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zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften

 

A. Tenor der Stellungnahme

Der Deutsche Richterbund begrüßt, dass Polizeibeamte und sonstige Einsatzkräfte – gegebenenfalls auch durch das Strafrecht – besser vor Gewalt und Angriffen in Beziehung auf ihren Dienst geschützt werden sollen. Dazu kann insbesondere eine weiter zu verbessernde personelle und sachliche Ausstattung der Polizei beitragen, wodurch das Risiko für den einzelnen Beamten sinkt.

Der vorgelegte Gesetzentwurf wird vom Deutschen Richterbund aber mit Skepsis begleitet. Dies gilt insbesondere für die Forderung nach einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten bei Angriffen auf Vollstreckungsbeamte bzw. Einsatzkräfte bei gleichzeitigem Verzicht auf einen Bezug zu einer Vollstreckungshandlung. Die vom Gesetzgeber bisher in den §§ 113, 223, 224 StGB zur Verfügung gestellten Strafrahmen ermöglichen es aus Sicht des Deutschen Richterbundes bereits heute, dass die Gerichte im Einzelfall schuldangemessene Sanktionen treffen können.

B. Bewertung im Einzelnen

Der Deutsche Richterbund unterstützt das grundsätzliche Anliegen, Vollstreckungsbeamte und sonstige Einsatzkräfte – gegebenenfalls auch durch das Strafrecht – besser vor Gewalt und Angriffen in Beziehung auf ihren Dienst zu schützen. Zu diesem Schutz kann neben einer weiterhin zu führenden breiten gesellschaftlichen Debatte zu diesem Thema insbesondere eine weiter zu verbessernde personelle und sachliche Ausstattung der Polizei beitragen. Dort wo die Polizei ausreichend Kräfte mit entsprechender Ausstattung bereithalten kann, sinkt auch für den einzelnen Beamten das Risiko, Opfer eines tätlichen Angriffs zu werden.

Der vorliegende Entwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches wird in Bezug auf die einzelnen Regelungsinhalte jedoch kritisch gesehen. Dies gilt insbesondere für die Forderung nach einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten bei tätlichen Angriffen unter gleichzeitigem Verzicht auf einen Bezug zu einer Vollstreckungshandlung.

§ 113 StGB

Die Erweiterung des besonders schweren Falles in § 113 Absatz 2 Nr. 1 StGB-E auf die Fälle, in denen der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug ohne Verwendungsabsicht bei sich führt, wird nicht unterstützt. Bereits in der zu § 244 Absatz 1 Nr. 1a StGB ergangenen Rechtsprechung zeigt sich die Schwierigkeit der Abgrenzung eines gefährlichen von einem sonstigen Werkzeug (BGHSt 52, Rn 16, 24). Diese an anderer Stelle als mangelhaft erkannte Formulierung nunmehr auch in § 113 Absatz 2 StGB als besonders schweren Fall aufzunehmen, wird abgelehnt.

§ 114 StGB

Soweit nun ein neuer Straftatbestand geschaffen werden soll, der unabhängig von Vollstreckungshandlungen tätliche Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte unter Strafe stellt, besteht nach Ansicht des Deutschen Richterbundes hierfür kein Erfordernis.

Durch den Wegfall eines Bezuges zu einer Vollstreckungshandlung soll nunmehr der Anwendungsbereich erweitert werden. Zuletzt hat die Bundesregierung dies im Jahr 2011 abgelehnt (siehe BT-Drs. 17/4143, Anlage 4).
Vor fünf Jahren erst wurde der Strafrahmen des § 113 StGB verschärft. Hintergrund war damals eine erhebliche Steigerung der Vorfälle; eine weitere eklatante Steigerung der Fallzahlen ist nicht ersichtlich. Ein sachlicher Grund für eine erneute Strafschärfung ist daher aus Sicht des Deutschen Richterbundes nicht gegeben. Im Übrigen wird hinsichtlich der Wirkung einer geplanten Strafrahmenerhöhung auf die Stellungnahme des Deutschen Richterbundes im damaligen Änderungsverfahren (Stellungnahme Nr. 27/2010) verwiesen:

