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Stellungnahme des DRB zu den Gesetzesentwürfen des Bundesrats Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (BT-Drs. 17/1468) und Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare

Mai 2012

Der Deutsche Richterbund lehnt die Gesetzesentwürfe in ihren zentralen Punkten ab.

1. Allgemeines zur Notwendigkeit der Reform
Die zur Rechtfertigung der Reformvorhaben gegebene Begründung vermag in der Sache nicht zu überzeugen. Eine Reform ist nur dann geboten, wenn damit Mängel im bisherigen System beseitigt werden und die Qualität der Rechtspflege verbessert wird. Den Entwürfen kann nichts entnommen werden, was unter diesem Gesichtspunkt eine Übertragung von Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare erfordern könnte. Letztlich wird dies auch in den Entwurfsbegründungen selbst verdeutlicht, indem dort lediglich die Erwartung ausgesprochen wird, entsprechende Aufgaben könnten "ohne Qualitätsverlust" auf andere geeignete Stellen übertragen werden. Ein Mehrwert für die Qualität der Rechtspflege und damit letztlich für den Rechtsuchenden ist offenbar nicht bezweckt. Er ist auch im Übrigen nicht erkennbar. Die bisher im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestehende funktionale Zuständigkeit der Gerichte hat sich ohne jede Einschränkung bestens bewährt. Die mit Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit betrauten Richterinnen und Richter, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger leisten gute Arbeit. Gerade im Hinblick auf bestehende Unterschiede in den Notariatssystemen der einzelnen Bundesländer darf bezweifelt werden, dass eine vergleichbare Qualität überhaupt in jedem Fall gewährleistet wäre.


2. Beschränkung der Justiz auf "Kernaufgaben"?
Die in den Entwurfsbegründungen weiter hervorgehobene These, die Justiz müsse sich auf ihre "Kernaufgaben" konzentrieren, ist in der Sache nicht gerechtfertigt. In vielen Bereichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit - dabei insbesondere auch im Nachlassverfahren - wird über widerstreitende Interessen verbindlich entschieden oder es werden Rechtsverhältnisse verbindlich gestaltet. Gerade dieser Gesichtspunkt spricht dafür, die Kernaufgaben der Justiz nicht auf die Entscheidung kontradiktorischer Verfahren zu beschränken, sondern den Gerichten als gegenüber den Notaren sachnäheren Organen der Rechtspflege die in den Entwürfen angesprochenen Aufgaben zu belassen.

Wenn schon eine Beschränkung der dritten Gewalt auf Kernaufgaben in Erwägung gezogen wird, so sollte die Ausgliederung gänzlich anderer Aufgabengebiete in Angriff genommen werden. Dabei ist vornehmlich an Bereiche zu denken, die in der Sache dem Sozialressort zuzuordnen sind, wie z. B. die Finanzierung von Prozess-/Verfahrenskostenhilfe oder Betreuervergütungen. Auf diese Weise ließe sich eine deutliche Entlastung der Justiz erreichen, die entsprechende finanzielle Ressourcen freisetzen würde. Mit der Übertragung von Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird ein solcher Effekt hingegen nicht zu erzielen sein.


3. Notwendigkeit der Reform aus fiskalischen Gründen?
Bereits in ihrem Zwischenbericht vom April 2005 hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe bei den Nachlassgerichten Kostendeckungsgrade ermittelt, die sehr deutlich über 100 Prozent liegen. Soweit in der Gesetzesbegründung behauptet wird, diese Kostendeckungsgrade berücksichtigten keine sog. Overheadkosten, so dass allenfalls noch eine geringe Überdeckung verbleiben "dürfte" (BT-Drs. 17/1469 S. 16 f.), lässt sie eine belastbare rechnerische Grundlage vermissen. Davon abgesehen ist die Behauptung in dieser Allgemeinheit auch nicht richtig. Viele der in den Bundesländern erprobten Modelle einer Kosten-/Leistungsrechnung stellen entsprechende übergreifende Ausgaben mit in Rechnung. Zudem kann eine seriöse betriebswirtschaftliche Bewertung nicht außer Acht lassen, dass Beschwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den staatlichen Gerichten verbleiben (müssen). Sie sind gegenüber den erstinstanzlichen Verfahren um ein Vielfaches zeitaufwändiger und arbeitsintensiver. Dementsprechend wird in Beschwerdeverfahren gerade keine Kostendeckung erreicht. Mit der beabsichtigten Aufgabenübertragung auf Notare dürften diese Verfahren zunehmen. Eine seriöse Kostenanalyse muss dies ebenso in Rechnung stellen, wie etwa ein Ansteigen der Arbeitsbelastung im Rahmen der Notaraufsicht (§ 93 BNotO).

