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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Eine Regelung über Qualifikationsanforderungen für Insolvenzrichter bzw. Restrukturierungsrichter bei den Amtsgerichten in der bisherigen wie auch in der nunmehr erweiterten Fassung von § 22 Abs. 6 GVG erscheint nach Auffassung des Deutschen Richterbundes nicht geboten.

Die Erweiterung spezialisierter Spruchkörper bei den Landgerichten und Oberlandesgerichten (§§ 72a Abs. 1 Nr. 7, 119a Abs. 1 Nr. 7 GVG-E)  stellt zwar sicher, dass innerhalb des Gerichts eine häufigere Befassung der entscheidenden Spruchkörper mit der Materie eintritt (Erfahrungs- und Wissenszuwachs). Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass mit der Einrichtung von Spezialspruchkörpern - über eine Qualitätssteigerung hinaus - eine noch höhere Richtigkeitsgewähr für die richterlichen Entscheidungen erreicht werden kann. Der Vorschlag greift aber erneut in die Selbstverwaltung der Landgerichte und Oberlandesgerichte und insbesondere in die Entscheidungsbefugnisse der unabhängigen Gerichtspräsidien ein.

Von einer Konzentration eines bestimmten Sachgebiets an einem Gericht ist zu erwarten, dass sich durch die Übernahme dieses Sachgebiets aus anderen Gerichtsbezirken das Geschäftsaufkommen noch weiter erhöht und eine noch häufigere Befassung des entscheidenden Spruchkörpers mit dem Sachgebiet eintritt. Zuständigkeitskonzentrationen können aber dazu führen, dass sich bewährte Gerichtsstrukturen verändern.

Hinsichtlich weiterer Vorschläge zum StaRUG und der InsO besteht teilweise Zustimmung, teilweise bestehen Bedenken.

 

B. Bewertung im Einzelnen

 

1.) Stellungnahmefrist

Der Deutsche Richterbund bedauert, dass das BMJV für den mit 247 Seiten sehr umfangreichen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts gerade einmal eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen einräumt. Eine solche Frist ist unverhältnismäßig kurz und macht eine fachliche Auseinandersetzung mit dem Entwurf kaum möglich.

 

2.) Qualifikationsanforderungen für Insolvenz- und Restrukturierungsrichter in § 23 GVG-E

Der Referentenentwurf schlägt vor, dass die Qualifikationsanforderungen, die in § 22 Abs. 6 GVG für Insolvenzrichter vorgeschrieben sind, personell um Restrukturierungsrichter und sachlich um Restrukturierungssachen erweitert werden.

Eine Regelung über Qualifikationsanforderungen für Insolvenzrichter bzw. Restrukturierungsrichter in der bisherigen und der beabsichtigten Fassung von § 22 Abs. 6 GVG erscheint nach Auffassung des Deutschen Richterbundes nicht geboten. Jedem erfahrenen Praktiker ist nämlich bewusst, dass sich die hohen Erwartungen, die mit der Einführung des § 22 Abs. 6 GVG verbunden waren, in der Praxis gerade nicht erfüllt haben.

Die Regelung findet eine Parallele im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt, welcher besondere Qualifikationsanforderungen für Jugend- und Familienrichter implementieren will. Diese Vorhaben lassen besorgen, dass künftig jede juristische Sparte versuchen wird, für sich eine Sonderregelung im GVG zu erreichen. Die Einführung einer Sonderregelung für einzelne Rechtsgebiete lässt aber andere wichtige juristische Bereiche und damit das Große und Ganze außer Acht. So sollten etwa auch Betreuungsrichter, die stets sehr grundrechtssensible Entscheidungen treffen müssen, oder die Mitglieder eines Schwurgerichts über besondere Kompetenzen verfügen. Jedes Präsidium eines Gerichts weiß dies, gerade weil es in diesen Bereichen zu gravierendsten Freiheitsentziehungen und damit verbundenen Grundrechtseingriffen kommen kann.

Aus der Praxis kann nur bestätigt werden, dass die Präsidien so sensibel sind, dies bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Auch diese Entscheidungen sind Teil der richterlichen Unabhängigkeit. Sie sollten nicht durch immer neue Vorgaben im GVG eingeschränkt werden.

