#33/2023

DRB-Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Bekämpfung der Korruption vom 3. Mai 2023

 

A. Tenor der Stellungnahme

 

Der Deutsche Richterbund begrüßt das Bestreben, durch eine weitere Harmonisierung der Straftatbestände der Korruption eine effektive, über Ländergrenzen hinausreichende Bekämpfung dieses Kriminalitätsfeldes zu erleichtern. Zu unterstützen ist auch das Vorhaben, die bestehenden Instrumente auszubauen und zu ergänzen.

In besonderer Weise teilt der Deutsche Richterbund das dem Entwurf zugrundeliegende, mittlerweile gefestigte europäische Leitbild einer von Weisungen der Regierung unabhängigen und angemessen ausgestatteten Staatsanwaltschaft als notwendige Voraussetzung für eine effektive Korruptionsverfolgung. Dies sollte ein erneuter und unmissverständlicher Anstoß für den deutschen Gesetzgeber sein, das externe Weisungsrecht der Justizminister gegenüber der Staatsanwaltschaft endlich abzuschaffen.

Ob die im Entwurf vorgesehenen Regelungen geeignet sind, die Verfolgung und Ahndung der Korruption und mit ihr zusammenhängender Straftaten in der Praxis zu erleichtern, ist jedoch in einigen Teilen zu bezweifeln. Insbesondere bedürfen sie zur Abstimmung mit weiteren einschlägigen Rechtsakten der Union, wie der Richtlinie (EU) 2017/1371 über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften und der Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft, mehr als nur punktueller Nachbesserung und insgesamt einer bisher unterbliebenen, gründlichen Rechtsfolgenabschätzung auch zur Notwendigkeit und Präzisierung einzelner Straftatbestände. 
Dabei ist zu beachten, dass der Rahmen der erfassten Straftatbestände nicht zu weit gezogen werden darf. Insbesondere sollte der Straftatbestand der Veruntreuung im öffentlichen und im privaten Bereich nicht Gegenstand einer europäischen Regelung werden. 

Zudem kann die Bekämpfung der Korruption allein mit der vorgeschlagenen Harmonisierung des Regelungsbereichs nicht deutlich gestärkt werden. Vielmehr setzt eine effektive Verfolgung von Korruptionsdelikten und noch mehr eine wirksame Verhinderung solcher Delikte eine adäquate sachliche und personelle Ausstattung nicht nur der Strafverfolgungsbehörden, sondern der gesamten Verwaltung voraus. Strafverfolgungsbehörden und Justiz können eine effektive Korruptionsbekämpfung nur gewährleisten, soweit sie personell und materiell der Herausforderung und dem Anspruch der Richtlinie entsprechend ausgestattet werden. Dies gilt umso mehr, als der Entwurf durch die Ausweitung der Befugnisse im Kampf gegen die Korruption ein erheblich steigendes Verfahrensvolumen mit sich bringen wird. Ohne eine spürbare Stärkung der entsprechenden Ressourcen von Staatsanwaltschaft, Polizei und Gerichten auf nationaler Ebene aber könnte die Zielsetzung der Union, die Bekämpfung der Korruption zu stärken, ins Leere laufen.

 

B. Bewertung im Einzelnen

 

I. Allgemein

1.    Der Richtlinienvorschlag fügt sich nicht in andere europäische Regelungswerke ein.
Der Vorschlag der Kommission soll die im Regelungsbereich bereits vorhandenen Instrumente der Union im Sinne einer effektiveren unionsweiten Bekämpfung der Korruption ergänzen. In erster Linie nennt der Vorschlag die Richtlinie (EU) 2018/1673 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche, Richtlinie (EU) 2014/4212 über die Einziehung und Vermögensabschöpfung sowie die Richtlinie (EU) 2017/1371 über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften (PIF-Richtlinie); hingegen wird die Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO-Verordnung) nicht erwähnt. Die Europäische Staatsanwaltschaft wird lediglich in Artikel 24 kursorisch erwähnt, was vor dem Hintergrund, dass es sich bei ihr um die derzeit einzige europaweit agierende Institution handelt, die sich der Bekämpfung unter anderem von Korruption widmet, erstaunt.

