#14/19

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verlängerung und Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn

 

I. Einleitung

Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) mit Bearbeitungsstand 03.09.2019 sieht im Wesentlichen zwei Änderungen vor:
•    eine Verlängerung der Geltungsdauer für die von den Landesregierungen zu erlassenden Gebietsverordnungen bis Ende 2025 und
•    eine Erweiterung des Anspruchs des Mieters auf Rückzahlung von preiswidrig überhöhten Mietbeträgen auf die ersten 30 Monate (zweieinhalb Jahre) nach Beginn des Mietverhältnisses.


II. Ausweitung der Laufzeit für Rechtsverordnungen

1. Änderungsvorhaben

Nach der bisherigen Fassung des § 556d Abs. 2 Satz 4 BGB würden die von den Landesregierungen erlassenen Gebietsverordnungen Ende 2020 auslaufen. Das würde bedeuten, dass die in das BGB eingefügten Regelungen über die Mietpreisbremse von da an wirkungslos wären. Will man sie nicht komplett streichen, erscheint es natürlich sinnvoll, ihnen weiterhin einen Anwendungsbereich zu verleihen. Die Entwurfsverfasser agieren hier zurückhaltend und sehen zunächst eine Verlängerung der Laufzeit für die Verordnungen um weitere fünf Jahre – also bis Ende 2025 – vor. Letztlich ist das eine politische Entscheidung.
Aus Sicht der gerichtlichen Praxis sollten indes in einer zentralen Kodifikation des allgemeinen Zivilrechts, welche das BGB nun einmal darstellt, nur Vorschriften von unbestimmter Geltungsdauer statuiert werden. Ein solches Regelungskonzept sah der ursprüngliche Referentenentwurf zum Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 18.03.2014 im Übrigen auch vor . Den künftigen Änderungen der Situation am Wohnungsmarkt wird bereits durch die in § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB statuierte Verordnungskompetenz der Landesregierungen hinreichend Rechnung getragen. Durch eine vollständige Aufhebung der Befristung würde die Mietpreisbremse ihrer Konzeption nach der abgesenkten Kappungsgrenze des § 558 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB sowie der verlängerten Kündigungssperrfrist gem. § 577a Abs. 2 BGB angeglichen. Das wäre im Hinblick auf das in der Praxis bestehende Bedürfnis nach einer einheitlichen und durchschaubaren Zivilrechtsordnung sinnvoll.

2. Weitere Überlegung zur Änderung

Es sollte erwogen werden, auch die Voraussetzungen für den Erlass einer Rechtsverordnung denen in § 558 Abs. 2 Satz 2 BGB und § 577a Abs. 2 Satz 1 BGB anzugleichen. Das in § 556d Abs. 2 Satz 5 bis 7 BGB statuierte Begründungserfordernis hat der mietrechtlichen Praxis zahlreiche höchst diffizile Probleme beschert, wovon die aktuelle Entscheidung des BGH vom 17.07.2019  betreffend die hessische Mietenbegrenzungsverordnung sowie das Urteil des LG München I vom 06.12.2017  betreffend die Bayerische Mieterschutzverordnung zeugen .


III. Rückforderung von überzahlten Mieten auch für die Vergangenheit

1. Änderungsvorhaben

Nach geltendem Recht kann der Mieter preiswidrig überhöhte Mietbeträge nur für die Zeit nach Zugang der Rüge (§ 556g Abs. 2 BGB) zurückverlangen. Diese Konzeption des Rückforderungsanspruchs ist im Rahmen des zum 01.01.2019 in Kraft getretenen Mietrechtsanpassungsgesetzes nicht geändert worden. Nunmehr wird vorgeschlagen, dass der Mieter nicht geschuldete Miete auch insoweit zurückverlangen kann, als diese vor Zugang der Rüge fällig geworden ist.
In seiner bisherigen Fassung wirkte § 556g Abs. 2 BGB erfreulicherweise einem Phänomen entgegen, dass der gerichtlichen Praxis aus der „Blütezeit“ des § 5 WiStG  noch bestens bekannt ist. Vielfach hatte die Mieterseite erst nach Beendigung eines konfliktreichen Mietverhältnisses, nachdem der Vermieter gegen sie eine auf Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache oder nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen gerichtete Klage erhoben hatte, im Wege der Hilfsaufrechnung Rückforderungsansprüche wegen überzahlter Mieten bis zur Verjährungsgrenze geltend gemacht. Dies führte in den mietrechtlichen Dezernaten der Amts- und Landgerichte oftmals zu langwierigen Verfahren; denn die Höhe der üblichen Entgelte im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 WiStG konnte meist nur durch Sachverständigengutachten geklärt werden.
An diese Problematik haben die Entwurfsverfasser allerdings gedacht, indem sie eine Rückforderung für die Vergangenheit nach Beendigung des Mietverhältnisses in § 556g Abs. 2 Satz 3 BGB-E  ausgeschlossen und im Übrigen auf die Fälle begrenzt haben, in denen die Rüge dem Vermieter innerhalb von 30 Monaten nach Beginn des Mietverhältnisses, also nach Überlassung der Mietsache zugegangen ist. Insofern würden sich die auf die Gerichte zukommenden Streitigkeiten über Rückforderungen gerade aus Anlass von anderen Mietkonflikten auf diesen Zeitraum beschränken.
Es sollte allerdings geprüft werden, ob es in § 556g Abs. 2 Satz 3 BGB-E am Schluss heißen muss:

