# 19/04

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Grünbuch "Unterhaltspflichten" der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 15.4.2004 KOM(2004) 254 endgültig

September 2004

Der Deutsche Richterbund beantwortet die Fragen aus dem Grünbuch wie folgt:

 

Zu Frage 1 a: Soll der Begriff der Unterhaltspflichten definiert werden? In welcher Weise?

 

Im Hinblick auf eine möglichst einheitliche Begriffsauslegung sollte eine europäische Definition des Begriffes der Unterhaltspflicht angestrebt werden.

Dabei sollte einmal der Begriff Unterhaltspflicht definiert werden, um ihn von anderen Instituten z.B. Hausrat und Ehewohnung, die nach dem Haager Übereinkommen vom 02.10.1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen sowie über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht unter dem Begriff Unterhaltspflichten subsumiert werden, aber auch gegenüber güterrechtlichen oder erbrechtlichen Ausgleichsleistungen abzugrenzen.

Als Anhaltspunkt könnte die weite Auslegung des Begriffes Unterhaltssache dienen, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bei der Anwendung des Brüsseler Übereinkommens aus dem Jahr 1968 (jetzt: Art.5 Nr.2 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVO) vorgenommen hat, z. B.: Unterhaltsleistungen sind Zuwendungen des Unterhaltspflichtigen im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit an den Unterhaltsberechtigten, die dieser zum Bestreiten seiner Lebensbedürfnisse benötigt und die er nicht selbst decken kann.

 

Zu Frage 1 b: Sollen die künftigen Rechtsinstrumente auf die Geltendmachung ausstehender Forderungen Anwendung finden?

 

Verfahren mit internationalem Bezug weisen regelmäßig eine lange Verfahrensdauer auf, so dass eine Begrenzung auf den künftig fällig werdenden Unterhalt die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs erheblich schmälern würde. Eine Regelung wie im Art. 11 des Haager Übereinkommens aus dem Jahr 1973, das bei wiederkehrenden Zahlungen auch die bereits fälligen Zahlungen erfasst, erscheint daher sinnvoll.

 

Zu Frage 1 c: Sollen die künftigen Rechtsinstrumente auf öffentliche Stellen Anwendung finden, insbesondere bezüglich der Zusammenarbeit?

Soweit die öffentliche Stelle lediglich den privatrechtlichen Unterhaltsanspruch einer Person im Wege des Rückgriffes geltend macht, ist dagegen nichts einzuwenden. Es bleibt letztlich eine Zivilsache (vgl. Martiny, IPRax 2004, 195, 205). Soweit die öffentliche Stelle auf Grund besonderer öffentlich rechtlicher Vorschriften den Unterhaltspflichtigen in Anspruch nimmt, dürfte dies den Rahmen einer ins Auge gefassten einheitlichen Regelung sprengen, da dann zumindest weitere Gesichtpunkte eine Rolle spielen als der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch.

 

Zu Frage 1 d: Sollen die künftigen Rechtsinstrumente auf alle Personen Anwendung finden, die den unterschiedlichen Rechtssystemen zufolge Unterhaltsansprüche haben können?

 

Die Festlegung des Personenkreises, der unter die einheitliche europäische Regelung fallen soll, sollte geregelt werden. Angesichts der unterschiedlichen Unterhaltspflichten im europäischen Raum sollte man den Anwendungsbereich auf die Personen beschränken, die bereits jetzt in allen europäischen Staaten aus Beziehungen der Familie, Verwandtschaft, Ehe, Schwägerschaft oder Lebenspartnerschaft unterhaltsverpflichtet sind, einschließlich der Unterhaltspflicht gegenüber einem nichtehelichen Kind, so dass unter die Regelung z.B. nicht Unterhaltspflichten Verwandter in der Seitenlinie oder Verschwägerter fallen. Eine Alternative wäre es, entsprechend Art. 1, 7 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht vom 2.10.1973 die Regelung auf Unterhaltspflichten anzuwenden, die sich aus Beziehungen der Familie, Verwandtschaft, Ehe, Schwägerschaft oder Lebenspartnerschaft ergeben, einschließlich der Unterhaltspflicht gegenüber einem nichtehelichen Kind, wenn nach dem innerstaatlichen Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verpflichteten eine solche Pflicht besteht.