Durch vereinheitlichte Tatbestandsdefinitionen soll die grenzüberschreitende Verfolgung von Korruption effizienter und einfacher gestaltet werden und durch die Einbeziehung der Regelungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption von 2003 sicherstellen, dass alle Mitgliedstaaten sämtliche dort beschriebenen Formen der Korruption einheitlich verfolgen. Jedoch würde es bei unveränderter Verabschiedung des Richtlinienentwurfs in einigen Bereichen gar zu einer Renationalisierung der Strafverfolgung kommen. Grund hierfür ist die ungenügende Berücksichtigung des Wechselspiels zwischen den im Vorschlag vorgesehenen Definitionen von Straftatbeständen mit der Regelung von Delikten in der PIF-Richtlinie und der EPPO-Verordnung.
Über den oberflächlichen Befund hinaus, dass der Vorschlag der Kommission zusätzliche Straftatbestände vorsieht, die nicht in der PIF-Richtlinie geregelt sind, wie z. B. die Veruntreuung im öffentlichen und privaten Sektor, die Bestechung im privaten Sektor, den Handel mit Einfluss, den Amtsmissbrauch, die Behinderung der Justiz und die Bereicherung, führt dies dazu, dass selbst in dem Fall, dass Straftaten im Einzelfall finanzielle Interessen der EU im Sinne der PIF-Richtlinie betreffen, die Verfolgung dieser neuen Taten nicht der Europäischen Staatsanwaltschaft, sondern allein den einzelnen Mitgliedstaaten obläge. Dies würde zu einer weiteren Fragmentierung der Strafverfolgung führen, die gerade überwunden werden sollte. 
Hinzu kommt die Regelung des Art. 25 Abs. 3 Buchst. a der EPPO-Verordnung. Nach dessen Maßgabe verbleibt die Verfolgung von so genannten „verbundenen Straftaten“ bei den einzelnen Mitgliedsstaaten (und nicht bei der Europäischen Staatsanwaltschaft), wenn das nationale Recht für das untrennbar verbundene (nationale) Delikt eine Strafe vorsieht, die im Höchstmaß der für die in die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft fallende „PIF-Straftat“ vorgesehenen Sanktion mindestens gleichkommt. Eben diese nationale Zuständigkeit wird jedoch durch die in der neuen Richtlinie enthaltene Regelung zu den einzelnen Strafrahmen ausgelöst, da diese die untrennbar verbundenen Straftaten höher sanktionieren als die in den Bereich der PIF-Richtlinie fallenden „Kernstraftaten“ der Korruption und damit die Europäische Staatsanwaltschaft an der Ausübung ihrer Zuständigkeit hindern. Initiativen zur Angleichung der Strafrahmen in der PIF-Richtlinie sind noch nicht unternommen. 

2.    Es bestehen Zweifel an der Regelungskompetenz der Europäischen Union
Generell ist festzustellen, dass nicht nur beim Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zur Bekämpfung der Korruption, sondern auch bei einigen weiteren strafrechtlichen Gesetzgebungsvorschlägen der jüngsten Vergangenheit erhebliche Zweifel an der EU-Kompetenzgrundlage bzw. der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Subsidiaritätsprinzips bestehen. Dies betrifft einige neue Straftatbestände, vor allem aber auch die sehr detaillierten Vorschriften zu Strafrahmen, Verjährung sowie strafschärfenden und strafmildernden Umständen, die Art und Höhe von Sanktionen gegen natürliche und juristische Personen, teils auch die Versuchsstrafbarkeit. Rechtsvereinheitlichung ist kein Selbstzweck, eine „unionsweite Synchronisierung“ muss im Einzelfall geboten sein. Eine Begründung, weshalb dies bei der Korruptionsrichtlinie der Fall ist, bleibt die Kommission – vor allem durch die bisher unterbliebene, gründliche Rechtsfolgenabschätzung zur Notwendigkeit einzelner Straftatbestände – schuldig. Hierzu wären z. B. Ausführungen zu erwarten, warum bestimmte Lücken in der nationalen Gesetzgebung zu Problemen bei der Korruptionsbekämpfung führen. Damit die innere Kohärenz der Regelungswerke der Mitgliedstaaten nicht unnötig gefährdet wird, sollten die Umsetzungsspielräume der Richtlinie überdacht und erweitert werden.

