Angriffe und Bedrohungen gegen Politiker, Polizisten und Rettungskräfte häufen sich. Eine Umfrage der Richterzeitung kommt zu dem Ergebnis, dass auch Gerichtsvollzieherinnen und Justizwachtmeister, Richterinnen und Staatsanwälte sich immer wieder Beleidigungen und Bedrohungen oder sogar tätlichen Angriffen ausgesetzt sehen.
Wenngleich drastische Fälle eher die Ausnahme sind, so zeigen sich viele Kolleginnen und Kollegen in der Umfrage der DRiZ doch besorgt darüber, dass der Respekt für die Justiz schwindet, die Frustrationstoleranz sinkt und die Aggressivität insbesondere seit der Corona-Pandemie zunimmt. Belastbare Statistiken über Beleidigungen, Bedrohungen oder körperliche Angriffe auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz gibt es zwar nicht in allen Bundesländern, der Eindruck der Befragten ist aber mehrheitlich, dass Verfahrensbeteiligte und Zuschauer emotionaler reagieren und die Neigung sinkt, Gerichtsverfahren und Urteile zu akzeptieren. In der Folge haben Bedrohungslagen und kritische Situationen in den Gerichten zumindest subjektiv zugenommen. In den Hauptverhandlungen sei eine gestiegene Respektlosigkeit gegenüber dem Gericht und der Staatsanwaltschaft zu beobachten, schriftliche Eingaben und Beschwerden seien zunehmend abwertend, herabsetzend und beleidigend, teilweise auch bedrohlich formuliert, heißt es zum Beispiel aus Schleswig-Holstein. Auch in den sozialen Medien sehen sich die Gerichte nach Urteilen inzwischen mit heftiger Polemik und Beschimpfungen, mit Beleidigungen und im Extremfall sogar mit Gewaltaufrufen konfrontiert. Bisweilen stellen Verfahrensbeteiligte den Richtern und Staatsanwälten auch außerhalb des Gerichts nach. So ging eine Klägerin aus Rheinland-Pfalz, die in einem Zivilverfahren um mutmaßliche Corona-Impfschäden unterlegen war, die zuständige Richterin und deren betagte Mutter auf offener Straße aggressiv an. In Bayern traf es einen Staatsanwalt, der auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes zufällig einem Beschuldigten begegnete und von ihm angespuckt wurde.
Mit Schutzwesten und Pfefferspray
Besonders häufig von Attacken betroffen sind Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, die bei ihren Amtshandlungen beleidigt oder tätlich angegriffen werden. Ein Schuldner bedrohte einen Gerichtsvollzieher jüngst bei einem Vorfall in Bayern sogar mit einer Axt, nachdem er ihn in die Wohnung gebeten hatte. In anderen Fällen werden Justizmitarbeiter gezielt durch Dienstaufsichtsbeschwerden oder Strafanzeigen falsch verdächtigt oder verleumdet. Häufig sind es Menschen aus der Reichsbürgerszene, aggressive Staatsgegner oder Corona-Leugner, die in den Gerichten und gegenüber Gerichtsvollziehern bedrohlich auftreten und die Arbeit der Justiz massiv behindern.
Allein in Bayern ereigneten sich innerhalb eines Jahres 541 statistisch erfasste „Gewaltvorfälle“, die von den Betroffenen oder ihren Dienststellen zur Anzeige gebracht worden sind. Es ging dabei unter anderem um den strafrechtlichen Vorwurf der Körperverletzung, Beleidigung, Nötigung oder Bedrohung von Richtern, Staatsanwälten, Gerichtsvollziehern, Justizwachtmeistern oder Beschäftigten des Justizvollzugs. Nach den Berichten aus der Praxis seien insbesondere Gerichtsvollzieher „in jüngster Zeit verstärkt zur Zielscheibe von Reichsbürgern geworden“, so das bayerische Justizministerium. Die Folge: Mit Stichschutzjacken, Schutzwesten und Pfefferspray müssen sich die Repräsentanten des Rechtsstaats inzwischen für ihre Arbeit rüsten. Im benachbarten Baden-Württemberg verzeichnete das Justizministerium im vergangenen Jahr landesweit 126 Beleidigungen, Bedrohungen oder Angriffe gegen Justizvertreter, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres waren es 56. In Niedersachsen erfasst das Oberlandesgericht Celle diese Fälle für seinen Bezirk. Die Statistik weist 81 Vorkommnisse für 2023 und 35 für das erste Quartal 2024 aus. Dabei handelte es sich überwiegend um Beleidigungen, seltener um Bedrohungen und in Einzelfällen um tätliche Angriffe.
Tausende Waffenfunde bei Einlasskontrollen
Beunruhigend sind auch die Zahlen, die Berlins Justizverwaltung der DRiZ mitgeteilt hat. Demnach sind bei den Einlasskontrollen in Berliner Gerichten im vergangenen Jahr 22.824 Waffen und gefährliche Gegenstände gefunden worden. Damit ist die Zahl der aus dem Verkehr gezogenen Gegenstände 2023 erneut leicht gestiegen, nachdem es 2022 bereits 22.566 Funde gab.