 

Zu Frage 2 a: Soll das künftige Haager Übereinkommen einen ganzen Komplex von Vorschriften für die unmittelbare Zuständigkeit enthalten? Falls ja, welche Vorschriften müssten aufgenommen werden?

 

Die Zuständigkeit sollte nach den einzelnen Unterhaltskomplexen, wie z.B. Kindes-, Ehegatten- und Verwandtenunterhalt usw. geregelt werden. Der Schwerpunkt der Zuständigkeit sollte beim Aufenthalt des Berechtigten liegen. Man könnte hier aber auch an eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Aufenthaltsort des Berechtigten oder Verpflichteten denken.

 

Zu Frage 2 b: Soll das künftige Haager Übereinkommen Vorschriften für die unmittelbare Zuständigkeit enthalten, die nur für die Fälle gelten, in denen es um Anträge auf Änderung einer früheren Entscheidung geht? Falls ja, welche Vorschriften müssten aufgenommen werden?

 

Eine gesonderte Regelung der Zuständigkeit für Abänderungsklagen erscheint wünschenswert. Dabei sollte das Ziel sein, das Gericht für zuständig zu betrachten, das die ursprüngliche Entscheidung getroffen hat, wenn einer der Beteiligten sich noch dort aufhält. Andernfalls sollte die gleiche Zuständigkeitsregelung, wie bei Frage 2 a dargestellt, gelten.

 

Zu Frage 3 a: Könnte die Abschaffung des Exequaturverfahrens im Rahmen der Gemeinschaft aus Gründen der öffentlichen Ordnung erschwert werden?

 

Gründe der öffentlichen Ordnung stehen nur in ganz seltenen Fällen der Klauselerteilung entgegen, so dass dieser Gesichtspunkt der Abschaffung des Exequaturverfahrens nicht entgegenstünde.

 

Zu Frage 3 b: Könnte die Abschaffung des Exequaturverfahrens im Rahmen der Gemeinschaft aus Gründen der Verletzung der Verteidigungsrechte erschwert werden?

 

Ein Problem bei der Klauselerteilung in diesem Zusammenhang ist oft die Frage, ob bei Säumnisentscheidungen das verfahrenseinleitende Schriftstück so rechtzeitig zugestellt wurde, dass sich der Schuldner verteidigen konnte. Wenn das Klauselerteilungsverfahren abgeschafft wird, sollte man daher mindestens einen Nachweis über die rechtzeitige Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei der Vollstreckung verlangen. Diese Bescheinigung sollte durch den Richter ausgestellt werden, der die Entscheidung erlassen hat (vgl. Art.41 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr.2201/2003 (Brüssel IIa).

 

Zu Frage 4: Ist mit besonderen Schwierigkeiten zu rechnen, wenn Entscheidungen in Unterhaltssachen von Rechts wegen mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit ausgestattet würden?

 

Entscheidungen in Unterhaltssachen sollten vorläufig vollstreckbar sein, da der Titelgläubiger die entsprechenden Leistungen für seinen Lebensbedarf braucht. Gegen eine entsprechende Regelung wie sie Art. 41 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates über das Umgangsrecht vorsieht, bestehen grundsätzlich keine Einwände (S. 22 Grünbuch). Man könnte allerdings daran denken, für die vorläufige Vollstreckung von rückständigem Unterhalt eine Sicherheitsleistung zu fordern. Dies erscheint nicht unverhältnismäßig, da der Unterhaltsberechtigte i.d.R. den rückständigen Unterhalt nicht unbedingt zu seiner Lebensführung braucht. Auf der anderen Seite wird so dem Pflichtigen die Möglichkeit eingeräumt, nach endgültiger Abweisung der Unterhaltsklage zumindest die im Wege der vorläufigen Vollstreckung beigetriebenen Beträge wieder zu erhalten, ohne dass sich der Pflichtige darauf berufen könnte, das Geld für seinen Unterhalt verbraucht zu haben.

 

Zu Frage 5: Kann in Bezug auf die Phase der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen Folgendes vorgesehen werden:

a) Die Vereinfachung der Verfahren, die in manchen Mitgliedstaaten für die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vorgesehen sind?

Sinnvoll wäre eine Regelung wie beim europäischen Vollstreckungstitel. Damit würde sich ein gesondertes Vollstreckungsverfahren weitgehend erübrigen.

b) Eine Aussetzung der Vollstreckung nur noch in Ausnahmefällen?