Auch die Überlegung, die durch den Rückgang im Gebührenaufkommen entstehenden Einnahmeverluste für den Staat würden durch entsprechende Mehrein-nahmen im Bereich der Einkommens- und Umsatzsteuer wieder aufgefangen, ist nicht durch belastbare Zahlen belegt. Richtig ist zwar, dass dem Staat infolge der Umsatzsteuerpflicht für Notariatsgebühren Einnahmen in Höhe von 19 Prozent des Gebührenaufkommens zuwachsen. Wer dies als Argument anführt, muss sich aber der Frage stellen, worin die Bürgerfreundlichkeit einer solchen Folge liegen soll, die zwangsläufig für den Rechtsuchenden mit einer Verteuerung um den Mehrwertsteuersatz, in der Sache also von rund 1/5 einhergeht. Eine stichhaltige Antwort auf diese Frage bleibt das Gesetzesvorhaben schuldig.

Im Ergebnis wird sich der Wegfall eines für die Justiz bisher einträglichen Teils ihrer Aufgaben mit den Überlegungen in den Entwurfsbegründungen nicht "schönrechnen" lassen. Der entstehende Einnahmeverlust wird zwangsläufig zu einer entsprechenden finanziellen Mehrbelastung der Justizhaushalte in Form der verbleibenden Personalkosten für alle diejenigen führen, die bislang mit den wegfallenden Aufgaben befasst waren. Es wäre blauäugig, glauben zu wollen, dass die bisherige Personalausstattung gleichwohl bei der Justiz verbleibt und für andere Aufgabenbereiche nutzbar gemacht wird. Das Gegenteil wird der Fall sein. Die Finanzminister werden eine entsprechende Reduzierung dieser Kosten einfordern und in der Sache auch durchsetzen. Letztlich räumt dies die Gesetzesbegründung auch ein, wenn sie (BT-Drs. 17/1469 S. 17) als besonderen Vorzug der Neuregelung ins Feld führt, mit der Aufgabenübertragung auf Notare könne die ganz wesentliche und zentrale ordnungspolitische Aufgabe einer Rückführung des Personalkostenanteils am Staatshaushalt in besonders geeigneter Weise erfüllt werden. Die eingangs gegebene Begründung (BT.-Drs. 17/1469 S. 12), unter Wahrung ihres bisherigen hohen Qualitätsanspruchs könne die Justiz auf Dauer nur noch zuverlässig arbeiten, wenn sie sich der in Rede stehenden Aufgaben entledige, wird dadurch freilich ad absurdum geführt.


4. Beitrag zu größerer Bürgernähe?
Die Behauptung (BT.-Drs. 17/1468, S. 6; BT-Drs. 17/1469 S. 12), mit der beab-sichtigten Aufgabenübertragung auf Notare würde ein Beitrag zu größerer Bürgernähe geleistet, von dem der Rechtssuchende in besonderer Weise profitiere, ist ungerechtfertigt. Die zu ihrer Begründung herangezogenen Überlegungen sind mit den Gegebenheiten der Praxis nicht in Einklang zu bringen.

Deutlich wird dies insbesondere am Nachlassverfahren. Bereits auf der Grundlage des geltenden Rechts ist niemand gezwungen, einen Erbscheinsantrag unmittelbar beim Nachlassgericht zu stellen. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann zu diesem Zweck einen Notar aufsuchen. Gleichwohl wird von dieser Möglichkeit nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht. Nach den Erfahrungen der Praxis wurden z. B. im Bezirk des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken - einem OLG-Bezirk eines Flächenstaats, in dem nach den Annahmen des Entwurfs ein besonderer Bedarf für die geforderte Aufgabenübertragung bestehen müsste - nur 10 bis 20 Prozent aller Erbscheinsanträge notariell beurkundet. Gerade für das Nachlassverfahren, das unter den zu übertragenden Aufgaben ja einen besonderen Platz einnehmen soll (BT-Drs. 17/1469 S. 13), muss deshalb die Frage erlaubt sein, ob wirklich ernsthaft von einer größeren Bürgernähe des Notariats gesprochen werden kann. Träfe dies zu, so wäre bereits heute ein höherer Anteil notariell beurkundeter Erbscheinsanträge zu erwarten.

Soweit ausgeführt wird, beim Notar entstehe typischerweise eine stärkere persönliche Bindung zum Bürger (BT-Drs. 17/469 S. 12), erscheinen die Überlegungen in der Gesetzesbegründung konstruiert. Zur Rechtfertigung des Reformvorhabens wird ausgeführt, in den Gerichten verteilten sich die Zuständigkeiten stets auf mehrere Personen, während im Notariat sämtliche Tätigkeiten auf den Notar konzentriert seien. Die Bürgerinnen und Bürger erhielten so einen Ansprechpartner, der sie und ihre persönlichen Verhältnisse häufig von früheren Beurkundungen her kenne. Tatsächlich liegen die Verhältnisse jedoch auch im Notariat zumeist so, dass der Notar lediglich die eigentliche Beurkundung vornimmt. Vorbesprechungen und Vorbereitungen werden in aller Regel von seinen Mitarbeitern durchgeführt.

