# 14/17

zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken

 

A. Tenor der Stellungnahme

Der Deutsche Richterbund begrüßt das Vorhaben, gegen die Verbreitung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten im Internet vorzugehen. Er bedauert jedoch, dass die inländischen Strafverfolgungsbehörden nicht wirksamer dabei unterstützt werden, strafbare Inhalte im Netz auch strafrechtlich verfolgen zu können. Die strafrechtliche Verfolgung von Falschnachrichten und Hasskriminalität sollte durch die Aufnahme auch eines Verstoßes gegen § 5 Satz 2 des NetzGD-E in den Bußgeldkatalog des § 4 Absatz 1 Satz 7 NetzDG-E gestärkt werden. Den Netzwerken sollte im Gesetz auch eine Frist vorgegeben werden, in der die Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden zu beantworten sind. Ferner sollte daran gedacht werden, durch einen Auskunftsanspruch, gerichtet auf die Herausgabe von Bestandsdaten, dem von einer Hassbotschaft oder einer Falschnachricht Betroffenen die Verfolgung seiner zivilen Rechte zu erleichtern. Abzulehnen ist die geplante Einführung einer Vorabentscheidung des Amtsgerichts über die Rechtswidrigkeit nicht entfernter oder nicht gesperrter Inhalte im Bußgeldverfahren nach § 4 Abs. 5 NetzDG-E.

 
B. Bewertung im Einzelnen

Dem begrüßenswerten Anliegen, die Verbreitung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten über das Internet entgegenzutreten, genügt das Gesetzesvorhaben aus Sicht des DRB nur teilweise. Es werden im Wesentlichen verbindliche Compliance-Regelungen geschaffen, die das Problem ein Stück weit bewältigen. Diese Regelungen sollten aber insbesondere durch verbesserte Regelungen zur Strafverfolgung und durch eine bessere Rechtsdurchsetzung im zivilrechtlichen Bereich ergänzt werden.

Hasskriminalität und strafbare Falschnachrichten im Internet können nur dann nachhaltig und effektiv zurückgedrängt werden, wenn sie auch strafrechtlich wirksam verfolgt werden. Dies scheitert oftmals daran, dass es den Strafverfolgungsbehörden nicht gelingt, den Verantwortlichen für die strafbaren Inhalte zu ermitteln. Haben die sozialen Netzwerke – wie häufig – ihren Sitz im Ausland, sind aufwendige Ermittlungen und Rechtshilfeersuchen notwendig, um eine Chance zu haben, die Verantwortlichen zu ermitteln. § 5 Satz 2 NetzDG-E, nach dem für Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden eine empfangsberechtigte Person im Inland zu benennen ist, wird die Strafverfolgungsbehörden dabei unterstützen. Die Verletzung dieser Vorschrift ist jedoch, anders als die Pflicht zur Benennung eines Zustellbevollmächtigten nach § 5 Satz 1 NetzDG-E, nicht bußgeldbewehrt. Der DRB bezweifelt, dass die Regelung ohne Sanktionsmöglichkeit tatsächlich zu spürbaren Verbesserungen führen wird, weil der Anbieter des sozialen Netzwerks die Vorschrift folgenlos unbeachtet lassen kann. Zudem sollte den Netzwerken im Gesetz eine Frist vorgegeben werden, in der die Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden zu beantworten sind. Klargestellt werden muss dabei, dass durch die Antwort die Strafverfolgungsbehörden die für das Ermittlungsverfahren notwendigen und beim Netzbetreiber vorliegenden Nutzerdaten zur Identifizierung des für den strafbaren Inhalt Verantwortlichen erhalten.