Eine Aussetzung der Vollstreckung sollte nur in eng umschriebenen Ausnahmefällen zulässig sein.

 

Zu Frage 6: Wäre es denkbar, eine in einem Mitgliedstaat der EU ergangene Entscheidung, mit der eine Gehaltspfändung bei einem Unterhaltspflichtigen angeordnet wird, ohne ein weiteres Verfahren in allen Mitgliedstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken?

 

Ohne ein einheitliches europäisches Vollstreckungsrecht erscheint die Übernahme einer Gehaltspfändung in einem Mitgliedstaat der EU in allen anderen Mitgliedstaaten problematisch zu sein. Wegen des unterschiedlichen Lebensstandards in den einzelnen Ländern sind unterschiedliche Schuldnerschutzbestimmungen nötig, die häufig nicht bekannt sind. So wird z.B. ein Gericht in Spanien die Pfändungsfreigrenzen in Deutschland nicht kennen.

 

Zu Frage 7: Soll im Rahmen des künftigen Hager Übereinkommens ein vereinfachtes Exequaturverfahren in Anlehnung an das durch Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vorgesehene Verfahren in Betracht gezogen werden? Welche anderen Lösungen sind möglich, um die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zu vereinfachen und zu beschleunigen?

 

Das in der Verordnung (EG) Nr. 44/ 2001 vorgesehene vereinfachte Exequaturverfahren hat sich in der Praxis bewährt. Es ist leichter handhabbar, da z.B. kein Nachweis über die Zustellung der ausländischen Entscheidung verlangt wird. Diese Zustellung wird durch die Zustellung im Exequaturverfahren ersetzt. Man sollte daher auch für ein künftiges Haager Übereinkommen ein solch vereinfachtes Exequaturverfahren anstreben, da ein völliger Wegfall wegen der im Grünbuch S. 25 aufgezeigten Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang nicht möglich sein dürfte.

 

Zu Frage 8: Ist das "auf dem Sachverhalt beruhende Konzept" praktisch umsetzbar? Soll es durch eine andere Lösung ersetzt werden? Wenn ja, durch welche?

 

Die Prüfung der Zuständigkeitsfrage, d.h. der Frage, ob ein Gericht/ Behörde, in dessen Bereich die Entscheidung vollstreckt werden soll, unter Berücksichtigung des Sachverhaltes auch seine Zuständigkeit bejaht hätte, dürfte erhebliche Schwierigkeiten bereiten, da das entscheidende Gericht in der Regel keine Veranlassung hat, die Tatsachen festzuhalten, welche die Prüfung der Zuständigkeit im zu vollstreckenden Staat nötig sind.

 

Zu Frage 9 a: Soll im Bereich der mittelbaren Zuständigkeit die Lösung nach Art. 8 des Haager Übereinkommens von 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen zugelassen werden?

 

Im Bereich der mittelbaren Zuständigkeit sollte es bei der Regelung nach Art. 8 des Haager Übereinkommens von 1973 sein Bewenden haben, da die Prüfung mittelbarerer Zuständigkeiten mitunter erhebliche Probleme bereitet.

 

Zu Frage 9 b: Soll im Bereich der mittelbaren Zuständigkeit der einvernehmlich durch den Unterhaltspflichtigen und Unterhaltsberechtigten gewählte Gerichtsstand zugelassen werden? Soll die Wahlfreiheit der Parteien begrenzt werden?

 

Eine Gerichtsstandvereinbarung erscheint aus den auf S. 28 des Grünbuches genannten Gründen problematisch. Keine Bedenken bestünden gegen die Möglichkeit des Beklagten, durch rügeloses Einlassen die Zuständigkeit zu begründen (vgl. Art. 7 Nr. 3 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973).

 

Zu Frage 10 a: Welche Gründe für die Verweigerung der Anerkennung und der Vollstreckung sollten in das künftige Übereinkommen aufgenommen werden?

 

Die Gründe für die Verweigerung der Anerkennung und Vollstreckung sollten mit den entsprechenden Bestimmungen in der Verordnung (EG) Nr. 44/ 2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVO) übereinstimmen.

 

Zu Frage 10 b: Wie ist bei einander widersprechenden Entscheidungen festzustellen, welche Entscheidung zu vollstrecken ist?

