#31/2023

Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Gesetzentwurf zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte

 

Der Deutsche Richterbund begrüßt den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte in seiner Gesamtheit ausdrücklich. Der Entwurf nimmt die Anregungen des DRB auf.

Der Referentenentwurf korrigiert die verfehlte gesetzgeberische Entscheidung aus dem Jahr 2021. Seinerzeit waren die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b StGB mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe zu einem Verbrechenstatbestand hochgestuft worden.

Bereits im damaligen Gesetzgebungsverfahren hatte der Deutsche Richterbund ausdrücklich vor den Folgen der Hochstufung zum Verbrechen gewarnt (DRB-Stellungnahme 9/20; kritisch auch Bussweiler, ZRP 2021, S. 84). Diese Kritik, die im Übrigen im Rahmen der Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages im Dezember 2020 nahezu einhellig von den geladenen Sachverständigen geteilt wurde, ignorierte der Gesetzgeber.

Die Strafverfolgungspraxis wird durch die geltende Fassung des § 184b StGB – wie seitens des Deutschen Richterbundes vorhergesagt und zuletzt immer wieder kritisiert – vor enorme Schwierigkeiten gestellt. Einstellungen aus Gründen der Opportunität (§§ 153, 153a StPO) sind gegenwärtig nicht möglich. Erledigungen im Strafbefehlsverfahren sind ausgeschlossen. Liegt ein hinreichender Tatverdacht vor, sind Anklagen in jedem Falle mindestens zum Schöffengericht zu erheben. Der damit verbundene Aufwand sowie der Aufwand für die Durchführung der Hauptverhandlungen nahm massiv zu.

Darüber hinaus bestehen nicht unerhebliche Zweifel, ob sich die gegenwärtig noch geltende rechtliche Ausgestaltung der Strafbarkeit des Besitzes (§ 184b Abs. 1 StGB), aber auch der Verbreitung kinderpornographischer Inhalte als Verbrechen (§ 184b Abs. 3 StGB), welche ungeachtet zusätzlicher Kriterien wie etwa der Anzahl der Dateien, der Art der abgebildeten Inhalte, dem Anlass oder der Form der Verbreitung erfolgte, noch in den Grenzen des Übermaßverbots bewegt. In einer Vielzahl von in der Praxis vorkommenden Fällen erscheint es kaum noch möglich, dem verfassungsrechtlichen Grundsatz schuldangemessenen Strafens angemessen Rechnung zu tragen und tat- und schuldangemessen zu bestrafen. Es war daher nur folgerichtig, dass etwa das Amtsgericht München (Beschluss vom 17.6.2022 – 853 Ls 467 Js 181486/21; BVerfG Beschl. v. 3.3.2023 – 2 BvL 11/22, 2 BvL 15/22) und zuletzt auch das Amtsgericht Buchen (Beschluss vom 1.2.2023 – 1 Ls 1 Js 6298/21; BVerfG, 2 BvL 3/23) das Bundesverfassungsgericht zum Zwecke der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des § 184b StGB anriefen.

Der Deutsche Richterbund hat in seiner Stellungnahme zu dem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Buchen seine Zweifel an der Verfassungskonformität der geltenden Fassung von § 184b Abs. 1, 3 StGB zum Ausdruck gebracht und den Gesetzgeber zugleich dazu aufgefordert, die Tatbestände des § 184b Abs. 1 StGB wieder zu einem Vergehen herabzustufen und die Mindeststrafe in § 184b Abs. 3 StGB unter Berücksichtigung der breiten Palette möglichen Handlungsunrechts auf unter ein Jahr Freiheitsstrafe festzulegen (DRB-Stellungnahme 16/23).

Dieser seitens des Deutschen Richterbundes auch medial mit Nachdruck erhobenen Forderung trägt der Referentenentwurf nunmehr in überzeugender Art und Weise Rechnung.

Die mit der Reform von 2021 herbeigeführte Erhöhung des Strafrahmens auf zehn Jahre Freiheitsstrafe für die Tatbestandsvarianten des § 184b Abs. 1 S. 1 StGB und auf fünf Jahre Freiheitsstrafe für die Tatbestandvarianten des §184b Abs. 3 StGB wird beibehalten. Die Mindeststrafe hingegen wird in Absatz 1 Satz 1 von einem Jahr auf sechs Monate und in Absatz 3 von einem Jahr auf drei Monate zurückgestuft. Der Strafverfolgungspraxis wird es dadurch ermöglicht, auf die Vielzahl denkbarer Fallkonstellationen flexibel und angemessen zu reagieren (vgl. zu den zahlreichen denkbaren Fallkonstellationen am unteren Rand der Strafwürdigkeit: Wagner, DRiZ 04/2023, S. 136 und DRB-Stellungnahme 16/23).

Die in dem Referentenentwurf erwogene Alternative wird zu Recht nicht aufgegriffen. Würde man in § 184b StGB einen minder schweren Fall regeln, bliebe es bei der Einordnung des Delikts als Verbrechen und insbesondere Einstellungen von Verfahren am unteren Rand der Strafwürdigkeit wären weiterhin nicht möglich.

Der gesamte Vorgang zeigt exemplarisch auf, dass es für Gesetzesfolgenabschätzung gerade im Bereich der Strafjustiz unerlässlich ist, den Stimmen der Praxis deutlich mehr Gehör zu schenken und sie im Gesetzgebungsverfahren angemessen zu gewichten.