# 5/17

In den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden
2 BvR 883/14 und 2 BvR 905/14


nimmt der Deutsche Richterbund gemäß § 27a BVerfGG wie folgt Stellung:

I. Allgemeines

Der Deutsche Richterbund ist mit den Beschwerdeführern der vorgenannten Verfahren der Auffassung, dass die den Beschwerdeführern für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2009 gewährte Besoldung evident nicht (mehr) amtsangemessen war. Die Verfassungsbeschwerden dürften jeweils zulässig und begründet sein.

II. Zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde

Die Beibehaltung der abgesenkten Besoldung nach der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands – 2. BesÜV – vom 21.06.1991 (BGBl. I S. 1345, letztmalig geändert durch Gesetz vom 05.02.2009 BGBl. I S. 160, 462) für die Beamten der Besoldungsgruppen A 10 und höher in den Jahren 2008 und 2009 verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG und dem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 33 Abs. 5 GG.

Zutreffend weisen die Beschwerdeführer in ihren Verfassungsbeschwerden darauf hin, dass die – unbestritten vorliegende – Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes hier nicht gerechtfertigt ist, da ein einleuchtender sachlicher Grund, der einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält, für die Beibehaltung der abgesenkten Besoldung für die Beamten der Besoldungsgruppen A 10 und höher für den Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2009 fehlt.
Eine angespannte Haushaltslage kann die Ungleichbehandlung zulasten einzelner Besoldungsgruppen nicht rechtfertigen, zumal dann nicht, wenn – wie hier – die Maßnahme nicht erkennbar Gegenstand eines Gesamtkonzepts der Haushaltskonsolidierung war und dies vom Gesetzgeber auch nicht hinreichend begründet worden ist. Eine Ausnahmesituation im Sinne von Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG lag im Übrigen nicht vor und wird vom Freistaat Sachsen auch nicht mit Substanz behauptet.

Soweit zur Begründung der besoldungsrechtlichen Regelung allein der beabsichtigte Gleichlauf an die Entgeltvereinbarung in dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12.10.2006 angeführt wird, kann dies – wie letztlich auch das Bundesverwaltungsgericht erkannt hat – die Ungleichbehandlung in Form der Beibehaltung der abgesenkten Besoldung für die Beamten der Besoldungsgruppe A 10 und höher für den Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2009 nicht rechtfertigen. Die strukturellen Unterschiede zwischen dem Tarifvertragsrecht auf der einen und dem Besoldungsrecht auf der anderen Seite lassen dies nicht zu. Ein Tarifvertrag ist immer das Ergebnis der zwischen den Tarifvertragsparteien frei ausgehandelten Entgelte - oftmals nach zähen und langen Verhandlungen einschließlich Arbeitskampfmaßnahmen. Demgegenüber liegt der Besoldung stets eine Entscheidung des Gesetzgebers unter Berücksichtigung und in Erfüllung grundgesetzlicher Verpflichtungen zugrunde. Eine Verhandlung im eigentlichen Sinne findet nicht statt. Beamte, Richter und Soldaten können für die Höhe ihrer Besoldung auch nicht streiken. Das Ergebnis von Tarifverhandlungen kann deshalb allenfalls Anhaltspunkt und Richtschnur bei der Bemessung der Höhe bzw. der Anpassung der Besoldung sein. Im Vordergrund muss jedoch immer das Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 GG stehen.

Zutreffend weist das Bundesverwaltungsgericht auch darauf hin, dass die Ungleichbehandlung der Besoldungsgruppen A 10 und höher sich nicht mit der unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beamten rechtfertigen lässt. Unabhängig davon, ob im Einzelfall eine kurzzeitige Verschiebung von Besoldungserhöhungen gerechtfertigt sein kann, liegt hier eine längere und substanziell hohe Verschiebung vor, da diese monatlich in der Höhe 7,5 % ausmacht und über einen Zeitraum von 24 Monaten erfolgt. Darüber hinaus sind mit der Besoldungsgruppe A 10 auch keine Beamten höherer Besoldungsgruppen oder gar sogenannte Spitzenbeamte betroffen.

Schließlich kann die Ungleichbehandlung auch nicht mit der vom Bundesverwaltungsgericht ins Feld geführten „besonderen, einmaligen Situation, in der sich der sächsische Landesgesetzgeber im Jahr 2008 befand“, gerechtfertigt werden. Denn unabhängig davon, ob eine derartige besondere Situation 18 Jahre nach der Wiedervereinigung (noch) bestand, hatte das Land Sachsen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens das Alimentationsprinzip als grundrechtsgleiches Recht gemäß Art. 33 Abs. 5 GG der Beschwerdeführer zu beachten.

Zutreffend weisen die Beschwerdeführer darauf hin, dass das aus dem Alimentationsprinzip abzuleitende Abstandsgebot sowohl zwischen den Besoldungen der Besoldungsgruppe A 9 und A 10 aber auch innerhalb der Besoldungsgruppe A 10 im Hinblick auf die Beamten, die vor bzw. nach dem 01.01.2008 befördert wurden, verletzt wird, was zugleich einen Verstoß gegen das Leistungsprinzip gemäß Art. 33 Abs. 2 GG darstellt.

Der Effekt der Verschiebung der Besoldungsanpassung von 92,5 % auf 100 % für Beamte der Besoldungsgruppe A 10 und höher wird darüber hinaus noch negativ verstärkt, indem die Besoldungsanpassung 2008 mit einer Erhöhung der Besoldung um 2,9 % für die Besoldungsgruppe A 10 und höher erst vier Monate später als für die Besoldungsgruppe A 2 bis A 9 erfolgte. Zwar mag eine derartige kurzfristige Verschiebung von Besoldungserhöhungen bei unterschiedlichen Besoldungsstufen im Einzelfall unter Berücksichtigung des weiten Spielraums des Gesetzgebers zulässig sein. Vorliegend stellt die Kumulation beider Maßnahmen für die Beamten der Besoldungsgruppe A 10 und höher aber ein nicht mehr zu rechtfertigendes Opfer dar. Denn die Beibehaltung der abgesenkten Besoldung stellt bereits eine erhebliche Schlechterstellung der Beamten in der Besoldungsgruppe A 10 und höher dar, sodass diese Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt nachvollziehbar ist.

Weiterhin ergibt sich auch unter Berücksichtigung weiterer im Rahmen einer Gesamtabwägung zu beachtender alimentationsrelevanter Determinanten, dass die Besoldung für die Besoldungsgruppe A 10 und höher im Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2009 in Sachsen verfassungswidrig zu niedrig war. Insoweit wird auf die Feststellungen im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17.11.2015 (2 BvL 19/09 u.a.), dort ab Randnummer 131 verwiesen.