Soll ein insolvenz- oder restrukturierungsrechtliches Dezernat auf einen Richter übertragen werden, der nicht über belegbare Kenntnisse in den genannten Gebieten verfügt, verlangt § 22 Abs. 6 S. 3 GVG-E, dass ein zeitnaher Erwerb dieser Kenntnisse sichergestellt sein muss. Handelt es sich insoweit um eine Pflicht, besteht aber auch das Recht für den eingesetzten Richter, fehlende spezielle Qualifikationen baldmöglichst erwerben zu können. Dieses Recht ist durch ausreichende und zeitnahe Fortbildungsmöglichkeiten zu gewähren, wobei dem Richter eine entsprechende Arbeitsentlastung einzuräumen und er von Kosten (wie z.B. Reisekosten oder Fortbildungskosten bei externen Dienstleistern) freizuhalten ist.

 

3.) Spezialspruchkörper bei den Land- und Oberlandesgerichten  (§§ 72a, 119 GVG-E)

Der Vorschlag zur Erweiterung der Einrichtung von Spezialspruchkörpern  (§§ 72a Abs. 1 Nr. 7, 119a Abs. 1 Nr. 7 GVG-E) für Streitigkeiten und Beschwerden aus dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz greift erneut in die Selbstverwaltung der Landgerichte und Oberlandesgerichte und insbesondere in die Entscheidungsbefugnisse der unabhängigen Gerichtspräsidien ein. Diesem gesetzgeberischen Eingriff steht indes der Anspruch des Bürgers darauf, dass ein Rechtsstreit mit hohem richterlichem Sachverstand in angemessener Zeit richtig entschieden wird, gegenüber. In diesen Anspruch fügt sich ein, dass eine häufigere richterliche Befassung mit einer bestimmten Materie zu einer Qualitätssteigerung führt. Die Einrichtung spezialisierter Spruchkörper stellt sicher, dass innerhalb des Gerichts eine häufigere Befassung der entscheidenden Spruchkörper mit der Materie eintritt (Erfahrungs- und Wissenszuwachs), da die Verfahrenseingänge dem spezialisierten Spruchkörper zugewiesen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass mit der Einrichtung von weiteren Spezialspruchkörpern – über eine Qualitätssteigerung hinaus – auch in den neu geplanten Sachgebieten eine noch höhere Richtigkeitsgewähr für die richterlichen Entscheidungen erreicht werden kann.

Die gesetzliche Erweiterung von Spezialspruchkörpern bei den Land- und Oberlandesgerichten ist von der Entscheidung über die Besetzung dieser Spruchkörper zu unterscheiden. Entscheidungen über die Besetzung der Spruchkörper haben weiterhin die Präsidien zu treffen. Ausdrückliche gesetzliche Vorgaben gibt es hierzu nicht. Jedoch sollten auch ohne gesetzliche Vorgaben in den Spezialspruchkörpern grundsätzlich nur – jedenfalls mehrheitlich – entsprechend spezialisierte Richter eingesetzt werden.

Auch an dieser Stelle ist zu betonen, dass es hilfreich wäre, wenn die zeitlichen Vorläufe für eine Fortbildung bei der Deutschen Richterakademie verkürzt und die Anzahl der Fortbildungsmöglichkeiten für die Spezialbereiche deutlich erweitert werden würden. Auch ist es erforderlich, sicherzustellen, dass den sich fortbildenden Richtern sämtliche Reisekosten anlässlich der Teilnahme an der Fortbildung erstattet werden. Entsprechendes muss für Anmelde- und Übernachtungskosten gelten, wenn die Fortbildung nicht bei der Deutschen Richterakademie, sondern bei externen Fortbildungsdienstleistern stattfindet.

Mit der Spezialisierung des Richters ist die Erwartung verbunden, dass der Richter für eine nicht nur kurze Dauer in dem Spezialspruchkörper verbleibt. Denn die Spezialisierung kann ihre Wirkung einer höheren Richtigkeitsgewähr gegenüber dem Bürger nur dann vollständig entfalten, wenn der Richter die Gelegenheit hat, seine Spezialkenntnisse anzuwenden und zu vertiefen. Dies hat gleichzeitig zur Folge, dass Richter in den Spezialspruchkörpern für einen anderweitigen Einsatz im Gericht nicht mehr frei verfügbar sind. Die Spezialisierung schränkt damit auch die Entscheidungsflexibilität der Gerichtspräsidien ein. Diese verringerte Entscheidungsflexibilität wird vor allem kleinere Landgerichte vor Probleme stellen.

