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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Der Deutsche Richterbund begrüßt den Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet in seiner Gesamtheit ausdrücklich.

Plattformen im Internet, auf denen verbotene Gegenstände und Dienstleistungen angeboten und nachgefragt werden, spielen für bestimmte Deliktsfelder – wie etwa den Handel mit Betäubungsmitteln, Waffen, gehackten Passwörtern oder Kinderpornographie – eine zunehmend wichtige Rolle. In der Praxis der Strafverfolgung besteht nicht selten die Schwierigkeit, strafwürdiges Verhalten mit dem geltenden Regelungsregime zu erfassen. Dies gilt – worauf die Entwurfsbegründung zutreffend hinweist – insbesondere in Fällen, in denen Plattformen vollautomatisiert betrieben werden. Denn in solchen Konstellationen muss die plattformbetreibende Person keine Kenntnis davon haben, welche Waren konkret Gegenstand der auf der Plattform abgewickelten Geschäfte sind. Mit den bisherigen strafrechtlichen Konstruktionen von Täterschaft und Teilnahme ist diese Form der Kriminalität nicht immer angemessen zu erfassen, obwohl auch aus Sicht des Deutschen Richterbundes in diesem wachsenden Deliktsfeld eine konsequente und effektive Strafverfolgung unbedingt geboten ist.

Der Referentenentwurf schließt mit der Einfügung des neuen Straftatbestandes des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet (§ 127 StGB-E) eine Regelungslücke und leistet damit einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung von Kriminalität, die aufgrund der Anonymität im Internet in vielerlei Hinsicht vereinfacht und verstärkt wird. Aus Sicht des Deutschen Richterbundes besteht lediglich mit Blick auf den Wortlaut der neu zu schaffenden Vorschrift sowie den in § 127 Abs. 2 StGB-E enthaltenen Straftatenkatalog Optimierungsbedarf.

Soweit der Entwurf den Ermittlungsbehörden weitergehende Ermittlungsbefugnisse an die Hand gibt, ist dies zu begrüßen. Der Deutsche Richterbund bedauert jedoch die fehlende Aufnahme des § 127 Abs. 3 StGB-E in den Straftatenkatalog von § 100g StPO.

Freilich wird allein mit der Schaffung eines neuen Straftatbestandes sowie einer punktuellen Erweiterung von Ermittlungsmöglichkeiten die Bekämpfung krimineller Plattformen im Internet nicht gelingen. Die Strafjustiz arbeitet bereits gegenwärtig an ihrer Belastungsgrenze. Die zahlreichen Gesetzesvorhaben im Bereich des Strafrechts in der jüngeren Vergangenheit münden in einen signifikanten Mehraufwand, ohne dass dem eine spürbare Stärkung der personellen und sachlichen Ressourcen gegenüberstünde.

Internetkriminalität kann nur dann effektiv und nachhaltig bekämpft werden, wenn die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden über die notwendigen personellen Ressourcen und technischen Kapazitäten verfügen.

 

B. Bewertung im Einzelnen

 

1. Der Grundtatbestand des § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB-E

Der Deutsche Richterbund begrüßt, dass der neu einzufügende Tatbestand des § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB-E keine Einschränkung auf Plattformen vorsieht, deren Zugang und Erreichbarkeit durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt ist. Eine solche Einschränkung dürfte aus Sicht der Praxis nicht zielführend sein, da auch im sogenannten Clearnet digitale Marktplätze existieren, auf denen illegale Waren und Dienstleistungen angeboten werden.

Damit geht die Notwendigkeit einher, durch eine Einschränkung des Tatbestandes den Betrieb von Plattformen mit rechtmäßigem Geschäftsmodell und redlichen Zielsetzungen von dem Anwendungsbereich des § 127 Abs. 1 StGB-E auszunehmen. Aus Sicht der Praxis kann dies durch die Formulierung in § 127 Abs. 1 StGB-E „deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Sinne des Satzes 2 zu ermöglichen oder zu fördern“ sichergestellt werden.

