# 3/18

In dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung 2 BvL 2/17
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe
vom 15. Dezember 2016 - 6 K 4048/14 -

 

nimmt der Deutsche Richterbund gemäß § 27a BVerfGG wie folgt Stellung:

I. Allgemeines

Der Deutsche Richterbund begrüßt die vom Verwaltungsgericht Karlsruhe beschlossene Vorlage zur Überprüfung der Unvereinbarkeit der Absenkung der Eingangsbesoldung um acht Prozent für die Dauer von drei Jahren nach Entstehen des Anspruchs auf Zahlung einer R1-Besoldung aufgrund der Regelung in § 23 Abs. 1 des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg vom 9. November 2010 in der vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/2014 (LBesGBW) mit Art. 33 Abs. 5 GG.

Der Deutsche Richterbund ist mit der vorlegenden Kammer des Verwaltungsgerichts der Auffassung, dass die aufgrund der Regelung in § 23 Abs. 1 LBesGBW erfolgte Absenkung der Eingangsbesoldung um acht Prozent für die Dauer von drei Jahren, mithin die dem Kläger des Verfahrens für den Zeitraum vom 3. Juni 2013 bis 2. August 2016 gewährte Besoldung, verfassungswidrig zu niedrig war.

II. Zur Zulässigkeit der Vorlage im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle

Es bestehen aus den in der Vorlageentscheidung genannten zutreffenden Gründen keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Vorlage des Verfahrens nach Art.  100 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss v. 17. Februar 2016 - 1 BvL 8/10 -, juris Rn. 34 m. w. N.).

Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift des § 23 Abs. 1 LBesGBW wegen Unvereinbarkeit mit Art. 33 Abs. 5 GG würde insbesondere zwingend dazu führen, dass der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum entsprechend den allgemeinen Vorschriften der §§ 21 Abs. 1 Satz 1 und 4, 35 und 36 i. V. m. §§ 31 bis 34 LBesGBW i. V. m. Anlagen 3 und 8 zum LBesGBW in der Besoldungsgruppe R 1 in seiner Erfahrungsstufe ohne Kürzung in Höhe von acht Prozent zu besolden wäre und diesem daher gegen das beklagte Land unmittelbar ein Anspruch auf Nachzahlung in Höhe des Absenkungsbetrages zustünde, so dass das beklagte Land nach Aufhebung des Widerspruchbescheides entsprechend zur Zahlung zu verurteilen wäre, jedenfalls aber das beklagte Land verpflichtet wäre, den Kläger entsprechend zu bescheiden.

Zutreffend ist die Kammer auch zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Nichtannahmebeschluss des Vorprüfungsausschusses des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 1985 (2 BvR 1148/84) für den vorliegenden Fall keine Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zukommt, da auch der baden-württembergische Besoldungsgesetzgeber mit dem Dienstrechtsreformgesetz vom 9. November 2010 (GBl. S. 793) das Besoldungssystem vom früheren Modell der Dienstalterstufen auf ein Modell der Erfahrungsstufen umgestellt hat und damit das systematische Umfeld der hier streitentscheidenden Absenkungsregelung sich maßgeblich von demjenigen der im Jahr 1985 bewerteten Regelungen unterscheidet.

Der Zulässigkeit der Vorlage des Verfahrens steht auch nicht die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung (BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2017 – 2 BvL 1/17 -, juris Rn. 24 m. w. N.) der in Rede stehenden Norm des § 23 Abs. 1 LBesGBW, soweit sie Richter mit Anspruch auf Dienstbezüge aus einem Eingangsamt der Besoldungsgruppe R 1 betrifft, entgegen. Für eine entsprechende Auslegung fehlt jeder Anhalt im Gesetz, zumal der Wortlaut der Norm ausdrücklich Richter mit Anspruch auf Dienstbezüge aus einem Eingangsamt der Besoldungsgruppe R 1 nennt, darüber hinaus zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen differenziert und in den Absätzen 2 bis 4 Ausnahme- und Anrechnungsregelungen enthält, die auf den Kläger des Ausgangsverfahrens indes nicht anwendbar sind. Zudem bietet auch die vom Verwaltungsgericht (Vorlagebeschluss, Abdruck S. 49) wiedergegebene Gesetzesbegründung - auch zu den Vorgängervorschriften - keinerlei Raum für eine verfassungskonforme Auslegung, ohne in den Kernbestand der Regelung und damit in den legislativen Gestaltungsspielraum einzugreifen.