Die Spezialisierung eines Richters muss als Teil seiner Personalentwicklung begriffen werden. Die Spezialisierung darf aber in praktisch-tatsächlicher Hinsicht einer weitergehenden – flexiblen – Personalentwicklung des Richters nicht entgegenstehen. Auch dem spezialisierten Richter müssen Möglichkeiten zu einem anderweitigen Einsatz offenstehen. Außerdem muss in Bedacht genommen werden, dass die Spezialisierung des Richters und der sich daraus ergebende längere Verbleib bei einem Spruchkörper gleichermaßen ein Pluspunkt bei einer Beurteilung ist wie die Flexibilität eines Richters, der in unterschiedlichen Dezernaten und verschiedenen Gerichten oder Ministerien Erfahrungen sammelt.

Bei den Spezialspruchkörpern bleibt es möglich, die Verfahren von dem vollbesetzten Kollegium auf den Einzelrichter zu übertragen. Zwar ist erstinstanzlich in § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO auch das Kollegialprinzip für die Spezialbereiche nach § 72a Abs. 1 GVG-E verankert worden, die Übertragungsmöglichkeiten auf den Einzelrichter nach § 348a ZPO sind jedoch beibehalten worden. Auch die §§ 526, 527 ZPO (für die Berufungsgerichte) sind unverändert geblieben. Eine noch deutlichere Stärkung des Kollegialprinzips wäre indes zu befürworten gewesen. Denn eine Stärkung des Kollegialprinzips wäre eine weitere Maßnahme zur Sicherung und Steigerung der Qualität der Justiz gewesen. Die Entscheidungsfindung im Kollegium führt zu ständiger Selbstüberprüfung. Die Akzeptanz der Parteien ist bei Entscheidungen durch ein vollbesetztes Kollegium größer. Die Arbeit im Kollegium erfordert unzweifelhaft ein Mehr an Zeit und Arbeitskraft. Deshalb kann eine Stärkung des Kollegialprinzips nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn zugleich die Landesgesetzgeber und Landesjustizverwaltungen Sorge für eine angemessene Personalausstattung tragen.

 

4.) Konzentration von Unternehmensinsolvenzverfahren (§ 2 InsO-E)

Der Entwurf schlägt unter anderem vor, dass zum Aufbau spezifischer Expertise für Unternehmensinsolvenzen nur noch höchstens ein Insolvenzgericht je Landgerichtsbezirk zuständig sein kann.

Zwar ist von einer Konzentration eines bestimmten Sachgebiets an einem Gericht zu erwarten, dass sich durch die Übernahme dieses Sachgebiets aus anderen Gerichtsbezirken das Geschäftsaufkommen erhöht und eine noch häufigere Befassung des entscheidenden Spruchkörpers mit der Materie eintritt (Erfahrungs- und Wissenszuwachs). Auch wird die Übernahme eines Sachgebiets im Wege der Zuständigkeitskonzentration für das übernehmende Gericht einen Bedeutungsgewinn bringen. Jedoch können Zuständigkeitskonzentrationen auch zu einem „Rückzug der Gerichte aus der Fläche“ führen, längere Fahrtzeiten und höhere Fahrtkosten der Verfahrensbeteiligten nach sich ziehen und für das Zuständigkeiten abgebende Gericht zu einem Bedeutungsverlust führen. Zuständigkeitskonzentrationen können dazu beitragen, dass sich bewährte Gerichtsstrukturen verändern. Im Einzelnen:

Durch den Entwurf nimmt der Bund ohne zwingenden Grund Einfluss auf die Zuständigkeitsbestimmungen in den Ländern. Es sollte weiterhin den Bundesländern überlassen bleiben, ob und in welchem Umfang sie von der Öffnungsklausel in § 2 Abs. 2 InsO in der geltenden Fassung Gebrauch machen. Darüber hinaus könnte die geplante Änderung auch einen neuerlichen Einstieg in eine weitere Konzentration von Aufgaben bei größeren Amtsgerichten bedeuten. Dies könnte mittelfristig die Schließung von kleineren Amtsgerichten zur Folge haben.

