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zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegenheiten

Hier: Gesetzentwurf des Bunderates (BT-Drs. 18/10485) und Formulierungshilfe der Bundesregierung für einen Änderungsantrag

 

A. Tenor der Stellungnahme

Der Deutsche Richterbund spricht sich gegen den Vorschlag des Bundesrates über eine gesetzliche Beistandschaft unter Ehegatten für die Bereiche der Gesundheitssorge und Fürsorge aus. Er befürwortet stattdessen die Beschränkung einer gesetzlichen Beistandschaft unter Ehegatten auf den Bereich der Gesundheitssorge nach dem Vorschlag der Formulierungshilfe der Bundesregierung.
 
Der Vorschlag der Formulierungshilfe ist jedoch zu weitgehend, soweit der beistehende Ehegatte nicht den gesetzlichen Regelungen

  • zur Patientenverfügung (§§ 1901a, 1901b BGB),

  • zu ärztlichen Maßnahmen, die mit Lebensgefahr oder schwerer und längerdauernder Gesundheitsgefahr verbunden sind (§ 1904 BGB), sowie

  • zur Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme, die nicht mit einer Unterbringung verbunden ist (§ 1906 Abs. 3, 3a BGB analog bzw. § 1906a BGB in der Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes von Betreuten (BT-Drs. 18/11240)

unterworfen wird. 


B. Bewertung im Einzelnen

I. Zum Vorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat hat vorgeschlagen, für den Bereich der Gesundheitssorge und der Fürsorge eine gesetzliche Annahme der Bevollmächtigung zwischen Ehegatten  („gilt als bevollmächtigt“) für den Fall zu schaffen, dass ein volljähriger Ehegatte aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung die genannten Angelegenheiten nicht besorgen kann und weder einen entgegenstehenden Willen geäußert noch eine andere Person zur Wahrnehmung dieser Angelegenheiten bevollmächtigt hat und kein Betreuer bestellt ist (vgl. § 1358 Abs. 1 BGB des Entwurfs des Bundesrates, BT-Drs. 18/10485).

Der Deutsche Richterbund spricht sich gegen den Vorschlag des Bundesrates aus.

Das Für und Wider über die Einführung einer gesetzlichen Angehörigenvertretung für die Gesundheitssorge und Bereiche der Vermögenssorge ist bereits im Zusammenhang mit 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz 2005 in rechtlicher und rechtspolitischer Hinsicht ausführlich erörtert worden.  Dem Vorschlag des Bundesrates (BT-Drs. 15/2494) ist der Bundestag nicht gefolgt (BT-Drs. 15/4874) und hat zur Begründung ausgeführt: „Der Ausschuss lehnt insbesondere angesichts der nicht auszuschließenden Missbrauchsgefahr die Einführung einer gesetzlichen Vertretungsmacht für Ehegatten ab. Einschränkungen und weitere sonstige Sicherungen führen nicht weiter, da sie die ohnehin schon komplizierte Norm unpraktikabel machen, ohne wirkliche Sicherheit zu erreichen und dem Ziel der Betreuungsvermeidung näherzukommen. Es ist vorzugswürdig, die Betroffenen auf die Möglichkeiten der Vorsorge durch Vollmachten hinzuweisen.“

Zu dem aktuellen Gesetzentwurf des Bundesrates hat die Bundesregierung entsprechende Bedenken geäußert (vgl. BT-Drs. 18/10485, S. 20 ff.). Die vorgeschlagene Vollmachtsvermutung sei sehr aufwendig ausgestaltet. Es sei zu befürchten, dass sie in der Praxis als zu kompliziert empfunden werde. Die Vollmachtsvermutung sei missbrauchsanfällig. Der Bevölkerung steht mit der Vorsorgevollmacht bereits ein geeignetes Instrument zur Verfügung, um einen Vertreter für Angelegenheiten der Gesundheitssorge und darüber hinaus in weiteren Bereichen zu bestimmen.

Diesen Bedenken schließt sich der Deutsche Richterbund uneingeschränkt an.

II. Zur Formulierungshilfe

Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, für den Bereich der Gesundheitssorge eine gesetzliche Berechtigung für Ehegatten  für den Fall zu schaffen, dass ein volljähriger Ehegatte aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung die genannte Angelegenheit nicht besorgen kann, wenn die Ehegatten nicht getrennt leben, der andere Ehegatte einen entgegenstehenden Willen nicht geäußert hat, der andere Ehegatte eine andere Person zur Wahrnehmung dieser Angelegenheit nicht bevollmächtigt hat und für den anderen Ehegatten ein Betreuer nicht bestellt ist (vgl. § 1358 Abs. 1 BGB der Formulierungshilfe der Bundesregierung).