Die Zulässigkeit der Vorlagefrage wird auch nicht dadurch berührt, dass § 23 LBesGBW mit Wirkung zum 1. Januar 2018 aufgehoben worden ist (Art. 2 Nr. 1 und Art. 11 Nr. 2 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Baden-Württemberg 2017/2018 <BVAnpGBW 2017/2018> vom 25. Oktober 2017 <GBl. 2017 S. 565>). Von der vorgelegten Vorschrift, die zum 1. Januar 2018 mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt - und gerade nicht rückwirkend - aufgehoben worden ist, gehen noch für den Kläger nachteilige Rechtswirkungen aus, die für das beim Verwaltungsgericht anhängige Verfahren entscheidungserheblich sind (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 1/10 -; Beschluss vom 17. Februar 2016 - 1 BvL 8/10 -) Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat ein berechtigtes Interesse daran, die Ungültigkeit der angegriffenen Norm auch gerade für die Vergangenheit festgestellt zu wissen. Denn nur in diesem Fall kann er die kraft einfachen Rechts nach den allgemeinen Bestimmungen geschuldete ungekürzte Besoldung beanspruchen.

III. Zur Begründetheit der konkreten Normenkontrollklage

Der Vorlagebeschluss zeigt zutreffend auf, dass die Absenkung der Eingangsbesoldung um acht Prozent für die Dauer von drei Jahren nach Entstehen des Anspruchs auf Zahlung einer R1-Besoldung aufgrund der Regelung in § 23 Abs. 1 des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg vom 9. November 2010 in der vom 1. Januar 2013 bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/2014 (LBesGBW) gegen das Alimentationsprinzip gemäß Art. 33 Abs. 5 GG verstößt und damit nichtig ist.

1. Der Deutsche Richterbund teilt die Rechtsauffassung der vorlegenden Kammer, wonach die in § 23 Abs. 1 LBesGBW einfach-gesetzlich normierte Absenkung der Eingangsbesoldung zu einem Eingriff in den Kernbestand der vom Dienstherrn nach Art. 33 Absatz 5 GG verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation führt, der mangels sachlichem Grund am Maßstab sowohl des in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Alimentationsprinzips als auch am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt ist.

Das beklagte Land hat mit der Regelung in § 23 Abs. 1 LBesGBW die zuvor für das Richteramt in der Besoldungsstufe R 1 als amtsangemessen angesehene und festgesetzte Besoldung abgesenkt und damit isoliert in den Kernbestand der Alimentation eingegriffen, ohne hierfür einen sachlichen Grund zu haben (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 – 2 BvF 3/02).

Die Absenkung der Eingangsbesoldung für Richter in der Besoldungsgruppe R 1 um acht Prozent für die Dauer von drei Jahren nach Entstehen des Anspruchs auf Zahlung einer R1-Besoldung stellt auch eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der Besoldung von Beamten und Richtern dar und verstößt damit gegen den sich auch aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Grundsatz der ämterbezogenen gleichen Besoldung (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2012 – 2 BvL 4/09).

2. § 23 Abs. 1 LBesGBW in der vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung verstößt auch im Übrigen gegen das als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums und Richteramtsrechts nach Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Prinzip der amtsangemessenen Alimentation.

Maßstab für die Besoldung eines Richters ist das Amt und nicht die konkrete und möglicherweise noch zu verbessernde Tätigkeit (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 1/10 -, juris Rn. 32). Diesem aus dem Alimentationsprinzip folgenden Grundsatz steht die Regelung in § 23 Abs. 1 LBesGBW entgegen, da danach das (gleichbleibende) Amt bei unveränderten Anforderungen und dienstrechtlichen Pflichten für einen bestimmten Zeitraum ohne sachlichen Grund geringer alimentiert wird. Die Besoldung ist aber kein Entgelt für eine bestimmte Dienstleistung des Beamten respektive Richters, sondern vielmehr ein „Korrelat“ des Dienstherrn für die mit der Berufung in das Beamten-/Richterverhältnis verbundene Pflicht des Beamten/Richters, unter Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit den Dienstherrn
- grundsätzlich auf Lebenszeit - seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 1/10 -, juris Rn. 32). Dementsprechend ist für gleiche und vergleichbare Ämter derselben Laufbahn im Hinblick auf die vom Träger des öffentlichen Amtes geforderte gleiche Tätigkeit, gleiche Leistung, gleiche Verantwortung und gleiche Arbeitslast auch eine gleiche Besoldung zu gewähren (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 1/10 -, juris Rn. 26).

