#12/2023

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Der Deutsche Richterbund hat keine Bedenken gegen die mit dem Referentenentwurf vorgesehenen namensrechtlichen Erweiterungen bei der Bestimmung des Ehenamens und des Geburtsnamens, die die Bildung echter Doppelnamen für Kinder und Ehegatten vorsehen. Gleiches gilt für die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit, eine Änderung des Geburtsnamens des Kindes auch im Falle der Scheidung der Eltern oder in Stiefkindfamilien vornehmen zu können.

Die Änderungen entsprechen im Zuge der Gleichberechtigung einem zunehmenden praktischen Bedürfnis und passen sich den in vielen europäischen Ländern schon bestehenden Möglichkeiten der Namensgestaltung an. Zugleich tragen sie dem Bedürfnis Rechnung, die Zugehörigkeit zu einer Familie durch eine entsprechende Namenswahl ausdrücken und diese unter Berücksichtigung des Wunsches des Kindes auch wieder ändern zu können, wenn die familiäre Verbundenheit endet. Zum Schutz des Namens als Ausdruck der Individualität seines Trägers und seines Persönlichkeitsrechts und unter Berücksichtigung der im öffentlichen Interesse liegenden Ordnungsfunktion des Namens sollten allerdings nach wie vor nur personenstandsrelevante Vorgänge zu seiner Veränderung führen können.

Die Auswirkungen auf die Familiengerichte beschränken sich im Wesentlichen auf die Fälle, in denen im Streitfall die Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils zur Änderung des Geburtsnamens des Kindes vorgesehen ist. Für den praktisch relevanten Fall der Änderung des Geburtsnamens des Kindes im Falle der Scheidung der Kindeseltern könnte es zu einem Anstieg entsprechender Verfahren bei den Familiengerichten kommen. Die damit verbundene Mehrbelastung und dann möglicherweise gebotene Anpassung von PEBB§Y bleibt zu beobachten.

 

B. Bewertung im Einzelnen

 

Der Referentenentwurf sieht eine Liberalisierung des Ehe- und Geburtsnamensrechts vor. Die Änderungen betreffen im Wesentlichen die Vorschriften im Familienrecht des BGB (§§ 1354 ff und 1617 ff, 1757 und 1765 ff BGB) sowie im internationalen Namensrecht (Art. 10 und 23 EGBGB).

Der Entwurf sieht insbesondere folgende Änderungen vor:

- Bei der Bestimmung des Ehe- und Geburtsnamens soll die Bildung von Doppelnamen für Kinder und Ehegatten ermöglicht werden, bereits bestehende Doppel- oder Mehrfachnamen sollen verkürzt werden können.

- Die Namensänderung soll erleichtert werden für minderjährige Kinder aus geschiedenen Ehen, die den Ehenamen der Eltern als Geburtsnamen erhalten haben und nun bei einem Elternteil leben, der den Ehenamen abgelegt und seinen Geburtsnamen wieder angenommen hat. Die Einwilligung des anderen Elternteils kann vom Familiengericht ersetzt werden, wenn dies dem Kindeswohl dient (§ 1617 d BGB n.F.).

- Für einbenannte Stiefkinder soll die Rückbenennung ermöglicht werden, wenn der Grund der Einbenennung, z. B. im Scheidungsfall, entfällt. Auch hier ist eine Ersetzung der Einwilligung des Elternteils durch das Familiengericht vorgesehen.

- Der Zwang zur Namensänderung nach einer Erwachsenenadoption soll entfallen.

 - Das internationale Namensrecht (Art. 10 EGBGB) soll dahingehend liberalisiert werden, dass die Rechtswahl für den Namen des Kindes maßvoll erweitert wird.

Die Auswirkungen der Änderungen des materiellen Namensrechts betreffen im Wesentlichen die Tätigkeit der Standesämter. Die Neuerungen wirken sich für die Familiengerichte im Wesentlichen auf die angeführten Fälle der Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils im Falle der Scheidung aus.

 

I. Bildung von Doppelnamen bei Ehe- und Geburtsnamen

 

Gegen die in § 1354 Abs. 2 Nr. 3 n.F vorgesehene Möglichkeit, bei der Eheschließung aus den Namen beider Ehegatten einen echten Doppelnamen bilden zu können, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Gleiches gilt für die in § 1617 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. vorgesehene entsprechende Anpassung bei der Bestimmung des Geburtsnamens des Kindes, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Ehenamen führen. Die zusätzliche Möglichkeit zur Wahl eines Doppelnamens entspricht dem nachvollziehbaren Wunsch, die Namen der Eltern als gleichrangig anzusehen und die Verbundenheit der Familie durch eine gemeinsame Namensführung ausdrücken zu können. Die in § 1354 Abs. 3 BGB n.F. vorgesehene Regelung, die die Namenswahl bei bereits bestehendem Doppelnamen dahingehend einschränkt, dass nur einer der beiden Doppelnamen weitergeführt werden kann, erscheint zur Vermeidung überlanger Namen praktikabel. Die Zulassung der Möglichkeit, den Familiennamen in einer geschlechtsangepassten Form zu führen, wie es insbesondere in Ländern des slawischen Raums üblich ist, dürfte integrative und identifikationsstiftende Wirkung entfalten und ist zu begrüßen.

