#7/2024

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Mit dem vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten und von der Bundesregierung beschlossenen Regierungsentwurf zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation werden die zahlreichen von der Praxis vorgebrachten Einwände (vgl. ausführlich die Stellungnahme Nr. 2/2024) ignoriert.

Die geplanten Regelungen sind von einem unbegründeten Misstrauen getragen, das den professionellen Umgang der Staatsanwaltschaften mit den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie die Bedeutung von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen für die Aufklärung von Straftaten gerade in abgeschotteten Kriminalitätsfeldern [z. B. in Bereichen der Organisierten (Clan-) Kriminalität oder des Staatsschutzes] aus dem Blick verliert. Soweit der Entwurf darauf abzielt, in zentralen Bereichen des VE/VP-Einsatzes – namentlich der Einsatzplanung, der Informationsabschöpfung bis hin zur zwangsweisen Beendigung des Einsatzes – Transparenz zu schaffen, zieht dies zwangsläufig das Risiko der Enttarnung von V-Personen nach sich. Kernelement und gewissermaßen Geschäftsgrundlage ihres Einsatzes aber ist die staatlich garantierte Vertraulichkeit. Kann diese nicht gewährleistet werden, steigt das persönliche Risiko für Leib und Leben einer Vertrauensperson in gleichem Maße wie ihr Interesse sinken wird, an der Aufklärung von Straftaten mitzuwirken.

Darüber hinaus liegt den Regelungen ein gesetzgeberisch verklärtes Idealbild von Vertrauenspersonen zugrunde, das einen überregulierten Einsatz nach sich zieht. Dieser kann es im Einzelfall erheblich erschweren, überhaupt geeignete Vertrauenspersonen mit Zugang zur einschlägigen Szene zu finden.

Insgesamt setzt der Entwurf zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation daher den auch im Cannabisgesetz sowie in den Plänen zur Dokumentation der Hauptverhandlung beschrittenen Weg fort, Gerichte und Staatsanwaltschaften mit Neuregelungen noch weiter zu belasten, anstatt sie und damit den Rechtsstaat insgesamt zu stärken. Auch der hier in Rede stehende Entwurf lässt die Stimmen der Praxis ungehört und nimmt die abzusehenden Gesetzesfolgen nicht ausreichend in den Blick.

 

B. Bewertung im Einzelnen

 

Gerade in abgeschotteten Kriminalitätsfeldern wie z. B. in Bereichen der Organisierten (Clan-) Kriminalität oder des Staatsschutzes sowie angesichts zunehmend kryptierter elektronischer Kommunikation ist der Einsatz von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen unverzichtbar, um schwerwiegende Straftaten aufzuklären. Mit praxisfernen und von einem grundlegenden Misstrauen in die Praxis getragenen Regelungen wird die Verfolgung gerade schwerwiegender Straftaten erschwert werden.

Die bereits geäußerte Kritik der Praxis (vgl. ausführlich die Stellungnahme Nr. 2/2024) gilt fort. Hervorzuheben sind insbesondere drei zentrale Kritikpunkte:

1. Insbesondere für Vertrauenspersonen führt der Regierungsentwurf zu einem erheblichen Ungleichgewicht zwischen Transparenz auf der einen sowie Geheimhaltung und Einsatztaktik auf der anderen Seite. Die vorgesehenen Planungs-, Protokollierungs- und Dokumentationserfordernisse sind praxisfern und geeignet, den Einsatz von Vertrauenspersonen zu erschweren oder gar zu gefährden.

2. Dem Regierungsentwurf liegt ein gesetzgeberisch verklärtes Bild von Vertrauenspersonen zugrunde und führt zu einem überregulierten Einsatz. Insbesondere die Regelungen zu den Ausschlussgründen von Vertrauenspersonen und zu ihrer einsatzbegleitenden Zuverlässigkeitsprüfung sind praxisfern und erschweren die Auswahl und den Einsatz geeigneter Vertrauenspersonen.

3. Ein nun vorgesehener Richtervorbehalt bringt ein Mehr an Kontrolle ohne Zuwachs an Rechtsstaatlichkeit. Denn bereits jetzt übt die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Sachleitungsbefugnis sowie durch die für den Einzelfall erteilte Geheimhaltungs-/Vertraulichkeitszusage und Einsatzgenehmigung eine adäquate rechtsstaatliche Kontrolle aus und stellt damit die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von V-Personen sicher.