#32/2023

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz zur Unterhaltsrechtsreform

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Der DRB begrüßt, dass der Gesetzgeber eine Unterhaltsrechtsreform voranbringt. Das Eckpunktepapier enthält hierfür praktikable Lösungsansätze. Die konkrete Ausgestaltung der Berücksichtigung der Betreuungszeiten bei der Unterhaltsberechnung sollte aber der Rechtsprechung überlassen werden.

Die Angleichung des Betreuungsunterhalts für ehemals verheiratete und nicht verheiratete Paare ist ebenfalls zu begrüßen, wobei es vielseitige Konsequenzen zu bedenken gilt und eines praxistauglichen Abgrenzungskriteriums bedarf.

Die Öffnung des § 1629 BGB für Fälle des paritätischen Wechselmodells würde schließlich unnötige vorgeschaltete Verfahren obsolet machen.

 

B. Bewertung im Einzelnen

 

I. Der Gesetzgeber sieht zu Recht Regelungsbedarf bei Betreuungsmodellen, bei denen der barunterhaltspflichtige Elternteil gemeinsame minderjährige Kinder mehr als 14-tägig am Wochenende und an einem Tag in der dazwischenliegenden Woche sowie in den hälftigen Ferienzeiten betreut.

Das Eckpunktepapier beschäftigt sich daher praxisnah zunächst mit der Frage, wie die Betreuungsanteile festgestellt werden sollen. Als praktikabler Anknüpfungspunkt soll dazu die Anzahl der Übernachtungen im Haushalt des jeweiligen Elternteils dienen. Dafür spricht die einfache Handhabung, auch wenn im Einzelfall die Übernachtungszahlen in verschiedenen Zeiträumen variieren werden und die Tatsache der Übernachtung nicht immer für eine umfangreiche Betreuung davor spricht. Das Eckpunktepapier führt für die Fälle, in denen sich die Zahl der Übernachtungen als untaugliches Beurteilungskriterium erweist, daher zutreffend beispielhaft andere Kriterien auf, wobei zusätzlich der Umstand, wer für das Kind verantwortlich ist, falls die Fremdbetreuung ausfällt oder z. B. wegen Krankheit nicht wahrgenommen werden kann, hinzugefügt werden sollte.

Im Blick behalten werden sollte auch, dass die Berechnung mit der Abdeckung der Ferienzeiten freilich nur für Schulkinder gelten kann, also in ca. einem Drittel des Zeitraums der Minderjährigkeit die im Eckpunktepapier beschriebenen Betreuungszeiten nicht ausreichen würden, um zu einem asymmetrischen Wechselmodell zu kommen, da der Umfang von Schließzeiten in Kindertageseinrichtungen sehr unterschiedlich sein kann, meist aber deutlich hinter den Schulferienzeiten zurückbleibt.

Für Schulkinder zeigt die Anlage zum Eckpunktepapier eindrucksvoll, dass von einem asymmetrischen Wechselmodell erst ausgegangen werden kann, wenn mehr als 14-tägiger Wochenendumgang und eine hälftige Übernahme der Betreuung in den Ferienzeiten erfolgt, womit ein erheblicher Anteil der getrennt lebenden Eltern gar nicht in die Zielgruppe der Reform fallen wird.