Art. 83 Abs. 1, Art. 83 Abs. 2 und Art. 82 Abs. 1 lit. d AEUV begründen die Kompetenz der Union, Regelungen des materiellen Strafrechtes zu schaffen. Diese dürften insbesondere bei der vorgeschlagenen Regelung zur Veruntreuung, aber auch des Amtsmissbrauchs, nicht erfüllt sein (siehe unter B. II. Art. 9).


II.    Zu einzelnen Artikeln

Art. 4 Funktionelle Unabhängigkeit der zuständigen Stellen
Art. 4 Abs. 3 stellt klar, dass sowohl die auf die Korruptionsprävention als auch auf die Korruptionsbekämpfung spezialisierten Stellen und Organisationseinheiten von der Regierung funktional unabhängig sein müssen; die Aufgaben der Prävention und Repression können von einer Stelle gemeinsam wahrgenommen werden.
Diese Regelung betrifft in Deutschland Staatsanwaltschaft und Polizei, die in dem gegenwärtigen System intern wie extern weisungsgebunden sind. Wo nach Maßgabe von Art. 36 der UN-Konvention zur Bekämpfung von Korruption (UNCAC) die zuständigen Stellen nur die zu einer wirksamen Aufgabenerfüllung und zur Vermeidung unzulässiger Einflussnahme nötige Unabhängigkeit in Übereinstimmung mit den wesentlichen internationalen Rechtsordnungen besitzen müssen, geht die Forderung des Richtlinienvorschlags darüber hinaus. Damit wird einmal mehr das Erfordernis der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft jedenfalls von externen Weisungen der Regierung bekräftigt. Dies entspricht dem mittlerweile verfestigten europäischen Leitbild einer unabhängigen Staatsanwaltschaft, das jedenfalls in Korruptionsfällen die Abschaffung des externen Weisungsrechtes wird nach sich ziehen müssen. 
Die Forderung nach spezialisierten Stellen dürfte zu organisatorischen Änderungen führen, deren Auswirkungen auf die Belastung der Justiz noch nicht abgeschätzt werden können.

Art. 8 Bestechlichkeit und Bestechung im privaten Sektor
Fraglich ist, ob die Korruption im privaten Bereich, die regelmäßig über die Vermögensinteressen der Betroffenen hinaus keine weiteren Belange berührt, mit dem gleichen, personal- und eingriffsintensiven Instrumentarium (wie es Art. 23 des Entwurfs vorsieht) verfolgt werden sollte wie die Bestechung im staatlichen Bereich, die regelmäßig an die Grundfesten einer gesetzesgebundenen Verwaltung und das Vertrauen in die Institutionen rührt. 

Art. 9 Veruntreuung
In verschärfter Form stellt sich diese Frage für die in Art. 9 des Entwurfs beschriebene Veruntreuung. 

a)     Als „Veruntreuung“ stellt der Entwurf die zweckwidrige Bindung, Auszahlung, Aneignung oder Nutzung eines Vermögensgegenstandes im Sinne von Art. 2 Abs. 2 des Entwurfes unter Strafe, die ein öffentlicher Dritter oder eine Person, die für ein Privatunternehmen tätig ist und mit der Verwaltung des Vermögensgegenstandes mittelbar oder unmittelbar betraut ist, vornimmt. Der Versuch soll strafbar sein; ein Schaden muss durch die beschriebene Handlung nicht eintreten. Übersteigen der durch die Tat erzielte Vorteil oder durch die Tat verursachte Schaden einen Betrag in Höhe von 10.000 € nicht, sind nach Art. 15 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags nicht-strafrechtliche Sanktionen ausreichend. 