Auch die zur Begründung der Reform hervorgehobene (BT-Drs. 17/1489 S. 12) größere flächendeckende Präsenz, die flexibleren Öffnungszeiten und die "generelle Serviceorientiertheit" der Notare vermögen eine Aufgabenübertragung auf Notare nicht zu begründen. Macht man sich einmal bewusst, wie häufig im Leben eine Bürgerin oder ein Bürger überhaupt ein Testament zur Verwahrung gibt oder einen Erbscheinsantrag stellt, so muss es bereits im Ausgangspunkt Befremden hervorrufen, dass solchen Gesichtspunkten für die beabsichtigte Reform maßgebende Bedeutung beigemessen wird. Dies gilt umso mehr, als der Rechtssuchende sich die behaupteten Vorteile - wie oben bereits angesprochen - mit einer Verteuerung von nahezu 1/5 der zu entrichtenden Gebühren erkaufen muss. Davon abgesehen bestehen diese Vorteile aber auch in der Sache nicht oder jedenfalls nicht in dem Umfang, der im Entwurf behauptet wird.

Was den Gesichtspunkt der größeren flächendeckenden Präsenz anbelangt, so soll auch hier als Beispiel wieder auf den Bezirk des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken Bezug genommen werden. Er verfügt über 55 Notariate. Davon haben lediglich 14 ihren Sitz nicht am Ort eines Amtsgerichts, befinden sich aber doch immerhin im Umkreis von nur wenigen Kilometern zum nächstgelegenen Amtsgericht. Jedenfalls unter solchen Verhältnissen, wie sie auch in vielen anderen OLG-Bezirken bestehen, sind Amtsgerichte "in der Fläche" so zahlreich vertreten, dass dem Rechtssuchenden die Anfahrt dorthin ohne Einschränkung zugemutet werden kann und der in der Gesetzesbegründung bemühte (BT-Drs. 17/1469 S. 12) "Rückzug der Gerichte aus der Fläche" ein Reformvorhaben mit vorliegender Tragweite nicht rechtfertigen kann. Umgekehrt wird man freilich befürchten müssen, dass es bei den Amtsgerichten zu einem "Rückzug aus der Fläche" kommen wird, wenn Gesetzesvorhaben der hier vorliegenden Art in die Tat umgesetzt werden. Sollte das Ziel der vorliegenden Gesetzentwürfe darin liegen, einer solchen Entwicklung den Weg zu bereiten, so muss dies von den politisch Verantwortlichen deutlich gesagt werden. Dann muss aber auch erklärt werden, wie sich dieses Ziel - in seinen Auswirkungen für alle anderen, nicht auf Dritte übertragbaren Aufgaben der dritten Gewalt - mit dem Bestreben nach größerer Bürgernähe vereinbaren lässt.

Mit der Heranziehung des Gesichtspunkts der "generellen Serviceorientiertheit" der Notare als Begründung für die beabsichtigte Aufgabenübertragung unterstellt der Entwurf, bei den Gerichten liege eine entsprechende Bürgerfreundlichkeit nicht oder nicht in gleichem Maße vor. Diese Unterstellung ist unseriös, weil in der Sache unbegründet.

Gerade mit Blick auf das Nachlassverfahren gibt es erfolgreiche Bestrebungen, das Verfahren zur Erteilung von Erbscheinen zeitlich zu straffen und zu beschleunigen. Beispielhaft ist für das Bundesland Rheinland-Pfalz dazu auf das Projekt "Erbschein 24" hinzuweisen, dessen Kernpunkt in einer Verbesserung des Service-Angebots und der Vereinfachung von Verfahrensabläufen besteht. Es wird bei verschiedenen Nachlassgerichten als Pilotgerichte in der Praxis erprobt. Die Aufnahme des Antrags auf Erteilung eines Erbscheins erfolgt dabei grundsätzlich schon bei der ersten Vorsprache des Rechtssuchenden. Termine zur Antragsaufnahme werden nur noch ausnahmsweise vergeben. Die Beteiligten werden durch ein neu entwickeltes Merkblatt über den neuen Verfahrensablauf und die benötigten Unterlagen informiert. Das Merkblatt ist auch auf der Homepage der Pilotgerichte eingestellt und wird auf Wunsch übersandt oder persönlich ausgehändigt. Für die Antragsaufnahme stehen Kompaktvordrucke zur Verfügung, auf deren Grundlage mit der Antragsaufnahme gleichzeitig der Feststellungsbeschluss und der Erbschein erteilt und entsprechende Benachrichtigungen an Finanzamt, Grundbuchamt u. ä. erstellt werden können. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass auf diese Weise das Erbscheinserteilungsverfahren deutlich schneller abgewickelt werden kann. In der weitaus überwiegenden Anzahl der Fälle kann der Erbschein bei der ersten Vorsprache unmittelbar erteilt werden. Eine weitergehende Beschleunigung ist auch bei Übertragung des Nachlassverfahrens auf das Notariat nicht zu erwarten. Es ist im Gegenteil zu bedenken, dass viel beschäftigte Notare häufig nicht unerhebliche Wartezeiten haben. Soweit zeitliche Verzögerungen im Verhalten der Beteiligten (Beibringung von Urkunden u. ä.) oder in der Erfüllung von Anhörungspflichten begründet sind (§ 2360 BGB), lassen sie sich auch durch eine Verlagerung von Aufgaben auf das Notariat nicht vermeiden.


