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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein  Gesetz zur Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern

Mai 2012

Der Deutsche Richterbund begrüßt es, dass der Referentenentwurf in seinem Ausgangspunkt keine Lösungsmodelle zu Grunde legt, die an einem automatischen Eintritt der elterlichen Sorge, am Widerspruch der Mutter oder an der Feststellung konkreter Lebens- und Wohnverhältnisse ansetzen und stattdessen einer Antragslösung den Vorzug gibt. Die konkrete Ausgestaltung dieser Lösung ist aber in verschiedenen Punkten problematisch und deshalb kritisch zu würdigen. Die Kritik betrifft vor allem die Beschränkung auf eine negative Kindeswohlprüfung sowie die Konsequenzen, die an das Ausbleiben einer Äußerung der Mutter geknüpft werden. Darüber hinaus enthalten die vorgeschlagenen Neuregelungen auch Systembrüche gegenüber dem sonst im kindschaftsrechtlichen Verfahren des Familiengerichts geltenden Amtsermittlungsgrundsatz, die aus rechtlicher und praktischer Sicht bedenklich stimmen müssen. Auf die folgenden Einzelregelungen ist dabei näher einzugehen:

1. § 1626 a Abs. 2 BGB-E

a. Nach Satz 1 der vorgeschlagenen Neuregelung soll die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam übertragen werden, wenn die Übertragung dem Kindeswohl "nicht widerspricht".

Eine positive Feststellung dahin, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl dient, soll entbehrlich sein. Mit der sog. negativen Kindeswohlprüfung soll der Erkenntnis Rechnung getragen werden, dass die gemeinsame elterliche Sorge grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu beiden Elternteilen entspricht (Entwurfsbegründung S. 12).

Damit geht der Entwurf über die Übergangslösung des Bundesverfassungsgerichts hinaus, die bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge von der Erwartung abhängig macht, dass sie dem Kindeswohl entspricht und damit eine positive Kindeswohlprüfung voraussetzt (BVerfG vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 420/09 = FamRZ 2010, 1403). Zwar ist der Gesetzgeber im Rahmen seines legislativen Ermessens bei der Schaffung einer Neuregelung nicht daran gehindert, Lösungsansätze zu wählen, die über den Inhalt der Übergangslösung des Bundesverfassungsgerichts hinaus reichen. Es erscheint aber zweifelhaft, ob ein Ansatz sachdienlich ist, der sich auf eine bloße negative Kindeswohlprüfung beschränkt.

Nach der bisherigen Systematik des Familienrechts wird bei Entscheidungen zur elterlichen Sorge grundsätzlich vorausgesetzt, dass eine positive Kindeswohlprüfung erfolgt, nach der die Entscheidung dem Wohl des Kindes dienen muss. Vorschriften, die eine Prüfung des Familiengerichts auf die Frage beschränken, ob eine bestimmte Entscheidung dem Wohle des Kindes nicht widerspricht, finden sich lediglich bei der nunmehr zu ändernden Regelung zum Getrenntleben bei elterlicher Sorge der Mutter (§ 1672 Abs. 2 BGB), bei der Regelung zur Übertragung der elterlichen Sorge im Falle des Todes oder der Todeserklärung eines Elternteils (§§ 1680 Abs. 2 Satz 1, 1681 Abs. 2 BGB) und bei der Regelung zur Erstellung eines Vermögensverzeichnisses bei Wiederheirat (§ 1683 BGB). All diesen Fällen ist gemeinsam, dass der Elternteil hinsichtlich dessen das Gesetz sich für die Entscheidung zur Sorgerechtsübertragung auf eine negative Kindeswohlprüfung beschränkt, im bisherigen Verlauf seiner Elternschaft bereits einmal mit der elterlichen Sorge betraut war (§§ 1672 Abs. 2, 1680 Abs. 2 Satz 1, 1681 Abs. 2 BGB) oder noch betraut ist (§ 1683 BGB). Gerade an dieser Voraussetzung fehlt es im hier zu regelnden Falle. Allein der Umstand, dass eine gemeinsame elterliche Sorge wünschenswert sein mag, weil sie grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes dient, dürfte es gerade im Hinblick auf die im Entwurf an anderer Stelle zu Recht hervorgehobene, sehr breite Spannweite von Lebensverhältnissen nicht ehelicher Eltern nicht rechtfertigen, auf eine positive Kindeswohlprüfung zu verzichten. Dies gilt umso mehr, als eine bloße Beschränkung auf die Prüfung der Frage, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht, im Zusammenspiel mit den im Entwurf vorgesehenen Einschränkungen der Anhörungs- und Ermittlungspflichten des Familiengerichts häufig Entscheidungen erwarten lässt, die in der Sache der materiellen Beweislast folgen und damit nicht nur zu Lasten der nicht ehelichen Mutter, sondern im Ergebnis auch zu Lasten des betroffenen Kindes gehen können.