Der Deutsche Richterbund befürwortet die Beschränkung einer gesetzlichen Angehörigenvertretung (Beistandschaft des Ehegatten) auf den Bereich der Gesundheitssorge. Der Vorschlag der Formulierungshilfe ist jedoch zu weitgehend, soweit der beistehende Ehegatte nicht den gesetzlichen Regelungen

-    zur Patientenverfügung (§§ 1901a, 1901b BGB),

-    zu ärztlichen Maßnahmen, die mit Lebensgefahr oder schwerer und längerdauernder Gesundheitsgefahr verbunden sind (§ 1904 BGB) sowie

-    zur Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme, die nicht mit einer Unterbringung verbunden ist (§ 1906 Abs. 3, 3a BGB analog bzw. § 1906a BGB in der Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes von Betreuten  (BT-Drs. 18/11240)

unterworfen wird.

1. Zur Beschränkung der Beistandschaft für Ehegatten auf den Bereich der Gesundheitssorge
Die Beschränkung der gesetzlichen Beistandschaft des Ehegatten auf den Bereich der Gesundheitssorge entschärft die Diskussion über Risiken, ob und inwieweit Ehegatten zur Wahrnehmung ihrer Beistandschaft überhaupt in der Lage sind und ob und in welchem Umfang Missbräuche der Beistandschaft zu befürchten sind, sowie über die Tragbarkeit dieser Risiken für den Gesetzgeber.

Das Näheverhältnis zwischen Ehegatten bürgt keineswegs allein für eine Risikoverminderung, da gerade dieses Näheverhältnis in manchen Fällen das Risiko zwar vermindern, in anderen Fällen aber auch durchaus erhöhen kann. Es kommt zweifelsohne auf den konkreten sozial-familiären Kontext an. Das Risikopotenzial bei der Gesundheitssorge erscheint als vergleichsweise abgemildert, weil Ärzte und Pflegeberufe bei der Ausübung der Befugnisse der Beistandschaft in aller Regel ein Gegengewicht und Korrektiv zum Handeln des beistehenden Ehegatten bilden werden und wenn der beistehende Ehegatte den gesetzlichen Regelungen

  • zur Patientenverfügung (§§ 1901a, 1901b BGB),

  • zu ärztlichen Maßnahmen, die mit Lebensgefahr oder schwerer und längerdauernder Gesundheitsgefahr verbunden sind (§ 1904 BGB)

  • zur Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme, die nicht mit einer Unterbringung verbunden ist (§ 1906 Abs. 3, 3a BGB analog bzw. § 1906a BGB in der Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes von Betreuten (BT-Drs. 18/11240).

unterworfen ist. Restrisiken verbleiben gleichwohl. Dies gilt aber auch für den Gebrauch von Vorsorgevollmachten.

Es verbleibt aber natürlich die Problematik, dass bisher keine belastbaren Erkenntnisse über die wirkliche Auswirkung einer Realisierung der gesetzlichen Beistandschaft von Ehegatten vorliegen. Es könnte daher angezeigt sein, die Erfahrungen mit der auf die Gesundheitssorge beschränkten Beistandschaft zu sammeln und auszuwerten.

2. Zu einem Bedeutungsverlust der Vorsorgevollmacht durch die Einführung einer gesetzlichen Beistandschaft für Ehegatten im Bereich der Gesundheitssorge
In der Begründung der Formulierungshilfe heißt es, dass nicht in gleicher Weise wie bei dem Gesetzesvorschlag des Bundesrates zu befürchten sei, dass der Vorschlag bei vielen Betroffenen den Eindruck erwecken würde, dass eine umfassende Vorsorge nicht erforderlich sei mit der Folge, dass die vorzugswürdige Vorsorgevollmacht an Bedeutung verlieren würde.

Auch in Anbetracht dessen, dass die gesetzliche Beistandschaft nach dem Vorschlag der Formulierungshilfe auf den Bereich der Gesundheitssorge beschränkt bleiben soll und den Bereich der Fürsorge nicht erfasst, wird die Vorsorgevollmacht unter Ehegatten nicht unerheblich an Bedeutung verlieren. Denn es ist zu befürchten, dass sich Ehegatten für den „ersten“ Notfall durch die gesetzliche Beistandschaft als ausreichend abgesichert sehen und einen vorsorgenden Regelungsbedarf für sich nicht erkennen und dass sie deshalb die Regelung einer Vorsorgevollmacht auf die Zeit der Wiedergenesung nach dem „ersten“ Notfall verschieben.

