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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Gesetzentwurf zur Änderung des § 5a Deutsches Richtergesetz (DRiG) – Implementierung des Themas NS-Unrecht in die juristische Ausbildung

 

A. Tenor der Stellungnahme

Der Deutsche Richterbund begrüßt ausdrücklich, dass die Befassung mit dem NS-Unrecht und die Auseinandersetzung mit den ethischen Grundlagen und Grundwerten unserer Rechtsordnung nunmehr obligatorische Teile der juristischen Ausbildung werden sollen. Das nationalsozialistische Regime hat sein menschenverachtendes Unrecht gerade mit den Mitteln des Rechts durchgesetzt. Jeder angehende Jurist in Deutschland sollte hierfür ein kritisches Bewusstsein entwickeln. Der Deutsche Richterbund befürwortet es daher mit Nachdruck, dies in der juristischen Ausbildung verpflichtend zu verankern.

Der Deutsche Richterbund sieht es jedoch als kritisch an, dass der Entwurf nach seiner Begründung ausdrücklich darauf abstellt, dass die gewollte Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht anhand des gesamten Pflichtstoffs – sowohl im Studium als auch im Vorbereitungsdienst (Referendariat) – erfolgen soll. Dies kann dazu führen, dass der zu vermittelnde Pflichtfachstoff noch weiter reduziert und die fachliche Qualität der Ausbildung nicht mehr gewährleistet werden könnte. Nach Ansicht des Deutschen Richterbundes könnte die Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht als (weiteres) Grundlagenfach in den Pflichtfachstoff aufgenommen, als Teil der Methodenlehre – welche ebenfalls zu den Grundlagen des Rechts gehört – vermittelt oder im Hinblick auf die Nähe der Thematik zum Verfassungsrecht verstärkt im öffentlichen Recht behandelt werden.

 

B. Bewertung im Einzelnen

Der Deutsche Richterbund begrüßt, dass die Befassung mit dem NS-Unrecht und die Auseinandersetzung mit den ethischen Grundlagen und Grundwerten unserer Rechtsordnung nunmehr ausdrücklich obligatorische Teile der juristischen Ausbildung werden sollen. Das nationalsozialistische Regime hat sein menschenverachtendes Unrecht gerade mit den Mitteln des Rechts durchgesetzt. Jeder angehende Jurist in Deutschland sollte hierfür ein kritisches Bewusstsein entwickeln.

Auch der Deutsche Richterbund ist der Auffassung, dass die Auseinandersetzung gerade mit dem NS-Unrecht und dem Umgang mit diesem System in der Folgezeit geeignet sein kann, bei den Studierenden eine kritische Reflexion des Rechts herbeizuführen. Die Aufnahme in den unmittelbar examensrelevanten Bereich wird sicherstellen, dass derartige Veranstaltungen von den Hochschulen flächendeckend angeboten als auch von den Studierenden angenommen werden.

Die Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht in der juristischen Ausbildung kann jedoch nur ein erster Schritt sein. Nach Auffassung des Deutschen Richterbundes sollte die Ideologieanfälligkeit des Rechts insgesamt – und damit z.B. auch das sog. DDR-Unrecht - in den Blick genommen werden. Gerade der Wandel liberaler Verfassungsstaaten in autoritäre/diktatorische Ordnungen auch mit den Mitteln des Rechts in der jüngeren Vergangenheit zeigt, dass künftigen Juristinnen und Juristen vermittelt werden muss, wie wichtig die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Recht und Gesetz für ihre berufliche Praxis ist und welche Verantwortung sie dafür übernehmen.

Der Deutsche Richterbund sieht es dabei jedoch als problematisch an, dass der Entwurf in § 5a Abs. 2 Satz 3 DRiG-E ausweislich der Begründung ausdrücklich darauf abstellt, dass die gewollte Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht anhand des gesamten Pflichtstoffs – sowohl im Studium als auch im Vorbereitungsdienst (Referendariat) – erfolgen soll. Gem. § 5a Abs. 2 Satz 3 DRiG gehören zu den Pflichtfächern die Kernbereiche des Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des Öffentlichen Rechts und des Verfahrensrechts einschließlich der europarechtlichen Bezüge, der rechtswissenschaftlichen Methoden und der philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen. Es besteht hier die Gefahr, alle diese Pflichtfächer durch die regelmäßig zusätzlich zu vermittelnde Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht zu überfrachten. Wenn der Gesetzentwurf sicherstellen will, dass die Befassung mit dem NS-Unrecht und den daraus gewonnenen Erkenntnissen zu den obligatorischen Inhalten der juristischen Ausbildung gehören soll, müsste sichergestellt werden, dass der zu vermittelnde Stoff, der in den letzten Jahren immer weiter „ausgedünnt“ wurde, dadurch nicht noch weiter reduziert würde. Alternativ käme in Betracht, die Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht als (weiteres) Grundlagenfach zu bezeichnen, als Teil der Methodenlehre – welche ebenfalls zu den Grundlagen des Rechts gehört – zu vermitteln, oder sie im Hinblick auf die Nähe der Thematik zum Verfassungsrecht verstärkt im öffentlichen Recht zu behandeln.

Ausdrücklich begrüßt der Deutsche Richterbund die Neuregelung in § 5a Abs. 3 Satz 1 DRiG-E, nach der nunmehr auch die ethischen Grundlagen des Rechts in der juristischen Ausbildung Berücksichtigung finden sollen. Der Deutsche Richterbund hat mit seinen Thesen zur Richterlichen Ethik schon vor längerer Zeit innerhalb seiner Mitglieder die Diskussion darüber eröffnet. Wenn nunmehr bereits im Studium und im juristischen Vorbereitungsdienst die Basis dafür geschaffen wird, dass angehende Juristinnen und Juristen durch die Beschäftigung mit den ethischen Grundlagen des Rechts die Befähigung zu dessen kritischer Reflexion erwerben, so ist dies ein wichtiger Baustein zur Ausbildung einer rechtsstaatlichen Haltung und das Einstehen für die Grundwerte der Verfassung.