b. Nach Satz 2 der in § 1626 a Abs. 2 BGB-E vorgesehenen Neuregelung soll dann, wenn der andere Elternteil keine Gründe vorbringt, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen könnten und solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich sind, eine gesetzliche Vermutung dafür streiten, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht. Für diese Fälle sieht § 155 a FamFG-E vor, dass das Gericht im schriftlichen Verfahren ohne Anhörung des Jugendamtes und ohne persönliche Anhörung der Eltern entscheidet. In der Sache bedeutet dies, dass das Familiengericht ohne weitere Amtsermittlung die gemeinsame elterliche Sorge anzuordnen hat, wenn es an einer fristgemäßen Äußerung der Mutter fehlt bzw. wenn sie keine Gründe vorträgt, die das Kindeswohl in Frage stellen könnten und wenn solche Gründe auch sonst nicht bekannt geworden sind (vgl. Entwurfsbegründung S. 19). Die damit erklärtermaßen gewollte Einschränkung des in Kindschaftssachen ansonsten geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes ist nicht sachgerecht. Sie führt in den von § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB-E erfassten Fällen letztlich doch zu einem Sorgerechtsautomatismus, der im Interesse des Kindeswohls gerade vermieden werden sollte.

Schon aus den bisherigen praktischen Erfahrungen der Familiengerichte muss es zweifelhaft erscheinen, ob allein an den Umstand, dass die Mutter einem Sorgerechtsbegehren des nicht ehelichen Vaters mit Schweigen begegnet, in jedem Fall die Folgerung geknüpft werden kann, es lägen keine Gründe vor, die einer gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen. Eine solche gesetzliche Vermutung lässt die Erfahrungen der Praxis außer Acht, nach denen nicht unbedingt erwartet werden kann, dass jeder Elternteil auf Grund seiner intellektuellen Fähigkeiten in der Lage ist, sein Anliegen überhaupt schriftlich zu formulieren. Mangelt es an dieser Fähigkeit, so kann nur durch eine persönliche Anhörung geklärt werden, ob gleichwohl Gründe vorliegen, die einer gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen. Die Systematik des Entwurfs ist jedoch so angelegt, dass solche Gründe dem Familiengericht verborgen bleiben müssen, weil eine persönliche Anhörung von vornherein unterbleiben soll und zudem auch keine Anhörung des Jugendamtes stattfindet, die solche Gründe zu Tage fördern könnte. In der Sache ist damit eine Beweislastentscheidung vorprogrammiert, die sich zum Nachteil des Kindeswohls auswirken kann.

