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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zur Allgemeinen Ausrichtung des Rates der EU vom 7.12.2018 zum Richtlinienvorschlag über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels

A. Tenor der Stellungnahme

Der Deutsche Richterbund hält trotz einiger Verbesserungen der Regelungsinhalte an seiner bereits in der Stellungnahme 1/18 zum Ausdruck gebrachten ablehnenden Haltung gegenüber dem Harmonisierungsvorhaben fest.

Es ist absehbar, dass das Vorhaben gerade auch in seiner jetzt vorgesehenen Form kaum zu Erleichterungen im grenzüberschreitenden Handel führen und die Kaufleute und Handwerker in hohem Umfang mit Rechtsberatungs- und Umstellungskosten belasten wird.

B. Bewertung im Einzelnen

I. Zum grundsätzlichen Vorhaben der geplanten Harmonisierung

Bereits in seiner Stellungnahme 1/18 vom Januar 2018 (siehe Anlage) hat der Deutsche Richterbund festgestellt, dass die Gründe, die gegen das Harmonisierungsvorhaben sprechen, klar die Argumente überwiegen, die dafür ins Feld geführt werden können. An diesem Befund hat sich durch die vorgenommenen Modifikationen dem Grunde nach nichts geändert.

Mit der jetzt vorgenommenen Ausrichtung des Rates wurde die Reichweite der angestrebten Harmonisierung weiter verringert. Die Erwägungsgründe dieses Richtlinienvorschlags geben ein beredtes Zeugnis über die nicht geregelten Rechtsbereiche ab, so etwa - schon bisher - die Fragen des allgemeinen Vertragsrechts wie das Zustandekommen, die Wirksamkeit und die Wirkungen von Verträgen, die Rechtmäßigkeit der Waren, aber auch der Schadensersatz, die Folgen der Vertragsbeendigung sowie die Art und Weise der Durchführung von Nachbesserung oder Ersatzlieferung (Erwä­gungsgründe 14 und 29c, Art. 2a Abs. 5), mithin Kernfragen des Gewähr­leistungsrechts. Hinzu gekommen ist nunmehr das Zurückbehaltungsrecht, für das zuvor noch in Art. 9 Abs. 4 des Kommissionsentwurfs eine Regelung vorge­sehen war. Der Katalog der Abhilfen des Verbrauchers bei vertragswidriger Ware ist jetzt nicht mehr abschließend, sondern erlaubt einzelnen Mitgliedstaaten weitere spezielle Rechtsbehelfe (Art. 2a Abs. 6). Den Mitgliedstaaten soll es freistehen, bestimmte Informationspflichten und Meldepflichten des Ver­käufers festzulegen (Erwägungsgrund 14b, Art. 8c). Vor allem aber gibt der jetzt vorgelegte Entwurf ein Kernanliegen des Vorhabens auf, wenigstens die Gewährleistungs- und Beweislastumkehrfristen zu vereinheitlichen. Vielmehr sollen die Mitgliedstaaten längere Fristen für die Haftung des Verkäufers als die vom Entwurf vorgesehenen zwei Jahre vorsehen können (Erwägungsgrund 25a, Art. 8a Abs. 1a), ein Rückschritt gegenüber dem Kommissionsentwurf (s. hierzu unten). Bei gebrauchten Waren sollen einzelne Mitgliedstaaten demgegenüber kürzere Fristen vorsehen können (Erwägungsgrund 25c, Art. 8a Abs. 2). Auch die Dauer der Beweislastumkehr sollen einzelne Mitgliedstaaten von einem auf zwei Jahre verlängern können (Erwägungsgrund 25 e, Art. 8b Abs. 2). Ebenso bleibt die Frage, ob der Lauf dieser Fristen im Falle von Nachbesserungen, Ersatzlieferungen oder Verhandlungen ausgesetzt oder unterbrochen wird, nationalem Recht überlassen (Erwägungsgrund 25d). Insgesamt entsteht auf diese Weise selbst in dem sehr begrenzten Regelungsbereich der Richtlinie ein uneinheitliches europäisches Rechtsgefüge.

Gerade vor dem Hintergrund dieses geringen angestrebten Harmonisierungsgrades bleibt die dem Richtlinienvorschlag zugrunde liegende Annahme noch mehr als zuvor äußerst zweifelhaft, es seien relevante Kosteneinsparungen seitens der Unternehmen dadurch zu erzielen, dass sie wegen der (Teil-)Vereinheitlichung von einigen Aspekten des Gewährleistungsrechts für grenzüberschreitende Geschäfte in geringerem Ausmaß kostenauslösende Rechtsberatung benötigten. Der Umfang der Harmonisierung erschien schon nach dem Kommissionsentwurf vom 31.10.2017 für einen derartig erhofften Effekt bei weitem zu gering.

