# 3/03

März 2003

 

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Sexualverbrechen und anderen schweren Straftaten - BT-Drs. 15/29 -

Wegen der sich ergänzenden und sich überschneidenden Problematik wird in einer einheitlichen Stellungnahme auf die Vorschläge des Regierungsentwurfs und des Entwurfs der CDU/CSU-Fraktion eingegangen.

 

a) Vorbemerkungen

Aus Sicht der Praxis ist zu begrüßen, dass Gesetzesvorhaben mit dem Ziel betrieben werden, Lücken im Sexualstrafrecht zu schließen, die sich aus der Entwicklung der Rechtswirklichkeit in den letzten Jahren ergeben haben. Damit wird ein Signal für die Fortentwicklung aktiven Opferschutzes gesetzt.

IDie beiden Gesetzentwürfen vorangestellte Analyse des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs kann aus Sicht der Praxis nur bestätigt werden.

Die Täter des sexuellen Missbrauchs von Kindern gehen immer rücksichtsloser mit immer belastenderen Praktiken gegen immer jüngere Kinder vor.

Es gibt hier einen direkten Zusammenhang mit der weitgehend unbeschränkten Verfügbarkeit kinderpornographischer Medien, die in kaum zu beschreibender Menschenverachtung schon Kleinkinder zu Objekten perversen Sexualverhaltens machen.

Durchsuchungen bei Missbrauchstätern führen regelmäßig zur Sicherstellung kinderpornographischen Materials, mit dem sich die Täter stimulieren und ihre Phantasien weiterentwickeln.

Immer häufiger erlebt die Praxis bekennende Pädophile, welche die von den Strafgesetzen gezogenen Grenzen sehr genau kennen und geradezu kalkuliert damit umgehen.

Andererseits ist ein geändertes Anzeigeverhalten zu beobachten:

Vermehrt entschließen sich heute erwachsene Opfer zur Anzeige in der Kindheit erlebter Missbrauchstaten. Das Ruhen der Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers nach § 78 b StGB ist eine unverzichtbare Voraussetzung dafür geworden, die Genugtuungsfunktion des Strafverfahrens auch gegenüber Opfern zu sichern, denen als Kinder und Jugendliche eine Strafanzeige noch nicht möglich war.

Opferschutzorganisationen, die früher oft abgeraten haben, Strafanzeige zu erstatten, sehen das Strafverfahren zunehmend als geeignete Möglichkeit für die Opfer, die erlittene Tat aufzuarbeiten und aktiv in einer anerkannten Rolle als Verfahrensbeteiligte zu einer Verurteilung des Täters beizutragen.

Diese Entwicklung war nur möglich, weil der Schutz des Opfers im materiellen Recht und im Verfahrensrecht bereits erheblich verbessert worden ist.

Es ist aus unserer Sicht deshalb richtig, diesen Weg konsequent weiter zu gehen.

 

b) Zu den einzelnen Vorschlägen:

 

aa) sexueller Missbrauch von Kindern

Beide Entwürfe verfolgen zunächst das gemeinsame Ziel, durch eine Erhöhung der Strafandrohungen dem besonderen Unrechtsgehalt des sexuellen Missbrauchs von Kindern Rechnung zu tragen und dadurch spezial- und generalpräventiv opferschützende Abschreckungseffekte zu erzielen. Der Entwurf der CDU/CSU sieht die Ausgestaltung der bisherigen Grundtatbestände im § 176 Abs. 1 und 2 StGB als Verbrechen vor.

Da der Strafrahmen dann dem bisherigen § 176 a Abs. 1 und 3 entspricht, wird auf die Beschreibung der tatsächlichen Voraussetzungen der Qualifikationen, die sich bisher in § 176 a Abs. 1 Nr. 1-4 findet, verzichtet; diese gehen in einem einheitlichen Grundtatbestand auf.

