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zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes und der Strafprozessordnung

 

A. Tenor der Stellungnahme

Der Deutsche Richterbund begrüßt ausdrücklich, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz der langjährigen Forderung des Deutschen Richterbundes nach Abschaffung des Richtervorbehalts bei der Blutprobenentnahme im Bereich der Verkehrsdelikte mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nachkommt.

Die ebenfalls vorgesehene Einführung des Fahrverbots als Nebenstrafe bei allen – auch nicht verkehrsbezogenen – Straftaten lehnt er dagegen ab. Die mangelnde Kontrollierbarkeit eines Fahrverbots und die unterschiedlichen Lebensumstände der Betroffenen lassen befürchten, dass es kaum gelingen wird, eine annähernde Gleichbehandlung der Betroffenen zu erreichen.

 
B. Bewertung im Einzelnen

Zur Blutprobenentnahme

Das geltende Recht enthält in § 81a Absatz 2 StPO einen Richtervorbehalt für alle körperlichen Untersuchungen; Ausnahmen sind nur für den Fall vorgesehen, dass der Untersuchungserfolg bei einer Verzögerung gefährdet würde. Dann steht die Anordnungsbefugnis der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen zu.

Der Referentenentwurf enthält in Artikel 3 Nummer 1 eine besondere Regelung für die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Tat vorliegen, die der Beschuldigte bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Fahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat. In diesen Fällen wird die Anordnungsbefugnis auf die Staatsanwaltschaft übertragen, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung steht sie den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu. Die besondere Anordnungsbefugnis wird automatisch in das Recht der Ordnungswidrigkeiten übertragen, da § 46 Absatz 1 OWiG auf die Strafprozessordnung Bezug nimmt.

Der Deutsche Richterbund unterstützt nachdrücklich die von ihm schon seit langem geforderte Abschaffung des Richtervorbehalts bei der Blutprobenentnahme, wenn es um die Feststellung des Blutalkoholgehalts oder der Konzentration anderer berauschender Mittel im Straßenverkehr geht. Der im geltenden Recht vorgesehene Richtervorbehalt führt in der Praxis angesichts der Notwendigkeit, relativ schnell zu entscheiden, insbesondere am späten Abend und zu Nachtzeiten, zu großen Problemen. Die Anordnung durch den Richter ist aus Sicht des Deutschen Richterbundes auch nicht erforderlich. Die Blutprobenentnahme ist ein relativ geringer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen und beim Verdacht einer Alkoholisierung im Straßenverkehr nicht untypisch. Das „Vier-Augen-Prinzip“ bleibt durch die im Entwurf vorgesehene grundsätzliche Anordnungsbefugnis der Staatsanwaltschaft gewahrt und die nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Blutprobenentnahme bleibt möglich. Positiv hervorzuheben ist, dass durch die vorgeschlagene Regelung die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft deutlich herausgestellt wird.

Fraglich bleibt allerdings, warum die Blutprobenentnahme bei anderen Verkehrsteilnehmern, die kein Kraftfahrzeug führen, sondern etwa mit dem Fahrrad unterwegs sind, weiterhin dem Richtervorbehalt unterfallen soll.
Sind etwa ein Autofahrer und ein Fahrradfahrer an einem Unfall beteiligt und besteht bei beiden Unfallteilnehmern der Verdacht einer Alkoholisierung, müsste beim Fahrradfahrer eine richterliche Anordnung eingeholt werden, wohingegen beim Autofahrer die Einschaltung der Staatsanwaltschaft ausreichen würde. Ein Grund für die unterschiedliche Behandlung ist nicht ersichtlich. Aus Sicht des Deutschen Richterbundes sollte die Neuregelung auf alle verkehrsbezogenen Taten unter Einfluss von Alkohol oder anderer berauschender Mittel ausgedehnt werden.


Zum Fahrverbot

Nach derzeitiger Rechtslage ist die Verhängung des Fahrverbots als Nebenstrafe auf Straftaten beschränkt, die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurden. Der Referentenentwurf sieht vor, diese Be¬schränkung aufzuheben, sodass das Fahrverbot generell als Nebenstrafe verhängt werden kann. Außerdem wird die Höchstdauer von drei auf sechs Monate verlängert. Im Bereich des Jugendstrafrechts soll es allerdings bei der Höchstdauer von drei Monaten bleiben.

Der Deutsche Richterbund lehnt ein Fahrverbot als Nebenstrafe bei allen Straftaten ab.