Im Hinblick auf einen Teilbereich der in § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB-E genannten Deliktsformen dürfte es indes sachgerechter sein, die Strafbarkeit nicht auf Handelsplattformen im Internet (Hervorhebung nur hier) zu beschränken, sondern die Formulierung „Plattform im Internet“ zu wählen. Denn insbesondere Plattformen im Bereich der Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind vielfach nicht auf einen Handel im Sinne eines (entgeltlichen) Austauschs ausgerichtet.

Durch die vorgeschlagene Formulierung könnten etwaige Strafbarkeitslücken beziehungsweise Schwierigkeiten bei der Auslegung der Vorschrift verhindert werden.

 

2. Der Straftatenkatalog des § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB-E

Die Aufnahme eines Straftatenkatalogs in § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB-E ist aus Sicht der Praxis dazu geeignet, die aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips erforderliche Beschränkung tatbestandlichen Handelns herbeizuführen. Auf diese Weise wird eine ausufernde Strafbarkeit verhindert und die notwendige Rechtssicherheit für Betreiber von Plattformen im Internet garantiert. Zugleich erfasst der vorgesehene Straftatenkatalog aus Sicht des Deutschen Richterbundes weit überwiegend die maßgeblichen Bereiche und Waren, die regelmäßig auf illegalen Plattformen gehandelt werden.

Aus Sicht der Praxis besteht lediglich punktueller Nachbesserungsbedarf.

Etwa sollte erwogen werden, die Liste der Vergehen in § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB-E um die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) zu ergänzen.

Mit dem Auftreten und der Verbreitung immer neuer chemischer Varianten bekannter Betäubungsmittel und psychoaktiver Stoffe, die nicht unter den Arzneimittelbegriff und das Arzneimittelgesetz fallen und in die Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) lediglich mit erheblicher zeitlicher Verzögerung aufgenommen werden können, entstand eine Regelungs- und Strafbarkeitslücke, welche durch das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz geschlossen wurde. Der Konsum von Neuen Psychoaktiven Stoffen kann schwere Folgen nach sich ziehen. In Deutschland und dem übrigen Europa sind bereits Todesfälle aufgetreten, bei denen der Konsum einer oder mehrerer dieser Stoffe nachgewiesen werden konnte. Die Gefährlichkeit dieser Stoffe spricht für die Aufnahme des § 4 Abs. 1 Nr. 1 NpSG in den Straftatenkatalog des § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB-E. Da in § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB-E bereits Strafnormen aus dem Betäubungsmittelgesetz, dem Arzneimittelgesetz sowie dem Grundstoffüberwachungsgesetz erfasst sind, würde sich § 4 Abs. 1 Nr. 1 NpSG ohne weiteres in Zielrichtung und Systematik des Referentenentwurfs einreihen.

Darüber hinaus bietet sich aus Sicht der Praxis eine Ausweitung von § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 e) StGB-E an. Die in der gegenwärtigen Fassung enthaltenen Tatbestände des § 52 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 Nr. 1 WaffG haben eher spezielle Waffenarten zum Gegenstand.

Bei dem Anschlag von München 2016, bei dem neun Menschen am Münchener Olympia-Einkaufszentrum getötet wurden, verwendete der Täter eine halbautomatische Selbstladepistole des Typs Glock 17. Diese Waffe hatte der Täter zuvor über ein Darknetforum erworben. Auch der norwegische Rechtsextremist Anders Behring Breivik verwendete bei seinen Anschlägen in Oslo und auf der Insel Utoya im Jahr 2011 unter anderem eine großkalibrige Glock 17.

Plattformen, auf denen solche halbautomatischen Kurzwaffen angeboten werden, wären von § 127 StGB-E gegenwärtig nicht erfasst.

Aus diesem Grunde dürfte es zielführend sein, § 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG (insb. erlaubniswidriger Erwerb und Besitz halbautomatischer Kurzwaffen, wie z. B. einer Glock 17) und § 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) WaffG (im Sinne einer Unternehmung betriebener Handel etc. mit Schusswaffen oder Munition ohne Erlaubnis) in den Straftatenkatalog des § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB-E aufzunehmen.

