#13/2023

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Gesetzentwurf des BMFSFJ und des BMJ über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Die Verbesserung der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtsidentität entspricht Empfehlungen des Europarates und steht im Einklang mit Art. 8 EMRK sowie der verfassungsrechtlichen Vorgabe, dass vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch die geschlechtliche Identität umfasst ist. Deshalb wird die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts vom Deutschen Richterbund begrüßt. Die Abschaffung des aufwendigen Verfahrens nach dem Transsexuellengesetz (TSG) führt zudem einerseits zu einer Entlastung der Justiz, andererseits bleiben die Amtsgerichte berufen, im Konfliktfall zu entscheiden.

Die geplanten Änderungen führen zum Wegfall von bundesweit jährlich ca. 3500 Verfahren nach dem TSG, in denen sich die antragstellenden Personen zwei kostenaufwendigen Sachverständigengutachten unterziehen mussten, um die Feststellung des zuständigen Amtsgerichts zu erlangen, dass sie als dem anderen Geschlecht angehörig angesehen werden. Die nunmehr im SBGG vorgesehene Möglichkeit der Erklärung gegenüber dem Standesamt, dass der Geschlechtseintrag geändert werden soll, bedeutet eine spürbare Erleichterung für die betroffenen Personen, eine Einsparung von Kosten und Zeit und führt zu einer Entlastung der Justiz in einem Bereich, in dem eine gerichtliche Entscheidung lediglich im Streitfall erforderlich erscheint. Denn in den weit überwiegenden Fällen kamen die Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine Änderung des Geschlechtseintrages erfolgen sollte, sodass den Gerichten ohnehin nur ein geringer Entscheidungsspielraum blieb.

 

B. Bewertung im Einzelnen

 

Der Referentenentwurf sieht im Wesentlichen den Ersatz des Transsexuellengesetzes durch das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) vor, das im Folgenden näher beleuchtet wird.

Daneben werden das Passgesetz, das Personenstandsgesetz und das Aufenthaltsgesetz sowie weitere Verordnungen angepasst. Mit der geplanten Änderung des Rechtspflegergesetzes wird bestimmt, dass die Ersetzung der Zustimmung eines Elternteils zur Änderung des Geschlechtseintrages sowie die entsprechende familiengerichtliche Genehmigung für den Vormund bzw. die betreuungsgerichtliche Genehmigung für den Betreuer dem Richter vorbehalten bleiben. Neben weiteren redaktionellen Änderungen ist für das internationale Privatrecht vorgesehen, dass die Geschlechtszugehörigkeit einer Person ihrem Heimatrecht unterliegt. Sie kann aber auch das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt wählen.

 

I. Ziel des Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) ist

- erstens die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen zu lösen und die Selbstbestimmung der betroffenen Person zu stärken,

- zweitens das Recht jeder Person auf Achtung und respektvolle Behandlung in Bezug auf die Geschlechtsidentität zu verwirklichen.

Dieses Ziel entspricht der verfassungsrechtlichen Vorgabe, dass vom Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch die geschlechtliche Identität umfasst ist, die regelmäßig ein konstituierender Aspekt der eigenen Persönlichkeit darstellt (vgl. BVerfG B. v. 11.01.2011 – 1 BvR 3295/07).

 

II. § 2 SBGG sieht vor, dass jede Person, deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister abweicht, gegenüber dem Standesamt erklären kann, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag geändert werden soll, indem sie durch eine andere ersetzt oder gestrichen wird. Zulässig sind entsprechend § 22 Absatz 3 PStG „männlich“, „weiblich“, „divers“ oder kein Eintrag. Entsprechend können gleichzeitig oder gesondert der oder die Vorname(n) neu bestimmt werden.

Damit werden nicht nur die Verfahren nach dem Transsexuellengesetz obsolet, sondern auch dessen bisher vorgesehene entsprechende Anwendung (BGH B. v. 22.04.2020 – XII ZB 383/19) für nicht binäre Personen, die sich also nicht dem „anderen“ Geschlecht zugehörig fühlen, sondern keinem. Diese Personen sind auch gemäß Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 GG vor Diskriminierungen wegen des Geschlechts geschützt und werden in ihren Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als „weiblich“ oder „männlich“ zulässt (BVerfG B. v. 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16). Es erfolgt damit eine Gleichbehandlung mit Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, die bereits seit dem Geburtenregister-änderungsgesetz von 2018 einen entsprechenden Eintrag vornehmen lassen können (§ 45b PStG). Eine ärztliche Bescheinigung (dazu bisher BGH B. v. 10.06.2020 – XII ZB 451/19) müssen diese Personen künftig nicht mehr vorlegen.