Die fehlende Harmonisierung gerade in Rechtsbereichen, die beim Zustandekommen und bei der Abwicklung grenzüberschreitender Kaufverträge von großer Relevanz sind, verstärkt im Gegenteilgerade bei dem sehr weiten Anwendungsbereich der Richtlinienoch die schon in der letzten Stellungnahme des Deutschen Richterbundes getroffene Feststellung, wonach sich im Falle der Umsetzung der Richtlinie auch künftig kein Unternehmer bei geplanten grenzüberschreitenden Verkäufen eine umfassende rechtliche Beratung wird ersparen können. Der weite Anwendungsbereich der Richtlinie wird zudem dazu führen, das alle gewerbetreibenden Verkäufer und Werklieferanten, also insbesondere auch Handwerker und kleine und mittlere Unternehmen, ein sehr hoher Umstellungsaufwand treffen wird, indem sie etwa gehalten sein werden, ihre Geschäftsbedingungen an die neue Rechtslage anzupassen. Selbst nach Angabe der Kommission soll sich dieser Aufwand gemeinschaftsweit auf 21,4 Mrd. EUR belaufen. Ein spürbarer Gewinn an Rechtssicherheit oder Verbesserung der Rechtslage für die Vertragsbeteiligten wird damit im inländischen Rechtsverkehr gar nicht und im grenzüberschreitenden Verkehr nur in sehr geringem Umfang verbunden sein.

II. Zu den einzelnen Regelungen des Richtlinienvorschlags

1. Der Deutsche Richterbund begrüßt grundsätzlich die weitgehende Umsetzung seiner Vorschläge Ziff. III.1, III.2 und III.5 aus seiner Stellungnahme 1/18 vom Januar 2018.

a) Insbesondere ist zu begrüßen, dass die Dauer des Zeitraums, während dessen die Beweislast bei Vertragswidrigkeiten zugunsten des Verbrauchers umgekehrt wird, anstatt auf zwei nunmehr grundsätzlich auf lediglich ein Jahr verlängert werden soll (Art. 8b Abs. 1). Zwar erscheint die Dauer eines Jahres für eine solche Vermutung immer noch sehr lang gewählt, als Kompromiss ist sie jedoch hinnehmbar. Problematisch erscheint demgegenüber die in Abs. 2 für einzelne Mitgliedstaaten vorgesehene Möglichkeit, eine Frist von zwei Jahren beizubehalten oder einzuführen. Dies wird in der EU entgegen der Regelungsintention zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Fristen führen.

b) Zu begrüßen ist grundsätzlich auch die den Vertragsparteien eingeräumte Möglichkeit, bei gebrauchten Waren den Gewährleistungszeitraum auf ein Jahr abzukürzen (Art. 8a Abs. 2). Allerdings sollte hier – wie vom Europäischen Parlament vorgeschlagen – die Dauer der Beweislastumkehr konsequenterweise ebenfalls reduziert werden, wofür sich der vom Europäischen Parlament vorgeschlagene Zeitraum von 6 Monaten anbietet. Insbesondere bei Waren wie Pkws, die häufigem und stark verschleißendem Gebrauch unterliegen, ist eine Dauer der Beweislastumkehr von einem Jahr nicht sachgerecht, da das Auftreten eines Fehlers nach einer derartigen Zeitspanne von bis zu einem Jahr inhaltlich nicht mehr den Rückschluss erlaubt, dass der Fehler schon bei Übergabe vorgelegen habe. Dies wird absehbar zu vermehrten gerichtlichen Auseinandersetzungen sowie zur Verlagerung weiterer Teile des professionellen Gebrauchtwagenhandels in den B2B-Bereich nach Osteuropa führen. Letztlich geht das zulasten von Verbrauchern mit schmalem Geldbeutel, die ältere Gebrauchtwagen nur noch von Privat werden erwerben können, wo die Gewährleistung fast ausnahmslos ausgeschlossen wird (vgl. Ziff. III.1. der vorhergehenden Stellungnahme).

c) Abzulehnen ist ebenso die den Mitgliedstaaten neu eingeräumte Möglichkeit, auch längere Gewährleistungszeiträume als zwei Jahre vorzusehen (Art. 8a Abs. 1a). Dies macht die eigentlich zu harmonisierende Rechtslage unübersichtlich und wird gerade den Unternehmen, die im Sinne der vorgeschlagenen Richtlinie grenzüberschreitend tätig werden wollen, den Marktzugang zu anderen EU-Staaten unnötig erschweren. Inhaltlich ist kein Grund ersichtlich, der beim Handel mit beweglichen Waren eine über zwei Jahre hinausgehende Gewährleistungszeit erfordern könnte.

2. Der Deutsche Richterbund hält daran fest, dass einer Vertragsbeendigung durch den Verbraucher eine fruchtlose Fristsetzung vorhergehen sollte. Insoweit wird verwiesen auf Ziff. III.3 der Stellungnahme 1/18.

3. Der Deutsche Richterbund begrüßt die Aufnahme von Regelungen für Waren mit digitalen Elementen.

4. Die in Art. 16 vorgesehene Regelung von Regressansprüchen erscheint entbehrlich. Satz 1 des Regelungsentwurfs dürfte wohl keine materielle Anspruchsgrundlage des Verkäufers gegenüber dessen Lieferanten enthalten. Damit ist der Verweis ins nationale Recht in dessen Satz 2 wie auch die gesamte Vorschrift rein deklaratorischer Natur.