Insofern sollte die Einführung der gesetzlichen Beistandschaft mit Maßnahmen zur Verbesserung der praktischen Bedeutung von Vorsorgevollmachten verbunden werden.

3. Schutz des betroffenen Ehegatten durch Bindung des beistehenden Ehegatten an die gesetzlichen Regelungen zur Patientenverfügung (§§ 1901a, 1901b BGB), zu ärztlichen Maßnahmen, die mit Lebensgefahr oder schwerer und längerdauernder Gesundheitsgefahr verbunden sind (§ 1904 BGB), und zur Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme, die nicht mit einer Unterbringung verbunden ist (§ 1906 Abs. 3, 3a BGB analog bzw. § 1906a BGB in der Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes von Betreuten (BT-Drs. 18/11240)

a) Patientenverfügung
Der beistehende Ehegatte darf nicht geringeren gesetzlichen Bindungen unterworfen werden wie der Vorsorgebevollmächtigte oder der Betreuer.

Die Formulierungshilfe schlägt vor, u.a. auf § 1358 Abs. 4 S. 1 BGB des Entwurfs des Bundesrates, welcher u.a. die entsprechende Geltung der §§ 1901a, 1901b BGB regelt, zu verzichten, weil die Dauer der Beistandschaft faktisch auf einen überschaubaren Zeitraum von wenigen Tagen oder Wochen begrenzt sei und damit einer Missbrauchsgefahr wirksam entgegengewirkt werde.

Der Deutsche Richterbund hält es für zwingend geboten, den beistehenden Ehegatten der entsprechenden Geltung von §§ 1901a, 1901b BGB zu unterwerfen.

Zwar trifft es zu, dass Patientenverfügungen grundsätzlich allgemeinverbindlich gegenüber jedermann sind.   Sie binden jeden Beteiligten unmittelbar, auch wenn § 1901a BGB so formuliert ist, als habe die Patientenverfügung nur im Kontext einer bestehenden oder einzurichtenden Betreuung bzw. einer bestehenden Vorsorgevollmacht Bedeutung.  Sie binden deshalb auch nicht nur die ausdrücklich genannten Adressaten, sondern auch Ärzte, Pflegende, Familienangehörige, Betreuer, Betreuungsgericht und sonstige Personen.

Die §§ 1901a, 1901b BGB beschränken sich aber nicht nur auf Regelungen zu einer bestehenden wirksamen Patientenverfügung. Sie treffen vielfältig weitergehende Verpflichtungen für den Betreuer bzw. den Vorsorgebevollmächtigten, die nicht der Allgemeinverbindlichkeit unterliegen.  So muss der Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigte prüfen, ob die Festlegungen aus einer Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Der Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigte hat dem Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen, wenn dies der Fall ist. Liegt eine Patientenverfügung nicht vor, hat der Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigte die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden.
All diesen Verpflichtungen wäre der beistehende Ehegatte nicht unterworfen. Es erscheint dem Deutschen Richterbund nicht rechtssicher, wenn allenfalls anzunehmen wäre, dass die sich aus §§ 1901a, 1901b BGB ergebenden Verpflichtungen den beistehenden Ehegatten über § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB treffen würden, wonach Ehegatten in besonderem Maße zueinander verpflichtet sind und füreinander Verantwortung tragen.

Die fehlende Geltung der §§ 1901a, 1901b BGB für beistehende Ehegatten gefährdet das Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Ehegatten, vorausschauend und planend durch eigene Erklärungen in in der Zukunft erforderlich werdende medizinische Maßnahmen einzuwilligen oder sie zu verweigern. Dieses Selbstbestimmungsrecht ist nur dann ausreichend geschützt, wenn sichergestellt ist, dass der beistehende Ehegatte verpflichtet ist, dem Willen des betroffenen Ehegatten auch praktische Geltung zu verschaffen. Dies gilt auch dann, wenn die Beistandschaft auf einen etwaigen überschaubaren Zeitraum von wenigen Tagen oder Wochen begrenzt ist, und gilt erst Recht in der Phase der gesundheitlichen Akutversorgung in Notsituationen.

b) Ärztliche Maßnahmen, die mit Lebensgefahr oder schwerer und längerdauernder Gesundheitsgefahr verbunden sind (§ 1904 BGB)
Der beistehende Ehegatte darf nicht geringeren gesetzlichen Bindungen unterworfen werden wie der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte.