Die Verbesserung der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtsidentität entspricht zudem Empfehlungen des Europarates und steht im Einklang mit dem in Art. 8 EMRK verankerten Recht auf Achtung des Privatlebens. Nach der dazu erfolgten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bedarf es einer rechtlichen Anerkennung der autonomen Entscheidung über die Wahl des Geschlechts, damit die betroffene Person ihrer Geschlechtsidentität entsprechend und damit gemäß der ihr zukommenden Menschenwürde leben kann (EGMR, Urt. v. 11.07. 2002 – 28957/95 Ch. G. ./. UK).

 

III. Für in der Geschäftsfähigkeit eingeschränkte Personen sieht § 3 SBGG Sonderregeln vor. Für Kinder, die geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt sind, kann nur der gesetzliche Vertreter die Erklärung abgeben. Ein Vormund bedarf dafür der Genehmigung durch das Familiengericht.

1. Eine Genehmigungspflicht für Eltern sieht das Gesetz also nicht vor. Das mag im Hinblick auf die gemäß § 1643 BGB iVm §§ 1850ff. BGB genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte, bei denen „nur“ vermögensrechtliche Gefahren bestehen, verwundern. Zwar können die Familiengerichte von Amts wegen tätig werden, dazu müssen sie aber vom Sachverhalt Kenntnis erlangen, was ohne Genehmigungsverfahren in der Regel nicht geschieht. Verhindern die Eltern die Änderung des vom Kind gewünschten Wechsels des Geschlechtseintrages oder wollen die Eltern umgekehrt gegen den Willen des Kindes die Änderung des Geschlechtseintrages vornehmen, müsste sich das Kind z. B. an das Jugendamt wenden und ein Verfahren gemäß § 1666 BGB anregen, in dem geprüft würde, ob das Vorhaben der Eltern eine Kindeswohlgefährdung darstellt. Es bietet sich daher an, dem Standesamt etwa im Rahmen des § 168g FamFG die Möglichkeit einzuräumen, dem Familiengericht Mitteilung zu machen, wenn es Bedenken hinsichtlich der Eintragung hat.

2. Der Regelung für Kinder entsprechend soll für Volljährige, für die in diesen Angelegenheiten ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist, nur der Betreuer die Erklärung abgeben können, die der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf. Entsprechendes gilt, wenn ein geschäftsunfähiger Betroffener die Erklärung nicht abgeben kann. Das Betreuungsgericht erteilt die Genehmigung, entsprechend der seit der Betreuungsrechtsreform geltenden Maxime des § 1821 BGB, wenn die Erklärung dem Wunsch des Betroffenen oder seinem mutmaßlichen Willen entspricht.

Hier geht der Entwurf also davon aus, dass die Wahl des Geschlechtseintrages oder die Vornamenwahl kein stellvertretungsfeindliches Rechtsgeschäft darstellt (vgl. BeckOGK/Schmidt-Recla, 1.1.2023, BGB § 1815 Rn. 87), obwohl die Begründung betont, dass es sich um eine der höchstpersönlichen Sphäre eines Menschen zugehörigen Entscheidung handelt. Selbst wenn man eine Betreuung mit diesem Aufgabenbereich als zulässig erachtet, dürfte ein Einwilligungsvorbehalt wie im Gesundheitsbereich oder bei der Sterilisation unzulässig sein (BeckOGK/Brilla, 1.1.2023, BGB § 1829 Rn. 45 bzw. § 1830 Rn. 24), auch wenn gerade nicht vorgesehen ist, die Änderung des Geschlechtseintrages in den Katalog des § 1825 Abs. 2 BGB aufzunehmen. Schwer vorzustellen sind jedenfalls Situationen, in denen bei der Frage des Geschlechtseintrages oder der Vornamenwahl ein Einwilligungsvorbehalt zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich sein soll. Dementsprechend wird eine betreuungsgerichtliche Genehmigung regelmäßig zu erteilen sein, wenn die Wahl des Geschlechtseintrags oder des Vornamens dem natürlichen Willen des Betroffenen entspricht (§ 1862 Abs. 1 S. 2 BGB). Denn auch im Rahmen des § 1821 Abs. 3 Nr. 1 BGB ist dem Wunsch des Betreuten nur dann nicht zu entsprechen, wenn hierdurch eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten entstehen würde und der Betroffene zudem diese Gefahr aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.