 

3. § 127 Abs. 3 StGB-E: Qualifikation lediglich bei gewerbsmäßiger Begehung

Der Deutsche Richterbund begrüßt ausdrücklich, dass die gewerbsmäßige Begehung in § 127 Abs. 3 StGB-E mit einer erhöhten Strafandrohung versehen wird.

In diesem Zusammenhang dürfte es zielführend sein, in § 127 Abs. 3 StGB-E zudem alternativ die bandenmäßige Begehung mit einer erhöhten Strafandrohung zu versehen, etwa mit folgender Formulierung: „Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Tat gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande begeht“.

Denn der Zusammenschluss mehrerer Personen birgt unter anderem aufgrund der Möglichkeit des arbeitsteiligen Vorgehens und des Tätigwerdens in speziell zugeordneten Aufgabengebieten die Gefahr von intensiveren Rechtsbrüchen. Dies rechtfertigt regelmäßig eine erhöhte Strafandrohung (vgl. etwa §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a Abs. 1, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB, § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG).

Eine solche Erweiterung des Qualifikationstatbestandes hätte darüber hinaus strafprozessuale Konsequenzen. Bei entsprechender Änderung des § 127 Abs. 3 StGB-E könnte der erhöhten Gefährlichkeit des bandenmäßigen Betriebs einer solchen Plattform durch erweiterte Ermittlungsmöglichkeiten begegnet werden, da auf diese Weise gemäß Artikel 2 des Referentenentwurfs („Änderung der Strafprozessordnung“) die bandenmäßige Begehung ebenfalls in die Kataloge des §§ 100a Abs. 2 und 100b Abs. 2 StPO-E aufgenommen werden würde.

 

4. Zur Erweiterung der Ermittlungsmöglichkeiten

Der Entwurf sieht vor, die Katalogtaten der Telekommunikationsüberwachung und der Onlinedurchsuchung punktuell zu erweitern. Der Deutsche Richterbund begrüßt diese Erweiterung der strafprozessualen Ermittlungsmöglichkeiten ausdrücklich. Die bestehenden Ermittlungsbefugnisse werden gezielt und sinnvoll ergänzt.

Demgegenüber sieht der Referentenentwurf nicht vor, den Straftatenkatalog der Vorratsdatenerhebung in § 100g Abs. 2 Satz 2 StPO um § 127 Abs. 3 StGB-E zu erweitern.

Diese Auslassung ist aus Sicht des Deutschen Richterbundes nicht konsequent.

Mit einer entsprechenden Erweiterung von § 100g Abs. 2 Satz 2 StPO würde eine umfassende Erhebung von Verkehrsdaten möglich und den Ermittlungsbehörden damit ein weiteres wichtiges Ermittlungsinstrument an die Hand gegeben. Wenn der Zugriff auf die Telekommunikation eines zunächst anonym handelnden Täters möglich ist, so ist es nur folgerichtig, die Ermittlungsbehörden zugleich in die Lage zu versetzen, auch den Standort und die Identität des Täters zu ermitteln sowie umfassenden Zugriff auf sämtliche seiner Telekommunikationspartner zu haben. Nicht selten dürfte in der Praxis die Erhebung von Verkehrsdaten die einzig erfolgversprechende Ermittlungsmaßnahme für die Auswertung der bei Taten nach § 127 StGB-E zentralen internetbasierten Kommunikation darstellen.

Darüber hinaus geht der Betrieb einer kriminellen Plattform häufig mit Straftaten etwa aus dem Bereich des Kindesmissbrauchs oder des Drogen- und Waffenhandels einher, bei denen es sich regelmäßig um Taten von im Einzelfall erheblichem Gewicht im Sinne des § 100g Abs. 2 StPO handelt. Es erscheint daher nur konsequent, wenn das mit § 127 Abs. 3 StGB-E zu sanktionierende Ermöglichen und Fördern solcher Straftaten ebenfalls in den Katalog des § 100g Abs. 2 StPO aufgenommen würde.