„Die mit der geplanten Strafrahmenerhöhung in § 113 Abs. 1 StGB erhoffte größere Abschreckungswirkung wird kritisch gesehen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine künftig mögliche Höchststrafe von drei Jahren (Anm.: jetzt fünf Jahren) Freiheitsstrafe einen potenziellen Täter von der Begehung einer Straftat nach § 113 Abs. 1 StGB abhalten wird, der die Tat bei der bisher möglichen Höchststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe noch begangen hätte. Zudem erfüllen die in Betracht kommenden Delikte häufig auch andere Straftatbestände (z.B. §§ 223, 224 StGB), die ohnehin eine höhere Strafobergrenze aufweisen und aus deren Strafrahmen daher gemäß § 52 Abs.2 Satz 1 StGB die Strafe zu schöpfen ist.“

Mit der beabsichtigten Änderung der §§ 113, 114 StGB verkehrt sich nunmehr der ursprüngliche Sinn und Zweck des § 113 StGB:
Ursprünglich handelte es sich bei § 113 StGB um eine Vorschrift, die den von der Ausübung von Hoheitsgewalt betroffenen Bürger in dieser Konfliktsituation privilegierte: Statt bei einem Angriff auf Vollstreckungsbeamte über § 240 StGB mit maximal drei Jahren bestraft zu werden, wurde derjenige, der sich gegen eine staatliche Vollstreckungshandlung zur Wehr setzte, milder bestraft (maximal zwei Jahre). Damit wurde praktisch der Individualschutz des Amtsträgers zurückgenommen, gerade weil er für den Staat auftrat. Schutzgut war in erster Linie die Vollstreckungsgewalt des Staates, erst in zweiter Linie der Individualschutz.

Nunmehr soll (entgegen dem historischen Gesetzgeber) der Individualschutz der Amtsträger und Rettungskräfte in den Vordergrund gestellt werden. Im Jahr 2011 hat die Bundesregierung dies noch zu Recht abgelehnt (vgl. BT-Drs. 17/4143 Anlage 4). Hierfür bedarf es jedoch keiner gesonderten gesetzlichen Regelung. Unter einem tätlichen Angriff ist eine unmittelbar auf den Körper zielende gewaltsame Einwirkung zu verstehen. Zur körperlichen Verletzung muss es nicht kommen; eine solche braucht auch nicht gewollt zu sein (Fischer, StGB, 62. Auflage, § 113, Rn. 27). Soweit durch den Entwurf nunmehr insbesondere tätliche Angriffe auf Polizeibeamte schärfer sanktioniert werden sollen, lassen sich insoweit nahezu alle erfassten Fallgestaltungen zumindest als versuchte einfache Körperverletzung nach § 223 Absatz 1, 2 StGB einordnen. § 223 Absatz 1 StGB sieht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Erheblichere tätliche Angriffe werden in vielen Fällen den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB erfüllen. Dieses gilt insbesondere für Körperverletzungen mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges (Absatz 1 Nr. 2), für gemeinschaftliche Körperverletzungen (Absatz 1 Nr. 4) und für Körperverletzungen mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (Absatz 1 Nr. 5). § 224 Absatz 1 StGB sieht im Regelstrafrahmen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen immer noch Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.

Innerhalb dieser gesetzlichen Strafrahmen ist es Aufgabe der Gerichte und Staatsanwaltschaften, eine schuldangemessene Strafe festzusetzen bzw. hierauf hinzuwirken. Die vom Gesetzgeber insbesondere in den §§ 113, 223, 224 StGB zur Verfügung gestellten Strafrahmen ermöglichen aus Sicht des Deutschen Richterbundes, dass die Gerichte im Einzelfall schuldangemessene Sanktionen treffen können.

§ 125a StGB

Aus den oben zu § 113 StGB genannten Gründen wird auch die Verschärfung des § 125a StGB auf bloße Fälle des Mitsichführens einer Waffe oder eines gefährlichen Gegenstandes abgelehnt.