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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zur Evaluation des BMJV zum Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) 

 

A. Tenor der Stellungnahme

Der Deutsche Richterbund spricht sich für eine Entfristung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) aus. Dabei mögen ergänzende Regelungen mit dem Ziel erwogen werden, die Effizienz dieses Verfahrens durch Beschleunigung zu verbessern.

 

B. Bewertung im Einzelnen

Das KapMuG ermöglicht Anlegern, unter bestimmten Voraussetzungen in verschiedenen rechtshängigen Prozessen gestellte rechtliche und tatsächliche Musterfragen einheitlich und verbindlich durch einen vom Oberlandesgericht erlassenen Musterentscheid mit bindender Wirkung für die Prozessgerichte klären zu lassen.  Bis zur Entscheidung im Musterverfahren sind die Ausgangsverfahren ausgesetzt. 

Der Anwendungsbereich des KapMuG ist begrenzt auf Rechtsstreite, in denen bestimmte Ansprüche geltend gemacht werden. Das KapMuG soll die Rechte von Kaptalanlegern stärken und die Justiz durch eine Bündelung von Verfahren entlasten. Zum 31. Oktober 2020 läuft dieses Gesetz aus und es besteht die Gefahr, dass es zu Rechtsunsicherheiten und zusätzlichen Belastungen für die zuständigen Gerichte kommt, falls der Gesetzgeber nicht rechtzeitig handelt.

 

Die vom BMJV aufgeworfenen Fragen werden wie folgt beantwortet:

1. Die KapMuG-Verfahren haben sich in der Praxis bewährt und zur Bündelung von Ansprüchen geführt, die – auch unter Berücksichtigung von Individualinteressen – einen praktikablen Ausgleich bringen können. Es existieren inzwischen über 100 veröffentlichte Vorlagebeschlüsse. Zudem konnten verschiedene streitige Fragen höchstrichterlich geklärt werden. Diese Umstände tragen natürlich zur Rechtssicherheit bei. In einigen Verfahren kommt es allerdings zu langen Verfahrensdauern. Dabei hängt die Verfahrensdauer auch von der Anzahl der Beteiligten ab. Im Durchschnitt dürften einige hundert Kläger beteiligt sein. Die Anzahl von einigen tausend Klägern kommt in der Praxis vor, bleibt aber die Ausnahme. Mit der Neufassung des KapMuG zum 1. November 2012 sind bereits einige Defizite beseitigt worden.

2. In § 3 Abs. 3 S. 1 KapMuG ist eine Bekannmachungsfrist von sechs Monaten vorgesehen. Diese Frist könnte verkürzt werden. Als Beispiel sei nur § 607 Abs. 2 ZPO genannt, der für die Musterfeststellungklage eine Frist von nur 14 Tagen vorsieht.

3. Bei den Beteiligungs-/Mitwirkungsrechten sollte auch eine gesteigerte Einflussmöglichkeit des jeweils zuständigen Oberlandesgerichts auf die Festlegung der Feststellungsziele erwogen werden. Dabei wird man wegen des Antragsprinzips nicht so weit gehen können, das allein das Gericht die zu klärenden Fragen formulieren sollte. Es wird aber in der gerichtlichen Praxis durchaus berichtet, dass es zu Fehlformulierungen kommt. Dies gilt es zu vermeiden. Es sollte sichergestellt werden, dass wirklich zielführende Feststellungen getroffen werden. Hier sollte den Gerichten ein entsprechendes Ermessen eingeräumt werden. Als Beispiel sei die Regelung des § 938 Abs. 1 ZPO genannt.

Problematisch ist weiter, das alle in den gemäß § 8 KapMuG ausgesetzten Verfahren Musterbeklagte werden können. Falls das Oberlandesgericht nicht über die Aussetzung des Verfahrens benachrichtigt, besteht die Möglichkeit, dass weitere Musterbeklagte nicht rechtzeitig in das Verfahren einbezogen werden. In diesem Fall müsste unter Umständen eine schon durchgeführte Beweisaufnahme zur Wahrung des rechtlichen Gehörs wiederholt werden.

4. Die Präklusion verspäteten Vorbringens sollte ebenso erwogen werden wie die Regelung der Reihenfolge des Vortrags der Parteien. Bei einer großen Komplexität könnte dies zu klareren Strukturen im Verfahren führen. Darüber hinaus sollte untersucht werden, ob nur eine Tatsacheninstanz vor dem Oberlandesgericht tatsächlich zu einer Beschleunigung führt. Der erste Eindruck dürfte dafür sprechen, dass nur eine Tatsacheninstanz Verfahrenszeit einsparen dürfte. Untersucht man allerdings gleichzeitig, ob diese Verfahren durch den Bundesgerichtshof häufiger und gegebenenfalls mehrfach aufgehoben und zur erneuten Tatsachenklärung zurückverwiesen werden, so kann sich die Frage stellen, ob die mit dem Wegfall einer Instanz angenommene Beschleunigung tatsächlich eingetreten ist.