b)    Es bestehen mit Blick auf die in der Richtlinie vorgesehene Fassung des Tatbestands der „Veruntreuung“ durchgreifende inhaltliche und grundrechtliche Bedenken, die einen Verzicht auf die geplante Regelung aufdrängen.
Inhaltlich ist die geplante Formulierung des Delikts der Veruntreuung im Hinblick auf die Bestimmtheit der Norm und ihre Eingrenzbarkeit noch problematischer zu beurteilen als die derzeitige Fassung des Untreueparagrafen im deutschen Recht (vgl. dazu den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09 und 2 BvR 491/09- BVerfGE 126, 170.) Der vorgesehene Straftatbestand bedeutet in vielfacher Hinsicht eine Ausdehnung der bereits im deutschen Recht ob ihrer Weite als problematisch geltenden Regelung des § 266 StGB. Der Verzicht auf einen Schaden als konstituierendes Tatbestandsmerkmal einerseits und die Versuchsstrafbarkeit andererseits führen zu einer Ausweitung der Strafbarkeit, die auch gemessen an dem unionsrechtlichen Bestimmtheitsgebot erhebliche Zweifel an ihrer rechtlichen Zulässigkeit begründen. Hier gebietet es der auch unionsrechtlich geltende Grundsatz der Bestimmtheit und Bestimmbarkeit, den Straftatbestand deutlich einzuhegen, sofern er überhaupt einer rechtlichen Regelung bedarf. 
Letzteres erscheint insbesondere mit Blick darauf fraglich, dass zwar – was die Entwurfsbegründung insoweit zutreffend feststellt – Korruptionsdelikte häufig auf Seiten des Nehmers mit den durch den Entwurf als „Veruntreuung“ beschriebenen Handlungen einhergehen, die weitaus überwiegende Zahl solcher Veruntreuungshandlungen jedoch unabhängig von jedem Korruptionsdelikt begangen werden. 

Auf dieser Grundlage dürften die Voraussetzungen der Art. 83 Abs. 1, Art. 83 Abs. 2 und Art. 82 Abs. 1 lit. d AEUV nicht erfüllt sein. 
Art. 83 Abs. 1 lit. a AEUV erlaubt, bei unionsweitem Regelungsbedarf nationale Tatbestände durch Erlass von Richtlinien im Sinne einer Mindestharmonisierung bezüglich des zu bestrafenden Verhaltens und der Straffolgen anzugleichen. Dies wird insbesondere im Hinblick auf bestimmte Erscheinungsformen besonders schwerer grenzüberschreitender Kriminalität – wie bspw. der Korruption – in Art. 83 Abs. 1 AEUV erlaubt, während Art. 83 Abs. 2 AEUV davon abweichend im Rahmen einer Annexkompetenz die Angleichung nationaler Strafnormen in bereits anderweitig unionsweit harmonisierten Regelungsbereichen gestattet. Letzteres soll allerdings nur dann möglich sein, wenn diese Angleichung „unerlässlich“ ist. Das Vorliegen dieser Unerlässlichkeit ist hier fraglich. Der Ausübung dieser Kompetenz stehen die Schranken der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität, wie sie Art. 5 Abs. 1 S. 2 EUV einzieht, entgegen. 
Artikel 83 AEUV ist im Rahmen dieser Schranken strikt auszulegen; dieses Gebot ergibt sich aus den Gründen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Lissabon-Urteil (BVerfGE 123, 267, 406 ff.). In dieser Entscheidung nennt das Gericht zwar insbesondere die Bekämpfung der Korruption, die die Funktionsfähigkeit von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in der Europäischen Union bedrohe, als besonderen Rechtfertigungsgrund für die Übertragung von Hoheitsrechten in diesem Bereich. Untreue im privaten Bereich hingegen weist schwerlich dieses Bedrohungspotenzial auf. 
Ob ein derartig intensiver Eingriff durch die Zielvorgabe der Korruptionsbekämpfung geboten ist, darf bezweifelt werden. Jedenfalls dürfte eine künftige Vorschrift zur Veruntreuung in einem so entfernten Zusammenhang zur Korruption stehen, dass eine europaweite Regelung in ihrer Notwendigkeit sehr fraglich erscheint.

