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zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Änderung der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke sowie für eine Neufassung der Markenrichtlinie

 

Der Deutsche Richterbund begrüßt, dass die von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschläge zur Änderung der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke und der an das Amt für die Harmonisierung des Binnenmarktes (HABM) zu entrichtenden Gebühren sowie für eine Neufassung der Markenrichtlinie sich im Wesentlichen an der bestehenden Rechtslage orientieren und nur behutsame Änderungen vorsehen. Die Kommission handelt richtig, wenn sie sich auf bloße Änderungen und Einfügungen beschränkt. Das vorhandene Markensystem hat sich in der Vergangenheit bewährt, was nicht nur auf dem großen Erfolg der Gemeinschaftsmarke sondern auch auf der Harmonisierung der nationalen Rechte beruht. Eine grundlegende Neuordnung des Markenrechts ist deshalb nicht erforderlich. Der mit den Änderungen erstrebte Zweck, die Harmonisierung des Kennzeichenrechts in der Union zu fördern und damit die Schaffung eines Binnenmarktes voranzubringen, wird gut erreicht.

Der Deutsche Richterbund sieht jedoch in Einzelpunkten die Vorschläge der Kommission kritisch und wirbt dafür, die Texte in diesen Punkten zu überarbeiten.

1. Änderung der Gemeinschaftsmarkenverordnung

Umbenennung der Gemeinschaftsmarke:

Im Anschluss an den Vertrag von Lissabon wird die Gemeinschaftsmarke zukünftig als „europäische Marke“ bezeichnet (Art. 1 Abs. 1 – 5 GMV). Aus Sicht des Deutschen Richterbundes will die Kommission damit berücksichtigen, dass nach dem Vertrag von Lissabon das maßgebende europäische Recht nunmehr Unionsrecht und nicht mehr Gemeinschaftsrecht ist. Hierin mag zwar ein Grund für eine Umbenennung der Gemeinschaftsmarke liegen, wobei jedoch der vorgesehene Begriff „europäische Marke“ nicht recht überzeugen kann. Der neue Begriff stellt eine Parallelität zum europäischen Patent her, das gerade keine Einrichtung der Europäischen Union ist, sondern auf dem Europäischen Patentübereinkommen beruht, das neben den EU-Mitgliedern weitere europäische Staaten unterzeichnet haben. Folgerichtig wäre es deshalb, die Gemeinschaftsmarke in Unionsmarke umzubenennen.

Einfuhr in die Europäische Union:

Art. 9 und 9a GMV des Verordnungsvorschlags enthalten Regelungen, mit denen die Rechte des Markeninhabers erweitert werden sollen. Dabei sieht Art. 9 Abs. 4 GMV einen Unterlassungsanspruch auch gegen den Versender vor, der aus kommerziellen Gründen markenverletzende Ware in die Union einführt. Diese Regelung richtet sich im Kern gegen den Internethandel mit derartigen Waren und soll Lieferungen markenverletzender Ware von Händlern außerhalb der Union an Privatpersonen erfassen. Derartige Importe sind auch bisher schon durch Art. 9 Abs. 2 und 3 c GMV verboten, so dass in Art. 9 Abs. 4 GMV keine Erweiterung, sondern nur eine Konkretisierung der Rechte zu erblicken ist. Was aber bleibt, sind die praktischen Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung gegenüber Rechtsverletzern außerhalb der Europäischen Union. Unverändert ist die Beschränkung des Unterlassungsanspruchs gegenüber kommerziell Handelnden, so dass der nicht kommerziell handelnde Besteller, selbst wenn er erkennen kann, dass eine Markenverletzung erfolgt, nicht in Anspruch genommen werden soll.

Durchfuhr:

Kritisch ist Art. 9 Abs. 5 GMV zu sehen, der vorsieht, dass ein Unterlassungsanspruch des Markeninhabers nunmehr auch dann bestehen soll, wenn markenverletzende Ware in das Zollgebiet der Union eingeführt, aber nicht in den zollfreien Verkehr übergeführt wird. Diese Regelung betrifft die Durchfuhr von Waren, das heißt den bloßen Transport von Waren durch das Gebiet der Europäischen Union, ohne diese dort in den Verkehr zu bringen. Bisher fehlt es an einer speziellen Regelung für die Durchfuhr.

Die Rechtsprechung sieht in der Durchfuhr keine Markenverletzung, weil die Wirkung der Marke auf das Gebiet der Europäischen Union beschränkt ist und die bloße Durchfuhr kein Anbieten und Verbreiten innerhalb der Union darstellt (EuGH GRUR 2007, 146 – Montex Holdings/Diesel; EuGH GRUR 2012, 828 – Philipps und Nokia; BGH GRUR 2007, 875 – Durchfuhr von Originalware; BGH GRUR 2012, 1233 – Clinique happy). Dies will der europäische Verordnungsgeber nunmehr ändern und auch gegen die Durchfuhr einen Unterlassungsanspruch begründen.