Die in § 176 a Abs. 1 Ziff. 1-3 StGB beschriebenen, das Opfer besonders belastenden Tatmodalitäten, sowie die an einen Rückfall des Täters anknüpfende Bestimmung des § 176 a Abs. 1 Ziff. 4 StGB sollten nach meiner Auffassung auch bei einer Ausgestaltung des sexuellen Missbrauchs von Kindern als Verbrechenstatbestand als besonders schwere Fälle mit einer erhöhten Mindeststrafe von 2 Jahren Freiheitsstrafe benannt werden.

Diese Fallgestaltungen werden nach den Erfahrungen in der Praxis bereits bei derzeitiger Rechtslage regelmäßig mit Freiheitsstrafe über 2 Jahre geahndet. Der Gesetzgeber sollte deshalb nicht darauf verzichten, deutlich zu machen, dass solche Taten eine nicht bewährungsfähige Strafe nach sich ziehen müssen.

Dieser Forderung wird der Regierungsentwurf zu § 176 a Abs. 1 Nr. 1-3 StGB gerecht. Dagegen sieht der DRB keine überzeugendenden Argumente, die bisher gleichgestellten Rückfalltäter von dieser Strafschärfung auszunehmen. Ihre einschlägige Wiederholungstat würde nach dem Regierungsentwurf zum Vergehen, wenn auch mit einer Mindeststrafe von 1 Jahr, herabgestuft. Gerade Täter, die sich durch die Warnfunktion eines ersten Urteils nicht haben abhalten lassen, erneut ein Kind zu missbrauchen, würden damit privilegiert.

Insgesamt stehen im Ergebnis beider Entwürfe Strafrahmen zur Verfügung, innerhalb derer die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Taten schuld- und tatangemessen geahndet werden können.

Wesentliche Unterschiede ergeben sich dagegen für die Ahndung von Taten, die im Unwertgehalt unterhalb einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr einzuordnen sind.

Die Entwürfe sind sich in der Analyse noch einig, dass es Taten gibt, die in ihrer Wirkung auf die Opfer, aber auch im Schuldvorwurf gegen den Täter Besonderheiten aufweisen, die sie auch vom Regelfall des Grundtatbestandes unterscheiden :

Zu nennen sind hier aus der Praxis:

- Sexualkontakte von strafmündigen Jugendlichen mit Kindern an der Grenze zum Jugendalter

 

- bereits vom kindlichen Opfer als eher harmlos eingestuftes Betatschen durch, meist ältere, teilweise auch geistig behinderte, Erwachsene.

 

- Verhalten an der Erheblichkeitsgrenze des § 184 c Ziff. 1 StGB (z. B. Körperkontakt in öffentlichen Verkehrsmitteln)

 

- nur flüchtige Körperkontakte ("Bademeisterfälle", "Sportlehrerfälle")

 

- geringfügige Grenzüberschreitungen beim Austausch von Zärtlichkeiten im familiären Umfeld.

 

Es bestehen allerdings erhebliche Bedenken, hier so genannte Liebesbeziehungen zwischen Heranwachsenden/Erwachsenen und Kindern anzuführen. Solche Verhältnisse stören immer die sexuelle Entwicklung eines Kindes. Betroffen sind hier in einer nicht geringen Zahl übrigens auch männliche Kinder in von Erwachsenen aufgebauten homosexuellen Beziehungen.

In diesem Bereich geringerer Strafwürdigkeit ergeben sich aus den beiden Entwürfen sehr unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten:

Der CDU/CDU-Entwurf mit der Ausgestaltung bereits des Grundtatbestandes als Verbrechen und der Regelung eines minderschweren Falles mit einer Strafdrohung von 3 Monaten bis 5 Jahren hat folgende Konsequenzen:

- Der Versuch der Beteiligung an jedem Kindesmissbrauch wird über § 30 StGB strafbar. Dies ist zu begrüßen.

 

- Bei Bejahung des hinreichenden Tatverdachts des sexuellen Missbrauchs ist eine Anklage nur noch zum Schöffengericht oder zur Strafkammer möglich. Eine Anklage zum Strafrichter ist auch bei einer Straferwartung unter 2 Jahren ausgeschlossen (§ 25 Ziff. 1 GVG), obwohl dort eine sachgerechte und ressourcenschonende Erledigung möglich wäre.