Art 10 Unerlaubte Einflussnahme 
Art. 10 des Entwurfs gestaltet einen Straftatbestand der „unerlaubten Einflussnahme“ als „Jedermannsdelikt“ aus. 
Strafbar sein soll der sogenannte „Einflusshandel“, den begeht, wer den tatsächlichen oder vermeintlichen Einfluss einer Person mit dem Ziel kauft oder verkauft, dass der Käufer dadurch von einem Amts- oder Mandatsträger einen ungerechtfertigten Vorteil erhalte. 
Diese bislang dem deutschen Recht fremde Vorschrift weckt durch ihre fehlende Konturierung ebenfalls erhebliche Bedenken an der Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz; schon ein Regelungsbedürfnis drängt sich angesichts der Strafbarkeit der vollendeten wie der versuchten direkten wie mittelbaren Einflussnahme auf einen Entscheidungsträger nicht auf. Regelmäßig dürfte der „Käufer“ des – tatsächlichen oder vermeintlichen – Einflusses die Schwelle zum Versuch bereits durch die Einwirkung auf den Mittler überschreiten; der Mittler selbst sich je nach Fallgestaltung als Täter oder Gehilfe zur Bestechung strafbar machen. Eine „Strafbarkeitslücke“ verbliebe einzig für den aus praktischer Sicht eher hypothetischen und der gesetzten Form forensisch kaum nachweisbaren Fall, dass der Amtsträger selbst aufgrund des „gekauften“ Einflusses eine aus seiner Sicht rechtmäßige Entscheidung trifft, die den Käufer wie gewünscht begünstigt. 
Die Strafbarkeit der sogenannten „unerlaubten Einflussnahme“ durch Personen, die sich „in der Nähe der Macht befinden oder zu befinden behaupten“ führt zu einer Vorverlagerung der Strafbarkeit der Korruption in einen Bereich, der sich der faktischen Aufklärung häufig entziehen wird. Die Notwendigkeit der Bestrafung solcher vorgelagerten Verhaltensweisen ist insbesondere dann fragwürdig, wenn Einfluss nur behauptet wird und in keiner Weise den politischen oder amtlichen Entscheidungsprozess berührt.
Ein Bedürfnis für eine derart weitgehende Bestrafung dritter Personen ist daher nicht erkennbar. Strafwürdiges Unrecht wird in Deutschland durch die §§ 331 ff. StGB erfasst, die bei Annahme und Gewährung von Vorteilen für Dritte anwendbar sind. Dies hat der Entwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zum UNCAC vom 17. Juli 2014 zutreffend ausgeführt (Bundestags-Drucksache 18/2138, Seite 282).
Eine vollständige Streichung der Norm scheint daher begrüßenswert.

Art. 11 Amtsmissbrauch
Ein Bedürfnis für die Einführung eines gesonderten Straftatbestandes des „Amtsmissbrauchs“ drängt sich nicht auf. Der Anwendungsbereich neben der vollendeten Bestechung bzw. Bestechlichkeit erscheint als kaum existent.
Als „Amtsmissbrauch“ will Artikel 11 des Entwurfs Handlungen unter Strafe stellen, die ein Mandatsträger in Erfüllung seiner Aufgaben gesetzeswidrig vornimmt, um für sich oder einen anderen einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen. Im Ergebnis würden daher, unabhängig von einer vorausgehenden Unrechtsabrede, unrechtmäßige Amtshandlungen an sich strafrechtlich sanktioniert werden; auch der Versuch soll nach Art. 14 Abs. 3 des Entwurfs strafbar sein und eine Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens fünf Jahren (Art. 11 Abs. 1 i. V. m. Art. 15 Abs. 2 des Entwurfs) nach sich ziehen. 