Der Führung eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr kommt bei weitem nicht mehr die Bedeutung zu wie noch zu der Zeit, als die Diskussionen um die Einführung des Fahrverbots als Hauptstrafe oder generelle Nebenstrafe begannen. Während vor einigen Jahren das Auto noch ein Statussymbol war und das Autofahren von den meisten Menschen als sehr wichtig eingeschätzt wurde, ist die Bedeutung des Führens eines Kraftfahrzeugs für den Einzelnen heute äußerst unterschiedlich:
 
-    So gibt es Menschen, die beruflich auf ihren Führerschein angewiesen sind   entweder weil sie so ungünstig wohnen, dass sie ohne eigenes Auto nicht zur Arbeitsstelle gelangen können, oder weil sie etwa Berufskraftfahrer sind.
-    Andere sind aus gesundheitlichen Gründen auf das Auto angewiesen.
-    Wieder andere fahren aus Spaß oder Bequemlichkeit.
-    Und eine weitere, gerade in Großstädten immer größer werdende Gruppe hat zwar einen Führerschein, fährt aber vornehmlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln und kann leicht auf das Autofahren verzichten.

Damit stellt sich die Frage, warum gerade das Fahrverbot als Sanktion gewählt wird und nicht das Fußballspielen am Sonntag oder der Wochenend-Kinobesuch. Mit dem Fahrverbot verbietet man dem Betroffenen die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, ohne dass klar wird, warum es gerade diese Tätigkeit ist. Die auch in der Begründung des Referentenentwurfs genannten Akzeptanzprobleme dürften damit in der Tat hoch werden.

Noch verstärkt werden dürften sie durch den Umstand, dass die Befolgung des Fahrverbots nur schwer kontrollierbar ist. Wer dem Fahrverbot nicht Folge leistet, dürfte nur auffallen, wenn er zufällig in eine Fahrzeugkontrolle gerät.

Die Unterschiede in der Wirkung des Fahrverbots auf die Betroffenen dürften durch das Gericht nur schwer ausgeglichen werden können. Zwar wirken auch die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe unterschiedlich. Die Freiheitsstrafe ist aber generell sehr belastend und die unterschiedliche Wirkung der Geldstrafe wird durch die Bemessung der Tagessätze jedenfalls teilweise ausgeglichen. Bei dem Fahrverbot scheint es angesichts der so verschiedenen Lebensumstände und Vorlieben der Betroffenen kaum möglich, für eine einigermaßen annähernde Wirkungsgleichheit der Strafe zu sorgen.

Sollte dennoch ein Fahrverbot als Nebenstrafe bei allen Straftaten eingeführt werden, muss aus Sicht des Deutschen Richterbundes jedenfalls eine Evaluierung des Gesetzes nach einigen Jahren vorgesehen werden.

In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausgeführt, dass die Bundesregierung anhand der Strafverfolgungsstatistiken verfolgen werde, in welchem Umfang die Praxis von dem Instrument Gebrauch machen wird. Dies reicht nach hiesiger Auffassung nicht aus. Vielmehr ist es erforderlich, nach einigen Jahren zu untersuchen, in welchen Fällen das Fahrverbot verhängt worden ist, in welchem Umfang dabei die Lebensverhältnisse der Verurteilten berücksichtigt worden sind, welche Folgen das Fahrverbot für die Betroffenen hatte und ob das Fahrverbot als Sanktion akzeptiert worden ist.


Zur Erleichterung der Strafzurückstellung bei betäubungsmittelabhängigen Mehrfachtätern

Der Deutsche Richterbund unterstützt die vorgeschlagene Regelung.

Nach §§ 35, 36 BtMG kann die Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogentherapie zurückgestellt werden. Voraussetzung ist, dass der Verurteilte die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat
und die Freiheitsstrafe oder ein noch zu verbüßender Strafrest höchstens zwei Jahre beträgt. Ist die Strafe zurückgestellt und hat der Verurteilte eine Drogentherapie durchgeführt, wird der Aufenthalt in der Therapieeinrichtung auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. Zu diesem Zeitpunkt setzt das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung aus, wenn dies unter Sicherheitsaspekten verantwortet werden kann. Ist die Therapie abgeschlossen, kann die Vollstreckung der Strafe auch schon vor Ablauf von zwei Dritteln der Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden.

Eine Strafzurückstellung ist nach geltendem Recht (§ 35 Absatz 6 Nummer 2 BtMG) nicht möglich, wenn der Verurteilte noch eine weitere Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, deren Grund eine Straftat ohne Bezug zur Betäubungsmittelabhängigkeit ist.

