jedoch daraus, dass ein Ehezeitanteil vorliegt, der bislang noch nicht ausgeglichen wurde. Ob insoweit der Begriff „verlangen“ lediglich eine Durchsetzungssperre darstellt, kann dahingestellt bleiben, weil aufgrund der Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung oder den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich eine vergessene Versorgung eben nicht auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen wird, sondern die Entscheidung das Anrecht nicht teilt und damit vom Wertausgleich bei der Scheidung ausschließt, wenn keine Teilentscheidung vorliegt.
Fraglich könnte das Verständnis des § 55 VersAusglG-E lediglich hinsichtlich eines vor dem Inkrafttreten ausbezahlten Kapitalbetrags in Bezug auf die Vorschrift des § 22 VersAusglG sein. Im Fall einer laufenden Rentenzahlung, die vor Inkrafttreten begonnen hat, kann der Ausgleichsanspruch erst ab Inkrafttreten verlangt werden. Wurde der Kapitalbetrag hingegen zuvor ausbezahlt, entsteht das Problem des Vertrauensschutzes der ausgleichspflichtigen Person jedenfalls dann, wenn kein vorsätzliches Verschleiern des Anrechts vorliegt. In der Gesetzesbegründung zu § 22 VersAusglG wird zwar darauf hingewiesen, dass die ausgleichspflichtige Person bei zeitlich späterem Eintritt der Fälligkeit sich auf die künftige Ausgleichspflicht einstellen muss (BT-Drucks. 16/10144 S. 65 – ausgleichspflichtige Person kennt den Schuldgrund). Bei der vorliegenden Rechtslage konnte diese jedoch davon ausgehen, dass keine Ausgleichspflicht (mehr) in Bezug auf den Anspruch aus § 22 VersAusglG besteht (allerdings gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB). Insoweit folgt aus der Vorschrift des § 55 VersAusglG-E jedoch jedenfalls dann ein Leistungsanspruch, wenn die Fälligkeit nach Inkrafttreten der Neuregelung eintritt. Dies führt allerdings zur Problematik einer Ungleichbehandlung, wenn der Vertrauensschutzgedanke bei der zuerst genannten Alternative vorrangig ist. Im Übrigen ist generell der Anspruch auch aus § 22 VersAusglG durch die Neuregelung erfasst, weil die ausgleichspflichtige Person nicht darauf vertrauen konnte, dass sie den künftigen Anspruch erfüllen muss, wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Fälligkeit eintritt.
Die geplante Änderung des § 224 Abs.3 FamFG, soll offensichtlich für eine klarere Unterscheidung zwischen dem völligen Ausschluss des Versorgungsausgleichs und dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei der Scheidung sorgen. In der Praxis wird entsprechend der geplanten Regelung der Versorgungsausgleich bei einem der aufgeführten Ausschlusstatbestände ohnehin meist insgesamt – also ohne die Beschränkung auf den Ausgleich bei der Scheidung – ausgeschlossen. Die Aufnahme der weiteren Ausschlusstatbestände in § 19 und 31 VersAusglG erscheint ebenfalls sachgerecht. Eine entsprechende Klarstellung im § 227 FamG ebenso.
Zusammenfassung:
Der Entwurf ist zu begrüßen, die geplanten Vorschriften sind überwiegend sinnvoll und in der Praxis umsetzbar, insbesondere wenn die konkreten Anmerkungen und Änderungsvorschläge im Detail noch berücksichtigt werden können.
Den Familiengerichten wird ein erheblicher Mehraufwand durch die intensivere Ermittlungspflicht in Fällen von Partnerschaftsgewalt entstehen, die ohne Anpassung der Personalbedarfsbemessung oder die Einführung von Ermittlungsgehilfen nicht ausreichend erfüllt werden kann. Die gesonderten Anhörungstermine, eine gesonderte Bewilligung der Dolmetscherkosten, die Anordnung von Gesprächen des Verfahrensbeistands mit dem Kind und ggf. eine entsprechende Durchsetzung mit anfechtbaren Zwangsmittelbeschlüssen sind weitere zusätzliche Aufgaben. Auch die Beschwerdegerichte werden durch die Ausweitung der Beschwerdemöglichkeiten zusätzlich belastet, wenngleich sie dadurch entlastet werden sollen, dass unnötige Verfahrenshandlungen in aussichtlosen Beschwerdeverfahren unterbleiben können. Die Einführung einer Korrektur für vergessene Anrechte im Versorgungsausgleich ist in der gewählten Ausgestaltung – ohne Rückwirkung – sinnvoll und mit wenigen zusätzlichen Feinjustierungen auch für die Praxis gut umsetzbar.
Den mit diesem Entwurf unternommenen Vorstoß, reformbedürftige Teile des Familienrechts außerhalb der größeren Reformvorhaben vorab zu regeln, wird begrüßt und könnte auf einige konkrete Vorhaben im Abstammungs-, Kindschafts- und Unterhaltsrecht erweitert werden.