Hier geht die Kommission offensichtlich davon aus, dass die Durchfuhr von markenverletzender Ware hauptsächlich Produktpiraterie betrifft. Tatsächlich kann es sich dabei auch um Originalware handeln, die außerhalb der Union keine Markenrechte verletzt, bei der die Markenverletzung innerhalb der Union beispielsweise nur darauf beruht, dass hier das Verbreitungsrecht nicht erschöpft ist (Art. 13 Abs. 1 GMV). Auch diese Fälle dem Durchfuhrverbot zu unterwerfen, dürfte zu weit gehen. Denkbar wäre eine einschränkende Regelung, wonach die Durchfuhr zulässig ist, wenn dargelegt wird, dass die Ware am Zielort außerhalb der europäischen Union keine Markenrechte verletzt.

Zweifelhaft bleibt auch, ob Unterlassungsansprüche gegen die Durchfuhr bei Produktpiraterie praktische Bedeutung erlangen werden. Die Neuregelung dürfte eher dazu führen, dass zukünftig Versender von Waren, die unberechtigt mit Gemeinschaftsmarken gekennzeichnet sind, das Gebiet der Europäischen Union umgehen und damit die Durchfuhr vermeiden werden. Für die Bekämpfung der Produktpiraterie wäre damit wenig gewonnen. Allenfalls wäre durch Verstopfung der Transportwege der Handel mit Piraterieware erschwert.

Schließlich bleibt auch abzuwarten, ob und ggf. welche Auswirkungen eine Umgehung des Gebiets der Europäischen Union auf andere Wirtschaftsbereiche haben wird, beispielsweise die europäischen Häfen und die Transportwirtschaft.

Nach alledem sollte die Kommission die vorgesehene Regelung zur Durchfuhr noch einmal überprüfen.

Vorbereitungshandlungen:

Begrüßt wird die geplante Regelung in Art. 9 a GMV, mit welcher der Kennzeichenschutz auf bestimmte Vorbereitungshandlungen erweitert wird, nämlich bereits die Anbringung der Marke auf Aufmachungen, Verpackungen oder anderen Kennzeichenmitteln, wenn die Gefahr besteht, dass diese in Verkehr gebracht werden. Damit wird der Kennzeichenschutz vorverlegt und ein frühzeitiges Eingreifen gegen Produktpiraterie ermöglicht.

Fehlender Schadensersatzanspruch in der Gemeinschaftsmarkenverordnung:

Enttäuschend ist jedoch, dass der europäische Verordnungsgeber als Rechtsfolge von Markenverletzungen auch zukünftig nur den Unterlassungsanspruch regelt (Art. 9 GMV) und es für weitere Ansprüche, wie Schadensersatz, Auskunft, Vernichtung usw., bei dem Verweis auf das jeweilige nationale Recht verbleibt (Art. 102 GMV). Es wäre zu begrüßen, wenn die Europäische Union, die mit der Enforcementrichtlinie (RL 2004/48/EG vom 29. April 2004) Regelungen für die nationalen Rechte zur Durchsetzung von Markenrechten geschaffen hat, diese auch in der eigenen Rechtsordnung umsetzen und in der Gemeinschaftsmarkenverordnung entsprechende Vorschriften aufnehmen würde. An dieser Stelle besteht für den europäischen Gesetzgeber noch Nachholbedarf.

2. Neufassung der Markenrichtlinie

Aus Sicht des Deutschen Richterbundes ist die parallele Rechtssetzung in der Neufassung der Markenrichtlinie zur Gemeinschaftsmarkenverordnung konsequent und befördert den Zweck, das Unionsrecht und die nationalen Rechte zu harmonisieren.

Durchfuhr:

Bei der Regelung zur Durchfuhr fällt jedoch auf, dass die vorgesehenen Änderungen in Verordnung und Richtlinie nicht identisch sind. Während nach der Verordnung die Durchfuhr generell unzulässig sein soll, stellt die Richtlinie für das Verbot darauf ab, ob Grund zu der Annahme besteht, dass die Waren in der Union in Verkehr gebracht werden sollen (Art. 10 Abs. 5 der Richtlinie). Wenn im 2. Satz die Vermutung aufgestellt wird, dass bis zum Beweis des Gegenteils das Unionsgebiet als Bestimmungsort der Ware betrachtet wird, dann ist ein inhaltlicher Unterschied zu der strengen Regelung in der Verordnung nicht zu erkennen. Es dürfte lediglich ein redaktionelles Versehen vorliegen, das zu korrigieren ist, um Interpretationsspielräume auszuschließen, die sich aus der unterschiedlichen Formulierung identisch gewollter Regelungen ergeben können.

gez. Dr. Peter Scholz, Vorsitzender Richter am Landgericht

gez. Dr. Peter Schneiderhan, Mitglied des DRB-Pra?sidiums