„…, kann er nur die nach Zugang der Rüge fällig gewordenen Mieten oder Entschädigungen nach § 546a Abs. 1 zurückverlangen.“

Sofern nämlich im Falle der zweiten Variante des § 556g Abs. 2 Satz 3 BGB-E das Mietverhältnis bei Zugang der Rüge bereits beendet ist, kann der Mieter in der Folgezeit lediglich überzahlte Nutzungsentschädigungsbeträge gem. § 556a Abs. 1 BGB zurückverlangen.


2. Übergangsregelung

Nach der in Art. 229 EGBGB zu verankernden Übergangsvorschrift soll die Neuregelung des § 556g Abs. 2 BGB nur für Mietverträge gelten, die ab dem Tag des Inkrafttretens der Gesetzesänderung abgeschlossen worden sind. Die Formulierung „entstandenes Mietverhältnis“ meint nach ganz h. M. den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, nicht den Zeitpunkt der Überlassung der Räumlichkeiten .

Die vorgesehene Übergangsvorschrift ist – ebenso wie diejenige zum Mietrechtsanpassungsgesetz in Art. 229 Abs. 2 Satz 2 EGBGB – insofern unglücklich, als sie für laufende Mietverhältnisse hinsichtlich der Rüge unterschiedliche Rechtsfolgen vorsieht. Das dürfte benachbarten Mietern in einem Mehrfamilienhaus schwer zu vermitteln sein, insbesondere was die Rückforderung von überzahlten Beträgen anbelangt. Aber auch in der Praxis wird die unterschiedliche Rechtslage bei laufenden Mietverhältnissen womöglich zu Irritationen führen. Insbesondere wenn die Neuregelungen bereits eine Zeit lang gültig sind, ist es für den Praktiker schwer einsehbar, warum bei aktuellen Mietverhältnissen immer noch altes Recht anzuwenden sein soll.

Nun würde allerdings im Falle einer Umsetzung des § 556g Abs. 2 BGB-E bei Mietverhältnissen, die vorher begründet worden sind, eine Rückwirkungsproblematik eintreten, weil der Mieter weit in die Vergangenheit hinein Überzahlungen zurückverlangen könnte. Es dürfte sich hierbei um eine unechte Rückwirkung handeln, weil die Regelung auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt , sie nämlich an den Zugang der Rüge anknüpft. Indes kann auch eine unechte Rückwirkung unzulässig sein, wenn das Vertrauen des in seiner Rechtsposition Betroffenen gegenüber den Belangen des Gemeinwohls schützenswert ist . Das erscheint jedoch fraglich, wenn der Vermieter eine gegen die Mietpreisbremse der §§ 556d ff. BGB verstoßende Miethöhe vereinbart hat.

Es sollte daher geprüft werden, ob eine Neufassung des § 556g Abs. 2 BGB – im Übrigen ebenso diejenige, die durch das Mietrechtsanpassungsgesetz zum 01.01.2019 erfolgt ist – auch für Bestandsmietverhältnisse Geltung erlangen könnte.


IV. Weitere Anregungen

Bei der Befassung mit der vorvertraglichen Auskunftsobliegenheit des Vermieters gem. § 556g Abs. 1a BGB ist aufgefallen, dass die dortige Nummer 1 betreffend die Vormiete nicht mit der Regelung dieses Instituts in § 556e Abs. 1 BGB harmoniert. Die in § 556g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB vorgesehene Auskunft über die Höhe der Vormiete ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses ist für den künftigen Mieter völlig nutzlos, wenn der Vermieter die Vormiete im letzten Vormieter einseitig nach §§ 559, 559b Abs. 1 BGB erhöht hat . Denn bei der preisrechtlich zulässigen Höhe der neu vereinbarten Miete bleiben nach § 556e Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich im letzten „Vormietjahr“ vereinbarte Mieterhöhungen unberücksichtigt. Auch eine vor Beginn des letzten Vormietjahrs vereinbarte Staffel- oder Indexmiete (§§ 557 Abs. 2, 557a, 577b BGB) kann durchaus noch im letzten Vormietjahr Wirkung entfalten.

Demgemäß bedarf § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB einer Überarbeitung. Es sollte geprüft werden, ob die Norm möglicherweise wie folgt neu gefasst werden kann:

„1. im Fall des § 556e Absatz 1 über die Höhe der Vormiete; sofern deren Erhöhung mit dem vorherigen Mieter innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Mietverhältnisses vereinbart worden ist, über die Höhe der Vormiete vor diesem Zeitraum,“.