 

- In allen Fällen sexuellen Missbrauchs wird es sich um Fälle der notwendigen Verteidigung handeln (§ 140 Abs. 1 Ziff. 2 StPO). Einfach gelagerte Sachverhalte mit geständigen Tätern können bislang ohne Einschaltung eines Verteidigers erledigt werden.

 

- Die Durchführung des Strafbefehlsverfahrens wäre ausgeschlossen (§ 407 Abs. 1 StPO).

 

Es gibt in der Praxis immer wieder Verfahren, die bei Taten geringen Gewichts nach einem Geständnis des Beschuldigten mit dem Ziel, dem Opfer die Belastungen einer öffentlichen Hauptverhandlung zu ersparen, durch einen Strafbefehl bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe erledigt werden. Diese Art der Erledigung ist in diesen Fällen angemessen, da regelmäßig bereits im Ermittlungsverfahren durch Kontakte mit dem Verteidiger, häufig dem anwaltlichen Vertreter des Opfers und Hilfseinrichtungen die Erreichung der Strafzwecke vorbereitet wird, so dass es vertretbar ist, ohne die Durchführung einer Hauptverhandlung zu einem Straferkenntnis zu gelangen.

- Die Durchführung einer Hauptverhandlung ist zwingend. Sie birgt die Gefahr einer Belastung für das als Zeuge zu hörende Opfer und schreckt dieses gerade in weniger gravierenden Fällen möglicherweise ab, Anzeige zu erstatten. Kann einer Hauptverhandlung nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens und der Einschätzung des Opfers eine besondere Genugtuungsfunktion zukommen, wird diese Option selbstverständlich immer zu nutzen sein.

 

- Eine - ausnahmsweise - angemessene Verfahrenseinstellung nach § 153, § 153 a StPO ist ausgeschlossen. Insbesondere die Schadenswiedergutmachung und die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs im Rahmen einer vorläufigen Verfahrenseinstellung nach § 153 a Abs. 1 Ziff. 1, 5 können im Einzelfall geeignet sein, durch ihre Ausgleichsfunktion gegenüber dem Opfer das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung zu beseitigen.

 

Diese Option sollte erhalten bleiben.

- Klarzustellen ist, dass ein Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46 a StGB möglich bleibt.

 

- Verfahren gegen Jugendliche können ebenfalls eingestellt werden. Die §§ 45, 47 JGG sind auch bei Verbrechensvorwürfen anwendbar und bieten in der Praxis ausreichend Möglichkeit, auf ein echtes Liebesverhältnis zwischen einem älteren Kind und einem jungen Jugendlichen angemessen zu reagieren.

 

- Bei Annahme eines minderschweren Falles ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 auch die Verhängung einer Geldstrafe in einer Mindesthöhe von 90 Tagessätzen möglich. In besonderen Einzelfällen kann eine Geldstrafe schuld- und tatangemessen sein. Auch wenn dieses Ergebnis bereits nach Abschluss der Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft angestrebt wird, bedarf es nach diesem Entwurf einer Anklage zum Schöffengericht und der Durchführung einer Hauptverhandlung.

 

Der CDU/CSU-Entwurf besticht durch seine Konsequenz, wegen des Schutzes eines überragenden Rechtsgutes niederschwellige Reaktionen auszuschließen. Er hat jedoch den Nachteil, dass minderschwere Fälle mit hohem Aufwand und unter Verzicht auf Einstellungsmöglichkeiten mit ihrer besonderen Ausgleichsfunktion erledigt werden müssen.

Nach dem Regierungsentwurf ergibt sich Folgendes :

- Die Einstufung des Grundtatbestandes als Vergehen lässt alle verfahrensrechtlichen Optionen der Strafprozessordnung offen. Dies entspricht einem eben dargestellten Bedürfnis der Praxis, abgestuft reagieren zu können.