Das mit dieser Vorschrift verbundene Regelungsbedürfnis ist angesichts der Weite des Vorschlags ebenso wenig ersichtlich wie im Falle des Einflusshandels und der Veruntreuung. Soweit der Amtsträger die fragliche Handlung aufgrund einer zuvor erfolgten Bestechung vornimmt, hat er sich bereits entsprechend der Art. 7 des Entwurfs entsprechenden nationalen Regelung strafbar gemacht; hinter dem dadurch verwirklichten Unrecht fällt die „Erfüllung“ der Unrechtsvereinbarung durch die erkaufte Amtshandlung, für die das geringere „Mindesthöchstmaß“ von fünf Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen ist, nach der eigenen Wertung des Entwurfs zurück: Dieser sieht für die Bestechlichkeit selbst die härtere Sanktion einer Freiheitstrafe von bis zu mindestens sechs Jahren im Höchstmaß vor. Eine Strafbarkeit verbliebe daher allein für die Vornahme einer pflichtwidrigen Amtshandlung in der, noch durch keine Vereinbarung bestärkten, Hoffnung des Amtsträgers auf zukünftige Vorteile durch den nun gewogen gestimmten Begünstigten – eine Konstellation, die sich ihrer Natur nach dem justizförmigen Nachweis im Regelfall entziehen wird.

Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass die geplante Vorschrift auch nicht den – ohnehin in seiner Intention fragwürdigen – Zweck einer „Auffangstrafbarkeit“ für den Fall wahrnehmen kann, dass die eigentliche Bestechungstat nicht nachweisbar sein sollte: Erlauben die angestellten Ermittlungen nicht den Schluss, dass eine Amtshandlung aufgrund einer Vorteilsgewährung erfolgen sollte, ist es schwer vorstellbar den Beweis zu führen, dass diese Amtshandlung ohne Abrede mit Blick auf einen erwarteten, aber nicht versprochenen Vorteil vorgenommen wurde. Als bereits der Struktur des Tatbestands nach reines Internum dürfte sich dieses Tatbestandsmerkmal zwar nicht denknotwendig, bei lebenspraktischer Betrachtung aber praktisch regelmäßig dem Schluss aus äußeren Tatsachen und damit einem Tatnachweis entziehen.
Gleiches gilt für den Tatbestand des Amtsmissbrauchs im öffentlichen Sektor; der Amtsmissbrauch im privaten Sektor erscheint aus deutscher Sicht gänzlich verzichtbar als Strafnorm, da in fast allen denkbaren strafwürdigen Fällen erfasst durch die Regelungen zum Schutz privaten Vermögens. Denkbar bleibt nur das pflichtwidrige Handeln, dass zu keinem Vermögensnachteil des Geschäftsherrn führt – die Bedenken gegenüber einer Strafwürdigkeit solchen Verhaltens liegen auf der Hand.