 

II. Anpassung des Geburtsnamens bei Scheidungskindern und in Stiefkindfamilien

 

Einem praktischen Bedürfnis entspricht die durch § 1617 d BGB n.F. vorgesehene Möglichkeit, für Kinder geschiedener Eltern eine Änderung des Geburtsnamens vornehmen zu dürfen, wenn sie künftig im Haushalt des sorgeberechtigten Elternteils leben und der andere, auch sorgeberechtigte Elternteil der Änderung zustimmt. Bisher war eine entsprechende Namensänderung nur im Wege des aufwändigeren und restriktiveren öffentlich-rechtlichen Namensänderungsverfahrens möglich. Es erscheint daher sachgerecht, dass die Familiengerichte, bei denen die Scheidungsverfahren und die damit gegebenenfalls im Zusammenhang stehenden Kindschaftssachen verhandelt werden, auch über die Ersetzung der Einwilligung zu einer Änderung des Geburtsnamens entscheiden können. Zu begrüßen ist, dass durch § 1617 e BGB n.F. eine entsprechende Änderung des Geburtsnamens auch in Stieffamilien ermöglicht werden soll, wofür ein noch größeres Bedürfnis bestehen dürfte.

Im Hinblick auf den durchaus zu erwartenden Anstieg entsprechender Verfahren bei den Familiengerichten ist die entsprechende Belastung im Rahmen von PEBB§Y zu berücksichtigen. Abrufbare Daten über die Anzahl der Zustimmungsverfahren nach § 1618 BGB liegen nicht vor; diese werden nach § 151 Nr. 1 FamFG als Kindschaftssachen geführt und nicht gesondert gezählt.

 

III. Erwachsenenadoption

 

Durch die im § 1767 Abs. 3 BGB n.F. vorgesehene Möglichkeit für den Anzunehmenden im Fall der Erwachsenenadoption seinen bisherigen Namen behalten zu können, löst der Gesetzgeber das Spannungsfeld zwischen dem Interesse an der Fortführung des bisherigen Geburtsnamens und dem Normzweck des § 1757 BGB, die Zusammengehörigkeit der Familienmitglieder äußerlich sichtbar zu machen, zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) auf.

Auch wenn der Bundesgerichtshof in der jüngeren Vergangenheit dem möglichen Missbrauch der Erwachsenenadoption durch die strengere Auslegung der Voraussetzungen begegnet ist (BGH, B. v. 25.08.2021 XII ZB 442/18), würde die geplante Änderung doch eine deutliche Senkung der Hürden für die Erwachsenenadoption bedeuten, die mit zutreffendem Befund aus der Praxis kritisch gesehen wird (Staudinger/Helms (2019), BGB, § 1757, Rn. 10; aA Adamietz, in: FS-Kanzleiter [2010] 3, 13 ff).

Zutreffend weist die Gesetzbegründung für den Fall der „schwachen“ Erwachsenenadoptionen, für die die Wirkungen des § 1772 BGB nicht gelten, darauf hin, dass in diesen Fällen keine vollständige Integration der angenommenen Person erfolgt (S. 48), weshalb die ausnahmslose Versagung der Möglichkeit, den Geburtsnamen zu behalten, erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (Vorlagebeschluss des BGH v. 13.05.2020 – XII ZB 427/19; BeckOGK/Löhnig § 1757 Rn. 57ff.; aA Keuter FamRZ 2021, 165).

Eine Differenzierung nach sog. schwachen oder starken Erwachsenenadoptionen oder die Beschränkung der als Widerspruchsrecht geplanten Möglichkeit für den Anzunehmenden auf Fälle mit schwerwiegenden Gründen für die Beibehaltung des Geburtsnamens würde verfassungsrechtlichen Anforderungen aber wohl auch genügen.

 

IV. Internationales Namensrecht

 

Keine Bedenken bestehen auch gegen die in Artikel 10 Abs. 3 EGBGB n.F. vorgesehene Änderung bei der Bestimmung des Namens eines Kindes. Nach der Neufassung wird nunmehr auch die Wahl einer Rechtsordnung ermöglicht, die keine den familiären Bezug erkennbar machende Namenserteilung zwingend vorsieht. In der Gesetzesbegründung ist klargestellt, dass inhaltlich-materielle Aspekte einer konkreten Namenswahl nach einem gewählten ausländischen Recht nach wie vor auf der Ebene des Artikels 6 EGBGB (ordre public) zu prüfen sind. Damit wird verhindert, dass Rechtsordnungen zur Rechtswahl zur Verfügung stehen, die z. B. die Wahl von Phantasienamen vorsehen.

Die Änderung von Artikel 48 EGBGB, der der Vereinfachung der Wahl eines in einem anderen Mitgliedstaat der EU eingetragenen Namens nach deutschem Recht dient, ist uneingeschränkt zu begrüßen.

 

V. Denkbare Erweiterung des Entwurfs

 

Die Erwägungen, Artikel 10 und Artikel 23 EGBGB dahingehend zu ändern, dass künftig für den Namen einer Person nicht mehr an die Staatsangehörigkeit, sondern an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts angeknüpft werden soll, dürfte zu einer Vereinfachung bei der Anwendung des internationalen Namensrechts in der Praxis führen. Dies betrifft insbesondere Fälle der Mehrstaatlichkeit oder wenn Schwierigkeiten beim Nachweis der Staatsangehörigkeit bestehen. Da daneben nach wie vor die Möglichkeit der Rechtswahl nach Artikel 10 Abs. 3 EGBGB besteht, schränkt die Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht die Rechte der Beteiligten auch nicht ein.

 

VI. Zusammenfassung

 

Gegen die vorgesehenen Anpassungen bestehen keine Bedenken. Im Hinblick auf die angeführten Fälle, in denen die Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils zur Änderung des Geburtsnamens des Kindes vorgesehen ist, könnte es zu einem Anstieg entsprechender Verfahren bei den Familiengerichten kommen. Die damit verbundene Mehrbelastung und dann möglicherweise gebotene Anpassung ist in PEBB§Y zu berücksichtigen.