Zu befürchten ist allerdings, dass der Streit um die Umgangszeiten mit den gemeinsamen Kindern zunehmend auch unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auf die Unterhaltspflicht geführt werden wird. Die stufenweise Einteilung der Betreuungsanteile in Residenzmodell (bis 29 %), asymmetrisches Wechselmodell (30 - 49 %) und paritätisches Wechselmodell (50 %) wird daher in den Grenzbereichen 29 - 30 % und 49 - 50 % insbesondere dann zu erbitterten Auseinandersetzungen führen, wenn die Konsequenzen ganz erheblich voneinander abweichen. Das spricht für ein durchgängiges stufenloses Verfahren anhand des prozentualen Betreuungsanteils (vgl. Obermann FamRZ 2023, 1769), das insbesondere den Übergang zum paritätischen Wechselmodell sanfter gestalten könnte, wobei für letzteres im Übrigen keineswegs sämtliche Fragen geklärt zu sein scheinen (Seiler FamRZ 2023, 1761). Hilfreich könnte auch ein Vergleich mit den Richtlinien zum Unterhaltsvorschussgesetz sein, in denen bei einer Mitbetreuung von bis zu 33 % weiterhin ein Anspruch bestehen kann und ab einer von 46 % eine paritätische Mitbetreuung angenommen wird (vgl. nun BVerwG Urt. v. 12.12.2023, Az. 5 C 9.22: 60%). Auch das Wohngeldgesetz sieht in seinem § 5 Abs. 4 die untere Grenze bei 33 % Betreuungsanteil.

Das Rechenmodell geht dann für die Bemessung des Bedarfs zutreffend vom gemeinsamen Einkommen der Elternteile aus, was der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) entspricht, auch wenn diese nicht unumstritten geblieben ist (z. B. Götz/Seiler FamRZ 2022, 1338). Unabhängig davon, ob der BGH damit dogmatisch überzeugt, dass diese Berechnung quasi schon immer im Hintergrund angelegt war und die Orientierung alleine am Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils eine bloße Vereinfachung darstellt, bedeutet dies konsequenterweise einen ganz erheblichen Mehraufwand in der familienrechtlichen Praxis. Denn es müssen nun zwei Einkommen bewertet werden. Dabei macht insbesondere bei selbstständig tätigen Elternteilen nicht nur die Bestimmung des Einkommens Mühe, sondern auch die Frage, welche Abzüge gerechtfertigt erscheinen. Eng verknüpft damit ist die Frage der Erwerbsobliegenheit mit der Konsequenz, dass fiktives Einkommen angerechnet werden kann, wenn diese Obliegenheit verletzt wird. Bisher hat § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB den hauptbetreuenden Elternteil auch über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus quasi davor geschützt, eine Vollzeittätigkeit abverlangt zu bekommen. Es bedürfte daher auch einer Berücksichtigung des Betreuungsanteils im Rahmen der Erwerbsobliegenheit, da regelmäßig höhere Betreuungszeiten zu weniger Raum für Erwerbstätigkeit führen.

Die in der Musterrechnung des Eckpunktepapiers vorgesehene pauschale Reduktion um 15 % wird etwas missverständlich als Abzug beim Bedarf bezeichnet. Tatsächlich erhöht sich der Gesamtbedarf des Kindes bei einer intensiveren Betreuung durch den anderen Elternteil eher, da zunehmend Gegenstände in beiden Haushalten vorgehalten werden. Der pauschale Abzug berücksichtigt aber zutreffend, dass der weniger betreuende Elternteil auch gegenüber dem hauptbetreuenden Elternteil einen Barunterhaltsanspruch des Kindes geltend machen könnte, der in anderen Berechnungsmodellen noch verrechnet wird. So wie der Kindergeldanteil den Bedarf des Kindes teilweise deckt, kann dies auch für die Leistung von Naturalunterhalt angenommen werden. Problematisch kann aber werden, dass dieser Abschlag auch dann erfolgen soll, wenn der hauptbetreuende Elternteil unterhalb des angemessenen (oder sogar notwendigen) Selbstbehaltes verdient. Eine klare Aussage zur Begrenzung des Abzugs auf den Mindestunterhalt scheint zu fehlen. Gleichzeitig wird ohne eine Anpassung des UVG der hauptbetreuende Elternteil wahrscheinlich nicht berechtigt sein, Unterhaltvorschussleistungen zu erlangen. Überlegungen für die in der Praxis aufgrund der erheblich gestiegenen Tabellenbeträge häufigen Mangelfälle sollten das Eckpunktepapier daher auf jeden Fall ergänzen.