Art. 13 Bereicherung durch Korruptionsdelikte
Art. 3 schafft mit der Straftat der „Bereicherung durch Korruptionsdelikte“ einen eigenständigen, zusätzlichen Straftatbestand, der auch das Genießen der verbotenen Frucht, nämlich die Verwendung des erlangten Vorteils durch einen Amtsträger, sanktioniert. 
Durchgreifenden Bedenken begegnet, dass die Straftat „Bereicherung“ nach Ziffer 16 der Präambel dann zur Anwendung kommen soll, wenn „die Justiz der Auffassung ist, dass ein oder mehrere Korruptionsdelikte nicht nachgewiesen werden können“. Dies bedeutet, dass in einem rechtsförmigen Verfahren das Vorliegen einer Straftat nicht festgestellt werden kann. Wenn in einer solchen Unsicherheit dennoch eine Verurteilung wegen einer Straftat möglich sein soll, erscheint dies als nichts Anderes als ein Verstoß gegen die auch durch die europäischen Grundrechte geschützte Unschuldsvermutung. Als Auffangdelikt, als das die Norm ausweislich ihrer Begründung wohl gedacht ist, erscheint sie damit kaum tauglich.
Im Übrigen drängt sich die Notwendigkeit einer eigenen Strafnorm nicht auf: Wie bei einer Selbstgeldwäsche nach § 261 Abs. 5 StGB fehlt es durch die bloße Verwendung des Erlangten durch den Korruptionstäter im Regelfall an einer kriminalpolitisch relevanten Vertiefung des begangenen Unrechts; Fälle der Bereicherung durch Dritte werden durch die Vorschriften zur Geldwäsche erfasst. 
Soweit die Vorteile nicht in der Gewähr bestimmter Sachen und Gegenstände bestanden, wirft eine sinnvolle Anwendung einer entsprechenden Norm darüber hinaus die Frage nach der „Infizierung“ des gesamten Vermögens eines Amtsträgers durch eine Bereicherung auf. Als einziges – kriminalpolitisch mehr als fragwürdiges – Verdienst könnte die Norm damit für sich in Anspruch nehmen, auch nach Verjährung des Ausgangsdeliktes eine Bestrafung des Amtsträgers zu erlauben, solange er die dadurch erlangte Bereicherung für seine Zwecke einsetzt. Spätestens dann aber stellt sich die aufgeworfene Frage nach einer Infizierung des Gesamtvermögens in aller Schärfe; die Schwierigkeiten einer rechtsstaatlich sauberen und praktisch handhabbaren Norm scheinen so groß, dass der geplante Tatbestand als äußerst verzichtbar erscheint.
Sofern nach dem Wortlaut des Artikels 13 des Entwurfs auch der vorsätzliche Besitz des durch eine Veruntreuung im privaten Bereich erlangten Gegenstandes durch einen öffentlichen Bediensteten strafbar sein soll, scheint es sich demgegenüber um ein Redaktionsversehen zu handeln. 
Inwieweit eine weitere Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren bei Verwendung von Bestechungsgeldern für eigene Zwecke, z. B. Einkäufe durch den Vorteilsempfänger, noch mit dem Schuldprinzip vereinbar ist, ist ebenfalls zweifelhaft.

Art. 15 Strafrahmen
Die in Art. 15 geregelten Strafrahmen dienen grundsätzlich dem Zweck einer vereinheitlichten Bestrafung innerhalb Europas und dürften insbesondere der Versuchung in Mitgliedstaaten entgegenwirken, im Dienste von Partikularinteressen Strafen zu niedrig anzusetzen. Allerdings drohen sie in der vorgesehenen Detailliertheit und Tiefe die innere Kohärenz der mitgliedstaatlichen strafrechtlichen Systeme zu gefährden. Die Vorschrift weckt zudem aus systematischen Gründen durchgreifende Bedenken. Die vorgesehenen Strafrahmen könnten eine ungewollte Dynamik entfalten, die insbesondere die derzeit bestehenden Ermittlungszuständigkeiten der Europäischen Staatsanwaltschaft verkürzen könnten. Diese Dynamik speist sich wie bereits angesprochen aus Artikel 25 Absatz 3 lit a) der EPPO-Verordnung. Danach ist bei untrennbar verbundenen Straftaten die Europäische Staatsanwaltschaft an der Verfolgung einer Straftat gehindert, die mit einer Begleittat verbunden ist, die nach nationalem Recht gleich oder höher zu bestrafen ist als die in die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft fallende Tat nach der PIF-Richtlinie. Maßgeblich für den Vergleich ist dabei das Höchstmaß der vorgesehenen Strafe. Die durch den Entwurf vorgesehenen Mindesthöchststrafen dürften nun regelmäßig diese Sperre auslösen.  
Insbesondere in Ansehung der Vorschriften über die Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, die kein Äquivalent in der PIF-Richtlinie haben, könnte die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft in einigen Fällen wegfallen (z.B., wenn Bestechung im geschäftlichen Verkehr mit Bestechung eines Amtsträgers zum Nachteil des EU-Haushalts zusammentrifft). Einerseits wird eine Vereinheitlichung und Effektivierung der Verfolgung von Korruption angestrebt; andererseits wird der Arbeitsbereich der einzigen existierenden gesamteuropäischen Verfolgungsbehörde eingeschränkt. 
Dieses sicherlich ungewollte Ergebnis bedarf der Korrektur, insbesondere durch eine Anpassung auch der PIF-Richtlinie. Leider zeigt Art. 28 des Entwurfs keinen adäquaten Weg zur Lösung dieses Problems auf. Die Vorschrift sieht nämlich nur die Änderung der Standards dieser Richtlinie in Bezug auf Sanktionen, erschwerende und mildernde Umstände und Verjährungsfristen vor. Die PIF-Richtlinie hingegen muss darüber hinaus insbesondere auch hinsichtlich der jeweiligen Tatbestandsdefinitionen angepasst werden. 