Ebenso wie § 6d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Landesbesoldungsgesetzes Rheinland-Pfalz in der bis zum 30. Juni 2013 geltenden Fassung stellt sich die vorliegend angegriffene Regelung in § 23 Abs. 1 LBesGBW funktionell als „Wartefrist“ für die Regelbesoldung dar. Damit aber wird das „Korrelat“ zwischen Dienstpflicht und amtsangemessener Besoldung unter Beibehaltung des verliehenen Amtes zeitweilig zu Lasten des Beamten/Richters suspendiert. Es macht keinen Unterschied, ob ein Beamter/Richter nach der Übertragung eines höheren Statusamtes „abwarten“ muss, bis er die (höhere) Besoldung aus diesem Amt erlangt – so zur vormaligen Rechtslage in Rheinland-Pfalz – oder ob ein Beamter/Richter bei gleichbleibendem Amt sich die vom Gesetzgeber vorgesehene (ungekürzte) Regelbesoldung aus diesem Amt erst durch Zeitablauf – wie vorliegend nach § 23 Abs. 1 LBesGBW – „erdienen“ muss. In beiden Fällen ist nicht mehr das innehabende Amt maßgeblich für die Besoldung. Dies stellt eine dem einfachen Gesetzgeber ohne sachlichen Grund grundsätzlich verwehrte strukturelle Veränderung eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamten- und des Richtertums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG dar.

3. Nach Auffassung des Deutschen Richterbundes sind aber auch die Kautelen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den gesetzgeberischen Begründungs-, Überprüfungs- und Beobachtungspflichten bei Besoldungsanpassungen respektive strukturellen Neuausrichtungen (BVerfG, Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u.a. -, juris Rn. 112 f.; Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, juris Rn. 129 f.) zu beachten. Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen und nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich bei der Absenkung der Eingangsbesoldung um eine solche strukturelle Veränderung.

Die prozeduralen Anforderungen gelten entgegen der Auffassung des beklagten Landes auch nicht nur für Besoldungsanpassungen. Den Gesetzgeber trafen schon bei der Bestimmung des Existenzminimums Offenlegungs- und Begründungsobliegenheiten zur Ermöglichung der gerichtlichen Kontrolle im Gesetzgebungsverfahren, insbesondere damit die eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar werden. Kommt der Gesetzgeber dem nicht hinreichend nach, ist die Ermittlung des Existenzminimums schon wegen eines solchen Mangels nicht verfassungskonform (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. -, juris Rn. 144). Diese Erwägungen sind auf die Anpassung der Alimentation zu übertragen (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, juris Rn. 164) und waren von dem beklagten Land bei Erlass des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/2014 zu beachten.

Da das grundrechtsgleiche Recht auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation – ebenso wie das Recht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums – keine quantifizierbaren Vorgaben im Sinne einer exakten Besoldungshöhe liefert, bedarf es prozeduraler Sicherungen, damit die verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive des Art. 33 Abs. 5 GG auch tatsächlich eingehalten wird (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, juris).

Die Auffassung des beklagten Landes, wonach diese Vorgaben auf die – auch nur temporäre – Kürzung der (Regel-)Besoldung nicht anwendbar seien, ist nicht nachvollziehbar und steht nach hiesiger Auffassung der vorgenannten Rechtsprechung entgegen.

Das beklagte Land verkennt dann aber den verfassungsrechtlichen Grundsatz der prozeduralen Begründungspflicht des Besoldungsgesetzgebers bei Besoldungsanpassungen und strukturellen Änderungen, wenn es die Auffassung vertritt, es sei Sache des betroffenen Richters, darzulegen, dass die abgesenkten Dienstbezüge einen amtsunangemessenen Lebenszuschnitt bedingten (Vorlagebeschluss, Abdruck S. 14).