Eine weitere Konzentration der Insolvenzgerichte im Bereich der Unternehmensinsolvenzen führt zu Nachteilen der Gläubiger, Schuldner und Verwalter. Bei der Größe einiger Landgerichtsbezirke müsste der vorgenannte Personenkreis im Falle einer Konzentration bei einer mündlichen Anhörung einfache Fahrtstrecken von bis zu 160 km oder auch mehr zurücklegen. Der Einwand, dass das Verfahren größtenteils schriftlich abgewickelt wird, kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Weigert sich der Insolvenzschuldner, die erforderlichen Angaben zu machen, kann das Gericht ihn zwangsweise vorführen lassen, um seine Pflichten durchzusetzen. Bei großen, ländlich geprägten Landgerichtsbezirken würde das eine Vorführung über eine Entfernung von mehreren hundert Kilometern bedeuten, verbunden mit den entsprechenden Kosten.

Die Ortsnähe des Insolvenzgerichts und die Kenntnis des Insolvenzrichters von den örtlichen wirtschaftlichen Begebenheiten ermöglichen gerade eine schnelle und effektive Behandlung des einzelnen Falles. Einem Insolvenzrichter, der wegen der örtlichen Entfernung keine Kenntnisse der wirtschaftlichen Verhältnisse vor Ort hat, dürfte ein entsprechendes Handeln wesentlich schwerer fallen. Auch würde die Überwachung des Insolvenzverfahrens durch das Gericht schwieriger werden, da dieses die Angaben der am Insolvenzverfahren Beteiligten mangels eigener Erkenntnisse vor Ort nicht mehr auf Plausibilität überprüfen könnte.

Eine zu starke Konzentration birgt zudem die Gefahr, dass nur noch die großen und einflussreichen Insolvenzverwalterkanzleien zum Zuge kommen und kleine Insolvenzverwalterbüros, mit denen sich auf regionaler Ebene eine gute und bewährte Zusammenarbeit entwickelt hat, nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Insolvenzverwalter sind aber gerade wichtig für ländlich und kleinstädtisch geprägte Bereiche mit überwiegend kleineren Unternehmen und weitgehend mittelständisch geprägter Wirtschaftsstruktur. Es ist zu beobachten, dass die regional tätigen Insolvenzverwalter hier einen engeren Bezug zur Sache haben und ein größeres Engagement einbringen als die großen Insolvenzverwalterkanzleien, bei denen diese Verfahren nicht im Mittelpunkt des Interesses stehen.

 

5.) Weitere Einzelpunkte

 

a) Regelungsreichweite des Restrukturierungsplanes (§ 6 StaRUG-E)

Die Klarstellung nicht gestaltbarer Forderungen in § 6 StaRUG-E ist sinnvoll. Allerdings gibt es hierzu auch kritische Anmerkungen, ob dies auch die Gestaltbarkeit von Forderungen aus rechtkräftig festgestellten Steuerhinterziehungen betrifft.

 

b) Plananlagen

Das StaRUG-E erwähnt an mehreren Stellen eine „Bescheinigung“ in der Begründung. Allerdings hat sich die Bescheinigung in Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) aus Sicht der Gerichte nicht bewährt. Es muss zumindest geregelt werden, von wem diese Bescheinigung erstellt werden darf und welchen Inhalt sie aufweisen muss.

 

c) Außergerichtliche Planabstimmung

Im Hinblick auf die Folgen nach § 67 Abs. 3 StaRUG-E erscheint es notwendig, hier eine Dokumentation vorzusehen, damit das Gericht diese gegebenenfalls nachvollziehen kann.

 

d) Einleitung des gerichtlichen Restrukturierungsverfahrens

Unklar ist, ob die drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 31 Abs. 2 StaRUG-E dem Gericht nachgewiesen oder erläutert werden muss oder ob die bloße Behauptung genügt. Angesichts des Missbrauchspotentials sollte dies geklärt werden.

Die Regelung in § 32 Abs. 3 StaRUG-E ist zu kompliziert und angesichts der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe nicht greifbar. Bis insoweit obergerichtliche Entscheidungen ergangen sind, dürfte dies eine erhebliche Rechtsunsicherheit hervorrufen.

Positiv ist die regelhafte zeitlich definierte Sperrvermutung für Folgeverfahren in § 33 Satz 5 StaRUG-E. Erfahrungsgemäß stellt die Folgeinsolvenz ein zunehmendes Problem im Sanierungsbereich dar.

