Richterbund befürchtet weiteren Rückschlag in Polen

Berlin. Der Deutsche Richterbund (DRB) befürchtet einen weiteren schweren Rückschlag für die richterliche Unabhängigkeit in Polen.

"Die von der Regierungsmehrheit durchgesetzte Disziplinarkammer am Obersten Gericht soll ihre Arbeit an diesem Dienstag wieder aufnehmen. Damit würde Polen die Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs offen missachten, die Arbeit der Disziplinarkammer auszusetzen, bis der EuGH über deren Vereinbarkeit mit Europarecht entschieden hat", erklärten die Vorsitzenden des DRB, Barbara Stockinger und Joachim Lüblinghoff.

„Es gibt große Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der neu installierten Disziplinarkammer. Sie dient offensichtlich vor allem dazu, Richter einzuschüchtern und die Unabhängigkeit der Gerichte zu untergraben.“

 

Es sei ein rechtsstaatlicher Dammbruch, wenn Richter wegen des Inhalts ihrer Entscheidungen oder regierungskritischer Aussagen mit Disziplinarverfahren überzogen würden, warnten die DRB-Vorsitzenden. "Die polnische Regierung will hier wohl ein erstes Exempel statuieren, dem viele weitere Verfahren gegen missliebige Richter folgen könnten."

Stockinger und Lüblinghoff appellieren an die EU-Kommission und an den EuGH, die Demontage einer unabhängigen Justiz in Polen mit allen Mitteln aufzuhalten. "Es darf in Europa zum Rechtsstaatsprinzip und einer klaren Gewaltenteilung keine Alternative geben", mahnten sie. 

 

Zum Hintergrund: Nachdem Ende Mai mit Malgorzata Manowska eine enge Vertraute des polnischen Justizministers an die Spitze des Obersten Gerichts gerückt ist, nimmt die Disziplinarkammer am 9. Juni 2020 mit einer Anhörung des Warschauer Richters Igor Tuleya ihre Arbeit wieder auf. Der EuGH hatte am 8. April 2020 im Eilverfahren C 791/19 auf Antrag der Europäischen Kommission entschieden, dass die Kammer wegen erheblicher Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit einstweilen keine Disziplinarverfahren gegen Richter mehr durchführen darf.

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Bild von Matthias Schröter Matthias Schröter Pressesprecher
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