Die Formulierungshilfe schlägt vor, u.a. auf § 1358 Abs. 4 S. 1 BGB des Entwurfs des Bundesrates, welcher u.a. die entsprechende Geltung des § 1904 Abs. 1-3 BGB regelt, zu verzichten, weil die Dauer der Beistandschaft faktisch auf einen überschaubaren Zeitraum von wenigen Tagen oder Wochen begrenzt sei und damit einer Missbrauchsgefahr wirksam entgegengewirkt werde.

Der Deutsche Richterbund hält es für zwingend geboten, den beistehenden Ehegatten der entsprechenden Geltung von § 1904 Abs. 1-3 BGB zu unterwerfen.

Insofern gelten die Ausführungen zur Patientenverfügung entsprechend.

Der Gesetzgeber verfolgte mit § 1904 BGB das Ziel, dem Betroffenen eine vorsorgende privatautonome Entscheidung der Fragen zu ermöglichen, die sich im Zusammenhang mit ärztlichen Maßnahmen zu einem Zeitpunkt stellen können, in dem der Betroffene zu einer eigenen rechtlich maßgeblichen Entscheidung mangels Einwilligungsfähigkeit nicht mehr in der Lage ist.  Diese Stärkung des Selbstbestimmungsrechts würde entwertet werden, wenn bei der gesetzlichen Beistandschaft nicht sichergestellt ist, dass der beistehende Ehegatte zur Umsetzung der Patientenverfügung bzw. des mutmaßlichen Willens des betroffenen Ehegatten verpflichtet ist.

c) Ärztliche Zwangsmaßnahme
Ist der betroffene Ehegatte nach seinem (natürlichen) Willen nicht mit einer ärztlichen Maßnahme einverstanden, bedarf es der rechtlichen Klärung, ob und unter welchen Voraussetzungen der beistehende Ehegatte in eine ambulante oder eine stationäre Zwangsbehandlung einwilligen darf.

Im Betreuungsrecht ist durch das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18.02.2013 (BGBl. I 2013, S. 266 f.) mit § 1906 Abs. 3, 3a BGB eine Regelung für untergebrachte Betreute geschaffen worden. Eine ambulante ärztliche Zwangsmaßnahme ist dagegen nicht eingeführt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat die eingeführte Regelung insoweit als gleichheitswidrig und damit verfassungswidrig angesehen, als eine ärztliche Zwangsmaßnahme bei solchen Menschen nicht möglich ist, die „sich in stationärer Behandlung befinden und sich aus eigener Kraft nicht mehr räumlich entfernen können“, die also nicht im Sinne von § 1906 Abs. 1 BGB untergebracht sind oder werden können (BVerfG v. 26.07.2016 – 1 BvL 8/15). Diese Kernaussage führte zu einem unmittelbaren gesetzgeberischen Handlungsauftrag, da jene Konstellation bislang nicht von der Regelung in § 1906 Abs. 3, 3a BGB erfasst ist und die vom Bundesverfassungsgericht bejahte analoge Anwendung der Regelung  wegen des Primats des Gesetzesvorbehalts zeitlich begrenzt sein muss.
Die Bundesregierung hat deshalb kürzlich einen Entwurf für ein Gesetz zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes von Betreuten in den Bundesrat eingebracht (BT-Drs. 18/11240). Die Bundesregierung schlägt vor, die ärztliche Zwangsmaßnahme von der Unterbringung zu entkoppeln. Eine ambulante ärztliche Zwangsmaßnahme soll aber weiterhin ausgeschlossen bleiben. Die Entkoppelung der ärztlichen Zwangsmaßnahme von Unterbringung geschieht im materiellen Recht durch die Schaffung eines neuen § 1906a BGB-E. In der Folge werden im § 1906 BGB-E allein die Unterbringung und die sogenannten unterbringungsähnlichen Maßnahmen sowie in der neu zu schaffenden Vorschrift ausschließlich die stationäre ärztliche Zwangsmaßnahme behandelt.

