#23/2023

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Der Deutsche Richterbund begrüßt die in dem Referentenentwurf vorgesehenen Erleichterungen zur Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen bei einem elektronischen Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher und bei einem elektronischen Antrag an das Vollstreckungsgericht. Durch die in §§ 754a und 829a ZPO-E vorgesehene Möglichkeit, die Vollstreckungsvoraussetzungen künftig statt in Papierform auch in elektronischer Form nachweisen zu können, wird dem starken Anstieg von Vollstreckungsanträgen in hybrider Form und der damit verbundenen Belastung bei den Gerichten und den Gerichtsvollziehern wirksam begegnet.

Bedenken gegen die Ausdehnung des bisher auf Vollstreckungsbescheide beschränkten Anwendungsbereichs der §§ 754a, 829a ZPO-E auf alle Titel zur Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen könnten dadurch Rechnung getragen werden, dass die Erleichterungen nur für Titel vorgesehenen werden, die – wie bisher bei den Vollstreckungsbescheiden – nur eine Vollstreckung bis zu einem Gesamtbetrag von 5.000 € ermöglichen.

Zum Schutz der Schuldner ist sicherzustellen, dass die in der Begründung des Referentenentwurfs angesprochenen Überlegungen zur Schaffung einer digitalen Lösung, z. B. die Errichtung eines zentralen Titelregisters, zügig vorangetrieben werden, um dauerhaft ein hohes Maß an Fälschungs- und Manipulationsschutz zu gewährleisten.

Gegen die Umsetzung der vorgesehenen Regelungen zur Erleichterung der digitalen Kommunikation mit den Gerichtsvollziehern bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Gleiches gilt für die durch § 753a ZPO-E beabsichtigte Neuregelung zum Nachweis der Vollmachten bei der Vollstreckung durch Gerichtsvollzieher und die in § 764a ZPO-E vorgesehenen Vereinfachungen zum Nachweis von Prozessvollmachten gegenüber dem Gericht in Zwangsvollstreckungsverfahren.

Zu begrüßen sind die Überlegungen, im Zusammenhang mit der vorgeschriebenen Nutzung der Zwangsvollstreckungsformulare auch eine Pflicht zur Einsendung der Formulare als XJustiz-Datensatz einzuführen. Dadurch kann eine effektive elektronische Weiterbearbeitung der Formulare durch die Gerichte erreicht werden. Eine Verpflichtung zur Nutzung des XJustiz-Datensatzes zur Übernahme übermittelter elektronischer Daten sollte im Zuge der Einführung der elektronischen Akte auch für die Vollstreckungsaufträge und grundsätzlich für möglichst viele Bereiche in der Justiz geschaffen werden.

Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens ist es auch unbedingt erforderlich, zügig die Einführung der elektronischen Akte im Gerichtsvollzieherdienst voranzutreiben. Denn bisher kommt es in einer ganz enormen Anzahl von Fällen zum Medienbruch, wenn die elektronisch eingehenden Vollstreckungsaufträge in den Gerichtsvollzieherverteilerstellen der Gerichte oder von den Gerichtsvollziehern ausgedruckt werden müssen.

 

B. Bewertung im Einzelnen

 

I. Ausweitung des Anwendungsbereichs der § 754a und § 829a ZPO

Die in den §§ 754a, 829a ZPO-E vorgesehenen Erleichterungen, bei einem an den Gerichtsvollzieher gerichteten elektronischen Vollstreckungsauftrag zur Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen und bei einem an das Vollstreckungsgericht gerichteten Antrag die Übermittlung der nachzuweisenden Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen in digitaler Form zuzulassen, entsprechen einem praktischen Bedürfnis und sind daher grundsätzlich zu begrüßen. Durch die Erforderlichkeit, neben dem elektronisch zu übermittelnden Antrag den Vollstreckungstitel in Papierform auf dem Postweg nachzureichen, sind in der Praxis sowohl für die Gerichte als auch für die Gerichtsvollzieher nicht unerhebliche Zuordnungsprobleme entstanden. Häufig werden im Nachgang zu einem elektronisch übermittelten Antrag die Vollstreckungstitel von den Gläubigern ohne Angabe des gerichtlichen Aktenzeichens oder des Aktenzeichens des Gerichtsvollziehers nachgereicht. Durch die vorgesehene Möglichkeit, die Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen künftig auch digital nachweisen zu können, werden der durch die hybride Antragstellung entstandene Zuordnungsaufwand und dadurch bedingte zeitliche Verzögerungen reduziert. Gleichzeitig werden dadurch bedingte mögliche Nachteile bei der Einhaltung der Zwangsvollstreckungsreihenfolge gegenüber anderen Gläubigern vermieden.