Auch bei der Bildung der Einkommensquote ist zu bedenken, dass ein Großteil der Elternteile bereinigte Einkommen aufweist, die, wenn überhaupt, nur geringfügig über dem angemessenen Selbstbehalt von 1650 Euro liegen. Hinsichtlich der (Nicht-)Betreuungsquote geht der vorgesehene pauschale Abzug zulasten der Einzelfallgerechtigkeit, erlaubt andererseits aber auch eine einfachere Berechnung. Für die familienrechtliche Praxis sind einfache Berechnungsmodelle natürlich hilfreich, wobei man sich aber nicht der Illusion hingeben sollte, dass Unterhaltsberechnungen von jedermann einfach selbst erstellt werden können. Allein die Fragen, wie die Einkommen unterhaltsrechtlich zu bereinigen sind oder wie die Düsseldorfer Tabelle konkret anzuwenden ist, erlauben es bereits heute Rechtsunkundigen kaum, eine verlässliche Berechnung zu erstellen. Die Kombination des einkommensbasierten Haftungsanteils mit dem (Nicht-)betreuungsanteil findet sich ebenso in anderen Berechnungsmodellen, erscheint aber in dieser Form nicht zwingend. Die Berechnungsformeln können in Grenzbereichen zu unbilligen Ergebnissen führen, was einerseits im Blick behalten, andererseits bei einer flexibleren Regelung im Einzelfall auch ausgeglichen werden könnte.

Der schließlich am Ende der Berechnung vorgesehene Abzug des hälftigen Kindergeldes ist wiederum pragmatisch und deshalb praxistauglich, wenngleich dogmatisch nicht überzeugend, da der BGH in der Rechtsprechung zum paritätischen Wechselmodell das Kindergeld überzeugend in einen Betreuungs- und einen Barunterhaltsteil separiert hat. Für beide Anteile kann aus der vorausgegangenen Berechnung eine Quote entnommen werden und auch eine Verrechnung mit der kombinierten Quote ist denkbar, auch wenn die Ergebnisse oftmals keine erheblichen Unterschiede für das Gesamtergebnis bedeuten werden.

Nicht vergessen werden sollte die Klarstellung, dass die Geltendmachung von Kindesunterhalt im asymmetrischen Wechselmodell auch über das vereinfachte Unterhaltsverfahren möglich ist, da es für das symmetrische Wechselmodell ausgeschlossen scheint (OLG Dresden B. v. 30.08.2019 – 20 WF 628/19).

Insgesamt gesehen lässt sich ein asymmetrisches Wechselmodell sicherlich mit diesen Rechenschritten unterhaltsrechtlich abbilden. Wie die bereits vorhandenen, sehr beachtlichen Rechenmodelle hat aber auch das Eckpunktepapier Schwächen – wahrscheinlich auch solche, die sich in der Praxis erst herausstellen werden. Würde der Gesetzgeber tatsächlich den völlig unüblichen Weg beschreiten, ausgerechnet für diesen Teilbereich des Unterhaltsrechts einen konkreten Berechnungsweg ins Gesetz zu schreiben, würde aber ohne Not eine Rechtslage festgeschrieben, die zwangsläufig unausgegoren und unflexibel Einzelfallgerechtigkeit vermissen ließe (vgl. Maaß, NZFam 2023, 913). Es reicht vielmehr die Klarstellung aus, dass sich der Bedarf minderjähriger Kinder am gemeinsamen Einkommen der Eltern orientiert (Zusatz in § 1610 Abs. 1 BGB) und die Eltern nicht nur anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen, sondern auch entsprechend der Betreuungsanteile haften (Änderung des § 1606 Abs. 3 BGB).