5. Kein Qualitätsverlust?
Bereits oben zu Ziff. 1 wurde angesprochen, dass die Prämisse der Gesetzesvorhaben, eine Aufgabenübertragung auf Notare lasse sich ohne Qualitätsverlust bewerkstelligen, im Hinblick auf die unterschiedlichen Notariatssysteme der Bundesrepublik Deutschland bezweifelt werden muss. Es soll zwar nicht in Frage gestellt werden, dass in den Ländern, in denen das Notariat als Nur-Notariat ausgestaltet ist, Notare die entsprechende Sachkunde besitzen, die für die zu übertragenden Aufgaben erforderlich ist oder sich diese jedenfalls aneignen können. Von einer gleich hohen Qualität im Bereich des Anwaltsnotariats kann aber nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Noch bis vor wenigen Jahren konnten dort - insbesondere im ländlichen Bereich - alle Rechtsanwälte zum Notar bestellt werden, die dies wollten und die notwendigen Wartezeiten erfüllten. Hohe Qualitätskriterien, die bei der Notariatszulassung heute eine Rolle spielen, bestanden damals nicht. Gerade bei den Anwaltsnotaren gibt es zudem eine Vielzahl von kleinen Notariaten, die ausreichend praktische Kenntnisse im Nachlassrecht allein mit Blick auf ihre Größe nicht besitzen.


6. Länderöffnungsklausel?
Einer Länderöffnungsklausel, wie Art. 1 Abs. 4 des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufgabenübertragung sie vorsieht, ist schon aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtseinheitlichkeit entgegenzutreten. Es muss anachronistisch anmuten, wenn der Gesetzgeber des 21. Jahrhunderts einen Rückfall in einen Partikularis-mus anstrebt, der bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts überwunden schien. Das Entstehen eines bundesweiten Flickenteppichs unterschiedlicher Zuständigkeiten im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit führt zu unnötigen Behinderungen im nationalen und internationalen Rechtsverkehr. Mit dem Bestreben, das Recht europaweit zu harmonisieren, lässt er sich von vorn herein nicht vereinbaren.


7. Sachlich-rechtliche Gründe, die gegen eine Aufgabenübertragung auf Notare sprechen
Neben den dargestellten Überlegungen, die bereits deutlich machen, dass das Reformvorhaben für die Justiz keine Verbesserungen mit sich bringt, sondern allein zu Einnahmeverlusten führt, ist der beabsichtigten Aufgabenübertragung in den weitaus überwiegenden Punkten auch unter sachlichen Gesichtspunkten entgegenzutreten.

a. Verstoß gegen Art. 92 GG
Gemäß Art. 92 GG ist die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut.

Gerade im Hinblick auf das Erbscheinsverfahren als Bestandteil des Nachlassverfahrens bestehen zumindest Zweifel daran, ob jene Verfassungsnorm bei einer Übertragung auf Notare noch gewahrt bleibt. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher offen gelassen, ob es sich bei streitigen Erbscheinsverfahren um Rechtsprechung im Sinne der genannten Vorschrift handelt (BVerfGE 21, 139, 144). Im Hinblick darauf verbleibt von vornherein ein nicht unerhebliches verfassungsrechtliches Risiko dafür, dass eine Regelung, die solche Aufgaben auf Institutionen außerhalb der Gerichte überträgt, einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhält. Die vorgeschlagene Ergänzung des Grundgesetzes um einen Artikel 98 a GG, nach der Art. 92 Grundgesetz ausdrücklich unberührt bleiben soll, ist nicht geeignet, dem entgegenzuwirken.