3. Jugendliche (ab 14 Jahren) können die Erklärung nur selbst abgeben. Sie bedürfen aber der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Diese Zustimmung kann familiengerichtlich ersetzt werden, wenn die Änderung des Geschlechtseintrags dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

Bisher hatte der Gesetzgeber bei innerfamiliären Konflikten der aus  Art. 6 Abs. 2 GG gebotenen staatlichen Zurückhaltung gegenüber dem Erziehungsprimat durchweg den Vorrang vor dem durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmungsrecht des Kindes gegeben. Wenn den Eltern bei höchstpersönlichen Angelegenheiten die Entscheidungskompetenz nicht entzogen oder beschränkt wurde (§ 1631e BGB) gab es bis zur Einführung des § 45 Abs. 2 S. 2 PStG (BT-Drs. 19/4669, S. 11) nicht die Möglichkeit, das Familiengericht gleichsam als Schiedsrichter im Streit zwischen Eltern und Kindern einzusetzen. Bisher war ein Eingriff in das Elternrecht nur bei einer Überschreitung der Schwelle des § 1666 BGB gerechtfertigt.

Im Rahmen des Auskunftsrechts gemäß § 1686 BGB wurde allerdings auch schon eine Beschränkung erlaubt, wenn zu besorgen war, dass es lediglich zu einer Beeinträchtigung des Kindeswohls kam (BGH B. v. 26.07.2017 – XII ZB 85/17 – Rn. 11). Einem von der Volljährigkeit nicht mehr weit entfernten Minderjährigen wird insoweit seiner persönlichen Angelegenheiten gemäß Art. 2 GG ein Selbstbestimmungsrecht zugestanden, das den auf Art. 6 GG beruhenden Auskunftsanspruch eines Elternteils einschränkt (OLG München B. v. 31.03.2022 – 16 UF 1406/21 – Rn. 19). Die Diskussion darüber, wer im Konfliktfall zwischen Eltern und Kind entscheiden können soll, ist auch bei der Frage der Einwilligung nicht neu. Wer hinsichtlich eines Schwangerschaftsabbruchs kompetent sein soll, wird z. B. schon lange diskutiert (vgl. z. B. Lugani NJW 2020, 1330). Bei der Frage der Beschneidung (OLG Frankfurt Urt. v. 16.07.2019 – 8 U 228/17) kam das Problem ebenso neu auf wie in der Coronaepidemie für die Entscheidung über die Impfung (Schmidt NJW 2021, 2688). Hier ist jeweils umstritten, ob es einer doppelten Einwilligung bedarf oder der einsichtsfähige Jugendliche allein entscheiden kann. Soweit die Zustimmung der Eltern für erforderlich gehalten wird, konnte nur im Falle von Kindeswohlgefährdung gemäß § 1666 BGB eingegriffen werden. Eine generelle gesetzliche Regelung wird deshalb gefordert (etwa Götz FamRZ 2020, 981).

Die letztgenannten Fallgestaltungen unterscheiden sich von der Wahl des Geschlechtseintrages nach der dogmatischen Einordnung im Referentenentwurf dadurch, dass es im Rahmen der Einwilligung in ärztliche Maßnahmen um die Einwilligung oder Einsichtsfähigkeit geht, wohingegen für die Erklärung über den Geschlechtseintrag die Geschäftsfähigkeit Maßstab sein soll. Das ergibt sich auch aus der Begründung zu § 1 Abs. 2 SBGG, wonach medizinische Maßnahmen durch das Gesetz ausdrücklich nicht geregelt werden, für die es auf die Einsichtsfähigkeit ankommt.