Abgesehen davon kann gerade der Umstand, dass eine Mutter sich zum Sorgerechtsbegehren des nicht ehelichen Vaters nicht äußert, durchaus dafür sprechen, dass die Kommunikation zwischen beiden Elternteilen in einer Weise gestört ist, die dem Kindeswohl abträglich ist. Gleiches gilt für den Fall, dass nur Gründe angeführt werden, die zwar nicht geeignet sind, die Erziehungskompetenzen des nicht ehelichen Vaters ernsthaft in Frage zu stellen, gleichwohl aber auf eine tief greifende Störung im Verhältnis zwischen beiden Elternteilen hindeuten. Der Entwurf (Begründung S. 18) will dies nicht gelten lassen, weil es die Mutter ansonsten nach wie vor allein in der Hand hätte, ob es zu einer gemeinsamen Sorgetragung komme oder nicht. Er beschränkt sich insoweit auf einen Appell an die Eltern, es zu lernen, persönliche Konflikte, die auf der Paarebene zwischen ihnen bestehen mögen, beiseite zu lassen und um des Wohles ihres Kindes willen sachlich und, soweit das Kind betroffen ist, konstruktiv miteinander umzugehen. Gegebenenfalls seien sie gehalten, sich unter Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe von außen um eine angemessene Kommunikation zu bemühen. Solche Ratschläge mögen vom theoretischen Ansatz her zutreffend sein. In der Rechtspraxis sind sie aber nicht immer zielführend und lassen außer Acht, dass es kein gemeinsames Sorgerecht um jeden Preis geben kann. Insbesondere besteht nach bisherigem Rechtsverständnis keine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist (vgl. etwa BGH vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 158/05 = FamRZ 2008, 592 m.w.N.). Im Hinblick darauf wird es im Interesse des Kindeswohles nicht vermeidbar sein, auch in den Fällen, in denen eine Äußerung der nicht ehelichen Mutter unterbleibt oder sich in der Darstellung von Beziehungskonflikten auf Paarebene erschöpft, die Eltern persönlich zu hören, um festzustellen, wie tiefgreifend ihre Zerwürfnisse sind und inwieweit sie überhaupt bereit und dazu in der Lage sind, Beziehungskonflikte - ggf. mit fachkundiger Hilfe - in einer Weise zu bereinigen, die für eine gemeinsame elterliche Sorge vorauszusetzen ist. Fehlt es an einer solchen Bereitschaft oder Fähigkeit, so wird im wohlverstandenen Interesse des Kindes regelmäßig nichts anderes übrig bleiben, als die elterliche Sorge bei der Mutter als der Person zu belassen, zu der das Kind den näheren Bezug aufweist.

Erst recht fragwürdig wird die Regelung in § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB-E, wenn man sich vor Augen hält, dass sie nicht nur für Sorgerechtsanträge gilt, die vom nicht ehelichen Vater ausgehen, sondern auch für solche, die von der Mutter gestellt werden, um den Vater mit in die elterliche Sorge einzubinden. Der Entwurf weist zwar zutreffend darauf hin (Begründung S. 20), dass solche Fälle verhältnismäßig selten in Betracht kommen dürften. Gleichwohl werden sie - dies zeigt der Vergleich zu Verfahren, die auf die Erzwingung von Umgangskontakten gerichtet sind (vgl. dazu etwa BVerfG vom 1. April 2008 - 1 BvR 1620/04 = BVerfGE 121, 69) - in der gerichtlichen Praxis nicht auszuschließen sein. Äußert sich der nicht eheliche Vater in einem solchen, vor der Mutter initiierten Verfahren auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge überhaupt nicht, so kann dies nach den Erfahrungen des praktischen Lebens allenfalls Rückschlüsse auf sein völliges Desinteresse rechtfertigen. Daran eine gesetzliche Vermutung anzuknüpfen, nach der die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspreche und sie damit zu begründen, derjenige, der zur Übernahme elterlicher Verantwortung nicht bereit sei, werde dies schon schriftlich vortragen (Entwurfsbegründung Seite 20), darf durchaus als "kühn" bezeichnet werden.

c. Im Ergebnis sprechen die besseren Gründe dafür, es bei der vorgesehenen Änderung zu § 1626 a BGB bei einer positiven Kindeswohlprüfung zu belassen und § 1626 a Abs. 2 BGB-E wie folgt zu formulieren:

Das Familiengericht überträgt gemäß Abs. 1 Nr. 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn dies dem Kindeswohl dient.

Die vorgeschlagene Regelung zu § 1626 Abs. 2 Satz 2 BGB-E sollte vollständig entfallen. Damit entspräche das Gesetz der Übergangslösung, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. Juli 2010 bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung geschaffen hat. Diese Übergangsregelung wird seither in der Praxis der Familiengerichte zu Grunde gelegt. Sie hat sich in der Rechtsanwendung bewährt und hat aus praktischer Sicht keinen Bedarf für die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Modifikationen erkennen lassen.

d. Sollte es gleichwohl bei der in § 1626 a Abs. 2 BGB-E vorgesehenen Regelungskonzeption verbleiben, so wären die Folgen, die an das Schweigen des Elternteils anknüpfen können, der sich zum einen Sorgerechtantrag des anderen Elternteils nicht äußert, in ihren Konsequenzen gravierend und für den betroffenen Elternteil auch nicht ohne weiteres offensichtlich. Der Sache nach kämen sie einer Versäumnisentscheidung im schriftlichen Verfahren nahe, wie sie ansonsten nur im kontradiktorischen Verfahren des Zivilprozesses vorgesehen ist. Wenn aber schon im kontradiktorischen Verfahren über Säumnisfolgen zu belehren ist (vgl. §§ 215 Abs. 1, 276 Abs. 2 Satz 2 ZPO), so muss entsprechendes erst recht im kindschaftsrechtlichen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten. Eine Belehrungspflicht sieht der Referentenentwurf jedoch nicht vor. Aus rechtsstaatlichen Gründen muss dies bedenklich erscheinen.