Dafür, dass eine Reihe von Verrichtungen des Nachlassgerichts der Rechtspre-chung zuzuordnen sind, spricht aber auch der Richtervorbehalt in § 16 Abs. 1 RPflG. Er bezieht sich insbesondere auf Tätigkeiten, bei denen es auf die Beurteilung letztwilliger Verfügungen ankommt, wie die Erteilung von Erbscheinen auf Grund testamentarischer Erbfolge und deren Einziehung (§ 16 Abs. 1 Nr. 6 und 7 RPflG), die Ernennung und Entlassung von Testamentsvollstreckern (§ 16 Nr. 2 und 5), oder Geschäfte mit Auslandsbezug, wie die Anordnung einer Nachlasspflegschaft für Angehörige eines fremden Staates (§ 16 Nr. 1), aber auch Aufgaben wie die Entscheidung über Anträge, eine vom Erblasser für die Verwaltung des Nachlasses getroffene Anordnung außer Kraft zu setzen (§ 16 Nr. 3) und die Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Nachlasspflegern (§ 16 Nr. 1) oder mehreren Testamentsvollstreckern (§ 16 Nr. 4). Diese Aufgaben sind bei der Abgrenzung der Zuständigkeit von Richtern und Rechtspflegern grundsätzlich dem Richter vorbehalten. Nach der Öffnungsklausel in § 19 RPflG kann dieser Richtervorbehalt zwar in bestimmten Fällen durch die Länder aufgehoben werden. Davon sind aber folgende Bereiche von vornherein ausgenommen, was noch im Regierungsentwurf für das Justizmodernisierungsgesetz 2004 mit der Überlegung begründet wurde, dass diese Geschäfte als "typische Streitentscheidungen" dem Richter vorbehalten bleiben müssen:

- die Entscheidung über Meinungsverschiedenheiten unter Nachlasspflegern (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 2 RPflG)
- die Entscheidung über Meinungsverschiedenheiten unter Testamentsvollstreckern
- die Entscheidung über die Entlassung von Testamentsvollstreckern, die vom Erblasser selbst eingesetzt wurden oder zu deren Ernennung er einen Dritten bestimmt hat (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 4 RpflG)

Zudem bestimmt § 19 Abs. 2 RpflG ausdrücklich, dass eine auf Grund der Öffnungsklausel erfolgende Aufhebung des Richtervorbehalts in einem jeden Fall vorsehen muss, dass der Rechtspfleger das Verfahren dem Richter wieder zur weiteren Bearbeitung vorzulegen hat, wenn gegen das in Rede stehenden Ge-schäft Einwendungen erhoben werden (mit anderen Worten: wenn es zu einer streitigen Entscheidung kommt).

Aus diesem systematischen Regelungszusammenhang heraus wird deutlich, dass jedenfalls die nach dem Rechtspflegergesetz zwingend beim Richter zu belassenden Teile des Nachlassverfahrens auch nicht auf Notare übertragen werden dürfen.

b. Verstoß gegen Art. 104 GG
Selbst wenn man davon ausgehen wollte, eine Übertragung streitiger Nachlassverfahren auf Notare verstoße grundsätzlich nicht gegen den Richtervorbehalt aus Art. 92 GG, übersieht der Gesetzesentwurf, dass die Entscheidung über solche Verfahren häufig Beweisaufnahmen erforderlich macht, die sich nicht immer auf formlose Beweiserhebungen i.S.v. § 29 FamFG beschränken können, sondern gegebenenfalls im förmlichen Verfahren nach der Zivilprozessordnung durchzuführen sind, vgl. § 30 Abs. 1 und 3 FamFG. Eingeschlossen wäre somit die Verhängung von Ordnungshaft gegen ausbleibende Zeugen (§ 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Über ihre Anordnung darf gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG allein der Richter entscheiden; eine Übertragung auf Notare ist auf der Grundlage geltenden Verfassungsrechts ausgeschlossen. Gleiches gilt für die Anordnung von Zwangshaft (§ 35 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG), die etwa dann in Betracht kommt, wenn einem Beschluss auf Vorlage einer Testamentsurkunde keine Folge geleistet wird (§§ 358 FamFG i.V.m. § 2259 Abs. 1 BGB).

c. beim Nachlassgericht verbleibende Aufgaben
Käme es tatsächlich zu einer Übertragung der Aufgaben des Nachlassgerichts auf die Notare, so würden die Amtsgerichte keineswegs sogleich von sämtlichen Aufgaben des Nachlassgerichts frei. Zumindest für lange Übergangszeiten behielten die Gerichte noch die bei ihnen hinterlegten Testamente, die dort vorhandenen Nachlassakten und sämtliche Unterlagen früherer Notare, die nicht von anderen Notaren - freiwillig - aufbewahrt werden. Solche Unterlagen werden bei Todesfällen auch dann noch benötigt, wenn zukünftig die Nachlassverfahren in vollem Umfang von den Notaren abgewickelt werden. Zu diesen praktischen Fragen enthält der Gesetzentwurf keine eindeutige Regelung. Soweit die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/1469 S. 17) ausführt, die vorgeschlagene Regelung in § 23 a Abs. 4 Satz 2 GVG-E zur Schaffung landesrechtlicher Zuständigkeitsbestimmungen schließe die Möglichkeit ein, Übergangsregelungen zu treffen, wird damit einer Rechtszersplitterung im Übergangsrecht Vorschub geleistet, die im länderübergreifenden Rechtsverkehr für lange Zeit zu entsprechenden Erschwernissen führen muss.