 

Bei widersprechenden Entscheidungen ist die jüngste abändernde Entscheidung ab ihrem Geltungszeitpunkt zu vollstrecken.

 

Zu Frage 10 c: Ist die Nachprüfung von im Ursprungsstaat ergangenen Entscheidungen strikt zu untersagen, oder sind Ausnahmen zuzulassen? Wenn ja, in welchen Fällen und zu welchem Zweck?

 

Gründe, eine Nachprüfung von im Ursprungsstaat ergangenen Entscheidungen durch den ersuchten Staat zuzulassen, sind nicht erkennbar. Im Sinne eines effektiven Exequaturverfahrens sollten daher keine Ausnahmen zugelassen werden. Einwendungen gegen den titulierten Anspruch soll der Unterhaltsschuldner bei dem Gericht geltend machen, das den Titel erlassen hat.

 

Zu Frage 11 a: Soll das künftige Rechtsinstrument der Gemeinschaft oder das künftige Haager Übereinkommen einen ganzen Komplex von Kollisionsnormen enthalten?

 

Das international anwendbare Sachrecht sollte klar definiert sein, so dass die Einführung eines Komplexes von Kollisionsnormen notwendig sein wird. Übernommen werden könnten dabei die Kollisionsnormen aus dem Haager Unterhaltsübereinkommen von 1973, die in Art. 18 EGBGB ihren Niederschlag gefunden haben.

 

Zu Frage 12: Welche allgemeinen Kollisionsnormen sollten im Bereich der Unterhaltspflichten auf internationaler bzw. gemeinschaftlicher Ebene verabschiedet werden?

 

Es sollte darauf geachtet werden, dass das zuständige Gericht auch "sein Recht" anwenden kann. Dies führt zu einer Beschleunigung der Verfahren, da der Richter sich nicht in das für ihn unbekannte ausländische Recht einarbeiten muss, für dessen Auslegung ihm oft keine Literatur zur Verfügung steht. Eine Benachteiligung des Berechtigten lässt sich dadurch vermeiden, dass der Berechtigte die Klage beim Aufenthaltsgericht erheben muss.

 

Zu Frage 13: Welche Kollisionsnorm soll speziell für die Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten bzw. ehemaligen Ehegatten in das künftige Haager Übereinkommen aufgenommen werden?

 

Die in Art. 8 des Haager Übereinkommens von 1973 (entspricht inhaltlich Art.18 Abs. 4 EGBGB) akzessorische Anknüpfung des Unterhaltsrecht an das Scheidungsrecht beim nachehelichen Unterhalt wird zu Recht vielfach kritisiert (vgl. Schwarz-Scherpe, FamRZ 2004, 665 ff. zum Deutsch-Schwedischen-Rechtsverkehr). Beim nachehelichen Unterhalt sollte daher keine Anknüpfung an das Scheidungsstatut erfolgen.

 

Zu Frage 14: Soll die Wahl des anzuwendenden Rechts durch die Parteien zugelassen werden, und, wenn ja, soll diese Wahlmöglichkeit beschränkt werden?

 

Die Wahl des anzuwendenden Rechts durch die Parteien sollte auf die Fälle beschränkt werden, dass zumindest eine der Parteien in dem Staat, dessen Recht gewählt wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

 

Zu Frage 15: Welche Fragen sollen durch Kollisionsnormen geregelt werden?

 

Hier sollte geregelt werden, nach welchem Recht sich das Bestehen des Unterhaltsanspruches (z.B. Beginn, Beendigung, Leistungsfähigkeit, Verjährung, Verwirkung, Verzicht), das Ausmaß des Unterhalts, Nebenfolgen des Unterhaltsanspruches (z.B. einen Auskunftsanspruch) sowie die Abänderung eines Unterhaltsanspruches richtet. Dabei sollte bezüglich Anspruch und Höhe des Unterhalts an das Aufenthaltsstatut des Berechtigten, hinsichtlich der Leistungsfähigkeit an das Recht angeknüpft werden, in dessen Bereich sich der Unterhaltspflichtige aufhält. Diese Aufspaltung ist sachgerecht, da sich der Bedarf des Berechtigten nach den wirtschaftlichen Verhältnissen seines Aufenthaltsstaates, die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten aber nach den Verhältnissen an seinem Wohnsitz richtet.