Hilfreich mag daher eher ein Vergleich mit § 5 RelErzG (Religionswahl) oder § 2229 BGB (Testierfähigkeit) sein, in dem sich der Gesetzgeber für eine klare Kompetenz des Jugendlichen ab einem bestimmten Alter entschieden hat. Denkbar erscheint auch danach zu differenzieren, ob die Eltern eine vom Minderjährigen gewünschte Handlung verweigern oder dem Minderjährigen eine Veränderung aufgezwungen werden soll, wogegen ein Vetorecht des Kindes etabliert werden könnte.

Das im Referentenentwurf gewählte Modell einer Streitentscheidung durch das Familiengericht ermöglicht eine einzelfallbezogenere Beurteilung, schreibt der Justiz aber eine Entscheidungskompetenz in einem kaum justiziablen Bereich zu.

Geht man diesen Weg, stellt sich als Nächstes die Frage, welchen Maßstab das Familiengericht anwenden soll. § 1666 BGB setzt eine konkrete Kindeswohlgefährdung voraus. Gemäß § 1697a BGB sind diejenigen Entscheidungen zu treffen, die dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Mit der gewählten Formulierung, dass eine Zustimmungsersetzung schon erfolgen soll, wenn die Erklärung dem Wohl des Kindes lediglich nicht widerspricht, hat sich der Referentenentwurf für eine negative Kindeswohlprüfung entschieden, die man z. B. aus § 1626a Abs. 2 BGB kennt. Damit wird deutlich, dass der Wille des Kindes, eine Änderung des Geschlechtseintrages oder Vornamens vornehmen zu wollen, als im Regelfall dem Kindeswohl dienlich angesehen wird. Das bedeutet deutlich geringere Voraussetzungen für einen Eingriff in das Elternrecht und faktisch eine Beschränkung des Willens des Jugendlichen nur in Ausnahmefällen.

Diese Stärkung der Selbstbestimmung des Jugendlichen wird dadurch flankiert, dass das Standesamt das Familiengericht darüber informiert, wenn die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters fehlt (§ 168g Abs. 1 aE FamFG-E).

 

IV. Die Änderung des Geschlechtseintrages oder der Vornamen wird erst nach drei Monaten nach der Erklärung eingetragen und wirksam (§ 4 SBGG). Innerhalb dieser Frist kann die Person ihre Erklärung schriftlich zurücknehmen. Danach besteht eine Sperrfrist von einem Jahr. Zudem bestehen Beschränkungen, welche Vornamen zurückgewählt werden können (§ 5 SBGG).

Damit entspricht das Gesetzesvorhaben – neben der formlosen (einfache Formularerklärung) Versicherung der Ernsthaftigkeit der Erklärung (§ 2 Abs. 2 SBGG) – dem verfassungsrechtlich legitimen Interesse, dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen, ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit möglichst zu vermeiden und einer Änderung des Personenstands nur stattzugeben, wenn dafür tragfähige Gründe vorliegen und ansonsten verfassungsrechtlich verbürgte Rechte unzureichend gewahrt würden (BVerfG B. v. 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16).

Dementsprechend kann das Standesamt bei nicht ernst gemeinter oder missbräuchlicher Inanspruchnahme der Möglichkeit, den Geschlechtseintrag zu ändern, die Eintragung der Erklärung ablehnen. Der Betroffene kann dann in einem Personenstandsverfahren gemäß § 49 PStG versuchen, eine Anweisung des Standesamtes zur Eintragung zu erreichen. Nach welchem Maßstab das gemäß § 50 PStG zuständige Amtsgericht entscheiden soll, wird nicht vorgegeben.

Die Frist von drei Monaten bis zur Wirksamkeit der Erklärung mag Betroffenen angesichts der – in Regionen mit ausreichend vielen Sachverständigen – meist kürzeren Dauer von Verfahren nach dem TSG lang vorkommen. Gegenüber der bisherigen Voraussetzung in § 8 TSG, der für die Betroffenen verlangte, seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang zu stehen, seinen Vorstellungen entsprechend zu leben, ist die „Wartefrist“ hingegen deutlich reduziert. Wirksam wird die Eintragung also erst nach den drei Monaten, weshalb die Erläuterung in der Begründung, die Eintragung der Vornamensänderung habe im Unterschied zur Eintragung des Geschlechtseintrags (S. 34 aE) lediglich deklaratorischen Charakter, missverständlich erscheint (S: 36/37).