Angesichts des jetzt schon für die Zwangsvollstreckung aus Vollstreckungsbescheiden vorgesehenen vereinfachten Zwangsvollstreckungsverfahrens (§ 754a ZPO) und des vereinfachten Vollstreckungsantrages bei Vollstreckungsbescheiden (§ 829a ZPO) bestehen jedenfalls keine grundsätzlichen Bedenken, den Anwendungsbereich dieser Vorschriften auch auf sonstige Titel auszuweiten, die eine Vollstreckung wegen einer Geldforderung beinhalten. Der Verzicht auf die Vorlage des Originals der vollstreckbaren Ausfertigung in Papierform birgt allerdings auch Risiken, da theoretisch eine weitere Zwangsvollstreckung aus der in der Hand des Gläubigers verbleibenden vollstreckbaren Ausfertigung des Titels nicht zuverlässig ausgeschlossen werden kann. Um etwaigen Bedenken Rechnung zu tragen, könnte erwogen werden, die für den vereinfachten Vollstreckungsauftrag aus einem Vollstreckungsbescheid vorgesehene Beschränkung auf Geldforderungen bis zu einem Betrag von 5.000 € nicht wie vorgesehen vollständig aufzugeben, sondern beizubehalten.

Ausweislich der Begründung gelten die bei § 754a und § 829a ZPO-E vorgesehenen Erleichterungen zu Recht nicht auch für andere Anträge an das Gericht, wie z.B. den Antrag auf Erlass von richterlichen Durchsuchungsanordnungen nach § 758a ZPO oder den Erlass eines Haftbefehls nach § 802g Abs. 1 ZPO. Daher sind vor Erlass eines Haftbefehls und einer Durchsuchungsanordnung weiterhin die Titel im Original in Papierform einzureichen. Dies sollte im Hinblick auf die mit diesen Maßnahmen verbundenen erheblichen Grundrechtseingriffe auch nach wie vor so bleiben.

Die durch §§ 754a, 829a ZPO-E vorgesehene Ausweitung des Anwendungsbereichs sollte allerdings möglichst zeitnah und dauerhaft durch eine, auch in der Begründung angesprochene, digitale Lösung ersetzt werden, die einen hohen Schutz vor Fälschungen und Manipulationen zum Schutz des Schuldners gewährleistet. Die nach Auffassung der Praxis zu begrüßende Errichtung eines „zentralen Titelregisters“ würde nicht nur dem Problem der hybriden Antragstellung, sondern auch dem Nachweis der Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen und dem zum Schutz des Schuldners erforderlichen Nachweis bereits erbrachter Zahlungen bzw. der vollständigen Befriedigung des Gläubigers Rechnung tragen. Dabei sollte auch die Möglichkeit der „Entwertung“ eines elektronischen Titels mitbedacht werden.

 

II. Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr mit dem Gerichtsvollzieher

Zu begrüßen ist, dass die digitale Kommunikation mit dem Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan und die sicheren Übermittlungswege bei der Kommunikation mit dem Gerichtsvollzieher künftig in § 753 Abs. 4-8 ZPO-E umfassend und übersichtlich geregelt werden sollen. Gegen die im Einzelnen getroffenen Regelungen, die die Kommunikation mit den Gerichtsvollziehern betreffen, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken.

Die schon bisher für die professionellen Einreicher nach § 130d Satz 1 ZPO bestehende Verpflichtung zur elektronischen Einreichung von Dokumenten soll künftig unmittelbar in § 753 Abs. 4 Satz 1 ZPO-E geregelt werden und ergibt im Hinblick auf die Adressaten keine Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage.

