Die deutsche Strafjustiz braucht grundlegend neue Denkansätze

Kiel. Auf Einladung des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes diskutierten am 17. Januar 2020 ausgewiesene Strafrechtler im Rahmen von „Justiz im Dialog“ die bestehenden Justizstrukturen.

Die Vertreter der Bundesanwaltschaft, des Bundesgerichtshofs, der Instanzgerichte und der Strafverteidiger sprachen Klartext, woran es der Strafjustiz fehlt. Sie mahnten vor allem eine Stärkung der landgerichtlichen Ebene an. Neben der Beseitigung des erheblichen Personalmangels in allen Diensten müsse gezielt an der Ausbildung von Strafrichtern gearbeitet werden. Die nötigen praxisrelevanten Schulungsangebote fehlten deutschlandweit; ein geordneter Wissenstransfer von erfahrenen Vorsitzenden Richtern auf jüngere Kollegen finde nicht statt. Für komplexe Verfahren müsse fachkundiges Folgepersonal gewonnen werden, das den Strafkammern zuarbeite; ohne Assistenz zögen sich Umfangsverfahren zwangsläufig immer weiter in die Länge. Besonders anspruchsvolle Verfahren, etwa aus dem Wirtschaftsstrafrecht, müssten außerdem standortübergreifend konzentriert werden. Kleinere Gerichte könnten die nötigen hochspezialisierten Kammern nicht vorhalten. Wie die Staatsschutzkriminalität zeige, seien auch länderübergreifende Kooperationen erfolgreich; sie müssten auch für andere Deliktsfelder in Betracht gezogen werden. Insgesamt dürfe es vor allem keine Denkverbote mehr geben. So müsse es etwa erlaubt sein, über „Auswüchse“ bei dem verfassungsrechtlichen Gebot des gesetzlichen Richters zu sprechen. Und die Finanzausstattung der deutschen Justiz, so der Vertreter der Rechtsanwaltschaft, müsse grundlegend anders konzipiert werden, derzeit sei sie von dem Wert eines funktionierenden Rechtsstaats weit entfernt.

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Bild von Matthias Schröter Matthias Schröter Pressesprecher
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