 

e) Vorprüfung (§§ 47, 48 StaRUG-E)

Die Regelungen zur zwingenden gerichtlichen Vorprüfung sind unübersichtlich und unklar: §§ 47, 48 StaRUG-E regeln ein neuartiges Verfahren der gerichtlichen Vorprüfung eines nicht im gerichtlichen Verfahren abzustimmenden Planes. Es ist jedoch systemfremd, dass ein Richter Entscheidungen in einem ansonsten nicht rechtshängigen Verfahren trifft.  Zudem ist unklar, ob § 46 StaRUG-E auch für dieses Verfahren einen Termin erforderlich macht oder rein schriftlich entschieden wird. Offen bleibt auch, wer vor dieser Entscheidung anzuhören ist.

 

f) Planbestätigung (§§ 64 ff. StaRUG-E)

§ 70 StaRUG-E ist recht restriktiv, was zu begrüßen ist. Allerdings ist ein „Widerspruch“ in § 68 Abs. 2 StaRUG-E nicht vorgesehen, sondern nur von Geltendmachung und Glaubhaftmachung einer Schlechterstellung die Rede.

 

g) Vertragsbeendigung (§§ 49 ff. StaRUG-E)

Die Regelungen erscheinen bedenklich. Auch hier werden mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, was bis zur obergerichtlichen Klärung zu Rechtsunsicherheit führen dürfte. Zudem werden hier Elemente des gerichtlichen Insolvenzverfahrens in privatrechtliche Regelungen übertragen.

 

h) Stabilisierungsanordnung (§§ 53 ff. StaRUG-E)

Die Regelung des § 53 Abs. 2 S. 2 StaRUG-E ist unklar und sollte auf planbetroffene Gläubiger beschränkt werden.

Die Regelung des § 62 StaRUG-E ist ohne Mitteilungspflichten wirkungslos. Das Restrukturierungsverfahren ist in der Regel nicht öffentlich (§ 88 StaRUG-E), der Gläubigerantrag kann an einem anderen Gericht gestellt sein. Eine automatische Aussetzung des anderweitigen Insolvenzverfahrens ist zudem kontraproduktiv, da ein zugelassener Gläubigerantrag eine Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Insolvenzgrundes beinhalten wird (vgl. § 14 InsO). Damit liegt ein Aufhebungsgrund i.S.v. § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG vor.

 

i) Restrukturierungsbeauftragte

Der Fall des § 77 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG-E ist beim Begriff „berührt“ klar zu stellen. Nahezu jeder größere drohende Insolvenzfall „berührt“ Verbraucher und Kleinunternehmer, z.B. als Kunden oder Gläubiger von Dienstleistungen/Gutscheinen. Falls dies gemeint ist, ist die Bestellung des Beauftragten quasi Regelfall.

Die Regelung sollte schlicht dahingehend lauten, dass das Gericht bei Antrag auf Stabilisierungsanordnung einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen kann. Der Beauftragte ist für das Gericht bei den weitreichenden Moratoriumsentscheidungen nahezu unverzichtbar.

In § 78 Abs. 2 StaRUG-E wird eine Bescheinigung angesprochen. Ihr Inhalt und der Kreis der erlaubten „Bescheiniger“ sind jedoch ungeregelt. Angesichts der schlechten Erfahrungen mit der Bescheinigung in § 270b Abs. 1 InsO (die sogar den Kreis der Bescheiniger beschränkt), sollten die Voraussetzungen näher bestimmt oder auf eine Bescheinigung verzichtet werden. Allenfalls zum Schutz der Richter vor Haftung macht eine Bescheinigung Sinn.

 

j) Vergütung

Das Restrukturierungsgericht soll bereits mit der Bestellung den Stundensatz des Beauftragten, seiner Mitarbeiter und das Gesamtbudget beschwerdebewehrt festsetzen (§ 85 Abs. 4, § 86 Abs. 4 StaRUG-E). Dies kann zu Verzögerungen des Verfahrens führen, wenn u.U. erst die „Eckdaten“ des Verfahrens ermittelt werden müssen. Insoweit wäre sicherzustellen, dass diese bereits mit dem Antrag vorgelegt werden.

 

k) Gerichtliche Zuständigkeit (§§ 3, 3a InsO)

Das in § 3 Abs. 2 InsO-E vorgesehene Wahlrecht „des Schuldners“ lässt Gläubigeranträge außer Betracht. Vorzuziehen wäre dann wohl eine ausschließliche Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichtes.

 

l) Gläubigerinformationssystem (§ 5 Abs. 5 InsO-E)

Die Umsetzung der Forderung nach einem elektronischen Gläubigerinformationssystem wird begrüßt; allerdings wird dieses von größeren Verwalterbüros ohnehin schon vorgehalten.