Für den Bereich des Betreuungsrechts stellt sich die Frage, ob der vom Betreuungsgericht angeordnete Aufgabenkreis der Gesundheitssorge auch ärztliche Zwangsmaßnahmen gegen den Willen des Betroffenen abdeckt. Eine entsprechende Fragestellung ergibt sich nun auch für die gesetzliche Beistandschaft von Ehegatten.

Vorausgesetzt, dass der Bereich der Gesundheitssorge auch ärztliche Zwangsmaßnahmen gegen den Willen des Betroffenen erfasst, gilt folgendes:
Dem Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Ehegatten muss in der Form entsprochen werden, dass der beistehende Ehegatte schon auf der Grundlage der geltenden Rechtslage (§ 1906 Abs. 3, 3a BGB analog) und erst Recht auf der Grundlage der möglicherweise geltenden Rechtslage (§ 1906a BGB-E) in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur unter den Voraussetzungen der genannten Regelungen einwilligen darf. Insofern würde es in § 1358 BGB des Entwurfs der Formulierungshilfe eines entsprechenden Verweises auf die genannten betreuungsrechtlichen Regelungen bedürfen.
Es kann indes auch erwogen werden, durch eine klarstellende Regelung festzulegen, dass ärztliche Zwangsmaßnahmen allein von einem Aufgabenbereich  Gesundheitssorge nicht einbezogen  sind.

4. Beistand, Berechtigung, Vertretungsrecht, Orientierung an die Verpflichtungsermächtigung aus § 1357 BGB, keine Vollmachtsvermutung
In dem Regelungsvorschlag sowie der Begründung der Formulierungshilfe werden für die Beistandschaft unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet. § 1358 BGB des Entwurfs der Formulierungshilfe wird mit „Beistand“ überschrieben. Im Regelungstext ist von der Berechtigung („ist berechtigt“) die Rede. In der Begründung wird der Begriff des „Vertretungsrechts“ verwendet. Weiterhin wird erklärt, dass sich die vorgeschlagene Regelung an der „Verpflichtungsermächtigung“ aus § 1357 BGB orientiere. Dagegen werde die vom Bundesrat vorgeschlagene „Vollmachtsvermutung“ nicht übernommen.

Der Gesetzesvorschlag klärt nicht, ob mit dem Beistand ein anderes gemeint sein könnte als mit Berechtigung oder Vertretung. Weitere Auslegungsschwierigkeiten entstehen dadurch, dass die Begründung die Neuregelung des § 1358 Abs. 1 BGB des Entwurfs der Formulierungshilfe als eine Regelung zur Vertretungsmacht ansieht, obwohl sich die Neuregelung an § 1357 BGB orientiert, die gerade kein Fall einer gesetzlichen Vertretungsmacht ist.  Vielmehr enthält § 1357 BGB eine Rechtsmacht eigener Art.  Verstärkt werden die Auslegungsschwierigkeiten noch dadurch, dass die Formulierungshilfe eine Vollmachtsvermutung ablehnt, obwohl sich die Schlüsselgewalt aus einer vermuteten Vollmacht historisch entwickelt hatte.

5. Verhältnis der Beistandschaft zur Betreuung
Nach § 1358 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 4 BGB des Entwurfs der Formulierungshilfe besteht die Beistandschaft für den Bereich der Gesundheitssorge nicht, wenn für den betroffenen Ehegatten ein Betreuer bestellt ist. Nicht eindeutig geklärt erscheint, ob die Einrichtung einer Betreuung als solche die Beistandschaft ausschließt oder die Beistandschaft nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge eingerichtet ist. Bei der Bevollmächtigung ist klargestellt, dass die Beistandschaft dann nicht besteht, wenn die Bevollmächtigung die Gesundheitssorge umfasst (§ 1358 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB des Entwurfs der Formulierungshilfe: „zur Wahrnehmung dieser Angelegenheiten bevollmächtigt“). Es erscheint nun nicht zwingend geboten, dass die Beistandschaft bei bestehender Betreuung ohne den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge ausgeschlossen ist. Vielmehr könnten im Lichte des Entwurfs (Wunsch nach Vertretung durch den Ehegatten wenigstens in höchstpersönlichen Bereichen) gute Gründe dafür sprechen, die Beistandschaft für den Bereich der Gesundheitssorge auch bei bestehender Betreuung ohne den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge entstehen zu lassen. Dies sollte wie bei Nr. 3 Ausdruck im Gesetzestext der Nr. 4 finden.