 

- Durch Verzicht auf einen minderschweren Fall und die Festlegung einer Mindeststrafe von 6 Monaten ist die Verhängung einer Geldstrafe ausgeschlossen. Hierfür mögen die in der Entwurfsbegründung genannten Erwägungen sprechen. Das grundsätzlich eröffnete Strafbefehlsverfahren wird hierdurch in seinem Anwendungsbereich auf die Verhängung von Freiheitsstrafen zwischen 6 Monaten und 1 Jahr beschränkt. Zwischen der uneingeschränkt möglichen Einstellung nach den §§ 153 ff. StPO und der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten fehlt eine für die Praxis wichtige Sanktionsstufe.

 

- Der Entwurf verfolgt insgesamt das Ziel einer Strafverschärfung, bietet jedoch weiterhin einen Strafrahmen an, der die rechtspolitisch nicht gewünschte Gefahr unangemessen niedriger Freiheitsstrafen für "Normalfälle" sexuellen Missbrauchs bietet. Aus der Praxis sind hier Verurteilungen von Tätern zu nennen, die wegen disziplinarrechtlicher oder berufsrechtlicher Folgen zu unangemessen niedrigen Freiheitsstrafen von 11 Monaten verurteilt werden.

 

 

Im Ergebnis ist festzuhalten:

Aus Sicht der Praxis sind Regelungen vorzugswürdig, die einerseits ermöglichen, das gesamte ausdifferenzierte Reaktionssystem der StPO zu nutzen und andererseits durch Erhöhung der Strafdrohungen in den Qualifikationstatbeständen die besondere Strafwürdigkeit der in der Kriminalitätswirklichkeit häufigen Begehungsformen hervorheben.

Der Regierungsentwurf müsste hierzu durch Beibehaltung des § 176 a Abs. 1 Nr. 4 StGB und die Eröffnung eines minderschweren Falles mit einer Strafdrohung von 3 Monaten bis 5 Jahren in § 176 StGB angepasst werden.

Die im Regierungsentwurf zu §§ 176, 176 a StGB und in beiden Entwürfen zu § 179 vorgesehenen Ergänzungen und Strafschärfungen sind aus Sicht der Praxis zu begrüßen; dies gilt auch für die im CDU/CSU-Entwurf vorgeschlagene Ergänzung des § 140 StGB.

 

bb) Änderung des § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten)

Dem rechtspolitischen Ziel, das Anzeigeverhalten zugunsten einer weiteren Aufhellung des Dunkelfeldes und zum Schutze kindlicher Opfer vor weiteren Straftaten durch gesetzgeberische Maßnahmen zu beeinflussen, ist aus Sicht der Praxis zuzustimmen.

Die geplante Regelung geht auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06.11.1997 zurück, mit der die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aufgefordert wurden, die Unterlassung der Anzeige von pädophilen Handlungen oder Kindesmisshandlungen, von denen Dritte Kenntnis erlangt haben, oder von erstzunehmenden Hinweisen darauf im Sinne von unterlassener Hilfeleistung als kriminelle Tatbestände festzulegen.

Es bestehen erhebliche Zweifel, ob dieses nun vom nationalen Gesetzgeber aufgegriffene rechtspolitische Ziel durch eine Ergänzung der Anzeigepflicht des § 138 StGB erreicht wird, wenn gleichzeitig der Kreis der nur bedingt aussagepflichtigen Personen in § 139 StGB erweitert wird.

Die Praxis zeigt: Missbrauchstaten an Kindern werden regelmäßig nicht durch unmittelbare Tatzeugen aufgedeckt. Sie werden vielmehr ganz überwiegend dadurch bekannt, dass sich missbrauchte Kinder Vertrauenspersonen öffnen. In einem geringeren Teil der Fälle werden Ermittlungen eingeleitet, weil körperliche Veränderungen oder Verhaltensveränderungen durch Eltern, bei ärztlichen Untersuchungen oder durch Kontaktpersonen im persönlichen Umfeld festgestellt werden. Die Reaktionen reichen von Vorwürfen gegen das Kind bis zu konkreten professionellen Hilfsangeboten.