Art. 23 Verfolgungsinstrumente
Art. 23 des Entwurfs sieht vor, dass für die Bekämpfung der in dem Richtlinienvorschlag beschriebenen Straftaten die Instrumente zur Verfügung gestellt werden müssen, wie sie zur Verfolgung von organisierter Kriminalität und anderer schwerer Straftaten im nationalen Recht vorhanden sind. Im deutschen Recht betrifft dies insbesondere die in §§ 100a bis 100i der Strafprozessordnung vorgesehenen Eingriffsmöglichkeiten.
Dies gilt namentlich für die Telefon- und Telekommunikationsüberwachung, die danach auch zur Verfolgung der Veruntreuung und von Bestechungsstraftaten im geschäftlichen Verkehr zu ermöglichen wären. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit solcher tief in die Rechte auch betroffener Dritter eingreifenden Ermittlungsmaßnahmen ist zu empfehlen, das in Artikel 23 beschriebene Instrumentarium einzig auf die in Art. 7 lit a) beschriebenen Handlungen zu beschränken.

Art. 24 Zusammenarbeit der Behörden
Art. 24 des Vorschlags regelt relativ knapp und, gemessen an den Zielen einer verstärkten und unionsweiten Bekämpfung von Korruptionsstraftaten, wenig ambitioniert die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten, der Kommission, Europol, Eurojust, dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung und der (an dieser Stelle das einzige Mal im Entwurf überhaupt genannten) Europäischen Staatsanwaltschaft. Außer einer behördlichen Zusammenarbeit regelt der Artikel lediglich eine „gegebenenfalls technische und operative Unterstützung, um die Koordinierung von Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen durch die zuständigen Behörden zu erleichtern“. Im Verhältnis zum üblichen Instrumentarium der Rechtshilfe – und den damit verbundenen Schwierigkeiten zeitlicher und technischer Art bei der Verfolgung von Straftaten – bietet diese Vorschrift über den Appel zur Zusammenarbeit hinaus keinen erkennbaren Mehrwert. Dabei wäre hier der Raum gewesen, ein Instrumentarium zur effektiven, gemeinsamen Verfolgung von Korruption durch die betroffenen Mitgliedstaaten jedenfalls im Kern zu skizzieren. 
Kennzeichnend für diese Indolenz des Entwurfs gegenüber der Bedeutung einer wirksamen, und das heißt durch klare Wege der Zusammenarbeit der befassten Institutionen geregelte, zwischen- und überstaatliche Zusammenarbeit ist die fehlende Abstimmung mit den Zuständigkeiten der Europäischen Staatsanwaltschaft. Auch sofern durch die im Richtlinienvorschlag beschriebenen Straftaten finanzielle Interessen der Gemeinschaften betroffen sind, wird eine sachliche Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft weder durch die Regeln des Entwurfs selbst noch durch ihr Zusammenspiel mit anderen Regelungen der Union begründet. Eine Schwächung der Europäischen Staatsanwaltschaft kann sich im Gegenteil - wie oben beschrieben - ergeben.