Wegen des Verweises in § 753 Abs. 4 Satz 1 ZPO-E auf § 754a ZPO-E gilt die grundsätzliche Pflicht der professionellen Einreicher zur elektronischen Einreichung von Dokumenten allerdings nicht für Ausfertigungen, Vollstreckungsklausel und sonstige dem Gerichtsvollzieher vorzulegenden Urkunden. Nur innerhalb des Anwendungsbereichs des § 754a ZPO-E besteht für die professionellen Einreicher die Wahl, diese Dokumente dem Gerichtsvollzieher in Papierform vorzulegen oder elektronisch zu übermitteln; im Übrigen müssen diese Dokumente zum Nachweis der Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen dem Gerichtsvollzieher nach wie vor in Papierform vorgelegt und übergeben werden.

Die bisher die professionellen Einreicher betreffende Pflicht zur elektronischen Einreichung bestimmter schriftlich einzureichender Dokumente soll nunmehr– abgesehen von den vorgenannten Fällen – auf Dokumente aller Art erweitert werden. In konsequenter Umsetzung und damit zur zu begrüßenden Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs bedeutet dies, dass Dokumente, die bisher noch im Wege der einfachen E-Mail oder per Fax beim Gerichtsvollzieher eingereicht wurden, künftig nur noch elektronisch eingereicht werden dürfen. Bei der Übermittlung elektronischer Dokumente an den Gerichtsvollzieher müssen Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts die weiteren Vorgaben für den elektronischen Rechtsverkehr einhalten. Durch diese Regelung kann insbesondere der in der Praxis im Zuge der Einführung der E-Akte in Zwangsvollstreckungssachen anfallende Scanaufwand deutlich begrenzt werden.

Keine Bedenken bestehen gegen die in § 753 Abs. 6 Satz 3 ZPO-E vorgesehene Erleichterung, dass Personen, bei denen es sich nicht um professionelle Einreicher i. S. des § 130d ZPO handelt, und die dem Gerichtsvollzieher Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg übermitteln, damit gleichzeitig ihre Zustimmung erteilen, dass auch der Gerichtsvollzieher über diesen sicheren Übermittlungsweg mit ihnen kommunizieren darf.

Soweit in den §§ 754, 755, 757 und 802a ZPO-E künftig geregelt werden soll, dass für die dort genannten Befugnisse und Pflichten des Gerichtsvollziehers die Übermittlung einer elektronischen Kopie der vollstreckbaren Ausfertigung an den Gerichtsvollzieher bzw. dessen Zugriffsmöglichkeit auf eine solche Kopie ausreicht, bestehen ebenfalls keine Bedenken.

 

III. Vollmachten im Zwangsvollstreckungsverfahren

Gegen die Neuregelungen zum Nachweis der Vollmachten bei der Vollstreckung durch Gerichtsvollzieher und die vorgesehenen Vereinfachungen beim Nachweis der Vollmacht gegenüber dem Gericht bestehen keine Bedenken, da sich inhaltlich nichts Wesentliches ändert. Die Aufteilung der bisher in § 753a ZPO getroffenen Regelung auf § 753a ZPO-E (Vollmachten bei der Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher) und § 764a ZPO-E (Vollmacht gegenüber dem Gericht in Zwangsvollstreckungsverfahren) erscheint zweckmäßig und sinnvoll, da sich die Regelungen der §§ 753 ff ZPO grundsätzlich nur auf die Gerichtsvollzieher beziehen.

Durch § 753a ZPO-E soll für alle Zwangsvollstreckungsverfahren, die durch den Gerichtsvollzieher geführt werden, die Erteilung und der Nachweis rechtsgeschäftlich erteilter Vollmachten unmittelbar im Zwangsvollstreckungsrecht geregelt werden, statt sinngemäß auf die allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen. In Abweichung von der bisherigen Rechtslage ist vorgesehen, dass in den unter § 753a Abs. 2 ZPO-E genannten Fällen die Form der Abgabe der Versicherung zum Nachweis der Vollmacht künftig in Textform zu erfolgen hat. Diese Regelung schafft Rechtssicherheit für die Gerichtsvollzieher, da eine mündliche Versicherung nun nicht mehr ausreichend ist. Gleiches gilt für die in § 753a Abs. 2 Nr. 2 b) ZPO-E geregelte Geldempfangsvollmacht, die ebenfalls von dem dort genannten Personenkreis in Textform zu versichern ist.