Die Unvereinbarkeit der Absenkung der Eingangsbesoldung gemäß § 23 Abs. 1 LBesGBW in der vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung mit Art. 33 Abs. 5 GG ergibt sich daher schon daraus, dass der baden-württembergische Gesetzgeber die Absenkung der Eingangsbesoldung und damit den Eingriff in den Kernbereich des Gebots amtsangemessener Alimentation nicht hinreichend begründet hat. Die Erhöhung der Absenkung der Eingangsbesoldung von zunächst vier auf acht Prozent durch das Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 vom 14. Dezember 2012 wird ausschließlich mit nicht näher ausgeführten Erwägungen zur Konsolidierung des Haushalts begründet (LT-Drs. 15/2561 S. 27, 31, 48, zitiert im Vorlagebeschluss, Abdruck S. 49 f.), was nicht ausreichend ist (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 -, juris Rn. 57; Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u.a. -, juris Rn. 127; jeweils m.w.N.). Materielle Kriterien, die geeignet wären, die Besoldungsabsenkung am Maßstab des Gebots amtsangemessener Alimentation nachvollziehbar zu machen, finden sich in der Gesetzesbegründung nicht. Ein solcher sachlicher Grund lag auch nicht vor.

4. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts dürfte die dem Kläger gewährte Besoldung im streitgegenständlichen Zeitraum auch nach Maßstab der vom Bundesverfassungsgericht aus dem Alimentationsprinzip abgeleiteten volkswirtschaftlich nachvollziehbaren Parameter evident unzureichend sein, da die Entwicklung der Besoldung im Zeitraum vom 3. Juni 2013 bis 2. August 2016 aufgrund der Absenkung der Eingangsbesoldung um acht Prozent für die Dauer von drei Jahren nach Entstehen des Anspruchs auf Zahlung einer R1-Besoldung gegenüber der Entwicklung der Tariflöhne im öffentlichen Dienst, der Entwicklung des Nominallohns und der Entwicklung des Verbraucherpreises – jeweils im Land Baden-Württemberg – jeweils um mehr als fünf Prozentpunkte – bezogen auf einen 15-Jahreszeitraum – niedriger gewesen ist. Daraus folgt die Vermutung der evidenten Unangemessenheit der Besoldung in der Besoldungsgruppe R 1 für die ersten drei Jahre nach Entstehen des Anspruchs auf Zahlung einer R1-Besoldung im Land Baden-Württemberg. Im Rahmen der dann durchzuführenden zweiten Prüfungsstufe wird sich die Vermutung der verfassungswidrig zu niedrigen Besoldung bestätigen, u. a. da die Besoldung für besonders gut qualifizierte Juristen nicht hinreichend attraktiv ist und damit bei der Gewinnung von qualifiziertem Personal hinderlich ist, zumal sich die Gehälter – nach einer vom Deutschen Richterbund jüngst bei der Unternehmensberatung Kienbaum Consultants International GmbH in Auftrag gegebenen Analyse der Gehälter bei Juristen in der Privatwirtschaft und Anwaltskanzleien für die Jahre 1992 bis 2007 einerseits und für die Jahre 2012 bis 2017 andererseits - für hochqualifizierte Juristen im Bereich der Privatwirtschaft gegenüber der R-Besoldung in den letzten 25 Jahren durchgehend deutlich stärker entwickelt haben. Dies zeigt sich u. a. auch daran, dass die Justiz zunehmend Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Richter- und Staatsanwaltsnachwuchs hat. Um dieses auszugleichen, gehen die Justizministerien dazu über, bei den Bewerbern die Anforderungen bei den Examensnoten für das zweite Juristische Staatsexamen abzusenken. Anstelle von „vollbefriedigend“ (9,0 bis 11,4 Punkte) reicht heute in der Regel schon ein „befriedigend“ (6,5 bis 8,9 Punkte) aus, wobei z. B. im Bundesland Baden-Württemberg in der Regel 8,0 Punkte sowohl im ersten als auch im zweiten Juristischen Staatsexamen gefordert werden. In Niedersachsen sind seit Dezember 2017 nicht mal mehr (wie bisher) 8,0 Punkte erforderlich, sofern der Bewerber zusätzliche Qualifikationen (z. B. eine wissenschaftliche Tätigkeit) vorweisen kann. Im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm im Nordrhein-Westfalen werden gar nur noch 7,76 Punkte im zweiten Examen verlangt, da gerade für den ländlichen Bereich kaum noch Bewerber vorhanden sind. All dies zeigt, dass die Assessorinnen und Assessoren mit besseren Examensnoten sich nicht mehr für eine Tätigkeit in der Justiz interessieren. Grund hierfür ist u. a. die gegenüber Anwaltskanzleien oder Unternehmen schlechtere Bezahlung bei einer ebenfalls hohen Arbeitsbelastung.

