#12/18

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum zweiten Diskussionsteilentwurf des BMJV für ein Gesetz zur Reform des Vormundschaftsrechts

A. Tenor der Stellungnahme

Der Deutsche Richterbund  spricht sich gegen die Verwendung des Begriffes „Vormundschaft“ aus. Zeitgemäßer sind Begriffe wie „Fürsorge“ und „Sorge“.

Der Deutsche Richterbund fordert, dass der Begriff der Vorsorgevollmacht gesetzlich definiert wird und die formellen Voraussetzungen der Vorsorgevollmacht gesetzlich geregelt werden.

B. Bewertung im Einzelnen

Der zweite Diskussionsteilentwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschaftsrechtes strebt eine systematische Neuordnung des Vormundschafts-, Betreuungs- und Pflegschaftsrechts an. Schon vom Umfang des über 250 Seiten umfassenden Entwurfs wird deutlich, dass hier grundlegende Veränderungen hauptsächlich systematischer, aber auch inhaltlicher Natur stattfinden sollen.

I. Begrifflichkeiten

Vor diesem Hintergrund kann man es im Jahre 2018 als nicht mehr zeitgemäß bezeichnen, dass weiterhin der Terminus der „Vormundschaft“ verwendet wird. In Zeiten, in welchen gerade im Betreuungsrecht über die VN-Behindertenkonvention allerneueste Strömungen der Rechte von Menschen mit Behinderungen ebenso wie aktuellste psychiatrisch-ethische Strömungen Eingang finden, erscheint es als bemerkenswertes Kuriosum, wenn der auf das germanische Recht zurückgehende Begriff „munt“, der bekanntlich nichts anderes bedeutet als „väterliche Hausgewalt“ (noch immer ebenso instruktiv wie grundlegend Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, Kap. 4, Teil II Ziff. 4; man beachte im Übrigen den Anachronismus sowohl bei der allein dem Vater zugeschriebenen Macht, welche auch die Ehefrau umfasste, als auch die Verwendung des Begriffes der „Gewalt“) unverändert zurückgegriffen wird. Dies gilt umso mehr, als Worte wie Sorge oder Fürsorge umfassende bzw. allgemeine Sorge etc. zur Verfügung stehen und auf diesem Wege insbesondere das in weiten Teilen der Bevölkerung als stigmatisierend empfundene Institut der „Entmündigung“, welches einfach durch Entzug der o.a. Sorge pp. umschrieben werden könnte, bestehen bleibt.

Gleiches bleibt zu sagen für den konsequenterweise, gleichwohl aber ebenso unverständlich immer noch benutzten Begriff des „Mündels“ (der ebenso im beabsichtigten Gesetzestext wie auch der Begründung hierzu auftaucht).

Ganz im vorgenannten Sinne sei bereits an dieser Stelle als Einzelnorm § 1667 Abs. 2 BGB des Entwurfes erwähnt. Hier ist von „Kostbarkeiten“ die Rede. Es dürfte auf der Hand liegen, dass dieser Terminus leicht dem neuerlichen Sprachgebrauch angeglichen werden könnte, beispielsweise durch Verwendung von „Wertgegenständen“.

Insgesamt besehen mag so die geplante Reform inhaltlich einiges Neues bringen, sprachlich jedoch fällt sie durch die unveränderte Verwendung der genannten Begriffe weit hinter den in anderen Bereichen bereits erreichten Stand moderner Sprache zurück.

II. Definition der Vorsorgevollmacht

Des Weiteren kritisiert der Deutsche Richterbund, dass der Entwurf ein grundlegendes Versäumnis der Vergangenheit, nämlich die unterbliebene gesetzliche Umschreibung der Vorsorgevollmacht im neu zu schaffenden § 1820 BGB-E, nicht nachholt. Der Entwurf beschränkt sich auf die Übernahme der bisherigen Vorschrift. Klarstellungen zu den formellen Voraussetzungen (Formzwang, Widerruf und Vorliegen der „Geschäftsfähigkeit“ bei Abfassung der Vollmacht) sind unterblieben. Aus der Praxis heraus ist festzuhalten, dass sicherlich Bestimmungen zur Ausübung des Betreueramtes seit einiger Zeit überarbeitungswürdig sind. In der Bevölkerung allerdings sind aufgrund unbestimmter Ängste Fragen der Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht immer noch en vogue. Es dürfte Aufgabe des Gesetzgebers sein, bei diesem wichtigen und von ihm gewollten Institut endlich die erforderliche Klarheit zu schaffen.

III. Verschiebungen

Die „Verschiebung“ der bisher im Recht der Vormundschaft angesiedelten und über die Generalverweisung in § 1908i BGB anwendbaren Vorschriften zur Fürsorge und Aufsicht des Gerichts in die Regelungen zum Betreuungsrecht ist im Hinblick auf die Ausübung des Betreuungsamtes zu begrüßen. Dies führt insbesondere vor dem Hintergrund der absoluten Zahlen zu einer Aufwertung der tatsächlich maßgeblichen Verhältnisse.

Sehr schwer zu verstehen ist allerdings die Umbenennung der zurzeit in §§ 1896 ff. BGB angesiedelten Vorschriften zum materiellen Betreuungsrecht (geplant nun: §§ 1814 ff. BGB). Mag man auch die Absicht, eine gewisse Untergliederung in Betreuerbestellung, Führung der Betreuung (allgemeine Vorschriften, Personenangelegenheiten, Vermögensangelegenheiten), Fürsorge und Aufsicht des Gerichts, Beendigung der Betreuung etc. sowie Aufwendungsersatz und Vergütung, zur Verbesserung der Lesbarkeit begrüßen, so wird sich ohne Grund über einen langen Zeitraum eine Unsicherheit in der konkreten Normbezeichnung einstellen. Ob demgegenüber der Gewinn der Umstrukturierung so gravierend ist, mag zweifelhaft sein.

IV. Weiteres

Ansonsten sind im Hinblick auf die Ausgestaltung der Überwachungspflichten des Gerichtes die Abschaffung des Gegenvormundes, die klare Aufgliederung in Personen- und Vermögenssorge, die Pflicht zum Gespräch mit dem Mündel und insbesondere die Verlagerung von Genehmigungstatbeständen etc. im Betreuungsrecht zu begrüßen. Zudem dürfte die vorgesehene Differenzierung von Pflegschaften die rechtliche Anwendung zu verbessern.

Abschließend ist ebenfalls zu begrüßen, dass § 1817 BGB-E die Möglichkeit fortschreibt, mehrere Betreuer unabhängig von ihrer Stellung zum Betroffenen zu bestellen (was nun durchaus der bisherigen Regelungslage entspricht). Dies soll deswegen besonders positiv hervorgehoben werden, weil § 1776 BGB-E die Bestellung von mehreren Personen zum Vormund in Abweichung zur bisherigen Regelung nur noch bei Ehegatten möglich macht - was in seiner Zweckmäßigkeit durchaus zu hinterfragen sein dürfte.