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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie, zur Änderung des Verbrauchsgü-terkaufrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung

November 2012

Der Deutsche Richterbund bedauert, dass es innerhalb der kurzen Frist für eine Stellungnahme nicht möglich ist, sich vertieft mit den Problemen der Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU auseinanderzusetzen. Er kann daher in einer ersten Stellungnahme nur zu einigen grundsätzlichen Problemen Position beziehen und hofft, im Rahmen der Umsetzung erneut die Möglichkeit zu erhalten, vertieft Stellung zu nehmen.

Eine erste Stellungnahme fällt dem Deutschen Richterbund insofern schwer, als er die Pflicht des deutschen Gesetzgebers sieht, die Richtlinie umzusetzen. Die Richtlinie erfüllt jedoch kaum die Anforderungen, die im Hinblick auf Abstraktionshöhe, Regelungsklarheit und Vereinbarkeit mit den Traditionen der nationalen Rechtsordnungen an eine Richtlinie gestellt werden müssen. Hinzu kommt, dass durch die Vollharmonisierung in Teilbereichen eine Umsetzung weiter erschwert wird.

Aufgabe der Richtlinie ist die Förderung des Binnenmarktes für den Verbraucher, wobei es insbesondere das „grenzüberschreitende Potenzial des Ver-sandhandels“ auszuschöpfen gilt (Erwägunsgrund 5). Dieser Bezug auf den Binnenmarkt ergibt sich aus der Rechtsgrundlage für das Handeln der Union, Art 114 EUV. Die Förderung des Binnenmarktes ist jedoch kein Maßstab, unter welchem ein deutscher Richter für die vor ihm stehenden Parteien eine angemessene Entscheidung treffen könnte. Auch der Bezug der Richtlinie auf ein „hohes Verbraucherschutzniveau“ ist nicht geeignet, eine im Ausgleich der Parteiinteressen des Einzelfalles richtige Entscheidung zuzulassen. Es müsste deshalb Aufgabe des deutschen Gesetzgebers sein, bei der Umsetzung der Richtlinie ins deutsche Recht nicht nur die Vorgaben der Richtlinie wortgetreu aufzugreifen, sondern aus diesen eine in sich schlüssige, über die europäische Voll- und Mindestharmonisierung hinausgehende Überarbeitung des deutschen Verbraucherrechtes vorzulegen. Aus dem deutschen Gesetz müsste sich dann der Rahmen ergeben, in dem „Verbraucherfälle“ entschieden werden können. Dabei wäre z.B. durch den Gesetzgeber zu entscheiden, inwieweit der europäische Verbraucherbegriff auf (Klein-)Unternehmer auszudehnen ist, welche Rolle Treu und Glauben im Gestrüpp der Einzelvorgaben europäischen Verbraucherrechts noch spielen und wie eine Lesbarkeit des Gesetzestextes sichergestellt werden kann.

Aus Sicht des Deutschen Richterbundes muss im Zentrum einer Umsetzung der Richtlinie der einfache Zugang zum Recht für Verbraucher und Unternehmer durch klare, in sich verständliche Regelungen im Vordergrund stehen. Prozesse, die nur deswegen geführt werden, weil die rechtlichen Regelungen unverständlich sind, müssen vermieden werden. Diesem Gebot kommt der Entwurf nur teilweise nach.

Eines der Probleme der Richtlinie z.B. ist die, aus Sicht des Verbrauchers, Privilegierung des Fernabsatzes. Diese ist aus Sicht des europäischen Gesetzgebers konsequent, gilt es doch, das grenzüberschreitende Potential dieser Verträge auszuschöpfen. Aus Sicht des deutschen Rechts ist diese Privilegierung jedoch kaum zu vertreten. Fernabsatzverträge zeichnen sich dadurch aus, dass der Kunde das Produkt, das er erwerben will, nicht „in die Hand nehmen“ und damit auf seine Ansprüche hin überprüfen kann. Dies trifft jedoch nicht auf alle Fernabsatzverträge zu; andererseits gibt es Verträge, bei denen der Kunde auch im Ladengeschäft „um die Ecke“ wenig von der Qualität des Produktes erfahren kann, bevor er es erwirbt und nutzt. (Widerrufs-)Rechte sollten daher weniger an der Form des Vertragsschlusses und eher am Schutzbedürfnis des Verbrauchers orientiert werden. Es wäre insofern wünschenswert, wenn sich der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie verstärkt mit der Kohärenz des Verbraucherrechts auseinandersetzen würde.

Aus Sicht des Deutschen Richterbundes ist die Richtlinie 2011/83/EU kaum angemessen umzusetzen, da sie sich teilweise in einem Abstraktionsniveau bewegt und inhaltlich so unklar ist, dass diese Umsetzung kaum möglich erscheint. So stellt sich z.B. die Frage, warum es eines ausdrücklichen Widerrufsrechts bei Verträgen über die „Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis beim Abschluss des Kaufvertrages vereinbart wurde, deren Lieferung aber erst nach 30 Tagen erfolgen kann und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat“ (§ 312g Abs. 1 Nr. 5 BGB n.F.) bedarf. Auch wenn in einer anderen Rechtsordnung dementsprechende Fälle auftreten, rechtfertigt der Zwang zur Einigung auf europäischer Ebene eine solche Detailregelung im BGB nicht. Sie ist nicht nur systemfremd, sondern auch kaum anwendbar, da es unklar ist, wie der „Wert“ dieser alkoholischen Getränke festzustellen ist und wie „der Unternehmer“ Einfluss auf die Preisgestaltung hatte.
Es wäre zu überlegen, ob diese und ähnliche Detailregelungen überhaupt einer Umsetzung bedürfen oder ob nicht eine Textform gefunden werden kann, in welcher die wesentlichen Verbraucherverträge, bei denen kein Widerrufsrecht besteht, übersichtlich hervorgehoben werden.


gez. Dr. Peter Schneiderhan, Mitglied des DRB-Präsidiums