Im Übrigen bleibt nach der Öffnungsklausel auch unklar, wo denn Testamente, die der Bürger in amtliche Verwahrung geben will, zukünftig aufbewahrt werden: Bei dem Notar, bei dem er sie abgibt? Oder an einer zentralen Stelle? Oder gar doch beim Amtsgericht? Diese Fragen bleiben im Gesetzentwurf ungeklärt.

d. praktische Erschwernisse im Bereich anderer gerichtlicher Aufgaben
Register-, Betreuungs-, Grundbuch- und Insolvenzabteilungen der Amtsgerichte sind ebenso wie deren Zivilabteilungen und die Zivilkammern/-senate der Land-/Oberlandesgerichte vielfach auf Nachlassakten angewiesen. Sind ausschließlich Notare für die Nachlasssachen zuständig, wird dies zu erheblichen Aktentransporten und deutlichen Verzögerungen in den betroffenen Abteilungen der Amtsgerichte führen. Zudem werden zusätzliche Erbscheinsregister notwendig. Denn bislang wurde dieses Register einheitlich beim Amtsgericht geführt. Zukünftig wird demgegenüber bei irgendeinem Notar des Bezirkes das Testament eröffnet und auch der Erbschein ausgestellt (bei unzureichender Geschäftsverteilungsregelung sogar bei zwei verschiedenen!). Wer im Einzelfall als Notar tätig geworden ist, wird nur durch ein einheitliches Register festzustellen sein, das - ähnlich dem zentralen Testamentsregister - von den Notarkammern der Länder oder der Bundesnotarkammer zu führen sein wird.

e. unklare Zuständigkeiten
Der Entwurf lässt nicht erkennen, wie verfahren werden soll, wenn mehrere, gegenläufige Erbscheinsanträge gestellt werden. Müssen sie durch denselben Notar beurkundet werden und wie soll dies sichergestellt werden? Wie ist zu verfahren, wenn sie durch verschiedene Notare gestellt werden oder wenn der Antrag über einen Notar gestellt werden soll, und eine zugrundeliegende Verfügung von Todes wegen von einem anderen Notar oder dem Nachlassgericht verwahrt wird? Sollte beabsichtigt sein, die Klärung dieser Fragen auf der Grundlage von § 23 a GVG-E dem Landesrecht vorzubehalten, so wird auch dies zu einer entsprechenden Unübersichtlichkeit der rechtlichen Situation in den einzelnen Bundesländern führen.

Sollte es zu der erstrebten Aufgabenübertragung auf Notare kommen, so werden die Notarkammern oder die jeweiligen Länder nach Wegen suchen müssen, wie eine möglichst gerechte Aufteilung der neuen Aufgaben unter den Notaren erreicht werden kann. Dazu werden sie Regelungen finden müssen, nach denen alle Notare in gleichem Maße an den Nachlasssachen beteiligt werden, wie z.B. bei einer Regelung nach Sterbedaten oder dem Alphabet. Damit ist aber nach dem Erbfall nicht der Notar der Wahl zuständig, sondern irgendein Notar im Bezirk, der in einem ländlichen Gerichtsbezirk durchaus auch in einer Entfernung von 50 km seinen Dienstsitz haben kann. Von Vorteilen für den Bürger kann dann keine Rede mehr sein. Zentrale Anlaufstellen und ein Arbeiten aus einer Hand, sind nicht mehr gewährleistet.

Im Übrigen täuscht der Entwurf vor, der Bürger könne sich seinen Notar hinsicht-lich der Abwicklung des Erbschaftsverfahrens aussuchen. Da in § 23 a Abs. 4 Satz 2 GVG-E den Ländern nur die Schaffung "ergänzender" Regelungen zur Zuständigkeit ermöglicht wird und § 343 FamFG durch den Entwurf unangetastet bleibt, muss aber davon ausgegangen werden, dass sich jedenfalls die örtliche Zuständigkeit nach dieser Vorschrift bestimmt. Örtlich zuständig wären damit No-tare am letzten Wohnsitz, hilfsweise letzten Aufenthaltsort des Erblassers (§ 343 Abs. 1 FamFG), bei fehlendem inländischen Wohnsitz oder Aufenthaltsort eines deutschen Erblassers allein(!) Notare in Berlin-Schöneberg (§ 343 Abs. 2 FamFG) und bei Ausländern ohne Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland Notare an jedem Ort, an dem sich Nachlassgegenstände befinden (§ 343 Abs. 3 FamFG). Von einer freien Notarwahl kann somit keine Rede sein. Sollte der Entwurf allerdings davon ausgehen, dass es den Ländern überlassen bleibt, von § 343 FamFG abweichende Zuständigkeitsregelungen zu bestimmen, so würde auch dadurch einer weiteren Rechtszersplitterung Vorschub geleistet.