 

Der Grundsatz des Art. 11 des Haager Übereinkommens des auf Unterhaltspflichten anwendbaren Rechts von 1973 (entspricht § 18 Abs. 7 EGBGB) sollte auf jeden Fall beibehalten werden.

 

Zu Frage 16: Wie soll, insbesondere auf Gemeinschaftsebene, die Festsetzung des Unterhaltsbetrages geregelt werden?

 

Eine detaillierte Regelung des Unterhaltsbetrages auf Gemeinschaftsebene, z.B. Festlegung bestimmter Prozentsätze des für den Unterhaltsbetrag maßgeblichen Einkommens und Vermögen, erscheint wegen der z.T. erheblichen Unterschiede der Lebensverhältnisse in den Mitgliedstaaten nicht sinnvoll. Denkbar erscheinen jedoch allgemeine Regelungen zur Ermittlung des Unterhaltsbetrages, z.B. welche Einkommens- und Vermögensverhältnisse für den Ehegattenunterhalt maßgeblich sind oder, ob eine Erwerbsobliegenheit besteht.

 

Zu Frage 17: Wie soll, insbesondere auf Gemeinschaftsebene, das Problem der Indexierung von Unterhaltsansprüchen geregelt werden?

 

Nachdem sich Unterhalt, abgesehen von bestimmten Mindestbeträgen, in der Regel nach dem Einkommen und Vermögen des Verpflichteten richtet, könnte man an eine Anpassung des Unterhalts an die allgemeine Einkommensentwicklung denken. Nachdem die individuelle Einkommensentwicklung aber in vielen Fällen nicht mit der allgemeinen Einkommensentwicklung identisch ist, erscheint der Einkommensindex nicht zweckmäßig, da in den Fällen, in denen die individuelle nicht mit der allgemeinen Einkommensentwicklung übereinstimmt, Ausnahmen zugelassen werden müssten.

 

Zu Frage 18 a: Sollen besondere Kollisionsnormen verabschiedet werden in Bezug auf die Beziehungen der Familie, die zur Entstehung von Unterhaltspflichten führen können?

 

Aus Gründen der Vereinfachung sollten für die einzelnen familienrechtlichen Unterhaltstatbestände möglichst wenig Kollisionsnormen gelten. Es erscheint möglich für die davon betroffenen Unterhaltstatbestände das Recht zu berufen, das am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Unterhaltsberechtigten, ersatzweise des Unterhaltspflichtigen gilt.

 

Zu Frage 18 b: Sollen besondere Kollisionsnormen verabschiedet werden in Bezug auf das Problem des Wohnsitz- oder Aufenthaltswechsels?

 

Mit der obigen Lösung wäre auch das Problem des Statutenwechsels bei Wohnsitz- oder Aufenthaltswechsel gelöst. Maßgeblich wäre bei einem Wechsel das am aktuellen Wohnsitz geltende Recht. Die Gefahr der Manipulation durch eine gezielte Wahl des Aufenthaltsortes kann angesichts der damit verbundenen Beschwerlichkeiten vernachlässigt werden.

 

Zu Frage 18 c: Sollen besondere Kollisionsnormen verabschiedet werden in Bezug auf die Vereinbarungen über Unterhaltspflichten?

 

Vereinbarungen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht sollten generell nicht zugelassen werden. Die Parteien werden nämlich regelmäßig außer Stande sein, die Folgen einer Rechtswahl zu erkennen. Außerdem besteht die Gefahr der Übervorteilung der weniger gewandten Partei.

 

Zu Frage 18 d: Sollen besondere Kollisionsnormen verabschiedet werden in Bezug auf die Verjährung von Unterhaltsklagen, im Exequaturverfahren oder im Verfahren der Zwangsvollstreckung?

 

Entsprechend dem Haager Übereinkommen von 1973 sollten Verjährungsfragen nach dem auf die Unterhaltspflicht anzuwendenden Recht beurteilt werden. Zur Klarstellung sollte darauf hingewiesen werden, dass die Verjährung der Unterhaltsforderung eine materiell rechtliche Frage ist.

 

Es sollten generell einheitliche Lösungen des künftigen Rechtsinstrumentes der Gemeinschaft und des künftigen Haager Übereinkommens angestrebt werden.

 

Zu Frage 19: Könnte innerhalb der Europäischen Union die Benennung "dezentraler" Behörden zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben im Rahmen der Zusammenarbeit in Betracht gezogen werden?

