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zu Erkennungsdienstliche Maßnahmen, insbesondere § 81b Alternative 2 StPO

 

Dem Wunsch des Bundes Deutscher Kriminalbeamter nach einer Änderung von § 81b StPO mit der Zielrichtung einer einheitlichen Rechtswegzuweisung vermag sich der Deutsche Richterbund nicht anzuschließen.

Die Spaltung des Rechtswegs bei Rechtsbehelfen gegen erkennungsdienstliche Maßnahmen - Beschwerde bzw. Antrag entsprechend § 98 Abs. 2 S. 2 StPO bei Maßnahmen im Strafverfahren, Verwaltungsrechtsweg bei Maßnahmen für Zwecke des Erkennungsdienstes   ist eine Folge der Zuordnung von Maßnahmen nach § 81b 2. Alternative StPO zum Gefahrenabwehrrecht (st. Rspr, zuletzt BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2011 – 6 B 1/11, m.w.N.). Sie wird richtigerweise überwiegend damit begründet, dass Maßnahmen für Zwecke des Erkennungsdienstes nicht der Aufklärung bereits begangener Straftaten dienen (vgl. Dreier JZ 1987, 1009, 1012).  Die abweichende Ansicht von Rogall in SK-StPO (§ 81b Rn. 10), wonach § 81b StPO ebenso wie § 81g StPO (dieser wiederum als „molekulargenetisches Gegenstück“ zu § 81b StPO) als Norm der antizipierten Strafverfolgung reines Strafverfahrensrecht sei, überzeugt nicht. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Qualifizierung der Maßnahmen nach § 81g StPO als Strafverfahrensrecht ist nicht zu entnehmen, dass dies gleichermaßen für Maßnahmen des einfachen Erkennungsdienstes gelten solle. Aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelungen in § 81g StPO können keine Schlüsse auf die hier interessierende Frage des Rechtswegs für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Maßnahmen zu erkennungsdienstlichen Zwecken gezogen werden (BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2011 – 6 B 1/11, Rn. 4 [juris]).
 
Die Maßnahmen nach § 81g StPO dienen der Erleichterung der Beweisführung in künftigen Strafverfahren gegen den Beschuldigten. § 81g StPO hat damit einen sehr engen Bezug zum Strafverfahren. Die Funktion, künftige Straftaten präventiv abzuwehren, kommt der Vorschrift weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Zweck zu (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2000 – 2 BvR 1741/99 u.a. - Rn. 48 [juris]). Demgegenüber beschränken sich erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 81b 2. Alt. StPO nicht auf ein künftiges Strafverfahren, sondern dienen nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung vielmehr - ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren - der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind (BVerwG, Urteil vom 23. November 2005 – 6 C 2/05 Rn. 18 [juris]; Löwe/Rosenberg/Krause § 81b StPO, Rn. 3). Sie können auch der Ge-fahrenabwehr oder der Durchführung anderer Verfahren, etwa nach dem OWiG oder dem ThUG, dienen.

Die Zuweisung der Anfechtung von Maßnahmen zum Zwecke des Erkennungsdienstes zur ordentlichen Gerichtsbarkeit wäre damit systemwidrig. Allein der Zweck der Strafverfolgungsvorsorge kann die Qualifizierung als strafprozessuale Maßnahme nicht rechtfertigen. Die StPO regelt die Strafverfolgungsvorsorge im Übrigen ohnehin nur bruchstückhaft und jedenfalls nicht abschließend.

Unabhängig davon ist ein praktisches Bedürfnis nach einer Gesetzesänderung nicht erwiesen. Die vom Bund Deutscher Kriminalbeamter hervorgehobene Gefahr einer „Absenkung kriminalistischer Standards und einer Häufung von Rechtswegstreitigkeiten“ kann der Deutsche Richterbund nicht bestätigen. Das System, ausschließlich polizeirechtliche Maßnahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle mit den Besonderheiten der Ermessensüberprüfung zu unterstellen, hat sich - wie auch in den sogenannten „Gemengelagen“ anderer Maßnahmen (z. B. Durchsuchung nach StPO/Polizeigesetz, Einsatz Verdeckter Ermittler nach StPO/Polizeigesetz, Observation nach StPO/Polizeigesetz) bewährt.

Eine Gesetzesänderung ist auch zur Erfüllung der Anforderungen aus dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht erforderlich, da die von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung insbesondere dem Bundesverwaltungsgericht entwickelten Kriterien zur Beurteilung der Frage, wann erkennungsdienstliche Maßnahmen notwendig i.S.d. § 81b StPO sind, sind in zahlreichen Entscheidungen hinreichend konkretisiert worden sind. Danach bedarf es zur Anordnung einer Maßnahme zu Zwecken des Erkennungsdienstes einer Wiederholungsgefahr, und die Maßnahme muss geeignet und verhältnismäßig sein. Die Notwendigkeit von erkennungsdienstlichen Maßnahmen bemisst sich danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellt wurde, nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden anderen strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen letztlich überführend oder entlastend - fördern könnten (BVerwG, Beschluss vom 7. März 2012 - 6 B 40/11; Urteil vom 23. November 2005 – 6 C 2/05, Rn. 22 [juris]; Urteil vom 19. Oktober 1982 - BVerwG 1 C 29.79 = BVerwGE 66, 192,199). Bedenken im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz wurden bisher von der Rechtsprechung nicht geäußert.

Die Zuordnung von Maßnahmen nach § 81b 2. Alt. StPO zum Strafverfahrensrecht würde weder zu sachgerechteren noch zu angemesseneren Ergebnissen führen: In diesem Fall müsste die Staatsanwaltschaft, ggf. nach richterlicher Genehmigung, die Maßnahmen anordnen, dabei freilich die ihr auferlegten rechtlichen Maßstäbe anlegen und in der Durchführung ihre Sachleitungsbefugnis ausüben. Abgesehen davon, dass die Leitung und Beaufsichtigung von Präventivmaßnahmen einen Fremdkörper in der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft darstellen würde, wären die Staatsanwaltschaften mit dieser Aufgabe personell und sächlich überfordert (bspw. angesichts der Erfassung von ca. 3,5 Millionen Personen in AFIS).

gez. Sigrid Hegmann, Mitglied des DRB-Präsidiums