Als Vornamen können nur solche gewählt werden, die einem anderen Geschlechtseintrag zugeordnet werden können. Will die Person also z. B. einen weiblichen Vornamen in einen anderen weiblichen Vornamen ändern, kann dies nur nach den allgemeinen Vorschriften des Namensrechts erfolgen. Möglich ist es aber, keine geschlechtsbezogenen Namen zu wählen, denn ein Vorname muss nicht zwingend über das Geschlecht informieren (BVerfG B. v. 05.01.2008 – 1 BvR 675/07). Zudem lässt die bloße Vornamensänderung eine schrittweise oder nur begrenzte Änderung des Personenstands zu, die dann (zunächst) zu einem Vornamen führen kann, der nicht zum Geschlechtseintrag „passt“.

Den Spezialfall einer Missbrauchsmöglichkeit im Spannungs- oder Verteidigungsfall versucht § 9 SBGG auszuschließen, in dem er im Hinblick auf die gemäß Art. 12a GG lediglich für Männer mögliche Dienstpflicht, die Abwahl des Geschlechtseintrags als „männlich“ für die Dauer des Spannungs- oder Verteidigungsfalls suspendiert. Da Zweck der Regelung ist, einer Umgehung der Dienstpflicht mit der Waffe im Spannungs- oder Verteidigungsfall entgegenzutreten, erfasst die Suspendierung nur den Dienst mit der Waffe. Die Regelung zum zeitlichen Zusammenhang erscheint angesichts der erwähnten dreimonatigen Wartefrist praktikabel.

 

V. Mit § 6 Absatz 1 SBGG ändert sich hinsichtlich der Rechtsfolgen im Vergleich zum bisher geltenden § 10 TSG nichts. Es wird lediglich klargestellt, dass es stets – wie schon bisher – um Rechtsfolgen geht, für die der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister beziehungsweise die dort eingetragenen Vornamen einer Person relevant sind. Was das im Einzelnen betrifft, listet § 10 Abs. 2 SBGG auf.

Es bestand aber offenbar ein Bedürfnis, mit § 6 Abs. 2 SBGG klarzustellen, dass es Bereiche gibt, in denen man mit der Änderung des Geschlechtseintrages keine Veränderungen oder Ansprüche herbeiführen kann. Für die Anwendbarkeit von Rechtsvorschriften zur Gebär- und Zeugungsfähigkeit wird das in § 8 SBGG konkretisiert.

Wie mit Änderungen des Geschlechtseintrages bei einer Quotenregelung oder im Eltern-Kind-Verhältnis umzugehen ist, wird in § 7 bzw. § 11 SBGG festgelegt. Dabei gelten die Vorschriften zur Quote nur, soweit insbesondere in Satzungen nichts anderes geregelt ist. Ein Elternteil soll gegenüber seinem Kind nach einer Änderung des Geschlechtseintrags seine bisherige Rolle behalten. Dadurch wird das Ziel verfolgt, Kinder ihren biologischen Eltern auch rechtlich so zuzuweisen, dass ihre Abstammung nicht im Widerspruch zu ihrer biologischen Zeugung auf zwei rechtliche Mütter oder Väter zurückgeführt wird (vgl. BVerfG B. v. 11.01.2011 – 1 BvR 3295/07 Rn. 77).

Schließlich wird ein – bei absichtlicher Schädigung bußgeldbewehrtes – Offenbarungsverbot geregelt (bisher in § 5 TSG), wie man es ähnlich auch bei Adoptionen kennt (§ 1758 BGB).

 

VI. Zusammenfassung

Der Entwurf regelt einen erheblichen Schritt zu einer leichteren rechtlichen Anerkennung der geschlechtlichen Identität. Durch die Abschaffung des aufwendigen Verfahrens nach dem TSG werden Zeit und Kosten gespart. Die Konsequenzen der Änderungen des Geschlechtseintrages und der Vornamen wurden für zahlreiche Konstellationen bedacht und geregelt. Für Jugendliche wurde eine Regelung gefunden, die Modellcharakter haben könnte, die Justiz

aber zum Schiedsrichter in innerfamiliären Konflikten macht. Inwieweit die Regelungen vollständig und praxistauglich sind, wird sich auch durch die innerhalb von fünf Jahren vorgesehene Evaluierung zeigen.