Die Kinder selbst wissen fast immer, dass Missbrauch eine Straftat ist, für die der Täter "ins Gefängnis muss". Dieses Wissen, dass sie mit ihrer Offenbarung in wesentliche Strukturen ihres familiären und sozialen Umfelds massiv eingreifen (Zerstörung der Familie, Zerstörung der Beziehung der Eltern untereinander, Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlage der Familie) und die immer wieder anzutreffende Ambivalenz des Verhältnisses zum Täter hält Kinder in vielen Fällen ab, über Missbrauchshandlungen zu berichten. Kinder wollen, dass die Tat aufhört, sie haben aber Angst vor den Folgen einer Strafanzeige.

Um Kindern die Sicherheit zu geben, sich ohne von ihnen nicht zu übersehende Weiterungen an Vertrauenspersonen wenden zu können, spricht vieles dafür, den Personenkreis der Auskunftspflichtigen, wie im Entwurf vorgesehen, über die ohnehin Zeugnisverweigerungsberechtigten hinaus einzuschränken. Diese Personen sollten vielmehr in Präventionsprogramme einbezogen werden und insbesondere über die Möglichkeiten des Opferschutzes im Strafverfahren aufgeklärt werden, um sie zu animieren, selbst anzuzeigen oder Anzeigen zu vermitteln.

Der nach dem Entwurf verbleibende Kreis anzeigepflichtiger Personen wird dann jedoch sehr beschränkt sein. Von der Anzeigepflicht betroffen werden vor allem Nachbarn und Freunde der Familie sein. Sie werden zumeist nur Zeugen vom Hörensagen sein und regelmäßig nicht die Möglichkeit haben, ihre Wahrnehmung zu verifizieren ("glaubhaft erfahren"). Dies kann einerseits zu Verdachtsanzeigen mit der Gefahr einer Strafverfolgung nach § 164 StGB führen, während andererseits die Nichtanzeige kaum zu einer Verurteilung führen wird. Der Nachweis, dass ein Angeklagter zu einem bestimmten Zeitraum alle für die Beurteilung einer künftigen Gefährdung des Kindes bedeutsamen Kenntnisse gehabt hat, wird kaum zu führen sein. Zur Beweisführung müsste im Übrigen auf das geschädigte Kind selbst und regelmäßig auf mit Zeugnisverweigerungsrechten ausgestattete Personen im Umfeld des Kindes zurückgegriffen werden.

Schließlich werden die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Absehen von Strafen nach § 139 Abs. 5 StGB kaum beweissicher festzustellen sein.

Will man den in der Präventionsarbeit entwickelten richtigen Grundsatz "HINSCHAUEN statt WEGSCHAUEN" durch eine Strafbewehrung durchsetzen, muss man den Kreis der nicht Auskunftspflichtigen auf Personen beschränken, die nach geltendem Recht ein Zeugnisverweigerungsrecht haben. Die Vertrauensverhältnisse zu den im Entwurf genannten weiteren Bezugspersonen würden so jedoch erheblich beeinträchtigt. Eine Erhöhung der Anzeigequote dürfte kaum erreicht werden.

 

cc) Verbreitung pornographischer Schriften

Die Überarbeitung der Tatbestände der §§ 184-184 c StGB schafft eine sinnvolle Neuordnung der unübersichtlich gewordenen Bestimmungen und betont durch § 184 b StGB den Gesetzeszweck, den Umgang mit kinderpornographischen Schriften unter Strafe zu stellen.

 

Aus Sicht der Praxis ist zu den einzelnen Regelungen folgendes zu bemerken:

- Die Einschränkung des Erzieherprivilegs in der Neufassung des § 184 Abs. 2 StGB ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zu prüfen ist allerdings, ob auf das Erzieherprivileg nicht gänzlich verzichtet werden kann. Es ist schwer vorstellbar, dass die Vermittlung des Zugangs zu Pornographie in Erfüllung der Erziehungspflicht erfolgt.

 

Andererseits erscheint eine Harmonisierung des Schutzalters in § 184 mit der Altersgrenze in den §§ 174, 176 StGB erwägenswert. Es ist ein Wertungswiderspruch, dass ein eigenbestimmter einvernehmlicher Sexualkontakt mit 14-Jährigen straffrei ist, während das Zugänglichmachen von pornographischen Schriften an Jugendliche unter Strafe gestellt ist.