 

m) Vorgespräch (§ 10a InsO-E)

Eine gesetzliche Normierung des Vorgesprächs wird begrüßt.

Die Regelung in § 10a Abs. 2 InsO-E ist unpraktikabel. Es ist oft schon schwer, überhaupt Gläubiger für diese Tätigkeit zu gewinnen. Sie kann zudem dazu führen, dass nur „genehme“ Gläubiger in das Gremium gelangen, was gerade nicht Sinn der Sache ist.

 

n) Regelungen zu Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (§§ 15 – 19 InsO-E, § 4 COVInsAG-E)

Die in Aussicht genommene neue Abgrenzungsdefinition zwischen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung wird begrüßt.

 

o) Bestellung des bisherigen Restrukturierungsbeauftragten zum Verwalter/Sachwalter

Die in Aussicht genommene Regelung des § 56 Abs. 1 S. 2 InsO-E würde über § 274 Abs. 1 InsO auch für den Sachwalter gelten. Hinzuweisen ist darauf, dass die Bestellung einer vorherig tätig gewesenen Bestellungsperson, wie die Begründung zutreffend wiedergibt, Inhabilitätsprobleme aufwerfen kann, dies aber vom Einzelfall abhängig ist. Insofern sollte eine generelle mit der Regelung verbundene inzidente Besetzungs-„Sperre“ für diejenigen Verfahren, in denen – aus Zeit- oder Besetzungsfindungsgründen – ein vorläufiger Gläubigerausschuss nicht oder noch nicht besteht, nicht angeordnet werden. Es würde hierfür genügen, in der Begründung klarzustellen, dass die Regelung nur Wirkung für die Fälle des § 22a Abs. 1 InsO entfaltet.

 

p) Änderung der Bedeutung der Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses vor Bestellung (§ 56a InsO-E)

Die neue Regelung in § 56a Abs.1 InsO-E würde im Ergebnis bedeuten, dass mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters/Sachwalters bis zu einem Votum des vorläufigen Ausschusses zuzuwarten ist, sofern nicht binnen zwei Werktagen nachteilige Vermögensveränderungen zu erwarten sind. Innerhalb dieser Frist kann ein vorläufiger Gläubigerausschuss aber tatsächlich kaum gebildet werden. Die Regelung erscheint daher überflüssig. In der Praxis wird entweder ein vorläufiger Gläubigerausschuss sofort bestellt und vom Gericht angehört oder die Bestellung dauert ersichtlich länger, so dass sofort ein vorläufiger Verwalter/Sachwalter bestellt werden kann.

In der Praxis gelangt das Gericht auch nicht binnen zwei Tagen zu irgendeiner Erkenntnis über die finanzielle Lage. Diese wird allenfalls von Gläubigern (in der Regel Banken oder dem Finanzamt) mitgeteilt, die aber normalerweise erst später vom Antrag erfahren.

Im Übrigen berücksichtigt die Regelung nicht, dass das Gericht zunächst einen Insolvenzsachverständigen bestellen könnte. Dieser wäre nach kurzer Einarbeitungszeit bereits sachkundiger als jeder der übrigen möglichen Kandidaten und daher später – gegebenenfalls mit dieser Begründung – zu bestellen.

Auf die Regelung sollte daher verzichtet werden.

 

q) Einbeziehung v. gruppeninternen Drittsicherheiten (§§ 217 Abs. 2, 220 Abs. 3, 222 Abs. 1 Nr. 5, 230 Abs. 4, 238b, 245 Abs. 2a, 254 Abs. 2 Inso-E)

Die Einbeziehungsmöglichkeit für gruppeninterne Drittsicherheiten wird begrüßt. Allerdings ist zum Umfang der „angemessenen“ Entschädigung nach § 223a S. 2 InsO-E klarzustellen, dass dieser außerhalb des Planverfahrens gemäß §§ 251 Abs. 3, 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO im Streitfall zu klären wäre.

 

r) Vergleichsrechnung (§§ 220 Abs. 2, 245a, 251 Abs.1 Nr. 2, 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO-E)

Die ausdrückliche Erwähnung der Vergleichsrechnung und die Festlegung, dass Vergleichsbasis beim Fortführungsplan nicht das Regelinsolvenzverfahren als Liquidationsverfahren ist, wird begrüßt.