Die zu niedrige Höhe der R-Besoldung wirkt schließlich auch der Bedeutung und Wertigkeit des Richteramtes/Amt des Staatsanwalts entgegen, was die Vermutung der verfassungswidrig zu niedrigen Alimentation des Richters/Staatsanwalts im streitgegenständlichen Zeitraum für die ersten drei Jahre nach Entstehen des Anspruchs auf Zahlung einer R1-Besoldung weiter erhärtet.

5. Die Regelung des § 23 Absatz 1 LBesGBW in der vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung lässt sich auch nicht mit dem sogenannten Leistungsprinzip rechtfertigen. Im Gegenteil, sie verstößt jedenfalls bei Richtern sogar dagegen.

Einerseits spricht gegen das Leistungsprinzip, dass der angegriffenen Norm leistungsrelevante Erwägungen schon gar nicht zugrunde liegen, sondern – wie bereits dargelegt – ausschließlich fiskalische (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 1/10 -, juris Rn. 38). Dies wird u. a. auch dadurch deutlich, dass der Dienstherr die angegriffene Regelung nicht nur auf Assessoren, die unmittelbar nach Bestehen des zweiten Juristischen Staatsexamens und auf solche, die nach mehrjähriger Tätigkeit als Rechtsanwalt zum Richter bzw. Staatsanwalt ernannt werden, anwendet, sondern auch auf Richter/Staatsanwälte, die bereits langjährige Erfahrungen im richterlichen bzw. staatsanwaltlichen Dienst eines anderen Bundeslandes gemacht haben (vgl. das derzeit ruhende Verfahren beim Verwaltungsgericht Stuttgart <6 K 5141/13>).
Andererseits und von entscheidender Bedeutung ist, dass der Umstand, dass „auch ein Richter“ mit der Zeit auf Grund des Erfahrungsgewinns „produktiver und versierter“ werde und zu Beginn der Diensttätigkeit eine geringere Erfahrung habe (Vorlagebeschluss, Abdruck S. 18), bereits bei der Bemessung des Grundgehalts über die Erfahrungsstufen (vgl. § 36 i. V. m. §§ 31 bis 34 LBesGBW) berücksichtigt und abgebildet wird. Für eine weitergehende besoldungsrechtliche Differenzierung ist aber – wie das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung ausgeführt hat – dann kein Raum.

Hinzukommt, dass die mangelnde Erfahrung über die Regelungen in §§ 31 bis 34, 36 LBesGBW hinaus weder im Dienstrecht des Landes noch im Organisationsrecht des Dienstherrn eine Entsprechung oder auch nur Berücksichtigung findet. Der Vorprüfungsausschuss des Bundesverfassungsgerichts hat die Absenkung der Beamteneingangsbesoldung in seiner Entscheidung vom 15. Januar 1985 (2 BvR 1148/84 -, juris Rn. 6) mit der Maßgabe gebilligt, dass er hinsichtlich der „Anfangsqualifikation“ von einer „typischerweise“ geringeren Leistungsfähigkeit des Probebeamten für die Dauer der Probezeit ausgegangen ist. Diese Typisierung greift indes nicht bei Richtern und Staatsanwälten. Diese verrichten vielmehr vom ersten Tag an ein Pensum, dass sich typischerweise gerade nicht von dem eines berufserfahrenen Kollegen mit gleichem Statusamt unterscheidet. Namentlich auch die (richterliche) Geschäftsverteilung orientiert sich – zumindest im Grundsatz (Ausnahmen z. B. für die Besetzung der Familiengerichte in § 23b Abs. 3 S. 1 GVG, für die Besetzung der Betreuungsgerichte in § 23c Abs. 2 S. 2 GVG oder für die Bestellung von Jugendstaatsanwälten in § 36 Abs. 1 Satz 2 JGG) – nicht an der Berufserfahrung des Richters/Staatsanwalt. Vielmehr wird von einer universellen und gleichwertigen Einsetzbarkeit aller Richter bzw. Staatsanwälte ausgegangen. Anders als bei Beamten kann weder der Landesgesetzgeber noch der Dienstherr darauf Einfluss nehmen. Die richterliche Geschäftsverteilung obliegt alleine den Präsidien (§ 21g GVG) bzw. ist ausnahmsweise bundesrechtlich vorgegeben (vgl. z.B. § 6 Abs. 1 S. 2 VwGO oder § 76 Abs. 5 AsylG). Sowohl Richter als auch Staatsanwälte haben darüber hinaus die ihnen kraft Geschäftsverteilung zugewiesenen Verfahren unabhängig vom Schwierigkeitsgrad in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eigenverantwortlich und vollumfänglich zu bearbeiten. Dabei gibt es auch keinen empirischen Beleg dafür, dass der beruflich unerfahrenere Richter bzw. Staatsanwalt bei der Bearbeitung zu schlechteren Ergebnissen käme als der erfahrenere Richter/Staatsanwalt. Auch ist nicht erkennbar, dass der erfahrungsjüngere Richter entgegen dem in Art. 19 Abs. 4 GG geschützten Justizgewährungsanspruch regelmäßig seine Arbeit nicht in angemessener Zeit erledigt oder gar überlastet ist.