Es bleibt nach dem Entwurf auch unklar, welcher Notar nun konkret zuständig sein soll, wenn es beispielsweise um eine Testamentseröffnung geht, ganz gleich, ob dieses Testament erst abgeliefert wird oder sich schon bei Gericht befunden hat. Oder welcher Notar tätig werden muss, wenn es gilt, den Nachlass zu sichern, etwa
einen Nachlassverwalter für unbekannte Erben einzusetzen.

Nach der Länderöffnungsklausel in ihrer vorgeschlagenen Fassung wäre es denkbar, dass ein Land die Aufgaben der Nachlassgerichte auf die Notare überträgt, ohne irgendwelche weiteren Zuständigkeitsregelungen zu treffen - eine abenteuerliche Vorstellung!

f. Durchführung streitiger Erbscheinsverfahren
Die Gesetzesbegründung hebt es als einen besonderen Vorzug der beabsichtig-ten Aufgabenübertragung auf Notare hervor, dass der Notar zum Ansprechpartner und Experten in allen Angelegenheiten werde, die mit Testament, Verwahrung und Nachlass zu tun haben (BT-Drs. 17/1468 S. 6). Er kenne die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten häufig von früheren Beurkundungen und dürfe den Bürger über den konkreten Sachverhalt hinaus umfassend beraten. Gerade im Bereich des Nachlasswesens erhalte der Bürger einen umfassend zuständigen, ortsnahen Ansprechpartner für alle Nachlassangelegenheiten. Es entstehe ein "One-Stop-Shop" in dem von der Testamentserrichtung bis zur Erteilung des Erbscheins alle Angelegenheiten geklärt werden könnten (BT-Drs. 17/1469 S. 12).

Gerade diese Gesichtspunkte sind aber äußerst problematisch und sprechen zu-mindest im Bereich streitiger Erbschaftsverfahren in der Sache gegen eine Aufgabenübertragung.

Es muss schon im Ausgangspunkt bezweifelt werden, ob Entscheidungen über widerstreitende Erbscheinsanträge noch durch ein "unparteiisches Gericht" i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EMRK getroffen werden, wenn der Notar als Entscheidender mit der Sache - etwa durch die Beurkundung eines vorgängigen Testaments oder Erbvertrages - befasst war. Unabhängig davon ist es gewiss nicht sachdienlich, etwa dann, wenn aus steuerlichen oder familieninternen Gründen besonders ausgeklügelte erbrechtliche Regelungen in einem Testament oder Erbvertrag beurkundet worden sind, den Streit über ihre Wirksamkeit ausgerechnet durch denjenigen entscheiden zu lassen, der zu diesen Regelungen geraten hat. Gleiches gilt z.B. für Fälle, in denen die Testierfähigkeit des Erblassers in Zweifel gezogen wird, die der Notar bei Errichtung der letztwilligen Verfügung bejaht hatte oder in denen letztwillige Verfügungen auslegungsbedürftig werden. Insbesondere der Umstand, dass ein Notar im Rahmen der Errichtung einer solchen Verfügung Kenntnisse über die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten erlangt und auf ihrer Grundlage beraten hat, wird aus Sicht desjenigen, der das nach Auffassung des Urkundsnotars tatsächlich mit der letztwilligen Verfügung Gewollte in Zweifel zieht, die Besorgnis begründen, dass der Notar bei der Entscheidung über den Erbscheinsantrag nicht unbefangenen urteilt. Im Übrigen begründen Vorkenntnisse der im Entwurf bezeichneten Art generell die Gefahr, dass in die Testamentsauslegung Umstände mit einfließen, die in der letztwilligen Verfügung keinen Anklang gefunden haben und deshalb aus Rechtsgründen zu ihrer Auslegung überhaupt nicht herangezogen werden dürften.

All diese Gesichtspunkte lassen deutlich werden, dass die im Entwurf besonders hervorgehobenen Vorteile einer Aufgabenübertragung auf Notare nicht stichhaltig sind. Ein sachgerechtes Gesetzesvorhaben müsste sich im Gegenteil mit der Frage befassen, ob zur Wahrung der Unparteilichkeit des Entscheidenden nicht sogar der Katalog der Mitwirkungsverbote in § 3 BeurkG um eine Regelung zu erweitern wäre, die Notare für den Fall der Vorbefassung von der Mitwirkung am Erbscheinserteilungsverfahren ausschließt.

Im Übrigen ist auch an dieser Stelle nochmals darauf hinzuweisen, dass das Erb-scheinsverfahren ein typisch gerichtliches Verfahren ist. Es ist dadurch gekenn-zeichnet, dass das Nachlassgericht von Amts wegen alle erforderlichen Ermittlungen anzustellen und sämtliche zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Beweise - von der Vorlage von Urkunden über die Einnahme eines Augenscheins bis hin zur Einvernahme von Zeugen und Einholung von Sachverständigengutachten - zu erheben hat
(§ 2358 Abs. 1 BGB, § 26 FamFG). Eine solche Beweiserhebung und Beweiswürdigung gehört aber keinesfalls zu den Aufgaben und zum hergebrachten Berufsbild eines Notars, der als Kautelarjurist gerade nicht dazu berufen ist, über Streitigkeiten zu entscheiden.