Darüber hinaus müsste mit Blick darauf, dass unter Umständen schon die bloße Versäumnis der Äußerungsfrist den Verlust der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter bzw. die Miteinbeziehung des Vaters in die elterliche Sorge nach sich ziehen kann, durch entsprechende Regelungen des Zustellungsverfahrens sichergestellt werden, dass der Sorgerechtantrag des eines Elternteils den anderen Elternteil in einem jeden Fall auch persönlich erreicht.


2. § 1671 Abs. 2 BGB-E

Die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den nicht ehelichen Vater soll nur in Betracht kommen, wenn die Mutter zustimmt und ein mehr als 14 Jahre altes Kind nicht widerspricht oder wenn eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Kindeswohl am besten entspricht. Dieser Regelungsvorschlag ist zu befürworten. Er entspricht in der Sache der vom Bundesverfassungsgericht geschaffenen Übergangsregelung, die sich aus familiengerichtlicher Sicht bisher bewährt hat.

3. § 1678 Abs. 2 BGB-E

Der Änderungsvorschlag, der bei dauerhaftem Ruhen der elterlichen Sorge einer allein sorgeberechtigten nicht ehelichen Mutter die bisher gesetzlich vorgeschrie-bene positive Kindeswohlprüfung aufgibt und auch in diesem Fall die Übertragung der elterlichen Sorge auf den nicht ehelichen Vater vorsieht, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht, unterliegt denselben Einwänden, wie sie oben zu Ziff. 1 gegen § 1626 a Abs. 2 BGB-E geltend gemacht worden sind. Sie müssen umso mehr gelten, als für die Sorgerechtsübertragung nach § 1678 Abs. 2 BGB-E noch nicht einmal ein Antrag des nicht ehelichen Vaters erforderlich ist. Im Übrigen vollzieht der Referentenentwurf einen in der Sache nicht gerechtfertigten Paradigmenwechsel. Noch in der Begründung zu § 1678 Abs. 2 BGB in seiner derzeitigen, mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz 1998 verabschiedeten Fassung ist folgendes ausgeführt (BT-Drs. 13/4899 S. 102):
"Nach Abs. 2 hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem Vater zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes dient. Es genügt nicht, dass die Übertragung der Sorge auf den Vater dem Kindeswohl nicht widerspricht. Zweifel wirken sich zum Nachteil des Vaters aus. Dieser Maßstab für die Kindeswohlprüfung ist deshalb gewählt worden, weil gerade in Fällen, in denen die Eltern keine Sorgeerklärungen abgegeben haben, diese vielfach nicht etwa in einer intakten nicht ehelichen Gemeinschaft leben werden, sondern der Vater häufig wenig oder gar keinen Kontakt zu dem Kind gehabt haben wird. Bei der Vielfalt denkbarer Konstellationen von Einzelfällen soll eine Übertragung der Sorge auf den Vater deshalb davon abhängen, dass nach der Überzeugung des Familiengerichts dies die dem Wohl des Kindes dienende Lösung ist".
Diese Erwägungen treffen auch heute noch zu und sprechen gegen eine Reduzierung des Prüfungsmaßstabs auf eine negative Kindeswohlprüfung. Zudem würde eine Umsetzung des jetzigen Regelungsvorschlages einen Wertungswiderspruch zu § 1678 Abs. 1 BGB entstehen lassen, soweit sich diese Vorschrift auf Fälle bezieht, in denen die elterliche Sorge verheirateter Eltern nach § 1671 oder § 1672 Abs. 1 BGB auf einen Elternteil übertragen worden ist, dessen elterliche Sorge nunmehr zum Ruhen gelangt. Denn in diesen Fällen wäre die Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil nach wie vor von den wesentlich strengeren Voraussetzungen des § 1696 BGB abhängig.