Auch beurteilungsrechtlich wird der richterliche/staatsanwaltliche Berufsanfänger im Rahmen der Maßstabsbildung und kraft Bundesrechts auch in dienstaufsichtsrechtlicher Hinsicht (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 2017 - RiZ (R) 2/15 -, juris Rn. 27, 31, 34 ff.) an den quantitativen Arbeitsergebnissen der übrigen Kolleginnen und Kollegen seiner Dienststelle und auch denen im Landesdurchschnitt gemessen. Eine Differenzierung nach Erledigungszahlen von Berufsanfängern und erfahrenen Kollegen findet gerade nicht statt.

Schließlich ist die besondere Qualität und Verantwortung der richterlichen und staatsanwaltlichen Tätigkeit zu beachten. Diese Verantwortung ist eine unabgestufte und differenziert nicht nach einer abstrakten „Anfangsqualifikation“. Die „besondere Eingangsbesoldung“ läuft bei Richtern und Staatsanwälten vielmehr auf eine bloße Fiktion hinaus, die zu einer Verletzung des Leistungsprinzips und auch zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes führt, wenn wesentlich Ungleiches – nämlich die Tätigkeit eines Richters/Staatsanwalts und die eines (nicht staatsanwaltlichen) Beamten – gleichbehandelt wird. Im Gegensatz zum Beamten handelt der Richter/Staatsanwalt vom ersten Tag seines Dienstes an verantwortlich nach außen.

Die Absenkung spiegelt mithin nicht die Verantwortung des Richter- und Staatsanwaltsamtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers wieder. Von einer typischerweise geringeren Leistung kann weder rechtlich noch tatsächlich gesprochen werden.

6. Soweit das Land im Ausgangsverfahren schließlich versucht, die angegriffene Regelung mit einer „Honorierung ununterbrochener Treue“ zum Dienstherrn zu rechtfertigen (Vorlagebeschluss, Abdruck S. 19 f.), geht dies ebenfalls bereits deshalb fehl, weil auch derartige Erwägungen der Norm überhaupt nicht zugrunde liegen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Unabhängig davon erscheint es willkürlich, noch nicht bewiesene „Treue“ mit einer Besoldungskürzung „zu honorieren“ und bestimmte Besoldungsgruppen davon auszunehmen bzw. deren Besoldung in einem geringeren Umfang abzusenken. Dass die „Honorierung ununterbrochener Treue“ einer sozialen Staffelung zugänglich wäre, hat das beklagte Land nicht einmal behauptet. Unabhängig davon erscheint es willkürlich, neu im Bundesland Baden-Württemberg ernannten Richtern und Staatsanwälten der Besoldungsgruppe R 1 fehlende „Treue“ zum Dienstherrn zu unterstellen. Ebenso willkürlich mutet es an, einzelne Besoldungsgruppen von der Absenkung herauszunehmen bzw. bei einzelnen Besoldungsgruppen die Eingangsbesoldung im geringeren Umfang abzusenken.