Erfurt. Vor rund 60 interessierten Zuhörern aus Politik, Verwaltung, Anwaltschaft und Justiz fand im Landgericht Erfurt die zweite Veranstaltung der DRB-Reihe „Justiz im Dialog“ 2017 statt. Auf Einladung des Deutschen Richterbundes und des Thüringer Richterbundes diskutierten Experten aus Wissenschaft, Justiz und Verwaltung zum Thema „Reichsbürger – eine Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat?“. Nach einer Begrüßung der Gäste durch Holger Pröbstel (Bild oben), Vorsitzender Richter am Landgericht und Vorsitzender des Thüringer Richterbundes, führte Thomas Schulz (Bild unten) vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz in das Thema ein und gab einen umfassenden Überblick über die aktuelle Situation in der Reichsbürgerszene. Er machte deutlich, dass der Begriff „Reichsbürger“ nur eine Gruppe der „Staatsverweigerer“ darstelle. 12.400 Personen würden dieser Gruppe bundesweit aktuell zugeordnet, im vergangenen Jahr habe es einen Anstieg um 2.500 Personen gegeben. Die Gruppe der „Reichsbürger“ habe bisher insgesamt ca. 13.000 Straftaten begangen, mit steigendem Anteil an Gewaltdelikten. Besorgniserregend sei die zunehmende Radikalisierung. Ziel sei häufig die Justiz als Hauptgegner.
Die anschließende Diskussionsrunde wurde von dem exzellent vorbereiteten Politikwissenschaftler Trystan Stahl von der Universität Potsdam moderiert. Unter reger Beteiligung des Publikums diskutierten der stellvertretende Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz Roger Derichs, Oberstaatsanwalt Gerhard Wetzel von der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg sowie Joachim Lüblinghoff, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Richterbundes.
Derichs betonte, dass es sich bei den Reichsbürgern um keinen „neuen Extremismus“ handele. Er wies darauf hin, dass es in dieser Gruppe eine im Vergleich zur normalen Bevölkerung fünf Mal so hohe Bewaffnung gebe. Die Entwaffnung sei keine einfache Sache. Wetzel betonte, dass die Gefahr von gewalttätigen Handlungen steige. Eine konsequente Verfolgung von Taten sei dringend geboten. Es dürfe keine Verfahrenseinstellungen geben und die Strafvollstreckung müsse konsequent betrieben werden. Lüblinghoff forderte, dass die Richterinnen und Richter mehr sensibilisiert werden müssten. Eine gute Vorbereitung von Hauptverhandlungen sei unabdingbar, um Störungen vorzubeugen. Alle waren sich in ihrer Einschätzung einig, dass die „Reichsbürgerbewegung“ tatsächlich eine ernsthafte Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat darstelle.
Die anregende Diskussion dauerte fast zwei Stunden und fand ihren Abschluss in einer Fragerunde des Publikums.
Beim anschließenden Empfang gab es Gelegenheit zum weiteren Austausch. Nach Einschätzung aller Beteiligten eine gelungene Veranstaltung!