In Literatur und Rechtsprechung werden bereits vielversprechende Berechnungsmodelle diskutiert (z. B. Borth FamRZ 2023, 405), die durch einen gesetzgeberischen Impuls zu einer sachgerechten und einzelfallspezifischen Berücksichtigung der geänderten Betreuungsanteile führen werden. Die Oberlandesgerichte haben mit der fortwährenden Arbeit an den unterhaltsrechtlichen Leitlinien bewiesen, dass sie sachgerecht auf veränderte Lebenswirklichkeiten eingehen und die Berechnungsmethoden anpassen können. Dem BGH wird es sicherlich gelingen, für die notwendigen Klarstellungen und Vereinheitlichungen zu sorgen. Mit den verschiedenen Berechnungsprogrammen werden sich die Rechenmodelle abbilden lassen, sodass es zu einer transparenten und (jedenfalls grob) vorhersehbaren Einschätzung der Ansprüche in der Fachöffentlichkeit kommen wird. Eine Reform, die nach dem gesetzgeberischen Impuls zwar vielleicht etwas langsamer und in verschiedenen Bezirken den dortigen Gegebenheiten entsprechend unterschiedlich, aber insgesamt homogener und flexibler erfolgen wird, würde die Akzeptanz in den unterschiedlichen Bevölkerungs- und Interessengruppen erhöhen.

 

II. Die geplante Angleichung der Regelungen für den Betreuungsunterhalt unverheiratet gebliebener Partner (§ 1615l BGB) und ehemaliger Ehegatten (§ 1570 BGB) ist zu begrüßen (vgl. bereits Götz FamRZ 2018, 1474 mwN). Verbliebene – indirekte – Ungleichbehandlungen zu Lasten nichtehelich geborener Kinder sollten beseitigt werden. Die Billigkeitsnorm des § 1579 BGB scheint besser zu „passen“ als § 1611 BGB, auch wenn es für den betreuenden Elternteil bisher eher von Vorteil gewesen sein mag, wenn sich der Unterhaltspflichtige nicht auf die Verwirkung wegen einer neuen verfestigten Lebensgemeinschaft berufen konnte. Im geltenden Recht kommt es allerdings für den Fall der Wiederverheiratung bereits zu einem Ende der Unterhaltspflicht über eine analoge Anwendung des § 1586 BGB (BGH Urt. v. 17.11.2004 – XII ZR 183/02).

Bei der Schaffung der Möglichkeit, Vereinbarungen über künftige Unterhaltsansprüche schließen zu können (1585c BGB statt § 1614 BGB), gilt es zu beachten, dass dann zwar Abfindungszahlungen möglich werden, der Entzug der Kompetenz aber auch Schutzcharakter hatte. Eine Vereinheitlichung bei der Frage der Vererbbarkeit des Anspruchs erscheint sinnvoll (vgl. § 1586b Abs. 1 <-> § 1615l Abs. 3 S. 4 BGB und die Empfehlungen des DFGT 2019). Zudem sind die Unterhaltsleistungen gegenüber ehemaligen Ehegatten als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG), auf der Grundlage des § 1615l BGB hingegen lediglich als außergewöhnliche Belastungen (§ 33a EStG) bis zu einer anderen Höchstgrenze berücksichtigungsfähig, was zu Recht angepasst werden soll (vgl. (BFH B. v. 16.7.2015, X B 139/14).

Die Orientierung am gemeinsamen Bedarf erscheint sachgerecht, wenn sich die Beteiligten in einer der Ehe vergleichbaren Lebenslage befunden haben, in der gemeinsam gewirtschaftet wurde. Denn bisher gewährte § 1615l BGB der Mutter keine Teilhabe am Lebensstandard des Vaters, selbst wenn sie mit ihm länger zusammengelebt hatte, sondern lediglich eine Kompensation für die durch Geburt und Kinderbetreuung bedingten Nachteile im eigenen beruflichen Fortkommen (OLG Koblenz B. v. 07.01.2021 – 7 UF 462/20).