 

Wegen der höheren Effektivität einer zentralen Stelle wird die Benennung dezentraler Behörden nicht für erforderlich gehalten. Bei dezentralen Stellen dürfte sich das Problem stellen, wer zahlt den Übersetzer. Auch erscheint es schwieriger, die zuständige dezentrale Stelle zu finden als eine Zentralstelle.

 

Zu Frage 21: Wie kann die Zusammenarbeit im Bereich der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen verbessert werden?

 

Bei der Frage 7 wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich das in der Verordnung (EG) Nr. 44/ 2001 vorgesehene vereinfachte Exequaturverfahren in der Praxis bewährt hat. Es ist leichter handhabbar, da z.B. kein Nachweis über die Zustellung der ausländischen Entscheidung verlangt wird. Ein wesentliches Problem des Anerkennungsverfahrens ist, dass nicht schnell genug geklärt werden kann, ob das das Verfahren einleitende Schriftstück oder die Ladung zum Termin ordnungsgemäß erfolgt ist. Der prüfende Richter ist auch oft überfordert, die im Herkunftsstaat geltenden Zustell- und Ladungsvorschriften zu kennen. Eventuell könnte hier eine zentrale Stelle für die Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen hilfreich sein.

 

Zu Frage 22: Soll das künftige Haager Übereinkommen vorsehen, dass die Behörden des Vertragsstaates, in dem der Unterhaltspflichtige seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, Hauptsacheverfahren im Hinblick auf die Festsetzung des Unterhaltsanspruchs oder gar im Hinblick auf die Feststellung der Abstammung des unterhaltsberechtigten Kindes einzuleiten haben, wenn die Zuständigkeitsvorschriften, die durch Gerichte des Staates, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, anzuwenden sind, ihnen eine diesbezügliche Entscheidung nicht gestattet?

 

Eine Verpflichtung zum Einleiten von Unterhalts- oder Abstammungsverfahren geht zu weit, da dies auch nicht immer im Interesse der Kinder liegt. Die Entscheidung sollte beim gesetzlichen Vertreter bleiben, dem, wenn er keine finanziellen Mittel hat, Prozesskostenhilfe gewährt werden kann.

 

Zu Frage 23: Soll diese Zusammenarbeit gemäß dem künftigen Haager Übereinkommen auch zugunsten des Unterhaltspflichtigen gewährt werden? Soll dies gemäß dem künftigen Rechtsinstrument der Gemeinschaft der Fall sein?

 

Soweit an eine Zusammenarbeit gedacht ist, soll diese auch dem Unterhaltspflichtigen gewährt werden. Eine unterschiedliche Regelung innerhalb und außerhalb der europäischen Gemeinschaft sollte vermieden werden.

 

Zu Frage 24: Soll den für die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen zuständigen zentralen Behörden die Übermittlung von Auskünften, die Feststellung des Aufenthaltsortes von Unterhaltspflichtigen und die Sammlung von Informationen über ihr Vermögen übertragen werden.

 

Gegen eine Feststellung des Aufenthaltsortes des Unterhaltspflichtigen bestehen keine Bedenken. Dadurch könnte dem Unterhaltsberechtigten die Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche erleichtert werden. Eine weitergehende Informationsübermittlung hinsichtlich von Tatsachen, insbesondere über das Vermögen des Unterhaltsschuldners ist allerdings abzulehnen, da sie dazu führen würde, dass ein ausländischer Unterhaltsberechtigter gegenüber einem inländischen bevorzugt würde. Entsprechende Auskunftsansprüche reichen hier aus.

 

Sinnvoll ist es, wenn die zentrale Behörde auf entsprechende Anfrage Auskünfte über das anzuwendende ausländische Recht geben könnte.

 

Frage 25: Soll den zentralen Behörden die Beauftragung von Sachverständigengutachten übertragen werden, um dem mit dem Antrag auf Festsetzung des Unterhaltsanspruchs eines Kindes befassten Gericht die Entscheidung über die Abstammung dieses Kindes zu ermöglichen?

 

Die Durchführung von Abstammungsverfahren würde erleichtert, wenn eine Behörde auf Ersuchen eines ausländischen Gerichts einen Auftrag zur Erstellung eines Abstammungsgutachtens erteilen könnte. Allerdings müsste die Gutachtenerholung entsprechend der Vorgaben des Gerichts erfolgen, damit es im Prozess auch verwertbar ist.