8. Einzelregelungen
Was Einzelregelungen anbelangt, so soll nur auf die folgenden Punkte eingegangen werden:

a. Wechsel- und Scheckproteste (Art. 14)
Gegen die Zuständigkeitskonzentration bei den Notaren werden keine Einwendungen erhoben. Allerdings dürfte die äußerst geringe Zahl von Fällen, in denen bisher Proteste durch Gerichtsvollzieher aufgenommen wurden, keine nennenswerte Ersparnis für die gerichtliche Praxis erwarten lassen.

b. Amtliche Aufnahme des Inventars/Nachlass- und
Gesamtgutsauseinandersetzungen (Art. 4 Nr. 1, 12)
Auch insoweit werden gegen die geplanten Änderungen, die zum Teil heute schon existierenden landesrechtlichen Regelungen entsprechen, keine Einwände geltend gemacht.

c. Erstellung notarieller Vollmachtbescheinigungen
(Art. 4 Nr. 2, 7, 13)
Gegen die Änderungsvorschläge bestehen keine Bedenken. Unter praktischen Gesichtspunkten dürften aber auch hier erzielbare Einsparungen für gering zu erachten sein.

d. Gewährung der Einsichtnahme in das Grundbuch neben den
Grundbuchämtern (Art. 7 Nr. 3)
Das Vorhaben, dass Notare (nach Ermächtigung durch die Landesregierungen) Einsicht in das Grundbuch gewähren können, muss aus den Gründen, die in der Stellungnahme der Bundesregierung aufgezeigt werden (BT-Drs. 17/1469 S. 24) kritisch gesehen werden. Bereits der Nutzen einer solchen Verfahrensweise ist zu bezweifeln. Es ist zwar richtig, dass bei den Gerichten auch nach Einführung des automatisierten Abrufverfahrens zum elektronischen Grundbuch weiter Arbeitskräfte gebunden sind, um den Bürgerinnen und Bürgern Grund-bucheinsicht vor Ort zu gewähren und Abschriften zu erteilen. Die möglichen Einsparungen dadurch, dass Abschriften künftig nicht nur beim Gericht, sondern auch beim Notar erteilt werden können, lassen sich aber nicht beziffern. Sollte der Publikumsverkehr bei Gericht tatsächlich spürbar zurückgehen - was bezweifelt werden darf -, so würde dies in Zeiten prekärer Haushaltslagen gewiss zu Einsparungen beim Personal führen. Die Justiz hätte deshalb keinerlei Vorteile, zumal die bloße Einsichtnahme, die kostenfrei gewährt wird (§ 74 KostO), weiterhin nur bei den Gerichten erfolgen soll. Schon mit Blick darauf, dass die große Zahl von reinen Einsichtnahmen auch zukünftig beim Gericht vorzunehmen wäre, ist die Begründung des Gesetzentwurfs, "Die Grundbuchämter können sich in der Folge weiter auf den Antragsvollzug als ihre wesentliche Aufgabe konzentrieren und Personal- und Sachkosten einsparen" (BT-Drs. 17/1469 S. 14), wenig überzeugend. Insbesondere die technische Ausstattung ist unabhängig davon vorzuhalten, ob nun 2000 Bürger jährlich den Service beim Grundbuchamt in Anspruch nehmen oder nur 1.700. Auch für diejenigen, die Einsicht nehmen wollen, würde die neue Handhabung eher Nachteile mit sich bringen. Ein solcher Nachteil wird im Gesetzentwurf unmittelbar angesprochen, wenn es dort heißt (BT-Drs. 17/1469 S. 15): "Die vom Notar zu erhebenden Gebühren für die Erteilung eines einfachen bzw. eines gesiegelten Abdrucks liegen über den Gerichtsgebühren für die Erstellung eines entsprechenden Grundbuchausdrucks. Eine direkte Übernahme der Gerichtsgebühren ist nicht möglich, weil ansonsten der Notar, der ja auch die Abruf-kosten tragen muss, keine angemessene Entschädigung für seinen Arbeitsauf-wand erhalten würde."

e. Entscheidung über die Erteilung weiterer vollstreckbarer
Ausfertigungen notarieller Urkunden (Art. 6)
Der Änderungsvorschlag ist zu befürworten. Nach den Erfahrungen der Praxis ist der Personaleinsatz für dieses Verfahren allerdings so gering, dass eine Entlastung durch die Verlagerung der Aufgabe auf die Notare nicht ins Gewicht fällt.


gez. Gerhart Reichling, Mitglied des DRB-Präsidiums