Dieser unbefriedigenden Rechtslage wurde in der Praxis teilweise dadurch begegnet, dass zunächst mit Einverständnis des Verurteilten die nicht mit der Drogenabhängigkeit zusammenhängende Strafe vollständig verbüßt wurde. Anschließend konnte eine Strafzurückstellung zur Durchführung der Therapie gewährt werden. Diese Praxis wurde vom Bundesgerichtshof verworfen. Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung damit begründet, dass die vollständige Vorabverbüßung einer Freiheitsstrafe nach geltendem Recht nicht zulässig sei. Vielmehr seien mehrere Freiheitsstrafen jeweils bis zum Zweidrittelzeitpunkt zu vollstrecken, um eine einheitliche Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zum Zweidrittelzeitpunkt zu ermöglichen.

Der Referentenentwurf will die bisherige Praxis wieder ermöglichen. In Zukunft soll der Verurteilte zunächst seine nicht mit der Drogensucht zusammenhängende Strafe vollständig verbüßen dürfen, um danach eine Strafzurückstellung zur Durchführung einer Therapie in Anspruch nehmen zu können.

Eine solche Regelung ermöglicht es den Betroffenen, eine Therapie zu einem Zeitpunkt anzutreten, zu dem noch ein zeitlicher Anreiz dafür besteht. Sie entspricht dem Ziel der Resozialisierung drogenabhängiger Straftäter.

 

Zur Datenübermittlung durch die Bewährungshilfe

Von den Landesjustizverwaltungen wird seit längerer Zeit gefordert, dass die Weitergabe personenbezogener Daten durch die Bewährungshilfe an Polizeibehörden einerseits und an Justizvollzugsanstalten andererseits gesetzlich klar geregelt wird. Der Deutsche Richterbund begrüßt die nun vorgesehenen Übermittlungsbefugnisse.

Übermittlung an die Polizei

Nach § 56d Absatz 3 StGB ist die Bewährungshilfe verpflichtet, das Gericht über die allgemeine Lebensführung des Verurteilten und über bestimmte Vorkommnisse zu informieren. Gerichte wiederum dürfen nach § 481 Absatz 2 StPO personenbezogene Daten an die Polizei weitergeben. Eine unmittelbare Information der Polizei durch die Bewährungshilfe ist nicht vorgesehen. Nach dem Referentenentwurf sollen der Bewährungshilfe solche Mitteilungen an die Polizei erlaubt sein, die zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter erforderlich sind, wenn eine rechtzeitige Übermittlung durch das Gericht nicht gewährleistet ist.

Aus Sicht des Deutschen Richterbundes ist diese Regelung ausgewogen. Sie berücksichtigt, dass die Bewährungshilfe durch ihren unmittelbaren Kontakt zu den Verurteilten Kenntnisse über Gefahrensituationen haben kann, die schnellstmöglich den Polizeibehörden ohne Umwege mitgeteilt werden müssen, damit die Gefahr abgewendet werden kann. Auf der anderen Seite verhindert sie, dass die Bewährungshilfe alle Kenntnisse, die sie erlangt und die für die Gefahrenabwehr von Interesse sein könnten, unmittelbar an die Polizei weitergeben muss. Liegt keine Eilbedürftigkeit vor, bleibt es dabei, dass dem Gericht die Entscheidung darüber obliegt, ob die Polizeibehörden eingeschaltet werden müssen oder nicht. Dies erleichtert der Bewährungshilfe die Arbeit, die sich nur in Ausnahmesituationen an die Polizei wenden muss. Wäre die Bewährungshilfe verpflichtet, die Polizei auch dann unmittelbar zu unterrichten, wenn keine besondere Gefahrensituation vorliegt, die schnelles Handeln erfordert, dürfte es für die Bewährungshilfe schwer werden, ein Vertrauensverhältnis zu den Verurteilten aufzubauen.

Übermittlung an Einrichtungen des Justiz- und Maßregelvollzugs

Zu Beginn eines Justiz- oder Maßregelvollzugs wird regelmäßig ein Vollzugsplan erstellt. Je schneller und zielgenauer er erstellt werden kann, umso eher kann mit Maßnahmen begonnen werden, die dem Ziel der Resozialisierung dienen. Häufig verfügt die Bewährungshilfe über Kenntnisse, die für die passgenaue Durchführung des Vollzugs wichtig sind, wenn eine Bewährung aufgehoben wurde oder der Verurteilte erneut straffällig geworden ist. In diesen Fällen ist es sachgerecht, wenn die Bewährungshilfe entsprechende Informationen an die Einrichtungen des Justiz- und Maßregelvollzugs weitergeben darf, zumal die Bewährungshilfe und der Justizvollzug dasselbe Ziel verfolgen, nämlich die Resozialisierung des Verurteilten. Der Deutsche Richterbund begrüßt, dass nun eine ausdrückliche gesetzliche Befugnis für entsprechende Datenübermittlungen geschaffen werden soll.