Keine grundsätzlichen Bedenken bestehen gegen die in § 764a ZPO-E beabsichtigten Regelungen zum Nachweis der Prozessvollmacht gegenüber dem Gericht. Der Referentenentwurf schafft damit die Möglichkeit des Nachweises der Vollmacht gegenüber dem Gericht durch Abgabe einer Versicherung über die Bevollmächtigung. Auch hier bedarf es in Übereinstimmung mit § 753a Abs. 2 Satz 1 ZPO-E der Versicherung in Textform. Die Regelung findet nach der Begründung auch auf Anträge auf Erlass von Durchsuchungsanordnungen nach § 758a ZPO und Haftbefehlen nach § 802g Abs. 1 ZPO Anwendung. Ein erleichterter Nachweis der Bevollmächtigung wird grundsätzlich begrüßt, sollte jedoch (ähnlich wie bei § 754a ZPO-E) auf die Fälle beschränkt werden, in denen der Antrag tatsächlich elektronisch eingereicht wird und ansonsten ein hybrider Antrag eingereicht werden müsste. Nur dann sind die Erleichterungen an den Vollmachtsnachweis sachlich gerechtfertigt.

 

IV. Überlegungen zur verpflichtenden Nutzung des XJustiz-Datensatzes

Die Überlegungen, eine Pflicht zur Einsendung der Zwangsvollstreckungsformulare als XJustiz-Datensatz für bestimmte professionelle Antragsteller vorzusehen, werden ausdrücklich begrüßt. Angesichts der bereits bestehenden Verpflichtung zur Nutzung der Zwangsvollstreckungsformulare nach § 758a Abs. 6 und § 829 Abs. 4 ZPO bei Anträgen auf Erlass von Durchsuchungsanordnungen und von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen dürfte die ergänzende Aufnahme einer entsprechenden Verpflichtung für Rechtsanwälte, Inkassounternehmen und Behörden, die in diese Formulare einzutragenden Daten als XJustiz-Datensatz zu übermitteln, auch zumutbar sein. Die Aufnahme einer solchen Verpflichtung würde eine effektive elektronische Weiterbearbeitung von Formularen durch die Gerichte sicherstellen. Die Möglichkeit zur Übernahme der elektronischen Daten und der Beschlussentwürfe vermindert den Erfassungsaufwand und trägt zu einer sinnvollen und erheblichen Entlastung der Servicekräfte in der Praxis bei.

Die Nutzung des XJustiz-Datensatzes erfordert natürlich auch eine Anpassung der Software der professionellen Einreicher, so dass eine entsprechende Verpflichtung nur mit der Einräumung einer angemessenen Umsetzungsfrist einhergehen kann.

Die Verpflichtung zur Einsendung von Metadaten im XJustiz-Datensatz sollte darüber hinaus auch auf Vollstreckungsaufträge erstreckt werden, damit die elektronischen Daten künftig unmittelbar vom Gerichtsvollzieher übernommen werden können. Bislang müssen alle elektronischen Eingänge im Gerichtsvollzieherbüro ausgedruckt werden. Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens ist es daher unbedingt erforderlich, zügig auch die Einführung der elektronischen Akte im Gerichtsvollzieherdienst voranzutreiben. Denn bisher kommt es in einer ganz enormen Anzahl von Fällen zum Medienbruch, wenn die elektronisch eingehenden Vollstreckungsaufträge in den Gerichtsvollzieherverteilerstellen der Gerichte oder von den Gerichtsvollziehern ausgedruckt werden müssen.

Die Verpflichtung zur Einreichung von Metadaten im XJustiz-Datensatz sollte zudem noch weitergehender auch für andere Bereiche in der Justiz eingeführt werden (z. B. Datenübernahme in Massenverfahren wie Dieselklagen und Fluggastsachen). Zur effektiven Verbesserung des elektronischen Rechtsverkehrs und im Zuge der Einführung der elektronischen Akte erscheinen derartige Vorgaben zunehmend unerlässlich.