 

s) Kompetenzen des Insolvenzverwalters nach Aufhebung (§ 221 S. 2 InsO-E)

Die Regelung ist dem Verfahren systemfremd, denn mit Verfahrensaufhebung erlischt die Kompetenz des Insolvenzverwalters wie auch der Massebeschlag; Nachtragsverteilung findet im Insolvenzplanverfahren nicht statt. Die Verteilung wäre ggf. im Plan zu regeln.

 

t) § 258 Abs. 3 InsO-E

Die Fixierung der Geltung der Aufhebung des Verfahrens nach Plan mit § 258 Abs.3 InsO ist zu begrüßen.

 

u) Umkehrung der Abfolge Stellungnahmen/Vorprüfungsentscheidung (§§ 231, 232 InsO-E)

Die Regelung wird begrüßt. Die Umkehr der Reihenfolge entspricht den Bedürfnissen der Praxis. Häufig können die Verfahrensbeteiligten dem Gericht Umstände mitteilen, die erst verdeutlichen, dass der darstellende Teil unvollständig oder der gestaltende Teil nicht umsetzbar ist. Außerdem kann das Gericht auf diese Weise die vom BGH gestattete vorgezogene Berücksichtigung von § 245 InsO durchführen. Die Zuleitung des Planes sollte indes erst erfolgen (müssen), wenn das Gericht selbst den Plan im ersten Schritt für nicht nachbesserungswürdig erkannt hat. Insofern ist zu regeln, dass die Nachbesserungsauflage nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorher erfolgen kann.

 

v) Antragstellung und Eigenverwaltungsplanung (§ 270a InsO-E)

Der in § 270a InsO-E nunmehr vorgesehene „Kanon“ der notwendigen Antragsunterlagen orientiert sich an den Vorschlägen der insolvenzgerichtlichen Praxis. Eine Normierung wird aber begrüßt.

 

w) Anordnung der Eigenverwaltung (§ 270b InsO-E)

Die Nichterfüllung der erstmals mit § 270a InsO statuierten Antragsanforderungen führt zu Nichtanordnung. Eine einstweilige Anordnung erscheint nicht notwendig, da ja nur drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Zu begrüßen ist der gesonderte Aufhebungstatbestand in § 270e Abs. 1 Nr. 2 InsO-E.

Die weitere Regelung in § 270b Abs. 2 InsO-E regelt sodann eine „Ausnahme-Anordnung“, deren Voraussetzungen allerdings vage sind.

 

x) Ablauf des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens (§§ 270c, 274 Abs. 2 S. 2 InsO)

Die genaue Regelung der Aufträge an den vorläufigen Sachwalter ist auch mit Blick auf dessen Vergütung zu begrüßen.

Die Neuregelung des § 274 Abs. 2 S. 2 InsO-E ist eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass der eigenverwaltende Schuldner „eigenverwaltungsfähig“ sein muss (nunmehr § 270a Abs. 1 Nr. 4 InsO-E). Der Ersatz von solchen Fähigkeiten durch die Sachwaltung scheidet aus Neutralitätsgründen aus. Die Regelung sollte gestrichen werden.

§ 270c Abs. 4 InsO-E lässt nunmehr nur noch Einzelermächtigungen in Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren zu. Weshalb in der gesetzlichen Regelung (Satz 2) und der Gesetzesbegründung dem Gericht freigestellt wird, nicht durch den Finanzplan gedeckte Masseverbindlichkeiten begründen zu lassen (RefE, S. 224), ist nicht nachvollziehbar.

 

y) Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung (§ 270e InsO-E)

Zu begrüßen ist, dass erstmals die Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung geregelt wird.

Wünschenswert wäre die Änderung von § 270e Abs. 1 Nr. 4 InsO-E dahingehend, dass der vorläufige Sachwalter auch allein die Aufhebung beantragen können darf.

Die in § 270e Abs. 4 InsO-E vorgesehene Veröffentlichung der Aufhebungsgründe im Eröffnungsbeschluss dürfte dem Unternehmen eher schaden. Ausreichend erscheint eine Information (lediglich) der Gläubiger, etwa über das Gläubigerinformationssystem.

 

z) Sondersachwaltung (§ 274a InsO-E)

Die neue Amtsperson befriedigt ein Bedürfnis der insolvenzgerichtlichen Praxis in Fällen des Anscheins von etwaigen Interessenkonflikten.

 

z1) Änderung der InsVV

Die vorgeschlagenen Änderungen begegnen keinen Bedenken.