 

Zu Frage 28: Soll vorgesehen werden, dass die zentrale Behörde der Staaten für alle Unterhaltsberechtigen unentgeltlich die für die Anerkennung und Vollstreckung der zu ihren Gunsten ergangenen Entscheidungen erforderlichen Maßnahmen ergreifen?

 

Eine generelle kostenrechtliche Privilegierung der Unterhaltsberechtigten erscheint nicht gerechtfertigt. Den finanziellen Problemfällen kann mit den Regelungen der Prozesskostenhilfe geholfen werden. Für die Kostentragung beim Kindesunterhalt sind Ausnahmen von der Kostenpflicht vorzusehen, da diese in der Regel bedürftig sein dürften.

 

Zu Frage 30: Wie soll die Frage der Verkehrssprache für die Beziehungen zwischen den Behörden der Vertragsstaaten des künftigen Haager Übereinkommens bzw. zwischen den Behörden der Mitgliedstaten der europäischen Union geregelt werden?

 

Entsprechend dem bestehenden Standard bei Rechtshilfeersuchen sollten die Schriftstücke in der Sprache des ersuchten Staates gefasst sein. Damit kann vermieden werden, dass erst eine Übersetzung gefertigt werden muss, um festzustellen, worum es geht.

 

Zu Frage 31: Wie soll im künftigen Haager Übereinkommen die Frage der Übersetzung der Unterlagen geregelt werden, die zu den Akten des Rechtshilfeersuchens zu nehmen sind?

 

Die Unterlagen sollten in der Sprache des ersuchten und des ersuchenden Staates vorgelegt werden. Durch die Vorlage der Unterlagen auch in der Sprache des ersuchenden Staates lassen sich oft Rückfragen vermeiden, die auf Übersetzungsprobleme zurückzuführen sind.

 

Zu Frage 32: Könnte ein künftiges Rechtsinstrument der Gemeinschaft den diesbezüglichen Lösungsansätzen der Verordnung (EG) Nr….. folgen?

 

Gegen die Anwendung von Lösungen wie sie in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (Entscheidungen über das Umgangsrecht usw.) vorgesehen sind, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Allerdings sollte man die Erfahrungen mit der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 und der ähnlichen Verordnung (EG) Nr. 805/2004 noch abwarten.

 

Zu Frage 35: Kann die Übermittlung von Akten oder bestimmten Unterlagen auf elektronischem Wege für das künftige Haager Übereinkommen in Betracht gezogen werden, oder nur für das künftige Rechtsinstrument der Gemeinschaft?

 

Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Übermittlung von Aktenunterlagen auf elektronischem Wege nicht in Betracht gezogen werden soll und zwar nicht nur im Rahmen der europäischen Gemeinschaft.

 

Zu Frage 36: Sollen im künftigen Haager Übereinkommen bzw. im künftigen Rechtsinstrument der Gemeinschaft Fristen gesetzt werden?

 

Im Hinblick darauf, dass die Unterhaltsberechtigten dringend den Unterhalt zum Leben benötigen, erscheint eine Beschleunigung der Verfahren durch gesetzliche Fristen wünschenswert. Allerdings dürfte es wegen der Komplexität der Verfahren nicht zu vermeiden sein, großzügige Ausnahmeregelungen zuzulassen oder die Fristen entsprechend lang zu gestalten.

 

Zu Frage 37: Soll den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vorgeschrieben werden, dass die Unterhaltsleistung durch eine öffentliche Stelle erfolgt, wenn der Unterhaltspflichtige säumig ist?

 

Dies dürfte eine Frage des Sozialrechtes sein. Ob die Kommission hierfür eine Regelungskompetenz hat, erscheint zweifelhaft. Im Übrigen erscheint es nur bei Unterhaltsansprüchen von Minderjährigen vertretbar, dass eine öffentliche Stelle Unterhaltsleistungen bei Säumigkeit des Unterhaltspflichtigen erbringt. Voraussetzung ist aber ein entsprechender Rückgriffsanspruch der öffentlichen Stelle gegenüber dem Unterhaltspflichtigen, um einen Zusammenwirken des Berechtigten mit dem Pflichtigen vorzubeugen.

 

ROLG Elmar Herrler

Mitglied des DRB-Präsidiums