Doch die notwendige Abgrenzung wird neue Probleme mit sich bringen (vgl. bereits Götz FamRZ 2018, 1474, 1483). Für die Praxis bedarf es daher eines tauglichen Abgrenzungskriteriums, das in einer „verfestigten Lebensgemeinschaft“ gesehen werden könnte. Die Bewertung von beiden Einkommen ist auch im Rahmen des § 1615l BGB nicht vollkommen neu, da bereits de lege lata zumindest überschlägig eine Kontrollrechnung anzustellen war, damit der Pflichtige nicht mehr leisten musste, als er hätte zahlen müssen, wenn er mit dem anderen Elternteil verheiratet gewesen wäre (BGH Urt. v. 15.12.2004 – XII ZR 121/03). Für die familienrechtliche Praxis bedeutet es gleichwohl einen erheblichen Mehraufwand, wenn in Fällen des gemeinsamen Bedarfs statt einer Orientierung allein am früheren Erwerbseinkommen des betreuenden Elternteils nun die gemeinsamen Lebensverhältnisse maßgeblich sein sollen, die von vielen verschiedenen Einkommensarten und Verbindlichkeiten geprägt sein können. Wird das gemeinsame Einkommen zugrunde gelegt, wird auch jeweils der Erwerbstätigenbonus zu berücksichtigen sein, was bisher umstritten war. Auch wenn das Einkommen des betreuenden Elternteils dann im Wege der Differenzmethode Berücksichtigung finden kann, bleibt die Frage, inwieweit die Erwerbstätigkeit insbesondere in den ersten drei Lebensjahren als überobligatorisch gewertet wird. Wenn man bei zuvor verfestigten Lebensgemeinschaften dann dieselben Maßstäbe wie bei § 1570 BGB ansetzen wird, bleibt die Frage, inwieweit Einkommen des betreuenden Elternteils, der mit dem Unterhaltspflichtigen nicht zusammengelebt hat, angerechnet werden soll (§ 1577 Abs. 2 analog, vgl. OLG Frankfurt 02.05.2019 – 2 UF 273/17). Kommt es zur Berücksichtigung von Einkommen, ist im Bedarf auch der vom betreuenden Elternteil geleistete Naturalunterhalt für das Kind zu berücksichtigen (vgl. BGH B. v. 18.5.2022 - XII ZB 325/20).

Fraglich wird sein, ob vom reformierten Betreuungsunterhalt für unverheiratete Paare auch Krankenvorsoge (wohl bisher schon) und Altersvorsorgeunterhalt (bisher nicht) umfasst werden sein soll. Eng verknüpft mit der Bewertung der kausalen Verknüpfung zwischen Kinderbetreuung und Erwerbseinschränkung ist die Frage, ob der Unterhalt auch beansprucht werden kann, wenn der betreuende Elternteil eine Ausbildung absolviert oder studiert. Bisher blieb deshalb auch ein Anschlussunterhalt versagt. Geklärt werden könnte bei der Reform zudem, ob bei sehr guten Einkommensverhältnissen eine konkrete Bedarfsberechnung erfolgen muss (vgl. OLG Köln B. v. 21.02.2017 – 25 UF 149/16). Am anderen Ende der Einkommensskala sieht das Eckpunktepapier zurecht denselben Mindestbedarf wie für den ehemals verheirateten Elternteil, was allerdings in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien betragsmäßig bereits umgesetzt ist und daher lediglich noch die Herleitung vom Selbstbehalt her betrifft.

 

III. Uneingeschränkt zu begrüßen ist, dass § 1629 BGB dahingehend ergänzt werden soll, dass im paritätischen Wechselmodell jeder Elternteil den Kindesunterhaltsanspruch geltend machen kann. Denn ansonsten wäre weiterhin entweder ein vorgelagertes Verfahren auf Zuweisung der Kompetenz gemäß § 1628 BGB oder die Bestellung eines Ergänzungspflegers notwendig, was weitgehend unnötigen Aufwand und Kosten bedeutet. Ohne diese Möglichkeit kann vor diesen Verfahren noch nicht einmal eine wirksame Inverzugsetzung erfolgen, da die Vertretungsvorschrift sich nicht nur auf das gerichtliche Verfahren bezieht. Es bedürfte lediglich einer Regelung, die vermeidet, dass es zu sich widersprechenden Entscheidungen oder Verfahrenserklärungen der Elternteile kommen kann.