4. § 1680 Abs. 2 BGB-E

Soweit vorgeschlagen wird, die bisherige Regelung in § 1680 Abs. 2 Satz 2 aufzuheben, unterliegt dies denselben Einwendungen wie sie zu Ziff. 1 und 3 mit Blick auf §§ 1626 a Abs. 2 und 1678 Abs. 2 BGB-E erhoben werden.

5. § 155 a FamFG-E

Dem in § 155 a Abs. 3 FamFG-E enthaltenen Vorschlag, in den Fällen des § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB-E im schriftlichen Verfahren ohne Anhörung des Jugendamts und ohne persönliche Anhörung der Eltern zu entscheiden, ist aus den oben unter Ziff. 1 bei § 1626 a BGB-E dargestellten Überlegungen entgegenzutreten. Der Vorschlag steht im Übrigen im Widerspruch zu der Regelung in § 160 Abs. 1 Satz 1 FamFG, nach der in Verfahren, welche die Person des Kindes betreffen, das Gericht die Eltern persönlich anhören soll. Nach § 160 Abs. 3 FamFG darf von der Anhörung nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden. Solche schwerwiegenden Gründe wurden bislang etwa dann bejaht, wenn der Aufenthaltsort eines Elternteils unbekannt ist oder wenn ein Elternteil - etwa wegen eines Auslandsaufenthalts von unabsehbarer Dauer - nicht erreichbar ist (vgl. z.B. OLG Dresden vom 27. September 2011 - 8 UF 165/11 zit.n.Juris). Mit solchen Fallkonstellationen ist die Situation nicht vergleichbar, dass ein Elternteil sich zum Sorgerechtsbegehren des anderen Elternteils nicht äußert oder auf schriftlichem Wege lediglich Gründe vorbringt, die dem äußeren Anschein nach einer Sorgerechtsübertragung nicht entgegenstehen.

Soweit auch ohne Anhörung des Jugendamtes entschieden werden soll, dem es nach den Ausführungen des Entwurfs den Fällen des § 1626 a Abs. 2 FamFG verwehrt ist, sich am Verfahren zu beteiligen und dem auch ein Beschwerderecht versagt wird (Entwurfsbegründung S. 27), steht dies im Widerspruch zur Vorschrift des § 162 FamFG, nach der das Gericht in Verfahren, welche die Person des Kindes betreffen, das Jugendamt anzuhören hat (§ 162 Abs. 1 FamFG), dieses auf seinen Antrag am Verfahren zu beteiligen ist (§ 162 Abs. 2 FamFG) und gegen Sorgerechtsentscheidungen Beschwerde einlegen kann (§ 162 Abs. 3 FamFG). Auch insoweit ist dem Änderungsvorschlag zu § 155 a Abs. 3 FamFG entgegenzutreten. Die Ausschaltung des Jugendamtes in den Fällen des § 1626 a Abs. 2 BGB-E setzt den ansonsten im Kindschaftsverfahren aus guten Gründen geltenden Amtsermittlungsgrundsatz außer Kraft, ohne dafür überzeugende Gründe aufzeigen zu können. Es ist im Gegenteil zu fragen, auf welche Weise dann dem Familiengericht überhaupt noch Gründe, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen könnten i.S.v. § 1626 a Abs. 3 Satz 2 BGB-E ersichtlich werden sollen, die gem. § 155 a Abs. 4 FamFG-E dann ausnahmsweise doch zu einem Anhörungstermin Anlass geben. Der Anwendungsbereich dieser Regelungen müsste sich auf bloßes Zufallswissen des Familiengerichts beschränken - ein Ergebnis, das nicht richtig sein kann.

Gegen die in § 155 a Abs. 3 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 FamFG-E vorgesehenen Mitteilungspflichten werden keine Einwendungen erhoben. Eine Verpflichtung der Gerichte, ihre Entscheidung darüber hinaus dem für den Geburtsort zuständigen Jugendamt zu übersenden, wird nicht befürwortet, weil sie die Gerichte mit vermeidbarem zusätzlichem Ermittlungsaufwand belastet. Diese Aufgabe sollte dem Jugendamt des Aufenthaltsortes überlassen bleiben, das bei einem Auseinanderfallen der Zuständigkeit ohnehin mit dem Jugendamt des Geburtsortes in Kontakt treten muss.

gez. Gerhart Reichling, Mitglied des DRB-Präsidiums