Ist Nr. 4 so zu verstehen, dass eine Beistandschaft nur für den Fall ausgeschlossen ist, dass eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge eingerichtet ist, wird eine Einrichtung oder Erweiterung der Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge so lange nicht erforderlich im Sinne von § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB sein, wie die Beistandschaft durch den Ehegatten besteht und geleistet wird.

6. Entgegenstehender Wille (§ 1358 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB der Formulierungshilfe)
Nach § 1358 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB des Entwurfs der Formulierungshilfe ist der Ehegatte nur berechtigt, wenn der betroffene Ehegatte einen entgegenstehenden Willen nicht geäußert hat. Der Regelung und der Begründung kann nicht entnommen werden, ob es auf den freien oder den natürlichen Willen ankommt. Ein Ehegatte wird ohne rechtliche Kenntnisse nicht zwischen dem freien und natürlichen Willen unterscheiden können. Überdies wird ein beistehender Ehegatte kaum zuverlässig feststellen können, ob eine Erklärung des betroffenen Ehegatten nicht mehr von einem freien oder natürlichen Willen getragen ist. Eine zuverlässige Klärung wird in aller Regel nur von Ärzten für Psychiatrie oder Ärzten mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie zu erwarten sein.

7. Geringere Entlastung der Betreuungsgerichte
In der Begründung der Formulierungshilfe heißt es, dass die gesetzliche Beistandschaft im Bereich der Gesundheitssorge auch zu einer Entlastung der Betreuungsgerichte führe, weil Anträge auf Einrichtung einer vorläufigen Betreuung vermieden werden würden und weil der Vorschlag der Formulierungshilfe dem Wirkungsgrad des Gesetzentwurfs kaum nachstehe.
Die sich aus dem Vorschlag der Formulierungshilfe ergebende Entlastung wird nach Einschätzung des Deutschen Richterbundes jedoch in deutlich geringerem Maße zu erwarten sein als nach dem Vorschlag des Bundesrates. Die in § 1358 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 3 BGB des Entwurfs des Bundesrates vorgeschlagenen Fürsorgebereiche betreffen auch die Akutphase selbst. In der Akutphase sind Betreuungsrichterinnen und Betreuungsrichter immer wieder mit der Erstreckung der Einrichtung der vorläufigen Betreuung auf den Abschluss von Behandlungsverträgen als Teil der Vermögenssorge etc. sowie auf die Bestimmung von (genehmigungsbedürftigen) Sicherungsmaßnahmen zum Schutze der Betroffenen als Teil des Aufenthaltsbestimmungsrechts befasst. Würde eine gesetzliche Beistandschaft auf die Gesundheitssorge beschränkt werden, würde es für die vorgenannten Fälle der Einrichtung einer vorläufigen Betreuung bedürfen.

Insofern sollte es einer Evaluation vorbehalten bleiben, ob und inwiefern die Einrichtung einer gesetzlichen Beistandschaft für den Bereich der Gesundheitssorge zu einer Entlastung für die Betreuungsgerichte führt.

8. Weiteres
Darüber hinaus erscheinen weitere Punkte klärungsbedürftig:

  • Wie verhält es sich mit der Wirksamkeit von Handlungen derjenigen beistehenden Ehegatten, bei denen sich erst im Nachhinein herausstellt, dass die Voraussetzungen für eine Beistandschaft nach § 1358 Abs. 1 BGB des Entwurfs der Formulierungshilfe nicht vorgelegen haben, und zwar für den beistehenden Ehegatten, den betroffenen Ehegatten, den Arzt, das Krankenhauspersonal und ggf. Dritte? Welche zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Folgen ergeben sich aus einer rechtlichen Unwirksamkeit der Erklärungen des beistehenden Ehegatten?

  • § 274 Abs. 1 Nr. 3 FamFG des Entwurfs der Formulierungshilfe benennt den Berechtigten nach § 1358 BGB: Erfasst diese Vorschrift auch denjenigen, der sich lediglich auf seine Berechtigung beruft?

  • § 315 FamFG ist auf eine Ergänzung der Beteiligung durch den beistehenden Ehegatten bzw. denjenigen, der sich darauf beruft, zu prüfen, wenn die Gesundheitssorge bei ihm auch im Falle der Einrichtung einer Betreuung bzw. einer Vorsorgevollmacht verbleibt.

  • Zu prüfen ist, ob es einer Ergänzung der Regeln über die Beschwerdeberechtigung des beistehenden Ehegatten bzw. desjenigen, der sich darauf beruft, bedarf.