Über die erforderlichen Maßnahmen zur Erleichterung der Strafverfolgung hinaus sollte in Betracht gezogen werden, den von strafbaren Inhalten Betroffenen die Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Unterlassung, Folgenbeseitigung und Schadenersatz vor den Zivilgerichten zu erleichtern. Auch hier stellt sich das Problem, dass der für den strafbaren Inhalt Verantwortliche für den Betroffenen oft nicht greifbar ist. Hier könnte in Anlehnung an § 101 UrhG ein Auskunftsanspruch des Betroffenen gegen das soziale
 
Netzwerk helfen, der darauf gerichtet ist, dass dem Betroffenen die Bestandsdaten desjenigen mitzuteilen sind, der den strafrechtlich relevanten Inhalt in das Netz gestellt hat. Ein solcher Auskunftsanspruch wäre vom Anbieter unschwer zu erfüllen und könnte den Betroffenen bei der Verfolgung seiner Rechte wirksam unterstützen. Selbst wenn der Verantwortliche seine Identität auch gegenüber dem sozialen Netzwerk durch Falschangaben zu seiner Identität verschleiert, wäre ein Auskunftsverlangen nicht vollständig sinnentleert. Denn wenn sich im Zuge eines solchen Verlangens herausstellt, dass der Verantwortliche unter falscher Identität auftritt, hätte immerhin das soziale Netzwerk selbst die Möglichkeit, die dafür in seinen eigenen Regelwerken vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, denn wer mit verschleierter Identität ein soziales Netzwerk nutzt, verstößt damit in der Regel gegen die eigenen Geschäftsbedingungen dieses Netzwerks. Das Netzwerk könnte sogar über eine entsprechende Ergänzung in § 3 NetzDG-E zu entsprechenden Maßnahmen angehalten werden.

Abzulehnen ist die geplante Einführung einer Vorabentscheidung des Amtsgerichts zur Prüfung der Rechtswidrigkeit nicht entfernter oder nicht gesperrter Inhalte im Bußgeldverfahren (§ 4 Abs. 5 NetzDG-E). Hier soll ein Richtervorbehalt für die Prüfung der Rechtswidrigkeit des fraglichen Inhalts eingeführt werden. Eine solche gerichtliche Vorabentscheidung im Bußgeldverfahren ist – soweit ersichtlich – ein völliges Novum. Ob ein Bußgeld verhängt wird oder nicht, hat die zuständige Behörde in eigener Verantwortung zu entscheiden. Nach der bisherigen Systematik der OWi-Verfahren sind die Gerichte nur dann zuständig, wenn die Behördenentscheidung angegriffen wird. Warum dies hier anders sein soll, erschließt sich nicht, zumal das Gericht wohl weitgehend an den behördlich festgestellten Sachverhalt gebunden sein soll, mithin über keine Erkenntnisse verfügt, die nicht auch die Behörde ihrer Prüfung zugrunde legt. Soweit die Gesetzesbegründung darauf hinweist, dass zu prüfen ist, ob Strafnormen verletzt worden sind, ist dies kein Grund, eine gerichtliche Vorabentscheidung zu verlangen. Es geht beim Erlass eines Bußgeldbescheides weder um die Verhängung strafrechtlicher Sanktionen noch sind Verfahrensrechte des sozialen Netzwerks betroffen, die eine gerichtliche Vorabentscheidung notwendig machen würden. Verhängt die Verwaltungsbehörde ein Bußgeld, kann der Betroffene diese Entscheidung in jedem Fall gerichtlich überprüfen lassen. Im Falle des § 4 Abs. 5 NetzDG-E hätte dasselbe Gericht, das die Vorabentscheidung getroffen hat, u.a. die Rechtmäßigkeit dieser seiner eigenen Entscheidung zu überprüfen, jetzt allerdings nach den allgemeinen Vorschriften des OWi-Verfahrens. Das ist nicht nachvollziehbar und daher abzulehnen.

Nicht zuletzt ist zu erwarten, dass das Vorabentscheidungsverfahren zu einer erheblichen Belastung des Amtsgerichts Bonn führen würde. Zwar geht die Entwurfsbegründung davon aus, dass die Vorabentscheidung nur in „streitigen“ Fällen nötig ist (Seite 28 der Begründung), dies entspricht aber nicht dem Wortlaut der Vorschrift, die in § 4 Abs. 5 in allen Fällen die Anrufung des Gerichts vorschreibt.