- Zu begrüßen ist die Differenzierung zwischen Eigen- und Fremdbeschaffung und die maßvolle Erhöhung der Strafobergrenze in § 184 b StGB.

 

- Die Ausdehnung der Qualifizierung des bisherigen § 184 StGB Abs. 4 auf Fälle der nicht verbreitenden Fremdverschaffung, z. B. durch Übersendung von E-Mails, schließt eine in der Praxis erkannte Strafbarkeitslücke.

 

- Der Entwurfsbegründung zu § 184 c StGB ist zuzustimmen. Ein Regelungsbedürfnis hat sich insbesondere für die Verbreitung pornographischer Livedarbietungen durch Tele- und Mediendienste ergeben.

 

 

Die im Entwurf der CDU/CSU-Fraktion vorgesehenen Strafschärfungen in § 184 StGB sind zu begrüßen, soweit in Abs. 5 der Strafrahmen auf eine Höchststrafe von 3 Jahren erweitert wird. Der Strafrahmen, der bisher etwa dem für ein Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis entsprach, wird damit dem Unrechtsgehalt dieser Tathandlungen gerecht. Andererseits sind in der Praxis immer wieder Taten nach § 184 Abs. 3 StGB zu verfolgen, die von geringem Gewicht sind und deshalb mit Geldstrafen von 90 bis 180 Tagessätzen angemessen geahndet werden können. Diese Möglichkeit entfiele durch die im Entwurf vorgesehene Erhöhung der Mindeststrafe auf 6 Monate.

 

 

3. Änderung der Strafprozessordnung

a) § 81 g StPO

Die D N A-Analyse ist ein überaus effektives und damit unverzichtbares Hilfsmittel bei der Strafverfolgung. Sie liefert eindeutige Beweise und sollte deshalb in möglichst großem Umfang eingesetzt werden können. Dies gilt insbesondere beim Verdacht auf Sexualstraftaten. Hier werden typischerweise regelmäßig Spuren zurückgelassen, die eine D N A-Analyse erlauben. Da Sexualstraftäter im Laufe ihres Lebens in sehr vielfältiger Weise auftreten können, ist es aus Sicht der Praxis geboten, bei der Erhebung von Körperzellen an alle Taten mit Sexualbezug anzuknüpfen. Über die in den Entwürfen übereinstimmend genannten Fallgruppen hinaus sollte dies auch - wie im Entwurf der CDU/CSU-Fraktion vorgesehen-, für allgemeine Vergehen mit sexuellem Hintergrund als Anlasstaten gelten.

Etwa der Diebstahl von Wäsche oder Fetischen wird häufig von Täter begangen, die auch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begehen.

Die Aufnahme der Möglichkeit der DNA-Analyse zur Feststellung des Geschlechts sowie die Festlegung der Anforderungen an die schriftliche Beschlussbegründung des Gerichts durch den Gesetzgeber sind zu begrüßen. Sie erfüllen ein praktisches Bedürfnis und betonen den wegen der Eingriffstiefe besonders zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

 

b) § 88 StPO

Die Möglichkeit, vor der Leichenöffnung die Identität des Verstorbenen durch eine molekulargenetische Untersuchung festzustellen, entspricht einem Erfordernis der Praxis.

 

c) § 100 a StPO

Die Erweiterung des Katalogs der Anlasstaten auf alle Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und des Umgangs mit Kinderpornographie entspricht einem praktischen Bedürfnis. In zahlreichen Fällen findet die Anbahnung des sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie der Austausch von Berichten über diesen Missbrauch im Fernmeldeverkehr statt.

§ 100 a StPO sollte daher entsprechend dem CDU/CSU-Entwurfs ergänzt werden.

Diese sachlich begründete Entscheidung sollte nicht wegen möglicher Defizite bei der Anordnung begründet werden. Schon die bereits vorliegende Bielefelder Untersuchung hat nicht nur Schwächen in der Ausübung des Richtervorbehalts aufgezeigt sondern auch belegt, dass die untersuchten Beschlüsse in der Sache ganz überwiegend zu treffen waren.