Diskussion über die Zukunft der bayerischen Justiz

München. Was muss angepackt werden, um die Rahmenbedingung für die bayrische Justiz so zu gestalten, dass dort gerne gearbeitet wird, Beruf und Familie vereinbar sind, es nicht an Nachwuchs mangelt bzw. die Arbeitsbedingung attraktiv belieben.

Diese und viele andere Themen, Herausforderungen und Chancen wurden auf der DRB-Veranstaltungsreihe „Justiz im Dialog“ in der bayrischen Landeshauptstadt von den rechtspolitischen Sprecher von CSU, SPD, Freien Wählern, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP am 4. Juli 2018 in München diskutiert. Ihr Anliegen, wie die Justiz ihren wichtigen Aufgaben bei der Wahrung und Sicherung des Rechtsstaats gerecht werden könne.

Die Vorsitzende des Bayerischen Richtervereins Andrea Titz wies in ihrer Begrüßungsrede darauf hin, dass die Justiz immer mehr Aufgaben erhalte, z.B. im Bereich der  Vermögensabschöpfung oder der Beurteilung von Gefährdern. Auch die vielfältigen Erscheinungen der Internetkriminalität und das Aufkommen der Reichsbürger gehörten dazu; darüber hinaus bedingten die gesellschaftlichen Entwicklungen immer komplexere Wirtschaftsstrafverfahren.

Der Rechtsstaatspakt und die angekündigten oder schon verwirklichten Stellenmehrungen seien erfreulich, aber nicht genug, um die vorhandenen Aufgaben zu bewältigen. Eine funktionierende Justiz sei jedoch Grundvoraussetzung für das Funktionieren des Rechtsstaats. Hierauf sei umso mehr zu achten, wenn man sehe, wie der Rechtsstaat etwa in der Türkei, in Polen oder in Ungarn ums Überleben kämpfe.

Wiedereinführung des Bayerischen Obersten Landesgericht

In der vom Ehrenvorsitzenden des Bayerischen Richtervereins Walter Groß geleiteten Diskussion ging es zunächst um die Wiedereinführung des Bayerischen Obersten Landesgerichts. Die Politiker der Opposition wiesen darauf hin, dass das Gericht handstreichartig abgeschafft und jetzt willkürlich wiedereingeführt werde, was dem Obersten Landesgericht in keiner Weise gerecht werde. Bis auf Rechtsanwältin Böcking von der FDP, die sich nicht eindeutig festlegte, versprachen jedoch alle Oppositionspolitiker, die Wiedereinführung zu unterstützen.

Auf die Frage, wann die Zusage komme, PEBB§Y  1:1 umzusetzen, verwies CSU-Sprecherin Petra Guttenberger auf die vielen neu geschaffenen Stellen für Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger und Servicekräfte; ihrer Fraktion sei bewusst, dass mehr Polizei auch mehr Anforderungen an die Gerichte bedeute. Die Haushaltspolitiker seien hoch sensibilisiert.

Attraktiver werden

Auf die Frage, was man tun könne, um das Gesamtpaket „Justiz“ für Jura-Absolventen attraktiver zu machen, waren sich alle einig, dass der Staat auch mit Blick auf die Gebäude, das Arbeitsumfeld und den Stellenaufbau attraktiv bleiben müsse. Landtagsvizepräsidentin Ulrike Gote von den Grünen verlangte daneben, die Arbeitsbelastung abzubauen, aber auch Befristungen aufzulösen. Zusätzlich sei sie für eine Anhebung der Eingangsbesoldung. Sie biete einen Dialog über Aufgabenkritik an, etwa bezüglich der Verfolgung von Bagatelldelikten. Böcking (FDP) schloss sich der Überlegung an, die Eingangsbesoldung zu erhöhen. Allerdings sei die Justiz nach wie vor attraktiv, da junge Leute nicht mehr so sehr auf den Verdienst schauten, die Atmosphäre in der Großkanzlei wesentlich schlechter und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei der Justiz wesentlich besser sei. Auch sie bot den Dialog darüber an, was effizienter gemacht werden könne. Florian Streibl (Freie Wähler) bedankte sich für den hohen ideellen Einsatz bei Gerichten und Staatsanwaltschaften. Es sei eine moderne Justiz erforderlich, inzwischen seien viele Gebäude in die Jahre gekommen. Man hinke auch bei der Digitalisierung hinterher. Es sei nicht unwichtig, mit welcher Würde man den Bürgern gegenübertrete. Franz Schindler (SPD) sprach zunächst das hohe Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz an. Allerdings passe das Gehaltsgefüge im Verhältnis zu Großkanzleien nicht, hier müsse nachgebessert werden. Für die Gewährleistung der Unabhängigkeit sei besonders auch die Wertschätzung durch die politisch Verantwortlichen wichtig. Guttenberger (CSU) wies demgegenüber auf die erfüllende Tätigkeit der Richter und Staatsanwälte und auf die im Vergleich zu anderen Bundesländern höhere Besoldung hin. Dies ermögliche es ohne weiteres, sehr gutes Personal für die Justiz zu gewinnen. Auch seien mehr Funktionsstellen geschaffen worden, die einen Aufstieg ermöglichten. Wichtig sei es, weiter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken.

Justizstrukturen in Deutschland

Sodann wurde diskutiert, wie gefährdet die Justizstrukturen in Deutschland seien und inwieweit es institutioneller Absicherungen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz bedürfe. Schindler (SPD) erläuterte, dass einige Länder, in denen die Justiz sich selbst verwalte, leider keine guten Vorbilder seien. Allerdings unterstütze er Schritte in Richtung einer größeren Selbstverwaltung. Böcking wies auf das Volksbegehren der FDP zur Einführung von Richterwahlkommissionen hin, damit würde schon dem Anschein der politischen Einflussnahme entgegengetreten. Allerdings sei das Thema für die Bürger offensichtlich nicht von großer Relevanz, so dass das vorgeschriebene Unterschriftenquorum nur schwer zu erreichen sei. Grünen-Vertreterin Gote vertrat die Auffassung, Selbstverwaltung könne die Justiz stärken, allerdings müsse man sehen, wie man diese umsetzen könne. Das Justizwesen müsse noch transparenter und bürgernäher werden. Hierzu könne auch ein Rechtspflegeministerium beitragen. Auch Streibl hatte Sympathien für Selbstverwaltungsmodelle, um die Justiz auch institutionell zu festigen. Dem widersprach Guttenberger. Schon jetzt würden die Richter und Staatsanwälte nach Eignung, Leistung und Befähigung eingestellt und befördert. Das System habe sich bewährt. Auch eine Zweidrittelmehrheit für oberste Gerichte würde eher zur Förderung politischer Absprachen beitragen.

Der Auffassung aus dem Plenum, es seien zu viele Verfahren notwendig, um Ansprüche vor Gericht durchzusetzen, wurde auf dem Podium widersprochen: Deutschland sei schon lange kein Rechtsmittelstaat mehr, seit Jahrzehnten bestehe der Trend zur Beschneidung von Rechtsmitteln. Allerdings gebe es manche Einzelpersonen, die mit einer Vielzahl von Eingaben und Klagen mitunter sehr viel Aufwand verursachten. Dies sei in einem Rechtsstaat aber hinzunehmen. Mit der – von den Rechtspolitikern der Opposition natürlich unbeantworteten – Frage nach möglichen Koalitionen nach der bayerischen Landtagswahl endete der gut besuchte und kurzweilige Abend.

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Bild von Matthias Schröter Matthias Schröter Pressesprecher
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