#5/19

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf des BMJV zur Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings

 

A. Tenor der Stellungnahme

Der Deutsche Richterbund begrüßt die beabsichtigte Einführung einer Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings, der einen wichtigen Beitrag zum Schutz der sexuellen Integrität von Kindern leistet.

Dieser Schutz kann allerdings nicht allein durch die bloße Schaffung neuer Tatbestände, sondern vor allem durch eine adäquate sachliche wie personelle Ausstattung von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten gewährleistet werden.

B. Bewertung im Einzelnen

Der Deutsche Richterbund begrüßt die beabsichtigte Einführung einer Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings, die wesentlicher Inhalt des Referentenentwurfes ist.

Vollkommen zutreffend hebt der Referentenentwurf in seiner Begründung die Bedeutung der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern hervor. Der Schutz von in der Entwicklung befindlichen Kindern vor einer Beeinträchtigung ihrer Gesamtentwicklung durch sexuelle Handlungen zählt zu denjenigen herausragenden Rechtsgütern, die in besonderer Weise Gegenstand der staatlichen Wächterverantwortung sind.

Da Kinder in zunehmend jüngerem Alter ohne Begleitung soziale Medien nutzen, ermöglicht die Digitalisierung pädophil veranlagten Tätern eine niedrigschwellige Kontaktaufnahme. Aus diesem Grunde ist die onlinebasierte Anbahnung des sexuellen Missbrauchs eines Kindes („Cybergrooming“) ein ernst zu nehmendes, reales Problem, dem sich der Gesetzgeber erstmals im Jahre 2003 mit dem Sexualdeliktsänderungsgesetz vollkommen zu Recht angenommen hat. Denn immerhin 16% der unter 14-Jährigen gaben in einer aktuellen Erhebung an, Erfahrungen mit sexuellen Online-Kontakten zu haben, wobei hiervon 41,5% der Mädchen sexuelle Online-Kontakte mit Erwachsenen hatten.

Die Neufassung des § 176 Abs. 6 StGB-E, die nunmehr auch den untauglichen Versuch erfasst, bei dem der Täter irrig davon ausgeht, er kommuniziere mit einem Kind, obwohl es sich tatsächlich um eine erwachsene Person (etwa Polizeibeamte oder Eltern) handelt, verdient aus mehreren Gründen uneingeschränkte Zustimmung.

Zwar kommt es in diesen Konstellationen nicht zu einer konkreten Gefährdung des zu schützenden Rechtsgutes. Doch ist dies der Rechtsfigur des untauglichen Versuchs immanent. In § 23 Abs. 3 StGB hat der Gesetzgeber eine Grundentscheidung für die Strafbarkeit des untauglichen Versuches getroffen. Es ist nicht einzusehen, weswegen dies nicht in dem besonders sensiblen Bereich der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern gelten soll.

Der Referentenentwurf weist in der Begründung zutreffend darauf hin, dass der Täter durch die Kontaktaufnahme bereits kriminelle Energie zum Ausdruck gebracht hat, die als strafwürdig anzusehen ist. Vor diesem Hintergrund ist es für die Beurteilung des Täterverhaltens nicht ausschlaggebend, wer sich hinter seinem digitalen Gegenüber tatsächlich verbirgt.

Dies wird besonders in – nicht selten vorkommenden – Fällen deutlich, in denen Eltern von einem sexualbezogenen Chat ihres Kindes mit einem Erwachsenen Kenntnis erlangen und die Gesprächsführung übernehmen. Nach geltender Rechtslage ist die folgende Kommunikation mit den Eltern nicht strafbar, obwohl Täterperspektive und Handlungsunrecht unverändert bleiben.

Auch aus der Perspektive der Strafverfolgungsbehörden ist die Neufassung des § 176 Abs. 6 StGB-E zu begrüßen.

Die Ermittlungspraxis zeigt, dass pädophile Neigungstäter für polizeiliche Maßnahmen, bei denen sich Beamte mit Alias-Identitäten in Chats oder sozialen Netzwerken als Kinder ausgeben, stark ansprechbar sind. Häufig werden die vermeintlichen Kinder zur Vornahme sexueller Handlungen vor Webcams oder gar zu persönlichen Treffen aufgefordert. Den Strafverfolgungsbehörden ist es in diesem Zusammenhang möglich, weitere Ermittlungen zielgerichtet zu steuern und dadurch Beweise zu sichern. In derartigen Fallkonstellationen wird es durch die Neufassung des § 176 Abs. 6 StGB-E erleichtert, Durchsuchungsmaßnahmen zu erwirken, bei denen es regelmäßig neben der Sicherung von Beweismitteln auch zur Sicherstellung kinder- und jugendpornographischer Schriften kommt.

Ferner kommt es bei der Auswertung sichergestellter Datenträger häufig zu Zufallsfunden von sexualbezogenen Chats mit Kindern, deren Identität nicht mehr ermittelt werden kann. Die Beschuldigten in diesen Verfahren lassen sich regelmäßig dahingehend ein, sie seien im Rahmen der Kommunikation davon ausgegangen, mit einer Person gechattet zu haben, die sich lediglich als Kind ausgegeben habe, tatsächlich aber erwachsen sei. Eine Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings würde derartigen Schutzbehauptungen die Grundlage entziehen.

Mit der intendierten Erweiterung der Strafbarkeit des Cybergroomings gehen indes steigende Fallzahlen einher, die zusätzliche Belastungen der mit der Strafverfolgung befassten Stellen mit sich bringen.

Nur eine adäquate sachliche wie personelle Ausstattung von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten kann den Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern in der Praxis gewährleisten.