 

IV. Weshalb ausgerechnet der notwendige Selbstbehalt des gegenüber minderjährigen Kindern Unterhaltpflichtigen gesetzlich verankert werden soll, erschließt sich nicht, wird aber vielleicht im Referentenentwurf noch weiter erklärt werden. Allein der Umstand, dass auch der Mindestunterhalt in § 1612a BGB geregelt ist, macht angesichts der zahlreichen anderen Selbstbehalte und Bedarfssätze, die sich in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien finden, die gesetzliche Verankerung nicht unbedingt erforderlich. Führt man eine Differenzierung nach Wohnkosten unter Verweis auf das Wohngeldgesetz ein, wird sich die Frage stellen, ob eine entsprechende Differenzierung hinsichtlich der anteiligen Kosten für Miete auch im Mindestbedarf erfolgt.

 

V. Zusammenfassung:

Der DRB begrüßt das Vorhaben, unterhaltsrechtliche Regelungen anzupassen. Es besteht ein Bedarf, Betreuungszeiten bei der Bemessung des Kindesunterhalts besser zu berücksichtigen, die Durchsetzung von Kindesunterhalt im paritätischen Wechselmodell leichter zu ermöglichen und die Regelungen zum Betreuungsunterhalt zwischen Paaren, die unverheiratet waren, und ehemaligen Ehegatten zu vereinheitlichen.

Es bedarf hingegen keiner detaillierten gesetzlichen Festlegung eines konkreten Rechenmodells für Situationen, in denen der barunterhaltspflichtige Elternteil einen Betreuungsanteil von mehr als 29 % leistet. Vielmehr reicht die Klarstellung aus, dass sich der Bedarf minderjähriger Kinder am gemeinsamen Einkommen der Eltern orientiert (Zusatz in § 1610 Abs. 1 BGB) und die Eltern nicht nur anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen, sondern auch entsprechend der Betreuungsanteile haften (Änderung des § 1606 Abs. 3 BGB). Auch eine Anpassung des § 1603 Abs. 3 S. 2 BGB im Hinblick auf die Erwerbsobliegenheit bietet sich dann an. In Literatur und Rechtsprechung werden bereits vielversprechende Berechnungsmodelle diskutiert, die durch einen gesetzgeberischen Impuls zu einer sachgerechten und einzelfallspezifischen Berücksichtigung der geänderten Betreuungsanteile führen werden. Einer gesetzlichen Festschreibung des Selbstbehaltes von Unterhaltspflichtigen gegenüber minderjährigen Kindern bedarf es nicht. Eine Berücksichtigung unterschiedlicher Wohnkosten kann auch durch eine Ergänzung der Vorschrift zur Leistungsfähigkeit (§ 1603 Abs. 1 BGB) erfolgen, müsste sich dann spiegelbildlich aber auch beim Bedarf abbilden.

Die Klarstellung, dass bei einer paritätischen Betreuung jeder Elternteil den Unterhaltsanspruch des Kindes geltend machen kann, ist uneingeschränkt zu begrüßen (Ergänzung in § 1629 BGB). Ebenso sinnvoll ist eine Angleichung des Betreuungsunterhalts von ehemals verheirateten (§ 1570 BGB) und unverheirateten Paaren (§ 1615l BGB) in Fällen, in denen ein Elternteil wegen der Kinderbetreuung nicht in Vollzeit tätig sein kann. Soll sich die Bedarfsbemessung aber auch bei den nicht verheiratet gewesenen Paaren nach dem gemeinsamen Einkommen richten, bedarf es eines praxistauglichen Abgrenzungskriteriums (z. B verfestigte Lebensgemeinschaft).